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14 W (pat) 48/12

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 48/12 Verkündet am 7. Februar 2017

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2005 016 517 …

BPatG 154 08.05

…

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2017 unter Mitwirkung der Richterin Dr. Münzberg als Vorsitzende, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der Richterin Dr. Wagner beschlossen:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2012 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 10 2005 016 517 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu unbedenklichem Hausmüll, insbesondere für eine Inkontinenz-Müll-Desinfektionsanlage" in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 20 zu Grunde, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1, 9 und 17 bis 20 wie folgt lauten:

"

" Der Beschluss ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Gegenstände des Streitpatents nach den erteilten Patentansprüchen 1 und 9 nicht unzulässig erweitert und so deutlich und vollständig offenbart seien, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Desweiteren seien sie gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik, insbesondere den Druckschriften D1 WO 94/21120 A1 D2 WO 91/11202 A1 D3 US 5 674 450 A D4 DE 100 32 390 A1 D5 DE 101 14 946 A1 D6 WO 86/05100 A1 D7 DE 695 16 140 T2 D8 US 3 489 505 D9 US 2001/0024887 A1 D10 DE 42 25 430 A1 D11 DE 44 17 512 A1 D12 DE 32 31 221 A1 D13 DE 43 29 628 C1 D14 US 5 203 458 A D15 EP 0 381 020 B1 D16 WO 97/03899 A1 D17 DE 197 37 338 A1 D18 DE 203 12 284 U1 D19 DE 693 03 177 T4 D20 EP 0 963 924 A2 D21 Falbe, J. und Regitz, M. (Hrsg.), "Römpp Chemie Lexikon", Thieme Verlag Stuttgart, 1989, Bd. 1, S. 65 bis 66, Stichwort "Aerosole" E1 Produktbroschüre

"Schluckspecht".

URL:

www.EM- Schluckspecht.de, mit Bedienungsanleitung E2 "Doku Verletzung CAMED": Dokumentation zur Verletzung, S. 1 bis

14 E3 Müllklassifizierung. Webdokument. URL: http://www.pflegewiki.de/

wiki/M%C3%BCllklassifizierung, 10. Mai 2012, S. 1 bis 4 (1 Blatt)

neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

So seien die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 9 wortwörtlich den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen.

Aus dem Gesamtinhalt der Patentschrift ergebe sich für den Fachmann, dass eine "Desinfektions-Aerosollösung" eine flüssige Lösung sei, die eine desinfizierende Wirkung besitze und die bereits in Tröpfchenform vorliege oder eine solche beim Einspritzen in die Vakuumkammer bilde, also vom Aggregatszustand her eine Flüssigkeit sei. Desweiteren erschließe sich auf den ersten Blick, dass der Müllbeutel geöffnet in die Vakuumkammer einzubringen sei, da sich ansonsten der Müllsack unter Wirkung des Vakuums aufblähen und eventuell platzen würde. Anders sei es auch nicht möglich, dass das desinfizierende Aerosol anspruchsgemäß den Müll durchströmen könne. Dieses Durchströmen ergebe sich durch das Einströmen und Sich-Ausbreiten des Aerosolträgergases in der evakuierten Vakuumkammer und damit auch in das Volumen des offenen Müllsacks, wobei das Aerosol vom einströmenden Trägergas mitgerissen werde, so dass es sich auf den Müll absetzen könne. Schließlich sei das Mittel zum Öffnen eines Ventils in Verbindung mit den weiteren beanspruchten Merkmalen unter Berücksichtigung des streitpatentgemäßen Ausführungsbeispiels als direkte oder indirekte Verbindung mit der Desinfektions-Aerosollösung zu verstehen.

Bei der Beurteilung der Neuheit sei für das Verständnis des streitpatentgemäßen Ventils zu einer Desinfektions-Aerosollösung entscheidend, dass dieses so ausgebildet sei, dass sich nach dem Öffnen des Ventils tatsächlich ein Aerosol aus desinfizierenden Flüssigkeitstropfen in der Vakuumkammer bilde. Folglich seien die vorgebrachten Entgegenhaltungen D1 bis D10 nicht neuheitsschädlich, da diese allesamt entweder gasförmige Desinfektionsmittel oder allgemein ein sterilisierendes Medium verwenden würden. Das in D8 aufgezeigte Aerosol sei nur im Zusammenhang mit der Charakterisierung einer geeigneten Ethylenoxidgas-Kartusche offenbart, wobei aber in D8 das Ethylenoxid selber gasförmig verwendet werde. Die weiteren Druckschriften befassten sich entweder gar nicht mit der Desinfektion von Müll oder arbeiteten bei Umgebungsbedingungen und nicht in einer Vakuumkammer.

Die Streitgegenstände beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der diskutierte Stand der Technik keine Anregung vermittle, eine Sterilisierungs- bzw. Desinfektionsflüssigkeit beim Eintritt in eine Vakuumkammer zu einem Aerosol zu zerstäuben und den darauffolgenden Druckanstieg in der Kammer dazu auszunutzen, das Aerosol in den Müll eines in dieser Vakuumkammer befindlichen Müllbeutels zu treiben.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Einsprechenden. Sie verweisen zusätzlich auf folgende Druckschriften D22 Duden: "Mittel, das", www.duden.de/rechtschreibung/ Mittel_ Arznei_Geld_Behelf, Auszug vom 12. Januar 2017, 1 Seite D23 Wieghardt, K., "Theoretische Strömungslehre", Universitätsverlag Göttingen 2005, Nachdruck der 2. Auflage 1974 (B. G. Teubner Verlag Stuttgart), Inhaltsverzeichnis und S. 11 D24 Wozniak, G., "Zerstäubungstechnik – Prinzipien, Verfahren, Geräte", Springer Verlag Berlin, 2003, S. 42 und 58 D25 Sonntag, H., "Lehrbuch der Kolloidwissenschaft", VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin, 1977, S. 62 und 63 und machen im Wesentlichen geltend, dass die Streitgegenstände gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen unzulässig erweitert seien. Weiterhin seien sie weder ausführbar noch neu und beruhten auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

