3 Ni 30/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 30/15 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
3. Mai 2017 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 448 993 (DE 602 31 639)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie die Richter Dipl.-Chem. Dr. Egerer, Kätker, Dipl.Chem.- Dr. Wismeth und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 448 993 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. November 2002 beim Europäischen Patentamt in englischer Sprache angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents 1 448 993 (Streitpatent), das die Priorität der Anmeldung GB 0128583 vom 28. November 2001 in Anspruch nimmt und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 602 31 639 geführt wird.
Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit acht Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Detection Of Autoantibodies Reactive With Pancreatic Islet Cell Antigenic Molecules“ („Nachweis von Autoantikörpern gegen antigene Moleküle von Pankreas-Inselzellen“) und umfasst 13 Patentansprüche folgenden Wortlauts:
Wegen des Wortlauts der deutschen Fassung der Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 1 448 993 B1 verwiesen.
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und - hinsichtlich des Patentanspruchs 13 - der mangelnden Ausführbarkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:
K4 EP 0 569 800 A1 K5 WO 88/09933 A1 K6 EP 0 902 286 A2 K7 M. Wolk et al., Gerontology 39 (1993) 334 – 337 K8 R. S. Schmidli et al., Diabetes 43 (1994) 1005 – 1009 K9 A. M. Gronowski et al., Clin. Chem. 41 (1995) 1532 – 1534 K10 A. Pfützner et al., Exp. Clin. Endocrinol. 103 (1995) 123 –
K11 R. S. Schmidli et al., Diabetes 44 (1995) 636 - 640 K12 V. Sepe et al., Front. Hormone Res. 22 (1997) 68 - 89,
auszugsweise 68 - 71 K13 E. Bonifacio, P. J. Bingley, Acta Diabetol 34 (1997) 185 - 193 K14 C. F. Verge et al., Diabetes 47 (1998) 1857 - 1866 K15 Å. Lernmark, Clin. Chem. 45 (1999) 1331 - 1338 K16 B. Franke et al., Diabetes/Metabolism Research and Reviews 21 (2005) 395 - 415 K17 US 5 849 506 A K18 US 5 200 318 A K19 US 5 908 627 A K20 H. B. Mehta et al., Clin. Chem. 42 (1996) 263 - 269 K21 M. Rickert et al., Clin. Chem. 47 (2001) 926 – 934 K22 G. Krochik et al., Diabetis Care, 1997 Sep; 20(9): 1403 - 7 K23 H. Borg et al., Clin. Chem. 43 (1997) 2358 - 2363 K24 M. S. Lan et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA 93 (1996)
- 6370 K25 A. Pfützner et al., Clin. Lab. 2000; 46 (5-6) 275 - 9 K26 S. J. Feeney et al., Diabetes Care 20 1997 Sep; (20(9): 1403 - 7 K27 H.-C. Chang et al., J. Immunol. Methods 72 (1984) 401 - 409 K28 H. Miyazawa et al., J. Allergy Clin. Immunol. 82 (1988)
- 413, auszugsweise 407 - 412 K29 H. Miyazawa et al., Clin. Diagn. Lab. Immunol. 6 (1999)
- 704 K32 US 8 129 132 B2 K33 J. R. Crowther, Methods in Molecular Biology Vol. 149, The ELISA Guidebook, Humana Press, Totowa, NJ, USA, 2001, 1 - 20 K34 WHO Reference Reagent, Islet Cell Antibodies, NIBSC code: 97/550, Instructions for use, Vers. 4.0, v. 28.03.2013, 1-2 K35 Römpp Lexikon Biotechnologie und Gentechnik, W.-D. Deckwer et al. (Hrsgb.), 2. Aufl. (1999), S. 397 Nach Auffassung der Klägerin sind die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 nicht neu gegenüber der Druckschrift K18. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei zudem nicht neu gegenüber der Druckschrift K17. Beide Druckschriften offenbarten nicht nur ein indirektes ELISA-Verfahren, sondern auch Sandwich-ELISA-Verfahren mit zwei Antigenen (Liganden).
Dementsprechend fehle es den Gegenständen des Streitpatents, ausgehend von der K17 oder K18, auch an erfinderischer Tätigkeit. Der Fachmann finde in beiden Druckschriften jeweils das streitpatentgemäße Sandwich-Verfahren offenbart, so dass er dieses auch anwenden bzw. ausprobieren werde. Er wäre damit automatisch zu Erkenntnissen über die Bivalenz eines Analyt-Autoantikörpers gelangt, sofern ihm diese nicht ohnehin bereits bekannt gewesen seien.
