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XIII ZB 24/24

BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 24/24 BESCHLUSS vom 14. Juli 2025 in der Mitwirkungshaftsache Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:

ja nein ja nein AufenthG § 62 Abs. 6, § 82 Abs. 4; FamFG § 417 Abs. 2 a) Die Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG gelten auch für den auf Anordnung von Mitwirkungshaft nach § 62 Abs. 6 AufenthG gerichteten Haftantrag.

b) Bei der Mitwirkungshaft richten sich die inhaltlichen Anforderungen an die Darlegungen der Behörde zur Verlassenspflicht des Betroffenen sowie zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung im Haftantrag danach, welche Erkenntnisse die Behörde in dem konkreten Verfahrensstadium hat, in dem sie die Mitwirkungshandlung des Betroffenen erzwingen will.

c) Zur Nachfragepflicht des Haftgerichts, wenn im Haftantrag ein Rechtsanwalt des Betroffenen benannt wird.

BGH, Beschluss vom 14. Juli 2025 - XIII ZB 24/24 - LG Nürnberg-Fürth AG Schwabach ECLI:DE:BGH:2025:140725BXIIIZB24.24.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Roloff, den Richter Dr. Tolkmitt sowie die Richterinnen Dr. Picker, Dr. Vogt-Beheim und Dr. Holzinger beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 18. Zivilkammer - vom 12. März 2024 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I. Der Betroffene, ein mutmaßlich nigerianischer Staatsangehöriger, reiste 2021 nach Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid vom 26. August 2022 abgelehnt und seine Abschiebung nach Nigeria angeordnet. Die Abschiebungsanordnung ist seit dem 13. Oktober 2022 vollziehbar. Da der Betroffene keine Ausweisdokumente besaß, leitete die beteiligte Behörde im Juni 2023 von Amts wegen ein Passersatzpapier-Verfahren ein. Dafür war eine persönliche Vorsprache des Betroffenen bei der Vertretung von Nigeria in M erforderlich. Trotz entsprechender behördlicher Verpflichtung durch einen Bescheid des Bayerischen Landesamts für Asyl und Rückführungen vom 4. September 2023 mit der Androhung einer zwangsweisen Vorführung durch die Polizei erschien der Betroffene an dem auf den 14. September 2023 festgelegten Termin nicht bei der nigerianischen Auslandsvertretung. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 16. Januar 2024 ordnete das Amtsgericht am 17. Januar 2024 in Abwesenheit des Betroffenen zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Vorführung bei Vertretern des Herkunftslands Nigeria (Mitwirkungshaft) an. Am 30. Januar 2024 wurde der Betroffene festgenommen.

Nach Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2024 gegen diesen Mitwirkungshaft für die Zeit vom 30. Januar bis zum 7. Februar 2024 angeordnet. Die am 6. Februar 2024 eingelegte und mit dem Feststellungsantrag weiterverfolgte Beschwerde ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung ihm der Senat Verfahrenskostenhilfe gewährt hat (Beschluss vom 25. Juni 2024 - XIII ZB 24/24).

