Paragraphen in 8 W (pat) 27/12
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 27/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2006 032 328 …
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie die Richter Dr. agr. Huber, Dipl.-Ing. Rippel und Heimen BPatG 152 08.05 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung aufgehoben und das Patent mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 15 gemäß Hauptantrag, eingegangen am 15. Juli 2010, im Übrigen wie erteilt.
Gründe I.
Auf die am 12. Juli 2006 unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 12. Juli 2005 (FR 05 07489) beim Deutschen Patent-und Markenamt eingereichte Patentanmeldung 10 2006 032 328.9-14 mit der deutschsprachigen Bezeichnung „Gleitender Fahrzeugsitz und Gleitschiene für einen solchen Sitz“ ist das Patent erteilt und die Erteilung am 3. Dezember 2009 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent hat die B… GmbH & Co. KG (im Folgenden Einsprechende) am 1. März 2010 Einspruch erhoben.
Die Einsprechende hat zur Stützung ihres Vorbringens auf den folgenden druckschriftlichen Stand der Technik verwiesen.
(E1) (E2) (E3) (E4) (E4‘)
DE 24 34 409 C3 DE 10 2004 021 673 A1 US 4 469 384 A EP 0 945 301 A1 DE 699 26 936 T2
(D1) (D2) (D3) (D4) (D5) (D6) (D7) (D8) (D9) (D10) (D11) (D12) (D13)
Übersetzung der europäischen Patentschrift EP 0 945 301 B1 und deutschsprachiges Familienmitglied der E4) DE 10 2004 057 106 A1 DE 196 41 423 A1 DE 697 02 224 T2 DE 10 2004 049 404 A1 US 5 855 413 A DE 601 01 878 T2 DE 10 2004 017 491 A1 DE 100 36 123 A1 FR 2 618 863 A1 FR 2 865 166 A1 DE 20 2005 009 373 U1 DE 198 12 045 A1 DE 199 17 845 A1.
Die Einsprechende hat hierzu ausgeführt, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber diesem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Außerdem offenbare das Patent die Erfindung gemäß Anspruch 15 nach Auffassung der Einsprechende nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 (1) Nr. 2 PatG).
Darüber hinaus hat die Einsprechende offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht und hierzu die folgenden Unterlagen vorgelegt:
Anlage 1: Anlage 2: Anlage 3: Anlage 4: Anlage 5:
Auszug aus einem Teilelebenslauf Lieferschein Karosserieversionsüberblick aus „Wikipedia“ Zeichnung Sitzverstellung Vergrößerte Darstellung des Beschriftungsfelds der Zeichnung (vgl. Anlage 4)
Die Einsprechende hat hierzu vorgetragen, dass die B… GmbH u. Co. KG eine dem Patentgegenstand sehr ähnliche Sitzverstellung, u.a. mit der Artikel-Nr. LH 905172-104, bereits ab dem 26. Juli 2004 an die Fa. J… GmbH für den Einbau von Fahrzeugsitzen in die Mercedes-Benz-A-Klasse (Karroserieversion C169) übersandt habe, wodurch eine offenkundige Vorbenutzung entstanden sei, gegenüber der der Gegenstand des Streitpatents nicht bestandsfähig sein könne. Die Einsprechende hatte im Einspruchsverfahren beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hatte beantragt, das Patent im Umfang der mit dem Schriftsatz vom 14. Juli 2010 eingereichten Patentansprüche 1 bis 15 als Hauptantrag – der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist mit dem erteilten Patentanspruch 1 wortgleich – aufrechtzuerhalten sowie das Patent hilfsweise mit den mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2010 eingereichten Hilfsanträgen 1 und 2 bzw. mit den in der Anhörung am 13. Januar 2011 eingereichten Hilfsanträgen 3 und 4 beschränkt aufrechtzuerhalten.
Sie hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und das Streitpatent für bestandsfähig erachtet.
Die Patentabteilung 14 hat das Streitpatent nach Anhörung der Beteiligten am 13. Januar 2011 mit Beschluss vom gleichen Tage widerrufen.
Zur Begründung hat die Patentabteilung ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik nach D1 nicht neu sei und im Übrigen ausgehend vom Stand der Technik nach E4 in Zusammenschau mit dem Gegenstand der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung – die Offenkundigkeit vor dem Zeitrang des Streitpatents hat die Patentabteilung darin gesehen, dass in den Anlagen 1 bis 5 ausreichend dargelegt sei, dass der ohnehin gezeigte Kraftfahrzeugsitz durch Lieferung an eine dritte Firma und Einbau in ein Serienfahrzeug der Öffentlichkeit zugänglich wurde – nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Auch die Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 seien nicht bestandsfähig, da sich deren Gegenstände jeweils für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach E4 und dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung ergeben würde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Im Beschwerdeverfahren hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 26. April 2011 (eingegangen am gleichen Tage) den Einspruch zurückgenommen.
Der Patentinhaberin wurde daraufhin mit Schreiben des Rechtspflegers vom 1. Juni 2011 mitgeteilt, dass das Beschwerdeverfahren gemäß § 61 Absatz 1 Satz 2 PatG von Amts wegen ohne die Einsprechende fortgesetzt werde.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2011 (eingegangen am 17. Juni 2011) regt die Patentinhaberin an, das Verfahren unter Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses zu beenden.