Im Übrigen seien die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6 bereits nach den Grundsätzen der Entscheidung BGH GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem nahe gelegt. Reverse-Sandwich-ELISA-Verfahren, welche keine Radioisotope verwenden, seien längst aus dem Stand der Technik bekannt, was z.B. aus den Dokumenten K27 bis K29 hervorgehe. Insbesondere K35 belege, dass Reverse Sandwich ELISA Verfahren sogar zum allgemeinen Fachwissen gehörten. Sie stellten eine objektiv sinnvolle und zweckmäßige radioisotopenfreie Optimierung von Nachweisverfahren dar, ohne dass Umstände ersichtlich seien, die gegen ihre Nutzung sprächen. Damit sei ein Reverse Sandwich ELISA Verfahren für den Fachmann auch für den Nachweis von Autoantikörpern gegen GAD-Autoantigene und IA-2 Autoantigene und damit für die Diagnose diverser Autoimmunerkrankungen, insbesondere Typ-1 Diabetes mellitus und/oder Stiff Man Syndrom nahe gelegt gewesen.
Darüber hinaus mangele es dem Patentanspruch 1 ausgehend von der Druckschrift K19 in Verbindung mit dem Fachwissen und einer der Druckschriften K22 bis K25 (jeweils einzeln oder in beliebiger Kombination) an erfinderischer Tätigkeit. Die K19 offenbare einen dem Aufbau des streitpatentgemäßen Nachweisverfahrens gleichenden Aufbau eines Sandwich-ELISA-Verfahrens. Sie offenbare insbesondere, dass andere Autoantigene, die mit Typ-1 Diabetes assoziiert seien, z. B. Insulin, GAD oder ICA, sich zur Diagnose bzw. zum Nachweis von insulinabhängigem Diabetes mellitus eigneten. Zudem wisse der Fachmann aus seinem Fachwissen, belegt durch K13 bis K14 sowie K21 bis K26, dass GAD in den Formen GAD65 und GAD67 vorliegen könne und dass die Diagnostik bzw. der Nachweis von Analyt-Antikörpern in Bezug auf Diabetes auf Antigenen wie GAD65, GAD67 und IA-2 basiere. Auch die Verwendung von Fusionsmolekülen, ausgewählt aus GAD65 und GAD67 und IA-2 sei, etwa aus der K21, bekannt. Aus den Druckschriften K22 bis K25 gingen jeweils kombinierte Anwendungen verschiedener Antigene hervor. Für den Fachmann sei es daher naheliegend gewesen, diese Antigenmoleküle zu nutzen.
Zudem sei der Gegenstand des Patentanspruchs 6 durch eine der Druckschriften K17 bis K19, jeweils in Kombination mit dem Fachwissen, nahegelegt.
Auch der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 13, der ein Verfahren zur Unterstützung bei der Diagnose unter Verwendung eines Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 oder eines Kits gemäß Patentanspruch 6 schütze, und die Gegenstände der Unteransprüche seien ebenso entweder aus dem Stand der Technik bekannt oder würden durch diesen und das allgemeine Fachwissen in naheliegender Weise beschrieben.
Zudem sei der Gegenstand des aufgabenhaft formulierten Patentanspruchs 13 nicht ausführbar. Das Streitpatent gebe keine Information, wie die Detektion der Autoantikörper zeitlich so bestimmt werde, dass das Auftreten der Autoantikörper mit dem Krankheitsverlauf bzw. erstmaligen Auftreten der diagnostizierten Krankheiten korreliere. Auch sei unklar, ob hierbei verschiedene Kombinationen von Autoantikörpern bestimmt werden müssten. Den wahrscheinlichen Beginn bzw. das Vorhandensein der entsprechenden Krankheiten müsse der Fachmann mit unzumutbarem Aufwand mit einem weder neuen noch erfinderischen Verfahren austesten. Sodann müsse er einordnen, ob dies wirklich eine Hilfe bzw. Unterstützung bei der Diagnose des wahrscheinlichen Beginns oder Vorhandenseins einer der Krankheiten sei.
Entsprechendes gelte für die Gegenstände der Hilfsanträge. Den mit Schriftsatz der Beklagten vom 25. April 2017 eingereichten Hilfsantrag 6, ebenso die in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge 7 und 8 rügt die Klägerin als verspätet.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 448 993 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 5 gemäß Schriftsatz vom 16. Januar 2017, weiter hilfsweise die Fassung des Hilfsantrags 6 gemäß Schriftsatz vom 25. April 2017, weiter hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 7 und 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2017, erhält.
