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StB 45/25

BUNDESGERICHTSHOF StB 45/25 BESCHLUSS vom 17. September 2025 in dem Strafverfahren gegen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung u.a. hier: Haftbeschwerde ECLI:DE:BGH:2025:170925BSTB45.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeklagten, seiner Verteidiger und des Generalbundesanwalts am 17. September 2025 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:

1. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2025 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I. 1 Der Angeklagte ist am 22. Mai 2023 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 2023 (1 BGs 781/23) festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. 2 Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich seit Juli 2022 bis zum 7. Dezember 2022 in Horb am Neckar und andernorts mitgliedschaftlich an einer Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) gerichtet gewesen seien, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB. 3 Der Senat hat mit Beschlüssen vom 6. Dezember 2023 (AK 87/23, StV 2025, 222) und 27. März 2024 (AK 28/24) gemäß §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. In der erstgenannten Entscheidung zur Haftfortdauer über sechs Monate hinaus hat der Senat den Vorwurf in rechtlicher Hinsicht dahin erweitert, dass der Angeklagte der tateinheitlichen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB dringend verdächtig ist.

Der Generalbundesanwalt hat wegen der vorstehenden Tat unter dem 8. Dezember 2023 Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. Dieses hat im Rahmen der Eröffnungsentscheidung vom 6. März 2024 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Die Hauptverhandlung dauert seit dem 29. April 2024 an. Bis zum 9. Juli 2025 ist an 75 Tagen verhandelt worden.

Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 8. Januar 2025 den Antrag des Angeklagten vom 9. Dezember 2024 auf Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung, des gegen ihn gerichteten Haftbefehls abgelehnt.

Der Angeklagte hat am 19. Mai 2025, mit ergänzender Begründung vom 1. Juni 2025, erneut beantragt, den gegen ihn gerichteten Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 9. Juli 2025 abgelehnt und die Haftfortdauer angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde. Er macht ‒ unter Bezugnahme auf seinen Haftprüfungsantrag ‒ insbesondere geltend, es bestünde kein dringender Tatverdacht hinsichtlich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, es lägen keine Haftgründe vor und der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig.

Mit Beschluss vom 8. August 2025 hat das Oberlandesgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Angeklagte ist der im Haftbefehl vom 15. Mai 2023 angelasteten Tat weiterhin dringend verdächtig.

a) Im Sinne eines solches Verdachts ist von einem Sachverhalt auszugehen, den der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs im angefochtenen Haftbefehl sowie der Senat in seiner Haftfortdauerentscheidung vom 6. Dezember 2023 angeführt hat und auf die verwiesen wird.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den vom Oberlandesgericht in der bisherigen Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen. Diese hat der Staatsschutzsenat im angefochtenen Beschluss und in seiner Nichtabhilfeentscheidung im Einzelnen dargelegt. Er hat seine Beweiswürdigung nachvollziehbar sowie plausibel erörtert. Hierauf wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Die tatgerichtliche Würdigung ist angesichts der laufenden Hauptverhandlung nur eingeschränkt überprüfbar (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 25. August 2021 ‒ StB 30/21, juris Rn. 11).

Nach den insoweit anzulegenden Maßstäben (s. zu diesen etwa BGH, Beschluss vom 21. September 2020 ‒ StB 28/20, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 5 Rn. 16 f. mwN) ergeben sich keine Beanstandungen. In seinen Entscheidungen hat sich das Oberlandesgericht mit den wesentlichen Beweismitteln eingehend auseinandergesetzt und dabei das Verteidigungsvorbringen im Haftprüfungsantrag sowie in der Beschwerdeschrift in den Blick genommen. Insbesondere hat es die Grundlagen für seine vorläufige Wertung aufgezeigt, wonach der Angeklagte in den militärischen Arm der terroristischen Vereinigung eingebunden war und innerhalb der Heimatschutzkompanie H.

das Gebiet F.

führte. Darüber hinaus erstellte er nach den bisher in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen gemeinsam mit dem Mitangeklagten S.

Material- und Waffenlisten. Hierfür hat das Oberlandesgericht vor allem die ihn belastenden Angaben des Mitangeklagten und ein überwachtes Telefonat vom

8. November 2022 herangezogen sowie die für seine Überzeugungsbildung maßgebenden Inhalte wiedergegeben.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das vorläufige Beweisergebnis des Staatsschutzsenats wendet, ersetzt er lediglich dessen Bewertung durch seine eigene, zeigt jedoch keinen offensichtlichen Fehler in der gerichtlichen Würdigung auf, der es unvertretbar erscheinen lässt, den Tatverdacht gegen ihn im gegenwärtigen Verfahrensstand als dringend zu erachten.

c) In rechtlicher Hinsicht hat sich der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB und durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Auf die rechtlichen Ausführungen des Senats im Haftfortdauerbeschluss vom 6. Dezember 2023 wird insoweit Bezug genommen.