Die Patentinhaberin trägt hierzu vor, dass sich der angefochtene Beschluss wesentlich auf eine von der Einsprechenden geltend gemachte angebliche offenkundige Vorbenutzung stütze. Die Patentinhaberin macht gegenüber dieser behaupteten Benutzungshandlung jedoch erhebliche Zweifel geltend. So beziehe sich die Anlage 1 auf die Teilenummern 905172 und 905173 der Fa. B…, ohne jedoch die Lieferung oder eine öffentliche Zugänglichkeit dieser Teile zu belegen und ohne die wesentlichen Merkmale dieser Teile zu offenbaren. Zu Anlage 2, dem Lieferschein von B… an J…, merkt die Patentinhaberin an, dass dort eine Ident.-Nummer mit einem Zusatz „-104“ Verwendung fände, so dass nicht fest stehe, ob hier das gleiche Teil oder eine reduzierende Version gemeint sei. Ferner weise die Anlage 2 eine Liefermenge von 12 Stück aus, wobei jedoch das Mercedes-Benz A-Klasse-Modell des Typs C-169 eine Tagesproduktion von 500 Stück aufgewiesen hätte, so dass die gelieferte Menge nach Anlage 2 nicht im Zusammenhang mit einer Serienproduktion gesehen werden könne, vielmehr seien diese lediglich zu Versuchszwecken geliefert worden und demnach nur einem sehr eingegrenzten Personenkreis bei der Empfängerin bekannt geworden.
Die Konstruktionszeichnungen nach Anlage 4 und 5 schließlich seien ebenfalls mit Seriennummern mit dem Zusatz „-104“ versehen, von denen nach Anlage 2 lediglich 12 Stück geliefert wurden. Eine tatsächliche Lieferung der Teile nach Anlage 4 und 5 ergebe sich aus den Anlagen 4 und 5 nicht und auch nicht, ob es sich bei der dargestellten Sitzverstellung um das Bauteil 905172-104 oder 905173-104 handle. Auch seien erfindungswesentliche Merkmale aus diesen Anlagen nicht ersichtlich.
Somit bestreitet die Patentinhaberin, dass durch die von der Einsprechenden eingereichten Unterlagen ein der Patentierbarkeit entgegenstehender Stand der Technik belegt sei, der durch Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Insbesondere bestünden erhebliche Zweifel an der öffentlichen Zugänglichkeit der Bauteile gemäß Anlage 4. Diese Einwände seien bereits in der Anhörung vor der Patentabteilung vorgebracht worden, ohne dass diese im Beschluss Berücksichtigung gefunden hätten. Auch ein von der Einsprechenden angebotener Zeuge sei trotz Bedenken nicht geladen worden. Wesentliche Fragen zur Offenkundigkeit und zum Wesen des Benutzungsgegenstandes seien aber nunmehr nicht mehr zu klären, nachdem die Einsprechende nicht mehr am Verfahren beteiligt sei.
Die Patentinhaberin meint, dass keine der im Verfahren zum Stand der Technik genannten Dokumente eine Rückhalteeinrichtung zeige, welche einen gegenseitigen Kontakt zum Gegenstand habe, der ein Zusammenwirken in einer im Wesentlichen horizontalen und zur longitudinalen Richtung senkrecht gerichteten Anlagerichtung darstelle.
Mit neuerlicher Eingabe vom 18. Juli 2016 regt die Patentinhaberin weiterhin die Beendigung des Verfahrens unter Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses an, nachdem der Einspruch zurückgenommen worden sei.
Zu der von der Patentabteilung als neuheitsschädlicher Stand der Technik gegenüber Patentanspruch 1 nach Hauptantrag erachteten D1 führt die Patentinhaberin aus, dass es sich hierbei um eine nachveröffentlichte Druckschrift handele, die am 22. September 2005 veröffentlicht worden sei, während das Streitpatent wegen Beanspruchung der Priorität der inhaltsgleichen französischen Anmeldung den Zeitrang vom 12. Juli 2005 habe. Zur Sache weist sie noch darauf hin, dass die D1 vertikal ausgerichtete Mittel zum Halten des nach vorne gefahrenen Sitzes aufweise und ein horizontaler Anschlag nicht offenbart sei und auch nicht implizit mitgelesen werden könne, so dass der Gegenstand nach Anspruch 1 auch neu sei gegenüber dem Stand der Technik nach D1.
Mit Eingabe vom 29. September 2016 beantragt die Patentinhaberin,
das Patent in der Fassung entsprechend dem Hauptantrag aus dem Einspruchsverfahren, eingereicht am 14. Juli 2010, im geänderten Umfang aufrecht zu erhalten.