Gemäß Hilfsantrag 1 werden die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 gestrichen. Die Nummerierung und die Rückbezüge der weiteren Patentansprüche werden entsprechend angepasst. Zudem werden in Patentanspruch 6 (entspricht dem erteilten Patentanspruch 12) die Wörter „oder Kit gemäß einem der Ansprüche 6 bis 11“ gestrichen.
Hilfsantrag 2 entspricht Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass zusätzlich der erteilte Patentanspruch 13 gestrichen wird.
Hilfsantrag 3 weist die folgenden Patentansprüche 1 bis 3 und darauf rückbezogene Unteransprüche 4 bis 8 entsprechend den erteilten Unteransprüchen 2 bis 5 und teilweise 12 auf, die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 und 13 wurden gestrichen.
- 12 -
- 14 - Hilfsantrag 4 weist den nachfolgenden Patentanspruch 1 sowie darauf rückbezogene Unteransprüche 2 bis 5 entsprechend den erteilten Unteransprüchen 3, 4 und teilweise 12 auf, die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 und 13 wurden gestrichen.
- 16 - Hilfsantrag 5 weist die folgenden Patentansprüche 1 bis 3 und darauf rückbezogene Unteransprüche 4 bis 7 entsprechend den erteilten Unteransprüchen 3 bis 5 und teilweise 12 auf, die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 und 13 wurden gestrichen.
- 19 - Hilfsantrag 6 weist die folgenden Patentansprüche 1 bis 3 und darauf rückbezogene Unteransprüche 4 bis 7 entsprechend den erteilten Unteransprüchen 3 bis 5 und teilweise 12 auf, die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 und 13 wurden gestrichen.
- 22 - Hilfsantrag 7 weist die folgenden Patentansprüche 1 bis 3 und darauf rückbezogene Unteransprüche 4 bis 7 entsprechend den erteilten Unteransprüchen 3 bis 5 und teilweise 12 auf, die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 und 13 wurden gestrichen.
- 25 - Hilfsantrag 8 weist den nachfolgenden Patentanspruch 1 sowie darauf rückbezogene Unteransprüche 2 bis 5 entsprechend den erteilten Unteransprüchen 3 bis 5 und teilweise 12 auf, die erteilten Patentansprüche 6 bis 11 und 13 wurden gestrichen.
- 28 - Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
GKS1 Declaration B von Dr. Bernard Rees Smith v. 27.08.2009 GKS1a Exhibit A zu GKS1 GSK1b Datenblatt Isletest-IAA REF 7011, datiert vom August 2007 GKS4 US 5 200 318 mit Markierungen GKS5 (versehentlich als „GKS6“ gekennzeichnet )
E. Liu, G. S. Eisenbarth, Clin. Immunol. 125 (2007) 120 –
126 GKS6 (versehentlich als „GKS5“ gekennzeichnet)
H. Brooking et al., Clin. Chim. Acta 331 (2003) 55 - 59 GKS7 US 3 839 153 GKS8 LG Düsseldorf v. 14.07.2016 (4aO 73/15), Urteil im parallelen Verletzungsrechtsstreit GKS9 Gegenüberstellung von Reversem Sandwich und herkömmlichem ELISA GKS10 R. Döpp et al., J. Am. Acad. Dermatol. 42 (2000) 577 - 583 GKS11 N. Fukuma et al., Autoimmunity 6 (1990) 37 - 45 GKS12 R.S.Schmidli et al., Diabetes 43 (1994) 1005 bis 1009 GKS13 Summary of Attempts at Development of Reverse Sandwich ELISAs for Insulin Autoantibody Measurement, RSR
(Beklagte)
GKS14 Summary of Experiments that led to the Development of a GSK15 Reverse Sandwich ELISAs for GAD65 Autoantibody Measurement, RSR (Beklagte) Schema „Beispiele für unmögliche Fälle eines Reversen Sandwiches“
GSK16 GSK17 Schema „Tests in K18, Spalte 8, umfassen kein reverses Sandwichformat“ Schema „ELISA Komplexe in K17 zum Nachweis von Autoantikörpern umfassen keine reversen Sandwichformate“.
