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17 W (pat) 31/17

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 31/17 Verkündet am 8. Oktober 2019

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2011 007 761.8 …

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl. Phys. Dr. Forkel beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen. ECLI:DE:BPatG:2019:081019B17Wpat31.17.0 Gründe:

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 20. April 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht unter der Bezeichnung

„ System und Verfahren zur sicheren Dateiübertragung “.

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 22. Februar 2017 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weder in der Fassung des Hauptantrags noch in der Fassung der geltenden Hilfsanträge patentfähig sei, weil er auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergebe sich nämlich für den Fachmann, wenn dieser zur Anpassung eines Systems nach der Lehre der Druckschrift D3 (s.u.) in einem Kundenprojekt das bekannte, auf dem Markt befindliche Remote-Desktop-Standardprodukt Citrix MetaFrame XP (wie es in der Druckschrift D4 beschrieben ist, s.u.) einsetze. Die zusätzlichen Merkmale der (damaligen) vier Hilfsanträge enthielten keine weiteren Maßnahmen, welche eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

Sie führt aus, dass sie die Auffassung der Prüfungsstelle, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehe aus einer Kombination der Druckschriften D3 und D4 in naheliegender Weise hervor, für rechtsfehlerhaft halte. Denn die D3 lehre ausdrücklich und bewusst, keine Dateiübertragung zwischen Service-PC und zentralem Computer zuzulassen. Gemäß D4 werde aber mittels „Client Device Mapping" eine Datenübertragung zwischen Service-PC und zentralem Computer entgegen der ausdrücklichen Lehre der D3 ermöglicht. Somit bestehe für den Fachmann nicht nur keinerlei Veranlassung, die Druckschriften D3 und D4 zu kombinieren, sondern er werde durch die D3 explizit von dieser Kombination abgehalten. Die Kombination von D3 und D4 lasse sich nur über eine rückblickende Betrachtungsweise erklären, die den Anspruchsgegenstand dieser Erfindung kenne, von diesem ausgehe und beliebig Druckschriften zum Ansammeln von Merkmalen kombiniere. Solche Ex-post-factum Analysen seien jedoch unzulässig.

Die Anmelderin stellt den Antrag,

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 11. August 2017, Beschreibung Seiten 1, 2, 4 bis 15 vom Anmeldetag,

Seiten 3, 3a vom 21. Mai 2014, 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 vom Anmeldetag; gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 11. August 2017, Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 11. August 2017, im Übrigen wie Hilfsantrag 1; gemäß Hilfsantrag 3 mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 11. August 2017, im Übrigen wie Hilfsantrag 1; gemäß Hilfsantrag 4 mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 11. August 2017, im Übrigen wie Hilfsantrag 1; gemäß Hilfsantrag 5 mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 13. September 2019, im Übrigen wie Hilfsantrag 1.

Gemäß Hauptantrag lautet der geltende Patentanspruch 1, der auch dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde lag, mit der dortigen Gliederung (und einem korrigierten Bezugszeichen in Merkmal M5):

M1 1. System zur Dateiübertragung zwischen einem Servicecomputer (102) und einer Maschinensteuerung (103), das aufweist:

M2 mindestens eine Maschinensteuerung (103), die Zugriff auf einen ersten Datenspeicher (131, 133, 141) hat, der Dateien auslesbar speichern kann,

M3 mindestens einen Servicecomputer (102), der Zugriff auf einen zweiten Datenspeicher (121, 123) hat, der Dateien auslesbar speichern kann,

M4 einen zentralen Computer (105) mit mindestens einer virtuellen Maschine (107),

wobei M5 die Maschinensteuerung (103) über eine erste Kommunikationsverbindung (108) mit der virtuellen Maschine (107) derart verbindbar ist, dass Dateien zwischen dem ersten Datenspeicher (131, 133, 142 141) und einem Datenspeicher (110), auf den die virtuelle Maschine (107) zugreifen kann, übertragbar sind,

M6 der Servicecomputer (102) über eine zweite Kommunikationsverbindung (109) mit der virtuellen Maschine (107) derart verbindbar ist, dass die virtuelle Maschine (107) auf den zweiten Datenspeicher (121, 123) zugreifen kann und dort die Dateien aus einer Übertragung über die erste Kommunikationsverbindung (108) abspeichern oder für eine Übertragung über die erste Kommunikationsverbindung (108) auslesen kann, und M7 Dateien zwischen dem ersten Datenspeicher (131, 133, 141) und dem zweiten Datenspeicher (121, 123) nicht direkt übertragbar sind.