Der geltende, mit der erteilten Fassung identische Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
„Fahrzeugsitz, welcher umfasst: eine im Wesentlichen horizontale Sitzfläche (3), welche auf zumindest einer Gleitschiene (4) in einer longitudinalen Richtung (L) zwischen einer vorderen und einer hinteren Position gleitend montiert ist, wobei die Gleitschiene umfasst: zumindest eine Verriegelung (7), welche zwischen einer verriegelten Position, in welcher die Verriegelung die Gleitschiene blockiert, und einer entriegelten Position, in welcher die Verriegelung der Gleitschiene ermöglicht, frei zu gleiten, bewegbar ist, wobei der Sitz Einrichtungen (11, 12) aufweist, um die Verriegelung nach einer Entriegelungs-Operation eines Anwenders in entriegelter Position zu halten, dadurch gekennzeichnet, dass er Einrichtungen (22, 27) aufweist, um die Sitzfläche (3) des Sitzes zurückzuhalten, wenn sich die Sitzfläche in der/einer vorderen Position befindet, solange die Sitzfläche nicht eine rückwärts gerichtete Kraft erfährt, welche größer ist als ein vorbestimmter Wert, wobei die Hilfsmittel zum Zurückhalten der Sitzfläche (3) mittels gegenseitigem Kontakt in einer im Wesentlichen horizontalen und im Wesentlichen senkrecht zur longitudinalen Richtung (L) gerichteten Anlage-Richtung A) zusammenwirken.“
Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 15 nach Hauptantrag lautet:
„Gleitschiene für einen Sitz gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Gleitschiene ein erstes und ein zweites Profil (5, 6) umfasst, welche zueinander in einer longitudinalen Richtung (L) zwischen einer ersten und einer zweiten Anschlag-Position gleitend montiert sind, wobei das erste Profil (6) einen Höcker (27) trägt, und das zweite Profil (5) eine Blattfeder (22) trägt, wobei die Blattfeder und der Höcker derart angeordnet sind, dass die Blattfeder (22) gegen den Höcker (27) in einer longitudinalen Richtung (L) in Anlage kommt, um das erste und das zweite Profil in Position zu halten, wenn die Gleitschiene sich in der ersten Anschlag-Position befindet, und wobei die Blattfeder dazu geeignet ist, sich im Wesentlichen in der Anlage-Richtung (A) biegend und/oder deformierend mit dem Höcker zusammenzuwirken, wenn die Gleitschiene die erste Anschlag-Position erreicht, oder die erste Anschlag-Position verlässt, wobei die Anlage-Richtung im Wesentlichen horizontal ist und im Wesentlichen zur longitudinalen Richtung senkrecht ist.“
Wegen der geltenden erteilten Unteransprüche 2 bis 14 gemäß Hauptantrag wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist in der Sache auch begründet, denn der Patentgegenstand gemäß Patentanspruch 1 und 15 nach Hauptantrag stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.
1. Gegenstand des Streitpatents ist ein Fahrzeugsitz (Patentanspruch 1) und eine Gleitschiene für einen solchen Sitz (Patentanspruch 15, jeweils nach Hauptantrag).
Nach den Abs. [0002] und [0004] der Streitpatentschrift sind derartige Sitze und deren Gleitschienenmechanik insbesondere dazu verwendbar, den Zugang zu den hinteren Plätzen eines Fahrzeugs mit 3 Türen zu ermöglichen bzw. allgemein den Zugang zu dem hinter dem Sitz liegenden Raum zu erleichtern. Daher wird im Streitpatent gemäß Abs. [0003] auch von dem Stand der Technik nach der EP 0 945 301 A1 (im Verfahren die sog. E4) ausgegangen, die einen derartigen Fahrzeugsitz offenbart.
Gemäß Abs.[0005] der Streitpatentschrift weisen diese bekannten Sitze allerdings den Nachteil auf, dass sie die Tendenz haben, bei entriegelter Verriegelung wieder selbsttätig nach hinten zu gleiten, z. B. ausgelöst durch eine bestimmte Parkposition des Fahrzeugs und/oder durch die nach hinten geneigte Anordnung der Gleitschienen.
Das Streitpatent hat sich daher nach Abs. [0006] zum Ziel gesetzt, diesem Nachteil zu begegnen.
Der geltende, mit dem erteilten identische Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß einen Fahrzeugsitz mit den folgenden Merkmalen:
1. Der Fahrzeugsitz umfasst im Wesentlichen eine horizontale Sitzfläche.
1.1. Die Sitzfläche ist auf zumindest einer Gleitschiene in einer longitudinalen Richtung zwischen einer vorderen und einer hinteren Position gleitend montiert.
1.1.1 Die Gleitschiene umfasst zumindest eine Verriegelung, welche zwischen einer verriegelten Position, in welcher die Verriegelung die Gleitschiene blockiert, und einer entriegelten Position, in welcher die Verriegelung der Gleitschiene ermöglicht frei zu gleiten, bewegbar ist.
1.1.2 Der Sitz weist Einrichtungen auf, um die Verriegelung nach einer Entriegelungs-Operation eines Anwenders in entriegelter Position zu halten.
1.1.3 Der Sitz weist Einrichtungen auf, um die Sitzfläche des Sitzes zurückzuhalten, wenn sich die Sitzfläche in der einer vorderen Position befindet, solange die Sitzfläche nicht eine rückwärts gerichtete Kraft erfährt, welche größer ist als ein vorbestimmter Wert.
1.1.4 Die Hilfsmittel zum Zurückhalten der Sitzfläche wirken mittels gegenseitigem Kontakt in einer im Wesentlichen horizontalen und im Wesentlichen senkrecht zur longitudinalen Richtung gerichteten Anlage-Richtung zusammen.
Die Merkmale 1. und 1.1 beschreiben dabei übliche Einrichtungen und Bestandteile von Fahrzeugsitzen, während Merkmal 1.1.1 die an sich bekannte Verstellbarkeit von Fahrzeugsitzen und deren Festlegung mittels Verriegelung in der gewünschten Sitzposition zum Gegenstand hat.
Durch Merkmal 1.1.2, welches Einrichtungen fordert, mit denen die Verriegelung des Sitzes nach einer Entriegelungs-Operation des Anwenders in entriegelten Position gehalten werden, wird die Gattung des beanspruchten Fahrzeugsitzes dahingehend festgelegt, dass dieser Sitztyp geeignet sein muss, leicht nach vorne verschoben werden zu können, um den Raum hinter dem Sitz zugänglich zu machen.