Nach Auffassung der Beklagten sind die Gegenstände des Streitpatents neu. Entgegen der Ansicht der Klägerin würden sie nicht durch die Druckschriften K17 und K18 vorweggenommen. Diese Druckschriften offenbarten keinen streitpatentgemäßen reversen Sandwich-Komplex, in welchem auf beiden Seiten des Autoantikörpers die streitpatentgemäßen Antigene (GAD65, GAD67, IA-2 oder ein Fusionsmolekül daraus) verwendet würden. Insbesondere weise der Begriff „Ligand“ in der K17 mehrere Bedeutungen auf und könne nicht einfach mit dem Bedeutungsgehalt eines Antigens gleichgesetzt werden.
Stattdessen lehrten die K17 und K18 herkömmliche Sandwich-Strukturen, bei denen nur auf einer Seite des Sandwiches ein Antigen eingesetzt werde. Sie führten dementsprechend von der erfindungsgemäßen Lösung fort und könnten die Gegenstände des Streitpatents somit nicht nahelegen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin offenbarten die Druckschriften K27 bis K29 nicht, dass reverse Sandwich-ELISA allgemein üblich oder eine allgemeine Alternative für alle Arten von Diagnoseverfahren, mithin Teil des allgemeinen Fachwissens des zuständigen Fachmanns gewesen seien. Die Druckschriften beträfen die Etablierung eines besonderen neuen Testformats („reverse sandwich“) für spezielle Arten von Antikörpern, noch dazu mit anderen Testformaten als das Streitpatent, ohne dabei die generelle Anwendbarkeit des Reverse Sandwich Formats für alle Arten von Antikörpern vorzuschlagen. Vielmehr seien viele Antikörper nicht bifunktionell und zeigten keine Brückenbildungseigenschaft. Da zum Prioritätszeitpunkt nicht bekannt gewesen sei, dass GAD65-Autoantikörper als bifunktionelle Antikörper eingesetzt werden könnten, habe eine einfache Repetition der in K27 bis K29 offenbarten Verfahren auch keineswegs nahegelegen, zumal bereits hochsensitive und -spezifische Tests (RIA) etabliert gewesen seien.
Vielmehr sei das reverse Sandwichtestformat gerade kein universell verfügbares Nachweisverfahren. Es sei a priori nicht prognostizierbar, ob ein reverser Sandwich zum Nachweis von Autoantikörpern realisierbar sei oder nicht. Insoweit habe keine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden, was sich auch bei mehreren, zunächst erfolglosen Versuchen der Patentinhaberin gezeigt habe. Das doppelte Sandwichformat sei daher auch keine bloße Umsetzung eines Standard-Repertoirs i.S.d. Entscheidungen BGH GRUR 2014, 461 - Kollagenase I und BGH GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem.
K19 offenbare das als Marker für Typ-1-Diabetes in Frage kommende Antigen PM1 (heute: ICA69), wobei (spekulativ) das Konzept eines doppelten Sandwich und die mögliche Bivalenz der Autoantikörper genannt werde. Ein erfolgreiches Beispiel für einen diagnostischen Test, insbesondere im doppelten Sandwich- Format werde jedoch nicht offenbart und sei bis heute nicht bekannt. Ausgehend von der spekulativen Offenbarung in K19 sei ein derart spezielles Testverfahren, wie das stark vom jeweils nachzuweisenden Molekül abhängige doppelte Sandwich, daher nicht nahe gelegt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 13 sei ausführbar. Eine Diagnose der anspruchsgemäßen Indikationen sei mit Hilfe komplementärer Tests zur Bestätigung oder dem Ausschluss etablierter Krankheitsbilder ohne erfinderisches Zutun möglich, zumal Patentanspruch 13 auch nur Verfahren zur Unterstützung bei der Diagnose betreffe. Zudem sei zu beachten, dass es in der maßgebenden englischsprachigen Fassung des Patentanspruchs 13 laute:
„A method for aiding in diagnosing the likely onset or presence in one or more diseases …“,
während die Präposition “in” bei der deutschen Übersetzung fehlerhaft unterblieben sei. Der Gegenstand des Patentanspruchs beziehe sich daher nur auf die Diagnoseunterstützung bei Patienten, die bereits eine oder mehrere der im Patentanspruch genannten Erkrankungen aufwiesen.
Entscheidungsgründe Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) und mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 b) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.
I.