So sei ein "Mittel zum Öffnen eines Ventils" nicht in den Anmeldeunterlagen offenbart. Weiterhin zeige die ursprünglich eingereichte Patentbeschreibung nur eine Vorrichtung und ein Verfahren für eine Inkontinenzmülldesinfektion auf, nicht aber grundsätzlich für eine Desinfektion von mit Viren und/oder Bakterien behaftetem Müll. Auch fehle in den Patentansprüchen die ursprünglich offenbarte Desinfektionsanlage, welche Desinfektionströpfchen in die Vorrichtung einspritze. Zudem werde in den Anmeldeunterlagen ein Kombinationsgerät mit notwendigen Merkmalen beschrieben, von denen sich in den Patentansprüchen 1 und 9 nicht alle wiederfänden. Schließlich sei das ursprünglich angeführte Askomal unzulässig zu einem Geruchsneutralisierer verallgemeinert.

Hinsichtlich der Nacharbeitbarkeit sei wegen mangelnder Offenbarung fraglich, um was es sich bei dem im Patentanspruch 1 angeführten Mittel zum Öffnen eines Ventils handeln solle. Weiterhin sei aus dem Streitpatent nicht klar und eindeutig zu erkennen, ob der Vorgang des Einspritzens des Desinfektionsmittels in die Vakuumkammer ein Einspritzen einer Lösung, die aufgrund des in der Kammer herrschenden Vakuums zerstäube und erst in diesem Moment entsprechende Tröpfchen bilde, oder ein Einspritzen eines bereits bestehenden Aerosols umfasse. Schließlich sei der Begriff "Desinfektions-Aerosollösung" nicht eindeutig nacharbeitbar offenbart, weil ein Durchströmen des Mülls nur mit einem Gas oder einem Dampf nicht aber mit einer Flüssigkeit möglich sei.

Die Neuheit sei nicht gegeben, da insbesondere aus D2 eine Müllbehandlungsvorrichtung bekannt sei, die eine Vakuumkammer sowie ein Ventil aufweise, mit dem eine Desinfektionslösung in die Vakuumkammer einbringbar sei. Die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 seien, soweit sie sich auf ein Aerosol bzw. auf Verfahrensmaßnahmen bezögen, für den Vorrichtungsgegenstand nicht relevant. Auch stellen die Einsprechenden infrage, ob das beschriebene Gerät "Schluckspecht" nicht bereits vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, da das Gerät laut Vortrag der Patentinhaberin bereits in der Vergangenheit vertrieben worden sei. Dazu beantragen die Beschwerdeführerinnen, den Erfinder als Zeugen zu vernehmen.

Zur erfinderischen Tätigkeit haben sich die Einsprechenden im Beschwerdeverfahren nicht mehr im Detail geäußert. Gemäß den Schriftsätzen im Einspruchsverfahren vor dem DPMA sehen sie in der streitpatentgemäßen Beanspruchung einer Aerosoldesinfektion lediglich die Verwendung eines gegenüber dem Stand der Technik alternativen Desinfektionsmittels. Dies sei aber eine einfache technische Weiterentwicklung eines an sich bekannten Verfahrens, die keine erfinderische Tätigkeit begründen könne.

Die Einsprechenden beantragen,

den Beschluss der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Mai 2012 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Patentinhaberin trägt vor, die Gegenstände des Streitpatents gingen an keiner Stelle über den Inhalt der Anmeldung in der am Anmeldetag beim DPMA eingereichten Fassung hinaus. So sei ein "Mittel zum Öffnen eines Ventils" durch die Formulierung "Öffnen eines Ventil zur Desinfektions-Aerosollösung" offenbart. Auch müssten für die Offenbarung die Anmeldeunterlagen als Ganzes betrachtet werden, so dass klar ersichtlich sei, dass die Erfindung einen weiteren Verwendungsbereich als die Desinfektion von Inkontinenz-Müll umfasse. Bei genauerer Betrachtung würden zudem die drei nebengeordneten Patentansprüche 1, 9 und 17 faktisch "eine Desinfektionsanlage, welche Desinfektionströpfchen in eine Kammer einsprüht" offenbaren. Die bei der Beschreibung des Kombinationsgeräts aufgezeigten Verfahrensmerkmale seien im nebengeordneten Verfahrensanspruch 17 vorgesehen. Schließlich handele es sich bei dem Begriff "Askomal" um ein Kunstwort des Erfinders, weshalb zur Formulierung eines klaren Patentanspruchs die eindeutige Angabe "Geruchsneutralisierer" aufgenommen worden sei.

Die Ausführung der Streitgegenstände bereite dem Fachmann auch keine Schwierigkeiten. So seien ihm Mittel zum Öffnen eines Ventils in Abhängigkeit der verwendeten Ventilart bekannt. Die Zusammenhänge zwischen der DesinfektionsAerosollösung und dem Durchströmen des Mülls mit einem Gas oder Dampf würden sich aus der Strömungslehre als Lehre von der Bewegung und vom Verhalten flüssiger und gasförmiger Stoffe ergeben. Zudem entnehme der Fachmann beim Lesen der vollständigen Patentschrift die klare technische Lehre, dass spätestens in der Kammer feinverteilte Tröpfchen der Desinfektionslösung, also ein Aerosol, generiert sein müssten. Die Erfindung nutze im Übrigen mit dem Kapillareffekt durch adsorbierte Flüssigkeitströpfchen nahe einer Kavität in der Mülloberfläche und mit der Kapillarkondensation in engen Kapillaren wenigstens zwei wohlbekannte physikalische Phänomene. Schließlich könne der Fachmann die Menge der zu verwendenden Desinfektionslösung mit Hilfe der bekannten Thomson-Gleichung und der allgemeinen Gasgleichung berechnen.