Ein derartiger Fahrzeugsitz wird durch Merkmal 1.1.3 dahingehend weitergebildet, dass Einrichtungen vorgesehen sind, um die Sitzfläche des Sitzes zurückzuhalten, wenn sich diese in der einer vorderen Position – dies ist eine Position, welche die Zugänglichkeit in den Raum hinter der Sitzfläche bzw. dem Sitz ermöglicht oder erleichtert – befindet, solange die Sitzfläche nicht eine rückwärts gerichtete Kraft erfährt, welche einen vorbestimmten Wert übersteigt. Mit dieser Maßnahme soll ein unangebrachtes und ungewolltes Zurückkehren der Sitzfläche bzw. des Sitzes, das den Anwender stören könnte, vermieden werden (vgl. Abs. [0008].
Ein weiteres Merkmal 1.1.4 ist noch auf die Hilfsmittel zum Zurückhalten der Sitzfläche gerichtet und zwar auf deren Wirkrichtung. Die Rückhaltemittel sollen demnach mittels gegenseitigem Kontakt in einer im Wesentlichen horizontalen und im Wesentlichen senkrecht zur longitudinalen Richtung gerichteten Anlage-Richtung zusammenwirken. Dabei lassen die Ausdrücke „Kontakt“ und „Anlage“ bereits erkennen, dass die durch die in Merkmal 1.1.2 beschriebene freie Gleitmöglichkeit vermittels Erhaltung der entriegelten Position des Sitzes durch die Rückhaltemittel durch einen reibenden Eingriff dieser Mittel auf (die beweglichen) Sitzteile verhindert werden soll. Zudem wird in Merkmal 1.1.4 die Eingriffsrichtung der Hilfsmittel zum Zurückhalten der Sitzfläche dahingehend definiert, dass der gegenseitige Kontakt (der Rückhaltemittel mit dem Sitz bzw. dessen gleitbeweglichen Teilen) in einer im Wesentlichen horizontalen Wirkrichtung hergestellt werden soll, wobei diese Wirkrichtung zudem noch senkrecht zur longitudinalen Richtung, also der Verfahrrichtung des Sitzes, liegen soll. Durch diese Maßnahme soll gemäß Abs. [0008] die Möglichkeit geschaffen werden, kompakte und in unmittelbarer Nähe der Sitzfläche befindliche Rückhalte-Hilfsmittel zu verwenden.
Während der geltende erteilte Patentanspruch 1 einen Fahrzeugsitz mit Rückhaltemitteln, die lediglich in ihrer Wirkung bzw. bezüglich der Wirkrichtung der Rückhalte-Hilfsmittel und nicht in ihrer konkreten technischen Ausgestaltung charakterisiert sind, zum Gegenstand hat, beschreibt der nebengeordnete geltende Patentanspruch 15 sehr allgemein eine beliebige, auch für Fahrzeugsitze geeignete Gleitschiene, nämlich eine aus zwei ineinander gleitend gelagerten Profilen bestehende Gleitschiene, deren Profile mit technisch konkret beschriebenen Rückhaltemitteln, nämlich einem Höcker auf dem ersten Profil und einer Blattfeder auf dem zweiten Profil, die bei Erreichen der Anschlagposition in Anlage kommen, um eine selbsttätige Rückwärtsbewegung des Sitzes bzw. der Sitzfläche zu verhindern. Die Anlage-Richtung dieser Elemente wird dabei als im Wesentlichen horizontal und im Wesentlichen zur longitudinalen Richtung senkrecht angegeben. Damit wird die Wirkrichtung dieser Elemente in dem Sinne beschrieben, wie sie auch in Merkmal 1.1.4 des geltenden Patentanspruchs 1 angegeben ist.
2. Als maßgeblicher Fachmann ist vorliegend ein Maschinenbau-Ingenieur mit zumindest Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Inneneinrichtungen von Kraftfahrzeugen anzusehen.
3. Der Gegenstand der geltenden Patentansprüche 1 bis 15 ist in den erteilten sowie den ursprünglichen Unterlagen als zum Patentgegenstand gehörend offenbart.
Die nach Hauptantrag geltenden Patentansprüche 1 bis 15 sind mit den erteilten Ansprüchen 1 bis 15 wortgleich mit Ausnahme der Änderung in der letzten Zeile des Anspruchs 15, wo der Ausdruck „horizontalen“ gestrichen und durch „longitudinalen“ ersetzt wurde.