2. Der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO liegt unverändert vor. Es ist unter Würdigung sämtlicher fluchthemmender und -begünstigender Faktoren eine Fluchtgefahr jedenfalls nicht auszuschließen.

a) Die für eine Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu erwartende Sanktion ist ‒ auch unter Berücksichtigung der anzurechnenden erlittenen 28-monatigen Untersuchungshaft (zur sog. Nettostraferwartung s. BGH, Beschluss vom 2. November 2016 ‒ StB 35/16, juris Rn. 9 mwN) ‒ so hoch, dass sie geeignet ist, einen hohen Fluchtanreiz auszuüben.

Eine hypothetische Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB hat das Oberlandesgericht bei der Einschätzung der drohenden weiteren Haftzeit in den Blick genommen (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 29. Dezember 2005 ‒ 2 BvR 2057/05, BVerfGK 7, 140, 161 f.; vom 4. Juni 2012 ‒ 2 BvR 644/12, BVerfGK 19, 428, 435), eine solche Aussetzung jedoch angesichts des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit für unwahrscheinlich erachtet (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2018 ‒ StB 12/18, NStZ-RR 2018, 255 f. mwN). Der Angeklagte habe sich bislang nicht maßgeblich von der terroristischen Vereinigung distanziert, die sich zum Ziel gesetzt habe, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden sowie durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Auch diese Würdigung ist plausibel. Dem Tatgericht, das allein einen unmittelbaren Eindruck vom Angeklagten aus der Hauptverhandlung gewonnen hat, kommt insoweit ein Beurteilungsraum zu (BGH, Beschluss vom 20. April 2022 ‒ StB 16/22, NStZ-RR 2022, 209, 210).

Die Ermittlungen haben zudem gezeigt, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit in der Szene derer, die ‒ als sogenannte Reichsbürger, Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes ‒ die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und ihre Überwindung erstreben, eng eingebunden und vernetzt ist. Er kann mithin hochwahrscheinlich ‒ und unabhängig von der Frage, inwieweit die Gruppierung heute noch besteht ‒ auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, die ihn im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würden. Dies gilt umso mehr, als nach den Ermittlungen sowohl seine Ehefrau als auch seine beiden Kinder mit der verfahrensgegenständlichen vermutlichen terroristischen Vereinigung sympathisierten. Danach unterzeichneten sie nicht nur Verschwiegenheitsverpflichtungen der Organisation, sondern nahmen überdies an Treffen der Gruppierung teil und bekamen vom Angeklagten konkrete Aufgaben innerhalb der Heimatschutzkompanie zugewiesen. Vor diesem Hintergrund sind gegen einige Familienmitglieder Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Nichtanzeige einer geplanten Straftat eingeleitet worden. Alldem stehen entgegen dem Beschwerdevorbringen keine ausreichend gewichtigen Umstände gegenüber, die eine Flucht nahezu ausschlössen. Auch seine Bindungen zu seiner Familie und eine verfügbare Arbeitsstelle stellen keine derartigen Umstände dar.

b) Eine ‒ bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche ‒ Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO analog) ist nicht erfolgversprechend. Unter den genannten Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO; zu den insoweit nach st. Rspr. geltenden Maßstäben s. etwa BGH, Beschluss vom 20. April 2022 ‒ StB 16/22, NStZ-RR 2022, 209, 210 mwN).

a) Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung sowie -vollstreckung ist bei Berücksichtigung und Abwägung der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens noch immer dahin aufzulösen, dass die Untersuchungshaft fortzudauern hat. Die dem Angeklagten vorgeworfenen Verbrechen wiegen schwer. Der Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, die sich die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unter Einsatz militärischer Mittel und Gewalt zum Ziel gesetzt hatte, hat eine hohe Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat das in die Abwägung einzustellende Legalitätsprinzip, das die Aufklärung und Ahndung von Straftaten gebietet, besonderes Gewicht.

b) Das Verfahren ist im Übrigen seit der Inhaftierung des Angeklagten mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden. In der seit gut eineinhalb Jahren andauernden Hauptverhandlung ist engmaschig verhandelt worden. Dass es bisher nicht möglich gewesen ist, zu einem Urteil zu gelangen, ist dem Umfang und der Komplexität der Sache sowie der Vielzahl der beteiligten Personen geschuldet. Das Vorbringen der Verteidigung, die bisherige Beweisaufnahme habe sich nur marginal mit dem Beschwerdeführer befasst, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Beweisaufnahme bezog sich maßgeblich auf die Existenz der terroristischen Vereinigung, ohne dass das Oberlandesgericht die konkreten Beteiligungshandlungen des Angeklagten aus dem Blick verloren hat.

Berg Hohoff Voigt

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