Die Streitgegenstände seien auch gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik patentfähig. Im aufgezeigten Stand der Technik sei die Verwendung eines Aerosols in Verbindung mit einer Vakuumkammer unter Ausnutzung der Kapillarwirkung nicht vorbeschrieben. Auch gebe es keinen Hinweis in diese Richtung, so dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegeben seien. Zudem umfasse der Begriff Aerosol eindeutig nicht Wasserdampf oder Dampf im Allgemeinen, wobei zu beachten sei, dass heißer Wasserdampf seine entkeimende Wirkung aufgrund der eingebrachten Wärme entwickle, während ein Desinfektions-Aerosol, welches bereits bei Raumtemperatur wirke, aufgrund der chemischen Eigenschaften der Flüssigkeitströpfchen innerhalb der kontinuierlichen Phase des Trägergases und aufgrund der ausgenutzten Kapillarwirkung desinfizierend wirke.

Die Einsprechenden haben mit Schriftsatz vom 3. Februar 2017 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und wegen des Wortlauts der rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 16 wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerden der Einsprechenden sind frist- und formgerecht eingegangen und im Übrigen zulässig. In der Sache haben sie jedoch keinen Erfolg, weil die beanspruchte Vorrichtung und die beanspruchten Verfahren zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls sowie deren Verwendungen alle Anforderungen an die Patentfähigkeit erfüllen.

1. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 20 sind nicht unzulässig erweitert. Die Vorrichtungsansprüche 1 bis 6 leiten sich von den ursprünglich eingereichten Unterlagen her (vgl. "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.1 Abs. 2 und "Anmeldung zum Patent" S. 2 Abs. 2). Dasselbe gilt für die Verfahrensansprüche 9 bis 14. Die Merkmale im Kennzeichen der nachgeordneten Patentansprüche 7, 8, 15 und 16 sind dabei im Absatz 3 auf Seite 2 des ursprünglich eingereichten Teils "Anmeldung zum Patent" offenbart. Der Verfahrensanspruch 17 leitet sich vom vorletzten Absatz auf S. 3 des ursprünglich eingereichten Teils "Anmeldung zum Patent" her. Die Merkmale des Verwendungsanspruchs 18 sind im ursprünglich eingereichten Teil "Patentbeschreibung", Absatz 1 aufgezeigt und die des Verwendungsanspruchs 19 im letzten Absatz des Teils "Patentbeschreibung" und im ersten Absatz des Teils "Anmeldung zum Patent". Der Verwendungsanspruch 20 leitet sich schließlich von der Textpassage in Absatz 2 auf Seite 2 bis Absatz 2 auf Seite 3 des Teils "Anmeldung zum Patent" her.

Entgegen der Ansicht der Einsprechenden ist den ursprünglich eingereichten Unterlagen jedenfalls implizit ein Mittel zum Öffnen eines Ventils zur DesinfektionsAerosollösung zu entnehmen. Bei der Prüfung der unzulässigen Erweiterung ist zu beachten, dass auch dasjenige offenbart ist, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf. (vgl. BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin). In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird beschrieben,

dass ein Ventil zur Desinfektions-Aerosollösung geöffnet wird (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 2 Abs. 2, Z. 6). Um ein Ventil öffnen zu können, ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass dieses nur mit einer Einrichtung, die in der Streitpatentschrift als Mittel bezeichnet wird, geöffnet werden kann. In der Fachwelt bekannte Beispiele für derartige Mittel sind – wie die Patentinhaberin glaubhaft vorgetragen hat – u. a. ein Handrad mit Spindel bei einem Handventil bzw. elektrische, pneumatische oder elektromagnetische Antriebe bei entsprechend ausgestalteten Ventilen. Die Beanspruchung eines Mittels zum Öffnen eines Ventils zur Desinfektions-Aerosollösung führt somit zu keiner unzulässigen Erweiterung.

Das Argument der Einsprechenden, dass die ursprünglich eingereichten Unterlagen nur auf die Behandlung von Inkontinenzmüll gerichtet seien, kann nicht durchgreifen. Denn zum einen ist die Formulierung der Patentansprüche 1, 9 und 17 wortwörtlich aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen (vgl. Teil "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.1 Abs. 2). Zum anderen soll das beanspruchte Gerät auch zur hygienischen Entsorgung von Küchenmüll dienen (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 1 Abs. 1), bei dem es sich aber nicht um Inkontinenzmüll handelt. Denn Inkontinenzmüll zeichnet sich laut den ursprünglich eingereichten Unterlagen durch das Vorhandensein von Keimen, Viren und bakterienbehafteten Abfall aus (vgl. Teil "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.1 Abs. 1), während Küchenmüll Speisereste und Lebensmittelabfälle umfasst und auch in der Fachwelt von Inkontinenzmüll eindeutig in der Weise unterschieden wird, dass Küchenmüll als Klasse-A-Müll und Inkontinenzmüll als Klasse-B- oder Klasse-C-Müll einklassifiziert wird (vgl. E3).