Diese Änderung im geltenden Patentanspruch 15 ist zulässig. Bei der ursprünglichen und damit auch erteilten Formulierung handelt es sich um eine wenig sinngebende Beschreibung der Anlage-Richtung, weil diese im Wesentlichen horizontal und (gleichzeitig) zur horizontalen Richtung senkrecht sein soll. Eine Beschreibung einer Richtung, die lediglich einen horizontalen Verlauf kennzeichnet, legt damit lediglich eine Ebene aber keine Richtungsangabe fest. Eine gleichzeitig zu diesem horizontalen Verlauf senkrecht angestellte Verlaufsrichtung kann damit ebenfalls nur einen in der horizontalen Ebene liegenden Richtungsverlauf kennzeichnen, der aber aufgrund seiner senkrechten Ausrichtung zu einer in ihrer Verlaufsrichtung nicht definierten ersten Richtung ebenso keine Verlaufsrichtung definieren kann. Nach alledem wird der Fachmann, an den die Patentschrift gerichtet ist, die Beschreibung zu Rate ziehen, um diesen offensichtlichen Fehler aufzuklären. Insbesondere der Abs. [0028] der Beschreibung der Streitpatentschrift enthält den erklärenden Satz: „Diese Rückhalte-Einrichtungen wirken vorteilhafter Weise mittels gegenseitigen Kontakts in einer im Wesentlichen horizontalen und im Wesentlichen zur longitudinalen Richtung L senkrechten Andruck/Anlage-Richtung A zusammen“ (vgl. Abs. [0028], Zeilen 11 bis 16). Die Anlage-Richtung A und die longitudinale Richtung L, also die Längsrichtung der Schienen sind zudem in der ursprünglichen und erteilten Fig. 3 als richtungsweisender Pfeil (A) bzw. Doppelpfeil (L) dargestellt, wobei bereits diese Darstellung erkennen lässt, dass beide Richtungen in einer horizontalen Ebene liegen und zueinander senkrecht verlaufen, wobei der Verlauf beider Richtungen durch die Ausrichtung der longitudinalen Richtung L eindeutig definiert wird. Nach alledem handelt es sich bei der ursprünglichen und erteilten Formulierung in Anspruch 15 um einen offensichtlichen Fehler, der für den Fachmann ohne weiteres als zur Definition der maßgeblichen Richtungsverläufe ungeeignet erkennbar war und andererseits auch keine Stütze in der Beschreibung finden konnte. Somit kann die Änderung im nunmehr geltenden Anspruch 15, die zudem auch im Einklang mit Merkmal 1.1.4 des Patentanspruchs 1 (vgl. II.1.) als zulässige Beseitigung eines offensichtlichen Fehlers betrachtet werden. Eine Erweiterung des Schutzbereichs ist mit dieser konkretisierenden Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers nicht verbunden.
Die Patentansprüche 1 bis 15 nach Hauptantrag sind auch mit den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 15 – mit Ausnahme der Korrektur in Anspruch 15 – wortgleich.
4. Die patentgemäße Lehre nach Patentanspruch 15 ist in der Streitpatentschrift so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Die Lehre des Anspruchs 15 ist jedenfalls dann, wenn die ursprüngliche und erteilte Formulierung als offensichtlicher Fehler erkannt wird, für den einschlägigen Fachmann ausführbar, weil die von der Einsprechenden gerügte Unklarheit an dem Richtungsverlauf der Anlage-Richtung durch die zulässige Korrektur in Anspruch 15 beseitigt ist.
Aus der Beschreibung des Streitpatents, Abs. [0028] ist für den Fachmann in Verbindung mit der Darstellung gemäß Fig. 3 eindeutig erkennbar, dass die (in Fig. 3 mit Doppelpfeil gekennzeichnete) longitudinale Richtung in einer horizontalen Ebene in Längsrichtung der Sitzschienen verläuft. Damit ist die Verlaufsrichtung einer Anlage-Richtung, die in Patentanspruch 15 als im Wesentlichen horizontal und im Wesentlichen senkrecht zur longitudinalen Richtung verlaufend gekennzeichnet ist, ebenfalls eindeutig definiert, denn diese ist in der Zeichnung, Fig. 3, mit Pfeil A als in einer horizontalen Ebene liegend (Fig. 3 zeigt gemäß Abs. [0015] der Beschreibung des Streitpatents eine Ansicht der Gleitschiene von unten) und im rechten Winkel zur longitudinalen Richtung (Doppelpfeil L) verlaufend erkennbar.
5. Der Gegenstand des geltenden erteilten Patentanspruchs 1 sowie der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 15 sind jeweils neu.
Die im Beschluss der Patentabteilung zur Neuheit gegenüber Patentanspruch 1 nach Hauptantrag herangezogene ältere Anmeldung gemäß D1 (DE 10 2004 057 106 A1) zeigt und beschreibt einen Fahrzeugsitz mit einer im Wesentlichen horizontalen Sitzfläche (Merkmal 1. nach Merkmalsgliederung gemäß II.1.), wobei die Sitzfläche auf zumindest einer Gleitschiene (26, 28) in einer longitudinalen Richtung zwischen einer vorderen (Fig. 2) und einer hinteren Position (Fig. 1) gleitend montiert ist (Abs. [0016] und [0017] (Merkmal 1.1). Auch umfasst die Gleitschiene (26, 28) zumindest eine Verriegelung (38) (vgl. Abs. [0006], welche zwischen einer verriegelten Position, in welcher die Verriegelung die Gleitschiene blockiert und einer entriegelten Position, in welcher die Verriegelung der Gleitschiene ermöglicht frei zu gleiten, bewegbar ist (Merkmal 1.1.1), wobei der Sitz gemäß Merkmal 1.1.2 auch Einrichtungen aufweist, um die Verriegelung nach einer Entriegelungs-Operation eines Anwenders in entriegelter Position zu halten (vgl. Abs. [0016] und strichpunktierte Linie in Fig. 1). Außerdem weist der Sitz nach der D1 auch Einrichtungen auf, um die Sitzfläche des Sitzes zurückzuhalten, wenn sich die Sitzfläche in der/einer vorderen Position befindet, solange die Sitzfläche nicht eine rückwärts gerichtete Kraft erfährt, welche größer ist als ein vorbestimmter Wert (Merkmal 1.1.3). Dieser Sachverhalt wird in Abs. [0007] der D1 allgemein und abstrakt beschrieben, wodurch der Wortlaut des Merkmals 1.1.3 bereits vollumfänglich abgedeckt ist, während aus Fig. 3 und 4 die entsprechende Schnappverriegelung konkret dargestellt ist.
