5 StR 380/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 380/24 BESCHLUSS vom 28. August 2024 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:280824B5STR380.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18. März 2024 in den Fällen 1, 2 und 4 der Urteilsgründe, im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Einziehung, soweit dieser einen Betrag von 30.650 Euro übersteigt, aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 2 und 4 der Urteilsgründe und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte in den Fällen 2 und 4 mit Marihuana im Kilogrammbereich. Im Fall 1 unterstützte er eine unbekannte Person bei dessen Handel mit zehn Kilogramm Marihuana. Die Drogen wiesen einen Wirkstoffgehalt von zehn Prozent auf. Das Landgericht hat dies – im Urteilszeitpunkt rechtlich zutreffend – in den Fällen 2 und 4 als Straftaten nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und im Fall 1 als Beihilfe zu einer solchen Tat gewürdigt. Im Rahmen der Strafzumessung hat es trotz der erheblichen Menge Cannabis insbesondere deshalb minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, weil es sich bei Marihuana um eine „weiche“ Droge handle, deren Besitz mit dem – damals kurz bevorstehenden – Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes teilweise legalisiert werden sollte. Im Fall 1 hat es den Strafrahmen zusätzlich nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert.
b) Nunmehr ist am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 109) in Kraft getreten. Da der Umgang mit Konsumcannabis abschließend im Konsumcannabisgesetz (KCanG) geregelt ist, sind darauf bezogene Handlungen allein nach § 34 KCanG zu bewerten. Dies hätte der Senat bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen, wenn die Neuregelung im Konsumcannabisgesetz sich als milder erwiese. Dies kann der Senat in der hier gegebenen Konstellation nicht abschließend entscheiden, was zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigt.
aa) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130, 131 f. mwN). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt wird, etwa durch Annahme eines gesetzlich geregelten besonders oder minder schweren Falls, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. August 2024 – 5 StR 254/24; vom 28. Mai 2024 – 3 StR 154/24 Rn. 5 mwN).
bb) In den Fällen 2 und 4 wären die Handlungen des Angeklagten bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, im Fall 1 als Beihilfe hierzu zu würdigen. Angesichts der großen Menge des gehandelten Marihuanas käme die Annahme besonders schwerer Fälle nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG in Betracht. Die Vorschrift droht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren an. Der Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes erweist sich damit in den Fällen 2 und 4 nicht als milder, als derjenige des zur Tatzeit geltenden und von der Strafkammer zur Anwendung gebrachten Strafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG, der die gleiche Strafdrohung vorsieht und damit auch bei einer weiteren Milderung nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu keinem Unterschied der Strafrahmen im Fall 1 führt. Ob das Konsumcannabisgesetz das mildere Recht ist, hängt mithin davon ab, ob angesichts des Vorliegens des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG von der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG auszugehen oder von ihr – hier zugunsten des Angeklagten – abgesehen wird. Dieser Strafzumessungsakt obliegt indes allein dem Tatgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 – 5 StR 240/24).
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können deshalb bestehen bleiben.
2. Der Wegfall der in den Fällen 1, 2 und 4 verhängten Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung der Verurteilung kann auch die daran anknüpfende – für sich genommen rechtsfehlerfreie – Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73, 73c StGB keinen Bestand haben. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es auch insoweit nicht.
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