Auch gegenüber dem in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbarten Merkmal der Desinfektionströpfchen einspritzenden Desinfektionsanlage sind die Streitgegenstände gemäß den Patentansprüchen 1, 9 und 17 nicht unzulässig erweitert (vgl. Teil "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.2. Gliederungspunkt 2.). Den ursprünglich eingereichten Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Einspritzen der Desinfektions-Aerosollösung durch das Öffnen des Ventils der in Unterdruck versetzten Kammer zur Desinfektions-Aerosollösung erreicht wird, woraufhin der Müll mit Aerosol-Desinfektion durchströmt und somit im Müllsack bzw. Müllbeutel durch Differenzdruck von außen zwangsdesinfiziert wird (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 2 Abs. 2, v. a. Z. 5 bis 8). Dementsprechend enthalten die Patentansprüche 1 und 9 als konstruktives Merkmal ein Ventil sowie ein Mittel zum Öffnen dieses Ventils, das die in Unterdruck versetzte Kammer zu einer Desinfektions-Aerosollösung hin öffnet und durch das die Desinfektionströpfchen in die Kammer eingespritzt werden. Das Ventil sowie das Mittel zum Öffnen des Ventils stellen folglich eine mögliche Ausführungsform der Desinfektionsanlage dar, die in den Patentansprüchen 1 und 9 in zulässiger Weise konkretisiert ist. Hinsichtlich des nebengeordneten Patentanspruchs 17 wird das streitpatentgemäße Öffnen des Ventils zur Desinfektions-Aerosollösung und damit implizit auch das dazu notwendige Ventil durch die Formulierung "Teilflutung-Differenzdruck mit DesinfektionsAerosol" umschrieben. Denn mit dieser Formulierung sind das streitpatentgemäße Desinfektionsverfahren der Aerosol-Mülldesinfektion in einer in Unterdruck versetzten Kammer und die dazu erforderlichen Vorrichtungsmerkmale zusammengefasst, was sich ebenfalls aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ergibt (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 3 Abs. 5 i. V. m. S. 2 Abs. 2), so dass auch dieser Patentanspruch nicht unzulässig erweitert ist.

Im Übrigen sind die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 9 auch nicht dadurch unzulässig erweitert, dass sie die Verfahrensschritte Endvakuumieren, Schließen des Verpackungsmaterials und Abluftfiltrierung nicht berücksichtigen und somit nicht alle erfindungswesentlichen Merkmale enthalten. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen ist angegeben, dass ein Gerät mit dem Namen "Schluckspecht" angemeldet wird (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent", S. 3 Abs. 3 und 4). Dieses Gerät "Schluckspecht" wird auf der vorangehenden Seite im Detail beschrieben (vgl. a. a. O., S. 2 Abs. 1 und 2). Desweiteren offenbaren die ursprünglich eingereichten Unterlagen, dass der Schluckspecht auch als Kombinationsgerät ausgestaltet sein kann, mit dem dann die in Frage stehenden Verfah- rensschritte durchgeführt werden können (vgl. a. a. O., S. 3 Abs. 5). Dieses Kombinationsgerät stellt somit eine weitere Ausführungsform der streitpatentgemäßen Erfindung dar, die das Streitpatent im Patentanspruch 17 berücksichtigt, so dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 9 nicht auf diese weitere Ausführungsform zu beschränken sind.

Schließlich stellt die Verwendung des Begriffs "Geruchsneutralisierer" in den Patentansprüchen 8 und 16 keine unzulässige Erweiterung dar. Denn Verallgemeinerungen sind in der Regel unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (vgl. Busse PatG, 8. Aufl., § 21 Rn. 87 und BGH, GRUR 2015, 249 – Schleifprodukt m. w. N.). Diesen Grundsätzen folgend entnimmt der Fachmann, ein Verfahrensingenieur mit langjähriger Erfahrung im Bau und Konzipierung von Entsorgungseinrichtungen für mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Abfällen, wie beispielsweise von krankenhausspezifischen Abfällen, dem Gesamtinhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinsichtlich der Formulierung "Askomal (Geruchsneutralisierer)", dass ein Abluftbereiter im Kammerabluft-Austragungsbereich erforderlich ist. Dieser Abluftbereiter kann entweder als Aktivkohlefilter oder als Luftwäscher mit einer Desinfektionslösung und Askomal als Geruchsneutralisierer ausgestattet sein (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 2 Abs. 3). Für den Fachmann ist somit Askomal im Gesamtzusammenhang der ursprünglich eingereichten Unterlagen als ein Beispiel für einen Geruchsneutralisierer offenbart. Er versteht aber zugleich, dass es nicht auf das beispielhafte Askomal ankommt, sondern darauf, dass erfindungsgemäß ein Geruchsneutralisierer im Luftwäscher zu verwenden ist.

2. Gemäß den schriftlichen Ausführungen der Einsprechenden sei der Streitpatentschrift nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Desinfektions-Aerosollösung als Lösung oder als Aerosol in die Behandlungskammer eingeführt werde.

Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit bedarf es daher zunächst einer Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Streitpatent angesprochenen Fachmanns aus dem Patentanspruch 1 ergibt. Dazu ist der Sinngehalt dieses Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag des Merkmals "Desinfektions-Aerosollösung" zum Leistungsergebnis der Erfindung unter Heranziehung der erläuternden Beschreibung durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum).

Der Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift explizit, dass Desinfektionströpfchen eingespritzt werden, die unter Vakuum mit Berührung aufplatzen und somit ein Aerosol bilden, das bei zeitgleichem Reduzieren des Vakuums den vorher evakuierten Raum der Kammer durchströmt und die Viren und Bakterien zerstört (vgl. Streitpatentschrift S. 2 Abs. [0009]). Demnach ist es streitpatentgemäß entscheidend, dass die Desinfektions-Aerosollösung in der Kammer als Aerosol vorliegt.