Zum nebengeordneten, auf ein „Verfahren zur Dateiübertragung“ gerichteten Anspruch 10 und den Unteransprüchen 2 bis 9 und 11 bis 13 wird auf die Akte verwiesen.

Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 basiert auf dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags, wobei das „und“ am Ende von Merkmal M6 gestrichen und vor Merkmal M7 folgendes Merkmal eingefügt wird:

M8 auf allen Schichten des ISO-OSI-Referenzmodells keine direkte Protokollverbindung zwischen Instanzen dieser Schichten auf dem Servicecomputer (102) und der Maschinensteuerung (103) möglich sind, und Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 basiert auf dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1, mit folgendem zusätzlichen Merkmal zwischen den Merkmalen M6 und M8:

M9 zur Dateiübertragung von/auf den ersten Datenspeicher (131, 133, 141) und zur Datenübertragung von/auf den zweiten Datenspeicher (121, 123) unterschiedliche Anwendungssoftware oder unterschiedliche Protokolle verwendbar sind,

Auch die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 basiert auf dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1, wobei (anstelle des o.g. Merkmals M9) zwischen den Merkmalen M6 und M8 folgende zusätzlichen Merkmale eingefügt sind:

M10 Dateien zwischen dem ersten Datenspeicher (131, 133, 141) und dem Datenspeicher über die erste Kommunikationsverbindung (108) über ein erstes Protokoll übertragbar sind,

M11 Dateien zu/von dem zweiten Datenspeicher (131, 123) über ein zweites Protokoll übertragbar sind, das unterschiedlich zu dem ersten Protokoll ist,

In der Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 wird, basierend auf dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1, zwischen den Merkmalen M6 und M8 statt der o.g. Merkmale M9, M10, M11 folgendes zusätzliches Merkmal eingefügt:

M12 zur Dateiübertragung von/auf den ersten Datenspeicher (131, 133, 141) das Protokoll PC-Anywhere-Filetransfer und zur Datenübertragung von/auf den zweiten Datenspeicher (121, 123) das Protokoll RDP verwendbar ist,

Gemäß Hilfsantrag 5 wird der Patentanspruch 1, basierend auf dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 (mit den o.g. Merkmalen M1 bis M6, M12, M8 und M7), am Ende um folgendes (redaktionell korrigiertes) Merkmal ergänzt:

M13 der zweiten Datenspeicher (121, 123) ein Datenspeicher zur dauerhaften Speicherung von Dateien ist, der Teil des Servicecomputers (102) ist.

Zu den jeweiligen Ansprüchen 2 bis 13 aller fünf Hilfsanträge wird auf die Akte verwiesen.

Der Anmeldung soll gemäß Absatz [0006] der Offenlegungsschrift die Aufgabe zugrunde liegen, ein System und ein Verfahren bereitzustellen, über das Dateien zwischen einem Datenspeicher des Servicecomputers und dem Datenspeicher mindestens einer Werkzeugmaschine übertragen werden können, wobei vermieden wird, dass sich die Systeme gegenseitig gefährden.

II.

Die rechtzeitig eingegangene und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag wie auch nach den fünf Hilfsanträgen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).

1. Die vorliegende Anmeldung betrifft die Übertragung von Dateien zwischen einer Maschinensteuerung und einem Servicecomputer, wobei vermieden werden soll, dass sich die Systeme gegenseitig gefährden.