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Anordnung der Haft zur Sicherung der Vorführung des Betroffenen bei Vertretern seines Herkunftslandes durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Januar 2024 habe diesen nicht in seinen Rechten verletzt. Es habe ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde vorgelegen, in dem mitgeteilt worden sei, dass die Identität des Betroffenen im Sinn des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FamFG noch nicht geklärt sei, da er nicht über einen gültigen Pass, Passersatz oder ein anderes Reisedokument verfüge. Die Erforderlichkeit der Mitwirkungshaft zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und deren Dauer sei für den Betroffenen dargelegt worden. Da die Mitwirkungshaft nicht unmittelbar der Durchsetzung der Ausreisepflicht, sondern der Erzwingung von notwendigen Mitwirkungshandlungen des Betroffenen diene, habe die beteiligte Behörde im Haftantrag keine Angaben dazu machen müssen, ob und in welchem Zeitraum eine Abschiebung möglich ist. Die Haftanordnung sei zu Recht auf Grundlage von § 62 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ergangen, weil der Betroffene der Anordnung, zum Zwecke der Beschaffung eines Passersatzpapiers bei der nigerianischen Vertretung persönlich zu erscheinen, unentschuldigt nicht Folge geleistet habe und zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen worden sei. Mit der Anordnung einer auf neun Tage befristeten Ingewahrsamnahme sei die Frist des § 62 Abs. 6 Satz 1 AufenthG eingehalten worden; die beteiligte Behörde habe sowohl das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt als auch das Beschleunigungsgebot beachtet. Es stelle auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar, dass das Amtsgericht den nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen, Rechtsanwalt E, nicht vom Anhörungstermin am 30. Januar 2024 in Kenntnis gesetzt habe. Zwar habe die beteiligte Behörde im Haftantrag mitgeteilt, dass der Betroffene von Rechtsanwalt E anwaltlich vertreten werde. Der Betroffene habe jedoch ausweislich des Protokolls im Anhörungstermin keinen Rechtsanwalt verlangt und Rechtsanwalt E sei zu diesem Zeitpunkt nicht im Freiheitsentziehungsverfahren, sondern im verwaltungsrechtlichen Verfahren mandatiert gewesen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

a) Im Ergebnis zu Recht ist das Beschwerdegericht vom Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ausgegangen.

aa) Auch im Verfahren über die Anordnung von Mitwirkungshaft nach § 62 Abs. 6 AufenthG ist das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags der beteiligten Behörde eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Die Anforderungen an seinen Inhalt richten sich nach den Erkenntnissen, die die beteiligte Behörde zu dem Zeitpunkt hat, in dem sie eine Mitwirkungshandlung des Betroffenen erzwingen will.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Haftantrag nur zulässig, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG verlangt neben der Angabe der Identität und des gewöhnlichen Aufenthalts des Betroffenen auch Ausführungen zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung sowie zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung. Darüber hinaus sind gemäß § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft Darlegungen zur Verlassenspflicht des Betroffenen sowie zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung zu machen. Diese dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Dazu müssen sie auf den konkreten Fall bezogen sein und dürfen sich nicht in Leerformeln erschöpfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8 f; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 116/19, NVwZ 2023, 1523 Rn. 7 mwN).

(2) Diese Anforderungen sind im Grundsatz auch an behördliche Anträge auf Anordnung von Mitwirkungshaft nach § 62 Abs. 6 AufenthG zu stellen. Insbesondere muss die beteiligte Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch in solchen Haftanträgen gemäß § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG Darlegungen zur Verlassenspflicht des Betroffenen sowie zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung machen. Denn die in Absatz 6 des insgesamt mit "Abschiebungshaft" überschriebenen § 62 AufenthG geregelte Mitwirkungshaft stellt, wie bereits aus der Gesetzessystematik des § 62 AufenthG folgt, einen Unterfall der Abschiebungshaft dar (vgl. auch Al-Ali/Bergmann/Putzar-Sattler in Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 4. Aufl., § 62 AufenthG Rn. 4 a.E.; Stahmann in Marschner/Lesting/Stahmann, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 7. Aufl., Kapitel E. Materielles Freiheitsentziehungsrecht Rn. 24; Kretschmer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht [Stand: 1. Mai 2025], § 62 AufenthG Rn. 38), auf die § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG Bezug nimmt. Dieses Verständnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 10. Mai 2019 die Mitwirkungshaft nach § 62 Abs. 6 AufenthG als eine (weitere) Form der Abschiebungshaft neu eingeführt (vgl. BT-Drucks. 19/10047, S. 25 unten, S. 26) und eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung als Voraussetzung für die Anordnung von Mitwirkungshaft angesehen hat (vgl. aaO, S. 44).