Unter einem Aerosol versteht der Fachmann dabei ein kolloides System aus einem Gas mit darin verteilten kleinen festen oder flüssigen Teilchen (vgl. D21 S. 65 Stichwort "Aerosole" Satz 1). In der streitgegenständlichen Vorrichtung besteht somit das in der Kammer vorliegende Aerosol aus kleinen flüssigen Desinfektionsmittelteilchen, die fein verteilt in Luft vorliegen. Das Desinfektionsmittel liegt folglich nicht als Dampf oder Gas vor. Denn mit Dampf bezeichnet der Fachmann den gasförmigen Aggregatszustand eines Stoffes, in den dieser durch Sieden oder durch Sublimation gelangt. Der Unterschied zwischen kleinen flüssigen Teilchen und gasförmigen Teilchen liegt dabei darin, dass im gasförmigen Aggregatszustand keine anziehenden Kräfte zwischen den einzelnen Molekülteilchen bestehen, so dass in Gasen keine räumliche Ordnung mehr vorliegt und diese den zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig ausfüllen, während im flüssigen Aggregatszustand die Kräfte zwischen den einzelnen Molekülteilchen noch so stark sind, dass die Substanz ein begrenztes Volumen – vorliegend in Form kleiner Tröpfchen – einnimmt und sich eine Oberfläche ausbildet.

Die von den Einsprechenden aufgeworfene Frage, ob dabei die DesinfektionsAerosollösung bereits vor der Kammer oder erst unmittelbar beim Einströmen in die Kammer zu einem Aerosol zerstäubt wird, spielt für die erfindungsgemäße Lehre keine Rolle und muss daher nicht entschieden werden, da dafür nur entscheidend ist, dass in der Kammer das Desinfektionsmittel als Aerosol vorliegt. Allerdings spricht die Formulierung im Absatz [0009] der Streitpatentschrift für eine Bildung des Aerosols beim Einströmen in die Kammer, zumal es ein bekanntes und oft genutztes technisches Prinzip bei der Aerosolherstellung ist, eine Flüssigkeit durch Expansion in einen Raum mit erheblich niedrigeren Druck zu einem Aerosol zu zerstäuben (vgl. D21 S. 66 li. Sp. Z. 5 bis 18).

3. Die Vorrichtung zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu unbedenklichem Hausmüll gemäß Patentanspruch 1 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie nacharbeiten kann.

Den Einsprechenden ist zwar insoweit zu folgen, dass die Streitpatentschrift explizit keine Mittel zum Öffnen eines Ventils im Zeitpunkt des erreichten Unterdruck-Zustands in der Kammer zu einer Desinfektions-Aerosollösung aufzeigt. Aber – wie schon bei der Prüfung der Ursprungsoffenbarung ausgeführt – beachtet der Fachmann auch dasjenige als offenbart, was in den Patentansprüchen und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus seiner Sicht jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner Offenbarung bedarf. Diese Voraussetzung trifft auf die diskutierten Mittel zur Öffnung eines Ventils zu. Dem Fachmann sind nämlich diese nicht explizit offenbarten Mittel zur Öffnung eines Ventils zwischen einer Zuleitung und einer evakuierten Behandlungskammer geläufig und werden von ihm standardmäßig eingesetzt (vgl. II.1. Abs. 2). Bei der Auswahl aus den ihm bekannten Beispielen für diese Mittel hat er lediglich darauf zu achten, dass nach dem Öffnen des Ventils die Desinfektions-Aerosollösung in der Kammer tatsächlich als Aerosol vorliegt. Gegebenenfalls verschafft er sich daher mit Hilfe orientierender Versuche einen Überblick über die Eignung der ihm bekannten Mittel zur Öffnung eines Ventils für die streitpatentgemäße Vorrichtung (vgl. Busse PatG, 8. Aufl., § 34 Rn. 291).

Nachdem die Streitpatentschrift auch für den Begriff "Desinfektions-Aerosollösung" eine eindeutige Lehre vermittelt (vgl. II.2.), hat der Fachmann bei der Nacharbeitung dieser Lehre folgend lediglich darauf zu achten, dass in der Behandlungskammer das Desinfektionsmittel als Aerosol vorliegt. Sollte dazu die Aerosolbildung beim Einströmen in die Kammer erfolgen, wird er die Vorrichtung, insbesondere das Einlassventil, entsprechend seines Fachwissens ausgestalten, z. B. durch fachübliche Ausgestaltung des Ventils als Zerstäuber (vgl. D24 S. 58 Mitte).

Zudem spielt die Frage des Kondensationsorts für die Nacharbeitbarkeit keine Rolle. Das Desinfektionsmittel verbreitet sich als Aerosol feinverteilt in Luft mit dieser gleichmäßig in der gesamten Kammer, durchströmt dabei auch den zu behandelnden Müll und scheidet sich an allen Oberflächen, also auch an der Oberfläche des Mülls, ab. Durch die Abscheidung an der Mülloberfläche wird diese benetzt, wobei die abgeschiedenen flüssigen Desinfektionsmittelteilchen einen Kapillaranstieg erfahren, also in enge Spalten oder Hohlräume des Mülls hineingezogen werden. Das Streitpatent nutzt somit dieses als Kapillareffekt dem Fachmann bekannte physikalische Phänomen, das bei der Nacharbeitung zwangsläufig zu beobachten ist, weil die Desinfektions-Aerosollösung in der Kammer als Aerosol vorliegt. Der Kapillareffekt ist dabei nicht nur in Kavitäten poröser Müllmaterialien zu beobachten, sondern – wie die Patentinhaberin glaubhaft vorgetragen hat – auch bei Müllmaterialien mit glatten Oberflächen. Hier entstehen die Kavitäten erst bei der Zusammenlagerung des Mülls im Müllbeutel. Daher ist mit der bean- spruchten Vorrichtung die Behandlung von sämtlichem mit Keimen, Viren und/ oder Bakterien behafteten Müll ausführbar.