In der Beschreibungseinleitung ist in den Abs. [0002] bis [0005] erläutert, dass es die globale Ausrichtung heutiger Maschinenhersteller mit weltweit ansässigen Kunden / Maschinenbetreibern erforderlich mache, Wartungen, Fehlerdiagnosen und auch Reparaturen der Maschinen nicht nur direkt vor Ort, sondern immer häufiger per Fernzugriff durchführen zu können. Die dadurch entstehende „Gefährdung“ wird in der Anmeldung nicht konkret dargestellt; den Abs. [0009] / [0010] ist aber entnehmbar, dass eine physische Trennung der Maschinensteuerung und ihrer Kommunikationsnetze von dem Servicecomputer und dessen Kommunikationsnetzen zum angestrebten Ziel führt, weil dabei eine unmittelbare, unbeaufsichtigte Übertragung von Dateien zwischen dem Servicecomputer und der Maschinensteuerung (der Fachmann erkennt darin die Gefahr der Ausbreitung von Schad-Programmen, Computer-Viren usw.) nicht möglich ist. Aus der Anmeldung wird auch deutlich, dass die Kommunikationsverbindung selbst besonderen Sicherheitsanforderungen genügen sollte, was sich z.B. gemäß Abs. [0003] besonders vorteilhaft durch ein VPN („Virtual Private Network“ als verschlüsseltes PrivatNetz zur geschützten Verbindung von Rechnern über ein „an sich“ ungeschütztes Netzwerk wie das Internet) realisieren ließe.

Die Anmeldung geht aus von einem bekannten Stand der Technik gemäß Figur 1 mit einer Maschinensteuerung (3), die mit einem entfernten Servicecomputer (2) über Kommunikationsverbindungen (8), (9) unter Zwischenschaltung eines zentralen Computers (5) verbunden ist, auf welchem virtuelle Maschinen (7) mit unterschiedlichen Betriebssystemen für den Zugriff auf die Maschinensteuerung (3) laufen. Die anmeldungsgemäße, gegenüber dem Stand der Technik verbesserte Realisierung gemäß Figur 2 sieht eine entsprechende Maschinensteuerung (103) vor, die Zugriff auf einen ersten Datenspeicher (131, 133, 141) hat, der Dateien auslesbar speichern kann; und einen entsprechenden Servicecomputer (102), der Zugriff auf einen zweiten Datenspeicher (121, 123) hat, der Dateien auslesbar speichern kann; sowie einen entsprechenden zentralen Computer (105) mit mindestens einer virtuellen Maschine (107) und einem Datenspeicher (110), auf den die virtuelle Maschine (107) zugreifen kann (gemäß den Merkmalen M2, M3 und M4 des Patentanspruchs 1, sowie teilweise Merkmal M5).

Um nun eine gegenseitige Gefährdung zwischen Servicecomputer und Maschinensteuerung auszuschließen, gibt die Anmeldung die Lehre, dass Dateien zwischen dem („ersten“) Datenspeicher der Maschinensteuerung und dem („zweiten“) Datenspeicher eines Servicecomputers nicht direkt übertragbar sein sollen (Merkmal M7). Jedoch ist vorgesehen, dass die virtuellen Maschinen (107) des zentralen Computers (105) mittels ihres o.g. Datenspeichers (110) einerseits Dateien mit der Maschinensteuerung (Merkmal M5) und andererseits Dateien mit dem Servicecomputer (Merkmal M6) austauschen können. Durch diesen „mittelbaren“ Austausch von Dateien entsteht ein System zur Dateiübertragung zwischen Servicecomputer und Maschinensteuerung (Merkmal M1), das vor einer Gefährdung durch unkontrollierte Ausbreitung von (Schad-) Dateien geschützt ist.