(3) Die für die Anordnung von Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG geltenden inhaltlichen Anforderungen an die Darlegungen der Behörde zur Verlassenspflicht des Betroffenen sowie zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf die Mitwirkungshaft aber nicht übertragbar. Die in § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG genannten Mitwirkungshandlungen, die durch die Haft nach § 62 Abs. 6 AufenthG erzwungen werden sollen, sind in der Regel in einem frühen Verfahrensstadium erforderlich, in dem die beteiligte Behörde die Abschiebung selbst noch nicht vorbereiten kann. Bei der Mitwirkungshaft richten sich die inhaltlichen Anforderungen an die Darlegungen der Behörde zur Verlassenspflicht des Betroffenen sowie zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung im Haftantrag daher danach, welche Erkenntnisse die Behörde in dem konkreten Verfahrensstadium hat, in dem sie die Mitwirkungshandlung des Betroffenen erzwingen will. Soll die Haft überhaupt erst der Klärung der Nationalität des Betroffenen und der (Vorbereitung der) Beschaffung von Ausweisdokumenten durch Vorsprache bei einer Vertretung seines mutmaßlichen Herkunftslandes dienen, können keine konkreten Angaben zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zu deren zeitlichen Rahmen erwartet werden. Hier reicht es vielmehr aus, wenn die Behörde erklärt, dass keine Hindernisse bekannt sind, die eine Abschiebung des Betroffenen verhindern oder in Frage stellen würden, wenn sich seine vermutete Nationalität bestätigt und die Behörden seines Herkunftslandes ein Passersatzpapier für ihn ausstellen.

bb) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist das Beschwerdegericht im Streitfall im Ergebnis zu Recht vom Vorliegen eines zulässigen Haftantrags der beteiligten Behörde ausgegangen.

(1) Im Haftantrag vom 16. Januar 2024 wird angegeben, der Betroffene, der nach eigenen Angaben die nigerianische Staatsangehörigkeit besitze, sei seit dem 13. Oktober 2022 vollziehbar ausreisepflichtig. Er habe seitdem keine gültigen Ausweispapiere vorgelegt und auch keine Nachweise dafür erbracht, dass er sich um die Erlangung gültiger Dokumente bemühe. Daher sei am 5. Juni 2023 von Amts wegen das Passersatzpapier-Verfahren eingeleitet worden, für dessen erfolgreiche Durchführung ein persönliches Erscheinen des Betroffenen bei der zuständigen Auslandsvertretung notwendig sei. Dem ihm mit Bescheid vom 4. September 2023 unter Androhung einer zwangsweisen Vorführung für den Fall seines Nichterscheinens mitgeteilten Termin für diese Vorsprache am 14. September 2024 sei der Betroffene unentschuldigt ferngeblieben. Für den 7. Februar 2024 sei ein neuer Anhörungstermin festgelegt worden. Zur Gewährleistung der zwangsweisen Vorführung des Betroffenen zu diesem Termin sei seine Inhaftnahme ab dem 25. Januar 2024 erforderlich, da aufgrund seines bisherigen Verhaltens nicht damit zu rechnen sei, dass er am Tag der Vorsprache in seiner Unterkunft angetroffen werden könne. Eine Abschiebung des Betroffenen sei derzeit wegen seiner noch ungeklärten Identität und mangels gültiger Ausweispapiere nicht möglich. Nach Aktenlage sei nach erfolgter Vorführung bei Vertretern des mutmaßlichen Herkunftslandes mit einer Identifizierung zu rechnen. Nach Erlangung von Heimreisedokumenten sei die Abschiebung des Betroffenen grundsätzlich durchführbar, da anderweitige Duldungsgründe als das Fehlen der Ausweisepapiere nicht bestünden.