1. Das Streitpatent betrifft Verfahren zur Detektion von Autoantikörpern, die mit Antigenen aus den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse und/oder Insulin reagieren,
in Körperflüssigkeiten sowie Testkits zur Durchführung solcher Verfahren. Die streitpatentgemäßen Verfahren dienen der Diagnose verschiedener Autoimmunerkrankungen, insbesondere Typ 1 Diabetes mellitus, Stiff Man Syndrom, Typ 2 Diabetes mellitus, Zöliakie, Graves Disease, Hashimoto’s Thyroditis, Rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus Erythematosus (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 3 0001, S. 6 bis 7 0024 i. V. m. S. 16 Tab. 6).
Die Erfindung des Streitpatents geht dabei aus von bereits bekannten immundiagnostischen Verfahren und Testzusammenstellungen zur Bestimmung von Autoantikörpern gegen Glutaminsäure Dehydrogenase (GAD), gegen Protein Tyrosinphosphatase ähnliches Inselzellantigen (IA-2 oder ICA512) und gegen Insulin unter Einsatz radioaktiv markierter GAD und verschiedener Enzyme-linked, Imminosorbent Assays (ELISAs; antikörperbasierte Nachweisverfahren), vgl. EP 1 448 993 B1 S. 3 0003 bis S. 4 0008.
2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die objektive Aufgabe zu Grunde, die zur Bestimmung von Autoantikörpern gegen GAD und/oder IA-2 eingesetzten Immunverfahren und Testkits durch Verfahren und Testkits mit verbesserter Spezifität und verbesserter Empfindlichkeit zu ersetzen (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 4 [0007] bis [0009]).
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 der erteilten Fassung (Hauptantrag) durch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen:
1) A method 1.1) for screening a sample of body fluid 1.2) obtained from an animal subject 1.3) for analyte autoantibodies 1.4) reactive with one or more pancreatic islet cell antigenic molecules,
comprising
2) providing one or more first sources of one or more pancreatic islet cell antigenic molecules selected from the group consisting of
2.1) GAD65, 2.2) GAD67,
2.3) protein tyrosine phosphatase-like islet cell antigen IA-2, 2.4) fusion molecules comprising two or more directly or indirectly fused antigenic molecules selected from 2.1 to 2.3,
3) providing one or more second sources of one or more pancreatic islet cell antigenic molecules selected from the group consisting of
3.1) GAD65, 3.2) GAD67, 3.3) protein tyrosine phosphatase-like islet cell antigen IA-2, 3.4) fusion molecules comprising two or more directly or indirectly fused antigenic molecules selected from 3.1 to 3.3,
4) contacting said antigenic molecules as provided by 2.1 to 3.4 simultaneously or successively with said sample of body fluid being screened,
4.1) whereby analyte autoantibodies when present in said sample of body fluid can interact with said antigenic molecules
4.2) so as to form one or more complexes comprising 4.3) antigenic molecule of said first source-analyte autoantibody-antigenic molecule of said second source,
5) providing means to immobilize to a solid support said first source antigenic molecule as present in a complex 4.3
5.1) prior to, or concurrent with or subsequent to contact of the first source antigenic molecule with the sample of body fluid being screened,
6) providing direct or indirect detectable labelling means to said second source antigenic molecule as present in a complex 4.3
6.1) prior to, or concurrent with or subsequent to contact of the second source antigenic molecule with the sample of body fluid being screened,
7) detecting the presence of complexes 4.3 immobilised as defined in 5, 5.1
7.1) so as to provide an indication of analyte autoantibodies in said sample.
Gelöst wird die Aufgabe des Weiteren durch ein Testkit gemäß Patentanspruch 6 mit sämtlichen Merkmalen 1.1 bis 7.1, wenngleich sie nicht nur gegenständlicher Art, sondern auch funktionell oder verfahrensbezogen sind.
Außerdem betrifft das Streitpatent gemäß Patentanspruch 13 A) A diagnostic method A.1) diagnosing the likely onset or presence in one or more diseases in an animal subject suspected of having or being susceptible to said one or more diseases,
B) the diseases are selected from B.1) type 2 diabetes mellitus, B.2) one or more autoimmune thyroid diseases, B.3) celiac disease, B.4 one or more connective tissue diseases, B.5) adrenal autoimmunity,
C) the method comprises C.1) detecting autoantibodies reactive with one or more pancreatic islet cell antigenic molecules selected from the group consisting of C.1.1) GAD65, C.1.2) GAD67, C.1.3) protein tyrosine phosphatase-like islet cell antigen IA-2,
D) whereby a method according to claim 1 or a kit according to claim 6 is employed,
E) the detected autoantibodies can provide an aid in the diagnosis of the likely onset or presence of diseases associated with said antibodies, i.e. B.1 to B.5,
und gemäß Patentanspruch 12, der aufgrund seiner Bezugnahme sowohl auf den Verfahrensanspruch 1 und den Sachanspruch 6 einen Hybridanspruch darstellt, sämtliche Merkmale 1 bis 7.1, die Krankheitszustände der Merkmale B bis B5 sowie zusätzlich die Krankheitszustände B.6) type 1 diabetes mellitus B.7) stiff-man syndrom B.8) combination of two or more different autoimmune diseases umfasst.