Mit den Hilfsanträgen 1 bis 5 kommen weitere Details hinzu: so soll „auf allen Schichten des ISO-OSI-Referenzmodells keine direkte Protokollverbindung zwischen Instanzen dieser Schichten auf dem Servicecomputer (102) und der Maschinensteuerung (103) möglich“ sein (Merkmal M8 für alle 5 Hilfsanträge), wobei zur Dateiübertragung von/auf die Maschinensteuerung und von/auf den Servicecomputer „unterschiedliche Anwendungssoftware oder unterschiedliche Protokolle verwendbar“ sein sollen (Merkmal M9 – Hilfsantrag 2). Gemäß den Merkmalen M10 und M11 (Hilfsantrag 3) sollen für die beiden Übertragungswege (108; 109) zum Datenspeicher (110) des zentralen Computers (105) unterschiedliche Protokolle zum Einsatz kommen, welche mit dem Merkmal M12 (Hilfsantrag 4) konkret als „PC-Anywhere-Filetransfer“ und „RDP“ bezeichnet werden. Gemäß dem zusätzlichen Merkmal M13 des Hilfsantrags 5 soll der „zweite“ Datenspeicher (121,

123) – auf den der Service-Computer Zugriff hat – ein Datenspeicher zur dauerhaften Speicherung von Dateien und Teil des Servicecomputers (102) sein.

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine sichere Dateienübertragung zwischen dem Datenspeicher einer Werkzeugmaschine und dem Datenspeicher eines Servicecomputers zu ermöglichen, wobei eine gegenseitige Gefährdung der beiden Systeme ausgeschlossen werden soll, ist ein Diplomingenieur der Elektrotechnik oder Informatiker mit mehrjähriger Berufserfahrung im Umfeld vernetzter Werkzeugmaschinen anzusehen, der in diesem Kontext zwangsläufig auch Fachwissen und Erfahrung im Umgang mit Netzwerkprotokollen aufweist.

2. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil sich der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

Von besonderer Bedeutung hierfür sind die Druckschriften D3 EP 1 715 395 A1, D4 MADDEN, Brian S.: Citrix MetaFrame XP: Advanced Technical Design Guide Including Feature Release 2; Washington DC: BrianMadden.com Publishing, 2002, Seiten 24 bis 27, 123 bis 131, 353 bis 375.

2.1 In der Anmeldung in Figur 1 (die mit der Figur 1 der D3 übereinstimmt) und in den Abs. [0003] / [0004] wird die Druckschrift D3 als derjenige „Stand der Technik“ diskutiert, von dem die Anmeldung ausgeht. Die D3 betrifft die Fernwartung einer Maschinensteuerung (3) durch einen Servicecomputer (2). Um einen sicheren Fernzugriff zu ermöglichen, ist ein „zwischengeschalteter“ zentraler Computer (5) vorgesehen, auf welchem virtuelle Maschinen (7) laufen (Merkmale M2, M3, M4). Die Kommunikationsverbindung (8) zwischen dem zentralen Computer (5) und der Maschinensteuerung (3) erfolgt, durch ein VPN geschützt, über das Inter- net (11) (D3 Abs. [0017] letzter Satz), wobei Dateien ausgetauscht werden können; mit dem Servicecomputer (2) ist die Maschinensteuerung (3) aber nicht direkt, sondern nur über den geschützten zentralen Computer (5) verbindbar (Abs. [0018] – Merkmale M5, M7). Zwischen dem Servicecomputer (2) und dem zentralen Computer (5) besteht eine Verbindung (9), „welche insbesondere nur die Übertragung von Pixel-Informationen, Maus- und Tastaturbewegungen erlaubt“ (Abs. [0017], Unteranspruch 2 – Merkmal M6 nicht vorweggenommen). Somit lehrt die D3 keine Dateiübertragung zwischen Servicecomputer und Maschinensteuerung (Merkmal M1 fehlt).

2.2 Für den technischen Fachmann lag es auf der Hand, dass durch eine strikte Trennung des Service-Computers von der Maschinensteuerung, insbesondere durch den Verzicht auf eine unmittelbaren Übertragung von Dateien gemäß der Lehre der D3, ein Schutz des Datenverarbeitungssystems der Maschinensteuerung vor gefährlichen Dateien gewährleistet werden kann.