(2) Diese Angaben ermöglichen dem Haftrichter zum einen, die Erforderlichkeit der Anordnung von Mitwirkungshaft im konkreten Fall zu prüfen. Zum anderen enthalten sie hinreichende Angaben dazu, dass eine Abschiebung des Betroffenen voraussichtlich möglich ist, sobald aufgrund seiner - erzwungenen Mitwirkungshandlungen die erforderliche Identitäts- und Nationalitätsklärung erfolgt ist und Passersatzpapiere für ihn vorliegen. Weitere Angaben konnte und musste die beteiligte Behörde unter den gegebenen Umständen nicht machen.

b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch die Rüge des Betroffenen, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor, für nicht durchgreifend erachtet. Das Amtsgericht musste den im Haftantrag benannten Rechtsanwalt nicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen laden und den Betroffenen auch nicht auf die Möglichkeit der Hinzuziehung dieses oder eines anderen Rechtsanwalts hinweisen.

aa) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser vom Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 5. März 2024 - XIII ZB 75/22, juris Rn. 8; vom 17. September 2024 - XIII ZB 67/20, juris Rn. 12; vom 17. Juni 2025 - XIII ZB 7/24, juris Rn. 7, jeweils mwN).

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Amtsgericht aber nur dann verpflichtet, einen Verfahrensbevollmächtigten von sich aus zum Anhörungstermin zu laden, wenn der Bevollmächtigte in dem Verfahren zur Entscheidung über den Haftantrag der beteiligten Behörde seine Bestellung angezeigt oder der Betroffene von einer solchen Bestellung Mitteilung gemacht hat. Eine solche Pflicht des Gerichts besteht demgegenüber nicht, wenn der Rechtsanwalt den Betroffenen in einem anderen Verfahren vertreten hat oder vertritt. Ein solches "anderes Verfahren" stellen auch ein vorhergehendes oder parallel laufendes ausländerrechtliches Verfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2019 - V ZB 144/17, InfAuslR 2020, 30 Rn. 9; vom 28. Februar 2023 - XIII ZB 70/21, Asylmagazin 2023, 275 Rn. 10) oder ein vorangegangenes Verfahren über die - gegebenenfalls vorläufige (§ 427 FamFG) - Anordnung von Sicherungshaft dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2019 - V ZB 39/19, InfAuslR 2019, 454 Rn. 6 f.; BGH, InfAuslR 2020, 30 Rn. 12; vom 16. Januar 2024 - XIII ZB 46/20, juris Rn. 16; vom 30. Januar 2024 - XIII ZB 4/22, juris Rn. 7). Diese sind im Verhältnis zum aktuellen Haftanordnungsverfahren jeweils eigenständige Verfahren mit der Folge, dass aus einer Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten in dem einen Verfahren nicht zwingend eine Bestellung auch für das aktuelle Verfahren folgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2018 - V ZB 230/17, Asylmagazin 2018, 387 Rn. 7; vom 5. Dezember 2023 - XIII ZB 14/21, juris Rn. 7; vom 30. Januar 2024 - XIII ZB 4/22, juris Rn. 7).

(2) Allerdings erfordern die Grundsätze des fairen Verfahrens eine Verfahrensgestaltung durch den Haftrichter, die es dem Betroffenen ermöglicht, von seinem Recht, seinen Anwalt zu der Anhörung hinzuzuziehen, effektiv Gebrauch zu machen. Danach ist der zur Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung einer Sicherungshaft berufene Haftrichter zwar nicht verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob sich in dem Verfahren über die vorangegangene Haftanordnung ein Rechtsanwalt bestellt hat. Ist ihm jedoch bekannt, dass der Betroffene darin durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, muss er ihn fragen, ob dieser ihn auch im Verfahren über die Haftverlängerung vertreten soll, und, wenn die Frage bejaht wird, dem Rechtsanwalt eine Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen ermöglichen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. Januar 2024 - XIII ZB 4/22, juris Rn. 8 mwN). Gleiches gilt für den Fall einer Vertretung im Verfahren nach § 427 FamFG für das nachfolgende Hauptsacheverfahren. Denn angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs der betreffenden Verfahren liegt es nahe, dass sich die anwaltliche Vertretung auch auf das aktuelle Verfahren erstreckt (vgl. BGH, InfAuslR 2019, 454 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 30. Januar 2024 - XIII ZB 4/22, juris Rn. 8) oder der Betroffene den Rechtsanwalt auch in diesem mandatieren möchte.