Hinsichtlich der ebenfalls beanspruchten Verweilzeit erfährt der Fachmann aus der Streitpatentschrift, dass die Desinfektion eine Wirkzeit benötigt, während der die Desinfektions-Aerosollösung durch Kapillarwirkung am Müll anhaftet und ihre desinfizierende Wirkung ausübt (vgl. Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0023]). Damit entnimmt der Fachmann der Streitpatentschrift, dass er eine gewisse Einwirkzeit für die Desinfektion des Mülls benötigt. Über die Dauer der Verweilzeit verschafft sich der Fachmann dann ebenso wie über die Menge an benötigter DesinfektionsAerosollösung mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit (vgl. Busse a. a. O.).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher für den Fachmann unter Berücksichtigung seines physikalisch-chemischen und verfahrenstechnischen Fachwissens ausführbar.

4. Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 ist neu.

Keines der angeführten Dokumente offenbart eine Vorrichtung zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu unbedenklichen Hausmüll mit sämtlichen streitpatentgemäßen Merkmalen.

Die Druckschrift D2 betrifft einen chemischen Dampfsterilisator, bei dem das flüssige Sterilisationsmittel aus einem Reservoir 16 über die Ladekammer (= "shot chamber") 18 in die Sterilisationskammer 10 eingeleitet wird (vgl. D2 Fig. 1 i. V. m. S. 1 Z. 5 bis 9, S. 6 Z. 33 bis S. 7 Z. 5). Dort wird das Sterilisationsmittel durch Erhitzen unter Druckanstieg verdampft und das Material durch das nunmehr gasförmige Sterilisationsmittel sterilisiert. Abschließend wird die Kammer wieder belüftet (vgl. D2 S. 10 Z. 22 bis 30, S. 11 Z. 14 bis 27 und S. 12 Z. 1 bis 17). Damit erfolgt in D2 zuerst die Zugabe des Sterilisationsmittels in flüssiger Form, bevor dieses in einem anschließenden Schritt durch Heizen verdampft und damit in den gasförmigen Zustand überführt wird. Denn mit der Verdampfung durch Erhitzen bezeichnet der Fachmann den Aggregatsübergang eines molekularen Stoffes vom flüssigen oder festen Zustand in den gasförmigen Zustand. Die Bildung eines Sterilisationsmittel-Aerosols, also eines kolloidalen Systems aus einem Gas, wie z. B. Luft, und darin verteilten kleinen flüssigen Teilchen aus Sterilisationsmittel, wird durch diesen Prozess und die dafür verwendete Vorrichtung nicht offenbart.

Die Vorrichtung gemäß D2 zeigt auch nicht implizit die streitpatentgemäße Vorrichtung auf. Denn ohne das Ziel, in der Sterilisationskammer gemäß D2 das Sterilisationsmittel als Aerosol zu verwenden, wird der Fachmann auch nicht das Ventil in der Zuführleitung des Sterilisationsmittels zur Sterilisationskammer derart ausgestalten, dass es das Sterilisationsmittel beim Einströmen zu einem Aerosol zerstäubt. Für den Fachmann macht dies auch schon deswegen keinen Sinn, weil das Sterilisationsmittel gemäß der Lehre der D2 nach dem Einströmen in die Kammer durch Heizen verdampft wird. Ausgehend von einem Aerosol wäre aber ein Verdampfen nicht mehr notwendig, um das Sterilisationsmittel in der Kammer gleichmäßig zu verteilen. Deshalb liest er eine Vorrichtung, die ein Aerosol in der Sterilisationskammer vorsieht, beim Durcharbeiten der D2 auch nicht mit.

Die Druckschriften D4, D5, D9, D10 und D11 offenbaren jeweils Desinfektionsvorrichtungen von Müll mittels Wasserdampf (vgl. D4 Patentansprüche 1, 9, 10, Sp. 2 Abs. [0011], Sp. 2/3 Abs. [0017]; vgl. D5 Patentanspruch 1; vgl. D9 Patentansprüche 1, 16, S. 2 Abs. [0019], S. 4 Abs. [0043], [0044]; vgl. D10 Patentanspruch 1; vgl. D11 Patentanspruch 1). Da der Fachmann mit dem Begriff Wasserdampf den gasförmigen Aggregationszustand des Moleküls "Wasser" bezeichnet, nehmen auch diese Druckschriften die streitpatentgemäße Vorrichtung, in der ein Aerosol gehandhabt wird, nicht vorweg. Dasselbe gilt für die Dampfsterilisatoren betreffenden Druckschriften D1 und D3, in denen Persäuredampf bzw. Wasserstoffperoxiddampf als Sterilisationsmittel verwendet werden (vgl. D1 Patentanspruch 1, S. 9 Z. 22 bis 26, S. 10 Z. 21 bis 23; vgl. D3 Patentanspruch 1, Sp. 11 Z. 23 bis 30).

In den Druckschriften D6, D7, D8 und D19 werden Sterilisationsvorrichtungen beschrieben, bei denen gasförmiges Ozon bzw. Ethylenoxid als Sterilisationsmittel verwendet werden (vgl. D6 Zusammenfassung, Patentansprüche 1, 11; vgl. D7 Patentansprüche 1, 2, S. 5 Z. 13 bis 22, S. 6 Z. 1 bis 10; vgl. D8 Abstract, Patentanspruch 1; vgl. D19 Patentanspruch 1, S. 11 Abs. 2). Auch diese Druckschriften unterscheiden sich vom Streitgegenstand darin, dass sie kein Aerosol handhaben und somit nicht die entsprechenden Einrichtungen für dessen Erzeugung aufweisen. Dass dabei in D8 im Zusammenhang mit der Versorgung der Sterilisationseinrichtung mit Ethylenoxidgas eine Aerosol-Kartusche beschrieben wird (vgl. D8 Sp. 2 Z. 41 bis 47), führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Kartusche dient gemäß D8 allein dazu, genügend Ethylenoxidgas bereitzustellen (vgl. D8 Sp. 2 Z. 48 bis 50). Ein Zusammenhang mit der Sterilisation und eines dabei zu verwendenden Ethylenoxid-Aerosols wird durch diese Offenbarung nicht aufgezeigt.