Der Fachmann wusste aber auch, dass manchmal die Benutzung vorgegebener, vorhandener Ressourcen (Druckschrift D3: zentraler Computer 5 mit den virtuellen Rechnern 7 und deren jeweiligem Speicherinhalt) nicht ausreicht und es erforderlich sein kann, neue Daten / Dateien „von außen“ zur Verfügung zu stellen. In einem solchen Fall muss der Fachmann die Notwendigkeit einer Dateiübertragung gegen das Risiko der Sicherheits-Beeinträchtigung abwägen.

Diese Situation war zum Anmeldezeitpunkt bereits bekannt. So stand mit dem auf dem Markt befindlichen Fernzugriffs-Standardprodukt Citrix MetaFrame XP (siehe Druckschrift D4) ein Fernzugriffs-Protokoll ICA zur Verfügung, welches zunächst eine Übertragung von Tastenanschlägen, Mausbewegungen und Bildschirm-Abbildern vorsah (D4 Seite 26 Mitte). Darüber hinaus wurden aber auch „advanced features“ angeboten wie z.B. das Einbinden eines lokalen Laufwerks, um eine Datei-Übertragung zu ermöglichen (D4 Seite 358 ff. „Client Device Mapping“); dies jedoch nicht unbegrenzt, sondern durch ein Bedienfeld gezielt zu- und abwählbar (D4 Seite 360 oben „Disable Client Device Mapping“).

Wenn der Fachmann im Rahmen der Lehre der D3 für die Verbindung des Service-Computers (2) zum zentralen Computer (5) das genannte Fernzugriffs-Standardprodukt Citrix MetaFrame XP einsetzte, erhielt er – bei Abschaltung des „Client Device Mapping“ – das geschützte System gemäß D3 ohne Dateiübertragung. Andererseits fand der Fachmann hier aber die Möglichkeit, falls es nötig sein sollte (und die Abwägung zwischen Notwendigkeit und Sicherheit entsprechend ausfiel), durch Zuschalten des „Client Device Mapping“ eine Dateiübertragung vorzusehen (Merkmale M1, M6). Gemäß dem Konzept der D3 (Zwischenschaltung eines „zentralen“ Computers) bestand durch die Trennung der Maschinensteuerung vom Service-Computer immer noch ein gewisser Schutz.

Damit ergab sich die Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag als naheliegend, wenn der Fachmann das Fernzugriffs-Protokoll ICA der D4 für das System der D3 einsetzte.

2.3 Die gegen eine solche Beurteilung gerichteten Einwände der Anmelderin haben den Senat nicht überzeugt.

Die Anmelderin hat ausgeführt, D3 lehre „ausdrücklich und bewusst“, keine Dateiübertragung zwischen Service-PC und zentralem Computer zuzulassen. Gemäß D4 werde aber mittels „Client Device Mapping" eine Datenübertragung zwischen Service-PC und zentralem Computer entgegen der ausdrücklichen Lehre der D3 ermöglicht. Somit bestehe für den Fachmann nicht nur keinerlei Veranlassung, die Druckschriften D3 und D4 zu kombinieren, sondern er werde durch die D3 explizit von dieser Kombination abgehalten oder „entmutigt“.

Nach dem Verständnis des Senats ist die Lehre der Druckschrift D3 jedoch detaillierter zu interpretieren. D3 lehrt „ausdrücklich und bewusst“, keine direkte (Netzwerk-) Verbindung zwischen der Maschinensteuerung und dem Service-PC zuzu- lassen (Abs. [0018] letzter Satz; Abs. [0008] letzter Satz). Dabei soll „vorzugsweise“ nur die Übertragung von Pixel-Informationen, Maus- und Tastaturbewegungen erlaubt sein (Abs. [0007] Satz 1). Wenn in besonderen Fällen die Übertragung von Dateien notwendig sein sollte, wäre der Fachmann zwar gezwungen, sich über das „vorzugsweise“-Gebot hinwegzusetzen; dennoch könnte er im Rahmen der Lehre der D3 bleiben und keine direkte Netzwerk-Verbindung zulassen, sondern nur eine „mittelbare" unter Zwischenschaltung des in D3 beschriebenen zentralen Computers 5.