(3) Eine solche Pflicht zur Nachfrage trifft das Haftgericht indes nicht, wenn der Rechtsanwalt den Betroffenen in einem - wenn auch inhaltlich mit dem Haftverfahren zusammenhängenden - ausländerrechtlichen Verfahren vertritt oder vertreten hat und dies dem Gericht bekannt ist. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, ist aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach der - auch im Streitfall maßgeblichen - Rechtslage vor Einführung des mit Wirkung zum 27. Februar 2024 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 62d AufenthG keine allgemeine Belehrungspflicht des Gerichts über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters abzuleiten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2025 - XIII ZB 7/24, juris Rn. 8 mwN). Der bei aufeinanderfolgenden Sicherungshaftverfahren bestehende besondere und unmittelbare sachliche Zusammenhang, der dem Haftrichter ausnahmsweise die Frage an den Betroffenen gebietet, ob der Rechtsanwalt auch im anhängigen Verfahren mandatiert ist oder hinzugezogen werden soll, ist im Verhältnis zwischen ausländerrechtlichem Verfahren und Haftverfahren nicht gegeben. Ersteres betrifft das Bleiberecht des Betroffenen, letzteres demgegenüber die Absicherung einer zwangsweisen behördlichen Aufenthaltsbeendigung durch eine vorübergehende Inhaftnahme des Betroffenen. Beide Verfahrensarten haben somit grundlegend unterschiedliche rechtliche und tatsächliche Fragen zum Gegenstand, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen. Das zeigt sich schon daran, dass für die beiden Verfahrensarten unterschiedliche Gerichtszweige zuständig sind. Daher kann in dieser Konstellation ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nur angenommen werden, wenn das Gericht die Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung nicht ermöglicht, obwohl der Betroffene angegeben hat, dass er einen Bevollmächtigten habe oder die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wünsche (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2025 - XIII ZB 7/24, juris Rn. 8 mwN).

bb) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Beschwerdegericht im Streitfall zu Recht keinen Verstoß des Amtsgerichts gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens festgestellt. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass Rechtsanwalt E im Zeitpunkt der Anhörung des Betroffenen am 30. Januar 2024 nicht für das Verfahren über die Anordnung der Mitwirkungshaft mandatiert war, sondern sich der Hinweis im Haftantrag, der Betroffene werde durch Rechtsanwalt E anwaltlich vertreten, allein auf das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren bezog. Etwas anderes ergibt sich weder aus den Akten noch wäre es angesichts der Tatsache, dass der Betroffene von der bevorstehenden Mitwirkungshaft bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme keine Kenntnis hatte, plausibel. Nach den oben dargelegten Grundsätzen musste das Amtsgericht danach Rechtsanwalt E weder von sich aus zum Anhörungstermin laden noch vor der Anhörung beim Betroffenen nachfragen, ob dieser dessen Teilnahme an der Anhörung wünsche. Da der Betroffene nach den vom Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen, insbesondere ausweislich des Protokolls, die Hinzuziehung von Rechtsanwalt E oder eines anderen anwaltlichen Vertreters nicht verlangt hat, war das Amtsgericht berechtigt, seine Anhörung wie geschehen durchzuführen.

c) Wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, waren die Voraussetzungen für die Anordnung von Mitwirkungshaft für neun Tage gemäß § 62 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfüllt und erweist sich die Haftanordnung auch sonst als rechtmäßig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Roloff Tolkmitt Picker Vogt-Beheim Holzinger Vorinstanzen: AG Schwabach, Entscheidung vom 30.01.2024 - XIV 1/24 (B) LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 12.03.2024 - 18 T 1060/24 -

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13 62 AufenthG
6 417 FamFG
4 82 AufenthG
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