In D20 wird schließlich Müll durch Aufbringen eines ein Desinfektionsmittel enthaltenden Kunststoffs in flüssiger Form bei Normaldruck desinfiziert. Nach Aushärten des Kunststoffs ist der Müll von einem Kunststofffilm bedeckt (vgl. D20 Abstract, Patentansprüche 1 bis 3). Somit unterscheidet sich die D20 von der streitpatentgemäßen Vorrichtung darin, dass in D20 weder ein Aerosol verwendet noch unter Unterdruckbedingungen gearbeitet wird und daher entsprechende Einrichtungen an der Müllbehandlungsvorrichtung nicht notwendig sind.

Die übrigen dem Senat vorliegenden und im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen können die Neuheit des Streitgegenstands gemäß Patentanspruch 1 ebenfalls nicht in Frage stellen, da sie entweder lediglich die Abfüllung und Verpackung von Müll und damit nicht die Mülldesinfektion betreffen oder allgemeinen Stand der Technik darstellen.

Soweit die Einsprechenden eine offenkundige Vorbenutzung durch das Gerät "Schluckspecht" gemäß E1 geltend gemacht haben, musste dieser Aspekt bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentgegenstands außer Betracht bleiben. Nachdem die Einsprechenden – wie schriftsätzlich angekündigt – nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, konnte der entsprechende, von der Patentinhaberin bestrittene Vortag nicht weiter konkretisiert werden, insbesondere im Hinblick auf den genauen Zeitpunkt bzw. die genauen Umstände der vermeintlichen Vorbenutzung. Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der insoweit bestehenden Mitwirkungspflichten der Parteien hatte der Senat keine Veranlassung, der Frage der angeblichen Vorbenutzung weiter nachzugehen (vgl. hierzu auch Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 59 Rn. 208 ff.).

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine hinsichtlich Energiekosten, Zeitaufwand und Geräte-Baugrößen verbesserte Vorrichtung und ein verbessertes Verfahren zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls in unbedenklichen Hausmüll bereitzustellen (vgl. Streitpatent S. 2 Abs. [0007]).

Zur Lösung der Aufgabe, wie sie durch die Ausgestaltung der Vorrichtung zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls mit den Merkmalen nach Patentanspruch 1 erreicht wird, gelangt der Fachmann mit keinem der im Verfahren genannten Dokumente. Denn keine dieser Druckschriften kann ihm Hinweise dahingehend vermitteln, die Desinfektionsvorrichtung derart auszugestalten, dass das Desinfektionsmittel in der Behandlungskammer als Aerosol vorliegt, welches den Müll durchströmt und desinfiziert, wobei es am Müll durch Kapillarwirkung anhaftet (vgl. Streitpatentschrift S. 2 Abs. [0009] und S. 3 Abs. [0023]).

Die D2 strebt einen chemischen Dampfsterilisator an, der leicht zu bedienen ist und den Verlust an Sterilisationsmittel minimiert (vgl. D2 S. 2 Abs. 2). Als Lösung gibt sie einen Sterilisator an, bei dem das Sterilisationsmittel in flüssigem Zustand aus einem Vorratsbehälter über eine Ladekammer, mit deren Hilfe die genaue Menge an Sterilisationsflüssigkeit für den einzelnen Sterilisationsschritt eingestellt wird, mittels Schwerkraft in eine vorevakuierte Sterilisationskammer eingeleitet und dort anschließend verdampft wird, wobei ein Überdruck entsteht. Durch diese Apparatur wird der Verlust an sterilisierender Aktivität durch die gezielte Verteilung von Luft und sterilisierenden Gasen in hohem Maße reduziert (vgl. D2 Fig. 1 i. V. m. S. 5 Z. 18 bis 26, 31 bis 33, S. 6 Z. 33 bis S. 7 Z. 8, S. 10 Z. 22 bis 30, S. 11 Z. 14 bis 27, S. 12 Z. 1 bis 15 und S. 14 Z. 6 bis 10 sowie S. 3 Z. 7 bis 10). Eine Zerstäubung der Sterilisationsflüssigkeit zu einem Aerosol wird durch eine derartige Vorgehensweise nicht in das Blickfeld des Fachmanns gerückt. Die Lehre der D2 weist von der patentgemäßen Lösung sogar weg, da in D2 zum einen das Desinfektionsmittel energetisch aufwendig verdampft wird und dies dem streitpatentgemäßen Ziel einer Vorrichtung mit geringeren Energiekosten zuwider läuft, zum anderen da gemäß D2 durch die Verdampfung des Sterilisationsmittels die Sterilisation bei Überdruck durchgeführt und somit die in der Streitpatentschrift als nachteilig beschriebene Bildung von Konglomeraten – in der Streitpatentschrift als "Komulorate" bezeichnet – gefördert wird (vgl. Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0028]).

Keine andere Sachlage liegt vor, wenn man von der Druckschrift D10 ausgeht, die sich wie die Streitpatentschrift mit der Desinfektion bzw. Dekontamination von Abfällen, insbesondere von Krankenhausmüll beschäftigt. Als Lösung schlägt D10 eine Vorrichtung vor, in der Wasserdampf als Desinfektionsmittel in einem Druckbehälter verwendet wird und bei der Desinfektion den gesamten Müll durchdringt (vgl. D10 Patentansprüche 1 und 13, Sp. 2 Z. 27 bis 30, Sp. 2/3 spaltenübergr. Abs. und Sp. 3 Z. 47 bis 51). Eine Anregung, ein Desinfektionsmittel derart in eine evakuierte Desinfektionskammer einzuführen, dass es dort nicht als gasförmiger Wasserdampf, sondern als Aerosol – im Fall von Wasser benennt der Fachmann ein Aerosol auch als Nebel – vorliegt, um insbesondere die nachteilige Bildung von Konglomeraten bei der Verwendung von Wasserdampf zu vermeiden (vgl.

Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0028]), kann dieser Druckschrift nicht entnommen werden. Vielmehr muss bei der Vorgehensweise gemäß D10 entgegen dem streitpatentgemäßen Ziel einer energieeffizienten Desinfektion energetisch aufwendig Wasserdampf erzeugt werden, so dass der Fachmann wiederum keine Veranlassung hatte, diese Druckschrift in Betracht zu ziehen.

Die Verwendung von Wasserdampf gemäß D10 als Sterilisationsmittel kann auch dann nicht den streitpatentgemäßen Einsatz eines Desinfektionsmittel-Aerosols nahe legen, wenn man davon ausgeht, dass technischer Wasserdampf oft Wassertröpfchen enthält. Zum einen ist in D10 von einem derartigen Wasserdampf nicht die Rede. Vielmehr ist dem Fachmann aus dem Stand der Technik bei der Desinfektion von Müll mittels Dämpfen bekannt, flüssige Desinfektionsmittel-Tröpfchen zu entfernen (vgl. z. B. D1 S. 4 Z. 12 bis 14). Zum anderen beschreibt das Streitpatent die Verwendung von Wasserdampf für die Mülldesinfektion als nachteilig (vgl. Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0028]). Der Fachmann hat daher Wasserdampf, selbst wenn dieser Wassertröpfchen enthalten sollte, zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe nicht herangezogen. Dafür spricht auch, dass Wasser an sich kein Desinfektionsmittel ist. Die Desinfektionswirkung von Wasserdampf beruht vielmehr auf dessen thermischen Einwirken auf das zu behandelnde Material. Daher legt ein Wassertröpfchen enthaltender Wasserdampf schon aus begrifflicher Sicht kein Aerosol aus einem Desinfektionsmittel im streitpatentgemäßen Sinn nahe.

Auch die weiteren in der mündlichen Verhandlung diskutierten Entgegenhaltungen können weder für sich noch in einer Zusammenschau dem Fachmann Anregungen dahingehend vermitteln, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe eine Desinfektions-Aerosollösung derart bereitzustellen, dass sie in einer Behandlungskammer in Aerosolform vorliegt.

Die D6 gibt ebenso wie die D19 eine Sterilisations- bzw. Dekontaminationsvorrichtung an, die als keimtötendes Gas Ozon einsetzt (vgl. D6 Abstract, Patentan- spruch 11; vgl. D19 Patentanspruch 1, S. 11 Abs. 2). Eine Desinfektion mit einem Desinfektionsmittel in Aerosolform ist in diesen Dokumenten weder angesprochen noch angeregt. In D6 wird vielmehr darauf hingewiesen, dass durch das Einleiten des Ozon-haltigen Gases in eine im Unterdruck befindliche Kammer das Ozon zuverlässig in alle Falten und Nischen des Sterilisationsgutes geleitet wird (vgl. D6 S. 8 Abs. 1 le. Satz). Dadurch erhält der Fachmann aber keinen Anlass, eine Aerosol-Desinfektion und entsprechende Einrichtungen an der Desinfektionsvorrichtung in Betracht zu ziehen.

Die Entgegenhaltung D8 trägt zur Lösung der hier gestellten Aufgabe ebenfalls nichts bei. Dort wird eine Sterilisationsvorrichtung für medizinische Artikel offenbart, bei der als Sterilisationsmittel gasförmiges Ethylenoxid eingesetzt wird (vgl. D8 Patentanspruch 1, Sp. 1 Z. 29 bis 37, Sp. 2 Z. 12 bis 23). Das Ethylenoxidgas wird dabei aus kommerziell erhältlichen Kartuschen vom Aerosoltyp bezogen. Aus ihnen wird flüssiges Ethylenoxid freigesetzt, das in der Vorrichtung gemäß D8 in den gasförmigen Aggregationszustand überführt wird, bevor es in die Behandlungskammer eingeleitet wird (vgl. D8 Sp. 2 Z. 41 bis 50 und Sp. 6 Z. 13 bis 28). Hinweise auf ein Aerosol in der Behandlungskammer und eine Sterilisation mittels dieses Aerosols sowie dafür notwendige Vorrichtungsmerkmale finden sich in der D8 nicht.

Der weitere, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik enthält ebenfalls keine Hinweise zur Ausgestaltung der Mülldesinfektionsvorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1, weshalb auch eine Zusammenschau dessen mit den in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen diskutierten Druckschriften zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führt.

6. Nachdem die Vorrichtung zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls nach Patentanspruch 1 alle Kriterien der Patentfähigkeit aufweist, hat Patentanspruch 1 Bestand. Gleiches gilt für die auf ein Verfahren zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu unbedenklichem Hausmüll gerichteten Patentansprüche 9 und 17, sowie die auf die Verwendung der streitpatentgemäßen Vorrichtung und/oder des streitpatentgemäßen Verfahrens gerichteten Patentansprüche 18 bis 20, für die aufgrund identischer Merkmale die vorstehenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 entsprechend gelten.

Die Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 16 betreffen weitere, über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausgestaltungen der Vorrichtung bzw. des Verfahrens zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls nach den Patentansprüchen 1 bzw. 9 und haben daher mit diesen Bestand.

III Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.

Dr. Münzberg Schell Dr. Jäger Dr. Wagner Fa

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