Einen Hinweis auf Merkmal 1.1.4 kann die D1 indes nicht geben, denn im Text der Ansprüche (insbesondere auch Anspruch 1) wird eine Schnappverriegelung beschrieben, die mit einer Traverse (48) zusammen wirkt. Bereits dieses Zusammen- wirken mit einer Traverse, also einem quer zur longitudinalen Verschieberichtung des Sitzes abgeordneten Bauteil kann nicht zu einer im Wesentlichen horizontalen Anlage-Richtung führen, denn ein derart quer verlaufendes Bauteil kann nur real in senkrecht-vertikaler Anlagerichtung mit einer Schnappverriegelung zusammen wirken. Dem in Anspruch 1 von D1 skizzierten Gegenstand lässt sich daher schon eine im Wesentlichen horizontale Anlage-Richtung nicht entnehmen und noch weniger dem beschriebenen und gezeichneten Ausführungsbeispiel. Auch wenn in einzelnen Ansprüchen (z. B. Ansprüche 2 und 6) und einleitenden Beschreibungsteilen nur eher allgemeine Ausführungen zu einem Zusammenwirken von Schnappverriegelung und Gegenstück gemacht werden, kann die Gesamtheit der Offenbarung der D1 unter dem Gesichtspunkt des reinen Neuheitsvergleichs (ältere Anmeldung) keine Anhaltspunkte zum Mitlesen einer anderen als einer vertikalen Anlage-Richtung bieten.
Vom Stand der Technik nach D4 (DE 10 2004 049 404 A1) (ältere Anmeldung) unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in den Merkmalen 1.1.3 und 1.1.4, denn dieser Stand der Technik offenbart keinerlei Rückhaltemittel in der vordersten Sitzposition im entriegelten Zustand der Verriegelungsmechanik. Auch die lediglich zum Neuheitsvergleich zu betrachtende E2 (DE 10 2004 021 673 A1) lehrt keinen Fahrzeugsitz mit den Merkmalen 1.1.3 und 1.1.4, denn auch hier sind Rückhaltemittel für die Sitzfläche bzw. dem Sitz in der vordersten Position nicht vorgesehen, sondern es soll lediglich das Hochklappen der Lehne durch Drehmomenterhöhung so lange erschwert werden, bis die gewünschte Sitzposition beim Zurückschieben des Sitzes erreicht ist.
Die lediglich zum Neuheitsvergleich heranzuziehenden Druckschriften D1, D4 und E2 können die Neuheit des Fahrzeugsitzes nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht in Frage stellen.
Nachdem der geltende nebengeordnete Patentanspruch 15 nach Hauptantrag im Hinblick auf die Anlage-Richtung keine andere Lehre als die gemäß Merkmal 1.1.4 des Patentanspruchs 1 beschreibt, kann die dort beschriebene Gleitschiene zur Frage der Neuheit nicht anders beurteilt werden als der Fahrzeugsitz nach Patentanspruch 1. Damit gilt auch Patentanspruch 15 gegenüber dem Stand der Technik nach D1, D4 und E2 als neu.
Die am 29. September 1999 veröffentlichte E4 (EP 0 945 301 A1) bzw. deren deutsche Übersetzung E4‘ (DE 699 26 936 T2) offenbart einen Fahrzeugsitz, von dem auch im Streitpatent bereits ausgegangen worden war (vgl. Abs. [0003]. Dieser Fahrzeugsitz mit im Wesentlichen horizontaler Sitzfläche (Fig. 1) und ver- und entriegelbarer Gleitschiene (Abs. [0002] und [0003] in E4 bzw. E4‘) weist auch Einrichtungen auf, um die Verriegelung nach einer Entriegelungs-Operation eines Anwenders in entriegelter Position zu halten (vgl. Abs. [0037] der E4‘ bzw. Abs. [0027] der E4) und weist damit die Merkmale 1., 1.1 und 1.2 des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag auf. Einrichtungen zum Zurückhalten der Sitzfläche in ihrer vorderen Position gemäß Merkmal 1.3 sind bei diesem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht vorgesehen und demgemäß vermag diese Entgegenhaltung auch keine Anlage-Richtung von Hilfsmitteln zum Zurückhalten der Sitzfläche i. S. v., Merkmal 1.1.4 anzugeben. Vielmehr wird in der E4/E4‘ eine Rückführung des nach vorne verschobenen Sitzes zu einem Speicherungsreiter einer mechanischen Memory-Funktion für eine voreingestellte Sitzposition beschrieben, deren Sperreinrichtungen zudem noch, anders als in Merkmal 1.1.4 des Patentanspruchs 1 angegeben, von unten in vertikaler Richtung wirken.
In die gleiche Richtung wie die E4/E4‘ geht auch die D2 (DE 196 414 23 A1), die ebenfalls eine mechanische Memory-Funktion zur Auffindung einer gewünschten Sitzposition nach Verschiebung des Sitzes nach vorne offenbart und lediglich die Merkmale 1. bis 1.1.2 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag vorweg nimmt, während ein Halten des Sitzes in der nach vorne geschobenen Position nicht Gegenstand der D2 ist, weswegen sie keine Hinweise auf die Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 vermitteln kann.