Die Anmelderin hat ferner eingewendet, wenn der Fachmann von dem Kerngedanken der D3 einen Schritt zurücktreten würde, um sich darauf zu besinnen, dass ein Dateitransfer von und zu dem Service-PC möglich sein sollte, dann sei allerdings ein unmittelbarer Dateitransfer ohne einen „Umweg" über den zentralen Computer naheliegend.

Es ist einzuräumen, dass der Fachmann einen unmittelbaren Dateitransfer ohne einen zwischengeschalteten zentralen Computer als eine Möglichkeit ins Auge fassen könnte. Er würde damit aber ohne Not auf einen Teilaspekt der Lehre der D3 (wie zuvor ausgeführt) verzichten. Letztlich kann dahinstehen, welcher gedankliche Weg für den Fachmann „naheliegender“ gewesen wäre: „Kommen für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge.“ (BGH GRUR 2016, 1023 – Anrufroutingverfahren, Leitsatz b)).

2.4 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche des Hauptantrags, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

3. Auch den Hilfsanträgen bleibt ein Erfolg versagt, weil die jeweils hinzukommenden Merkmale das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen können.

3.1 Zum Hilfsantrag 1 Der Hilfsantrag 1 fällt, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 nicht günstiger zu beurteilen ist als der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hauptantrags.

Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 kommt zwischen den Merkmalen M6 und vor M7 folgendes Merkmal hinzu:

M8 auf allen Schichten des ISO-OSI-Referenzmodells keine direkte Protokollverbindung zwischen Instanzen dieser Schichten auf dem Servicecomputer (102) und der Maschinensteuerung (103) möglich sind, und Diese zusätzliche Einschränkung geht aber nicht über die Lehre hinaus, welche der Fachmann bereits der Druckschrift D3 entnimmt. Denn wie bereits ausgeführt besteht ein wesentlicher Aspekt der Lehre der D3 darin, keine direkte Netzwerkverbindung zwischen dem Kundennetzwerk (mit der Maschinensteuerung) und dem Service-PC zuzulassen (Abs. [0008] letzter Satz). Der Fachmann, dem das ISO-OSI-Referenzmodell und die darunter fallenden Protokollverbindungen vertraut sind, legt diese Lehre selbstverständlich dahingehend aus, dass auf keiner der modellgemäßen Schichten eine direkte Protokollverbindung möglich sein soll.

3.2 Zu den Hilfsanträgen 2, 3 und 4 Den Hilfsanträgen 2, 3 und 4 kann ebenfalls nicht gefolgt werden, weil die zusätzlichen Merkmale des jeweiligen Patentanspruchs 1 für den Fachmann nahelagen.

Der Patentanspruch 1 soll gemäß den genannten Anträgen, ausgehend vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1, durch folgende(s) Merkmal(e) zwischen den Merkmalen M6 und M8 eingeschränkt werden:

Hilfsantrag 2:

M9 zur Dateiübertragung von/auf den ersten Datenspeicher (131, 133, 141) und zur Datenübertragung von/auf den zweiten Datenspeicher (121, 123) unterschiedliche Anwendungssoftware oder unterschiedliche Protokolle verwendbar sind,

Hilfsantrag 3:

M10 Dateien zwischen dem ersten Datenspeicher (131, 133, 141) und dem Datenspeicher über die erste Kommunikationsverbindung (108) über ein erstes Protokoll übertragbar sind,

M11 Dateien zu/von dem zweiten Datenspeicher (131, 123) über ein zweites Protokoll übertragbar sind, das unterschiedlich zu dem ersten Protokoll ist,

Hilfsantrag 4:

M12 zur Dateiübertragung von/auf den ersten Datenspeicher (131, 133, 141) das Protokoll PC-Anywhere-Filetransfer und zur Datenübertragung von/auf den zweiten Datenspeicher (121, 123) das Protokoll RDP verwendbar ist,

Den zusätzlichen Merkmalen ist zunächst gemeinsam, dass sie lediglich eine Möglichkeit beschreiben („verwendbar“ / „übertragbar“). Es ist bereits kein Grund ersichtlich, warum für die genannten Übertragungen nicht unterschiedliche oder ganz bestimmte Protokolle einsetzbar sein sollten; d.h. die jeweiligen Merkmale sind so betrachtet trivial.

Aber auch wenn die Merkmale so verstanden werden müssten, dass unterschiedliche Protokolle eingesetzt werden, geht die beanspruchte Lehre nicht über das hinaus, was der Fachmann der Druckschrift D3 entnimmt (vgl. etwa Abs. [0007]: „… erfolgt die Verbindung zwischen dem Service-PC und dem zentralen Computer … über Remote-Desktop-Programme, z.B. über RDP“; „Von diesem virtuellen Rechner aus wird eine Verbindung [zur Maschinensteuerung] über die vom Maschinenbetreiber vorgegebene Einwahltechnik durchgeführt … z.B. pcAnywhere über einen DOS-Rechner, pcAnywhere über ein beliebiges Windows, Direkteinwahl mit pcAnywhere …“). Dem Fachmann war auch bewusst, dass das Fernzugriffs-Protokoll ICA gemäß Druckschrift D4 hinsichtlich seiner Funktionalität eine Erweiterung des Remote-Desktops-Protokolls RDP darstellt.

Damit ist keines der zusätzlichen Merkmale M9 bis M12 auf eine Maßnahme gerichtet, die für den Fachmann im vorliegenden Zusammenhang nicht nahegelegen hätte.

3.3 Zum Hilfsantrag 5 Auch der Hilfsantrag 5 ist nicht gewährbar, weil sich mit seinem zusätzlichen Merkmal das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen lässt.

Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 5 geht vom Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 aus (mit den o.g. Merkmalen M1 bis M6, M12, M8 und M7) und ist am Ende um folgendes Merkmal ergänzt:

M13 [und] der zweite Datenspeicher (121, 123) ein Datenspeicher zur dauerhaften Speicherung von Dateien ist, der Teil des Servicecomputers (102) ist.

Dieses Merkmal betrifft den Servicecomputer, von welchem aus sich der ServiceMitarbeiter zur Fernwartung mit dem System der Maschinensteuerung verbindet. Die Dateien, welche er anmeldungsgemäß zur Maschinensteuerung übertragen möchte, sollen gemäß Merkmal M13 auf einem „Datenspeicher zur dauerhaften Speicherung von Dateien“ abgelegt sein, welcher „Teil des Servicecomputers“ ist.

Diese Lehre richtet sich aber nur auf den „typischen“ Aufbau eines üblichen Servicecomputers (Druckschrift D3 Abs. [0003] „Notebook eines Service-Mitarbeiters“, Abs. [0016] „Service-PC 2“). Der Fachmann liest in D3 mit, dass etwa das genannte Notebook einen „Datenspeicher zur dauerhaften Speicherung von Dateien“ (Festplatte, USB-Stick) aufweist. Zwar ist in D3 gerade nicht vorgesehen, Dateien vom Servicecomputer aus zu übertragen; aber wenn der Fachmann dies trotzdem für notwendig hielte, würde er solche Dateien ganz selbstverständlich zuvor auf der zugehörigen Festplatte speichern oder zumindest zwischenspeichern.

Damit ist das zusätzliche Merkmal M13 lediglich auf etwas gerichtet, das der Fachmann bei der Anwendung der Lehre der Druckschrift D4 auf das System der Druckschrift D3 mitliest.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Dr. Morawek Eder Baumgardt Dr. Forkel Fa

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