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V ZB 19/19

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 19/19 BESCHLUSS vom 4. Juli 2019 in der Rücküberstellungshaftsache ECLI:DE:BGH:2019:040719BVZB19.19.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 16. Januar 2019 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 14. September 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Land Niedersachsen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. September 2018 gegen den Betroffenen, einen libanesischen Staatsangehörigen, Haft bis zum 2. Oktober 2018 zur Sicherung seiner Rücküberstellung in die Niederlande angeordnet. Am 1. Oktober 2018 wurde er rücküberstellt. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung rechtmäßig. Zwar habe der Haftrichter das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt, weil er dessen zu Beginn der Anhörung geäußerten Bitte, von Rechtsanwalt Oppermann vertreten zu werden, nicht nachgekommen sei. Dieser Verfahrensverstoß sei aber unerheblich, weil er nicht zu einer materiell unrichtigen Entscheidung geführt habe. Der Verfahrensfehler sei auch nicht von solchem Gewicht, dass durch ihn das ganze Verfahren rechtswidrig sei. Denn schon allein aufgrund der notwendigen Fahrtzeit wäre es dem Anwalt nicht möglich gewesen, an dem bereits begonnenen Termin noch teilzunehmen; eine Pflicht zur Terminverlegung habe nicht bestanden. Richtigerweise hätte der Haftrichter die Bitte des Betroffenen als Prozesskostenhilfeantrag auslegen müssen. Dass er diesen nicht beschieden habe, wirke sich aber nicht aus, weil mangels Erfolgsaussicht die Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Verfahrensweise des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

1. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen,

sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (Senat, Beschluss vom 8. Februar 2018 - V ZB 92/17,

juris Rn. 6 mwN). Diesen Grundsatz hat der Haftrichter verletzt. Der Betroffene hatte bei Beginn der Anhörung durch den Haftrichter ausdrücklich darum gebeten, von Rechtsanwalt O.

vertreten zu werden. Der Haftrichter hätte diese Bitte berücksichtigen müssen. Erfährt er während des Anhörungstermins,

dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss er dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Anhörungstermin in Kenntnis gesetzt wird und an der Anhörung teilnehmen kann. Ist eine Teilnahme an dem schon anberaumten Anhörungstermin nicht möglich, ist ein neuer Termin zu bestimmen. Bis dahin kann über die Anordnung von Haft nur vorläufig im Wege einer einstweiligen Anordnung

(§ 427 FamFG) entschieden werden (Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2018 - V ZB 69/18,

InfAuslR 2019, 152 Rn. 5). Eine solche hat das Amtsgericht nicht erlassen.

Vielmehr hat es - wie die Abhilfeentscheidung zweifelsfrei erkennen lässt - eine endgültige Entscheidung getroffen, ohne zuvor dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, sich von dem Rechtsanwalt seiner Wahl vertreten zu lassen und mit dessen Beistand zu dem Haftantrag Stellung zu nehmen.

2. Der Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens führt zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Bitte des Betroffenen nicht lediglich als Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenskostenhilfe auszulegen, dessen Nichtbescheidung nur dann zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung führt, wenn Verfahrenskostenhilfe im Zeitpunkt der Antragstellung zu bewilligen gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, InfAuslR 2016, 381 Rn. 13). Denn der Betroffene hatte nicht allgemein nach einem Rechtsanwalt gefragt (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, InfAuslR 2016, 381 Rn. 5). Vielmehr ließ seine Bitte auf Teilnahme eines konkret benannten Rechtsanwalts erkennen, dass es ihm darum ging, diesen - unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe - zu dem Termin hinzuzuziehen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten des Betroffenen an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft (Senat, Beschluss vom 8. Februar 2018 - V ZB 92/17, juris Rn. 6 mwN).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann land Göbel Schmidt-Räntsch Wein- Haberkamp Vorinstanzen:

AG Braunschweig, Entscheidung vom 14.09.2018 - 33 a XIV 31/18 B LG Braunschweig, Entscheidung vom 16.01.2019 - 8 T 664/18 und 8 T 665/18 -

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