Auch der Stand der Technik nach D8 (DE 100 36 123 A1) kennzeichnet nicht ein Halten des Sitzes in einer vorderen Position, sondern lediglich das Auffinden einer mittleren Sitzposition im Wege einer mechanisch wirkenden memory-Funktion. Hierzu läuft ein Betätigungsfinger (53) elastisch auf einen von unten nach oben gewölbten Anschlag (vgl. Fig. 7, 8) auf, um ein Sperrorgan zu betätigen, was eine Rückkehr des Sitzes in eine vorbestimmte mittlere Stellung und seine Verriegelung dort ermöglicht. Nach alledem unterscheidet sich der Patentanspruch von diesem Stand der Technik ebenfalls in den Merkmalen 1.1.3 und 1.1.4.
Die E3 (US 4 469 384 A) offenbart lediglich ineinander laufende Schienenanordnungen mit internen Stop-Systemen, jedoch ohne Bezug zu Kraftfahrzeugsitzen.
Auch die verbleibenden vorveröffentlichten Druckschriften kennzeichnen keine Lehre gemäß den Merkmalen 1.1.3 und 1.1.4 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag, denn auch bei diesem Stand der Technik sind keinerlei Mittel zum Halten des Sitzes in einer nach vorne verschobenen Position vorgesehen. Hierbei handelt es sich um die folgenden Druckschriften D3 (DE 697 02 224 T2) D5 (US 5 855 413 A) D6 (DE 601 02 878 T2) D7 (DE 10 2004 017 491 A1) D9 (FR 2 618 863 A1) D12 (DE 198 12 945 A1) D13 (DE 199 17 845 A1) E1 (DE 24 34 409 (C3)
Die Druckschriften D10 (FR 2 865 166 A1) und D11 (DE 20 2005 009 373 U1) sind erst nach dem Zeitrang des Streitpatents veröffentlicht worden und gehören daher nicht zum Stand der Technik.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag weist gegenüber dem entgegengehaltenen druckschriftlichen Stand der Technik jeweils die erforderliche Neuheit auf, da er sich von diesem Stand der Technik jeweils zumindest in dem die Anlage-Richtung kennzeichnenden Merkmal 1.1.4 unterscheidet.
Der geltende Patentanspruch 15 unterscheidet sich von dem entgegen gehaltenen druckschriftlichen Stand der Technik ebenfalls in seiner auch dort, wie in Merkmal 1.1.4 des Patentanspruchs 1 gekennzeichneten Anlage-Richtung sowie ferner noch im Zusammenwirken von einem Höcker mit einer Blattfeder in der entsprechenden Anlage-Richtung, so dass auch der Gegenstand dieses Anspruchs die erforderliche Neuheit aufweist.
6. Der Gegenstand der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung gehört nicht zum Stand der Technik.
Voraussetzung für die offenkundige Vorbenutzung einer technischen Lehre ist, dass diese der Öffentlichkeit durch die Benutzungshandlung zugänglich gemacht worden ist. Dies setzt sowohl die Zugänglichkeit der Informationsquelle als auch die Zugänglichkeit der technischen Informationen voraus, die sich aus dieser Quelle gewinnen lassen (vgl. BGH GRUR 1997, 892, 894 – Leiterplattennutzen), d. h. die maßgebliche technische Lehre muss anhand der Benutzung objektiv erkennbar sein, ohne dass es für den Fachmann insoweit weiterer Erläuterungen bedarf (vgl. BGH GRUR 1996, 747, 752 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem; Schulte/ Moufang, PatG, 9. Aufl., § 3 Rdn. 32 und 51). Dabei muss die nicht entfernte Möglichkeit eröffnet werden, dass beliebige Dritte zuverlässige Kenntnis von den neuheitsschädlichen Tatsachen erhalten (vgl. Schulte, PatG, § 3 Rn. 24 m. w. N.). Dabei kann bereits eine einzige, ohne Geheimhaltungsvereinbarung erfolgte Lieferung eines entsprechenden Gegenstandes ausreichen, um den Tatbestand der offenkundigen Vorbenutzung zu erfüllen (vgl. BGH GRUR 1999, 976, 977, dort unter 4a) – Anschraubscharnier). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, denn die von der Einsprechenden behauptete Auslieferung eines Sitzschienensystems an die J… GmbH ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit bewiesen worden. Die Beweis- und Darlegungslast hinsichtlich der Feststellung einer offenkundigen Vorbenutzung als solche richtet sich auch unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nach den allgemeinen, zivilprozessualen Verfahrensregeln. Diese obliegt hinsichtlich der Frage, ob und wann eine offenkundige Vorbenutzung eines bestimmten Standes der Technik erfolgt ist, stets dem Gegner des Schutzrechtsinhabers, hier also der Einsprechenden.
Dem Senat standen als Beweismittel zu der behaupteten Benutzungshandlung nach dem Ausscheiden der Einsprechenden lediglich ihre in Kopie eingereichten Unterlagen, insbesondere Lieferscheine (Anlage 2) und Zeichnungen (Anlagen 4, 5) zur Verfügung. Die weiteren Unterlagen (Anlagen 1, 3) sind für die beweiserhebliche Frage, welche Tatsachen beliebigen Dritten, hier der J… GmbH, zugänglich gemacht wurden, unergiebig. Die beweiserhebliche Frage, ob die in Anlage 4 zeichnerisch dargestellte Sitzverstellung, von der Patentinhaberin in Abrede gestellt, tatsächlich zum weiteren Einbau in Fahrzeuge vom Typ Mercedes A-Klasse an die J… GmbH ausgeliefert wurde, konnte allein durch die Kopie des Lieferscheins über 12 Stück (Anlage 2) trotz gleicher „Identnummer“ nicht zweifelsfrei erwiesen werden. Maßgebliche Zweifel an der Darstellung der Einsprechenden ergeben sich vor allem daraus, dass die Serienproduktion der in Rede stehenden Karosserieversion C 169 bereits Monate (November 2004, vgl. Anlage 3) vor dem Zeitpunkt der durch Lieferschein belegten Lieferung begonnen hatte und die Auslieferung von lediglich zwölf – ausschließlich linken – Sitzschienen für ein Sitzschienensystem nicht geeignet ist, eine Lieferung im Rahmen einer Serienfertigung als hinreichend wahrscheinlich anzusehen. Demnach kann auch nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die in den Anlagen 2 bzw. 4 und 5 aufgeführten Teile iden- tisch sind, was die Patentinhaberin stets bestritten hat. Nachdem infolge des Ausscheidens der Einsprechenden aus dem Verfahren weitere Feststellungen dazu nicht mehr möglich sind, geht diese Unaufklärbarkeit zu ihren Lasten.
7. Der Gegenstand nach dem geltenden erteilten Patentanspruch 1 sowie der Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 15, deren gewerbliche Anwendbarkeit jeweils nicht in Zweifel steht, beruhen jeweils auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Im Streitpatent wird gemäß Abs. [0003] von einem Stand der Technik ausgegangen, wie er durch die EP 0 945 301 A1 bekannt geworden ist. Von diesem Stand der Technik, der sich als Dokument E4 im Verfahren befindet, war auch im Beschluss der Patentabteilung ausgegangen worden. Wie bereits aus dem Neuheitsvergleich (vgl. II.5.) ersichtlich ist, finden sich bei dem gattungsbildenden Stand der Technik nach E4 keine Einrichtungen zum Zurückhalten der Sitzfläche in ihrer vorderen Position gemäß Merkmal 1.3 des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag (vgl. Merkmalsgliederung gemäß II.1). Daher kann diese Entgegenhaltung auch keine Anlage-Richtung für Hilfsmittel zum Zurückhalten der Sitzfläche i. S. v. Merkmal 1.1.4 offenbaren.
Nachdem der Gegenstand der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung nicht als offenkundig geworden betrachtet werden kann (II. 6.), befindet sich – wie auch aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich ist – kein weiterer vorveröffentlichter zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehender Stand der Technik mehr im Verfahren, der Mittel zum Zurückhalten der Sitzfläche, die in der beanspruchten Richtung wirken, nahelegen könnte.
Demnach stand dem maßgeblichen Fachmann vor dem Zeitrang des Streitpatents kein Stand der Technik zur Verfügung, der ihm Hinweise auf ein technisches Handeln gemäß den Merkmalen 1.1.3 und 1.1.4 des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag, also auf Mittel zum Zurückhalten der Sitzfläche in der/einer vorderen Posi- tion, die mittels gegenseitigem Kontakt in einer im Wesentlichen horizontalen und im Wesentlichen senkrecht zur longitudinalen Richtung gerichteten Anlage-Richtung zusammenwirken, hätte geben können.
So der Fachmann vor dem Zeitrang des Streitpatents in der losen Lage des nach vorne verschobenen Sitzes ein Problem erkannt hätte, wäre es für ihn naheliegend gewesen, eine weitere Möglichkeit zur Arretierung des Sitzes in der nach vorne verschobenen Position zu schaffen, zumal in jedem Fahrzeugsitz die Mittel zur Arretierung des Sitzes in verschiedenen Gebrauchspositionen ohnehin vorhanden sind, die ihrerseits auch zur Arretierung in der nach vorne verschobenen Position hätten Verwendung finden können.
Einen Hinweis auf ein technisches Handeln i. S. d. Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag indes hätte der Fachmann aus seinem allgemeinen und speziellen Fachwissen heraus nicht finden können. Somit bedurfte es eines erfinderischen Zutuns, um ausgehend vom Stand der Technik nach E4 zu einem Kraftfahrzeugsitz wie in Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beschrieben zu gelangen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nach alledem auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher bestandsfähig.
Nachdem die Lehre des nebengeordneten Patentanspruchs 15 nach Hauptantrag das technische Handeln gemäß Merkmal 1.1.4 des Patentanspruchs 1 bezüglich der Anlage-Richtung ebenfalls enthält und zudem noch konkrete Mittel wie Blattfeder und Höcker zur Herstellung der entsprechenden Anschlag-Position in der angegebenen Anlage-Richtung beschreibt, die weder aus dem entgegen gehaltenen Stand der Technik herleitbar sind noch das Ergebnis fachüblicher Überlegungen und Handlungen kennzeichnen, beruht auch der nebengeordnete Patentanspruch 15 nach Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentanspruch 15 nach Hauptantrag hat daher Bestand.
Die auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 14 nach Hauptantrag kennzeichnen vorteilhafte Ausgestaltungen der Lehre des tragenden Hauptanspruchs und haben ebenfalls Bestand.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Zehendner Dr. Huber Rippel Heimen Pr
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