4. Der diagnostische Testkit gemäß Sachanspruch 6, der die größte Schutzwirkung entfaltet, umfasst als maßgebliche gegenständliche Merkmale
- ein oder mehrere antigene Proteine bzw. Fragmente und Fusionsmoleküle derselben aus Pankreas Inselzellen aus der Gruppe GAD65, GAD67, IA-2 Typ Protein Tyrosinphosphatase und sie bzw. deren Fragmente enthaltende Fusionsproteine gemäß Merkmalsgruppen 2 und 3,
- Träger bzw. Festphasen beliebiger Art zur Anbindung von antigenen Proteinen der Merkmalsgruppe 2,
- Stoffe bzw. Substanzen beliebiger Struktur, sofern zur Anbringung einer detektierbaren Markierung an antigenen Proteinen der Merkmalsgruppe 3 geeignet.
Die übrigen (Teil)Merkmale sind im Wesentlichen funktioneller und/oder verfahrenstechnischer Art und vermögen deshalb nicht zur gegenständlichen Abgrenzung eines Testkits als Erzeugnis gegenüber dem Stand der Technik beizutragen. Dies gilt insbesondere auch für die im Blut der Patienten gegebenenfalls vorhandenen Autoantikörper, die ebenso wie die zu untersuchende Probe insgesamt nicht Bestandteil des Testkit sind.
Soweit die antigenen Moleküle der Merkmalsgruppen 2 und 3 expressis verbis bezeichnet sind, handelt es sich um literaturbekannte Proteine.
Verschiedene Merkmale bedürfen der Erläuterung:
Glutaminsäure-Decarboxylasen (GADs) - Merkmale 2.1, 2.2, 3.1, 3.2, C.1.1, C.1.2 - sind Schlüsselenzyme der Neurotransmission: sie katalysieren die Decarboxylierung von Glutamat zu gamma-Aminobuttersäure (GABA) in Nervenzellen und kommen auch in Pankreas Inselzellen vor. Die beiden humanen ProteinIsoformen GAD65 und GAD67, die unterschiedliches Molekulargewicht besitzen, sind auf zwei verschiedenen Chromosomen lokalisiert (2 und 10) und werden demzufolge von zwei unterschiedlichen Genen bzw. Informationsträgern codiert. In Inselzellen des Pankreas überwiegt GAD65 gegenüber GAD67 - vgl. z. B. K12 S. 70. Die Bildung von Autoantikörpern gegenüber GAD ist mit verschiedenen Krankheitsbildern assoziiert, z. B. das Stiff-Man Syndrom aufgrund einer Blockade der Neurotransmission. Eine Differentialdiagnose ist allerdings nur auf Basis spezieller Antigene möglich, die nur in Kenntnis gegebenenfalls krankheitspezifischer Epitope maßgeschneidert werden können (vgl. z. B. K17 Sp. 4 Z. 42 bis 55).
Die GADs gemäß den Merkmalen 2.1, 3.1 und 2.2, 3.2 umfassen auch Fragmente von GAD65 und GAD67 (vgl. EP 1 448 993 B1, S. 4 [0012], Z. 52 f. und 58).
Protein Tyrosinphosphatase-ähnliches Antigen IA-2 (Merkmale 2.3, 3.3, C.1.3), vormals auch als ICA512 bezeichnet (vgl. z. B. K13 S. 187 Table 1 Zeile 5, auch Referenz [36]), ist ein etwa 106 kD Transmembranprotein aus der Familie der Protein Tyrosinphosphatasen, das in den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse exprimiert wird (vgl. z. B. K24 Abstract). Protein Tyrosinphosphatasen (PTPs) sind Proteine mit enzymatischer Aktivität bzw. Funktion und katalysieren die Hydrolyse von über die OH-Gruppe der Aminosäure Tyrosin in Proteinen gebundenem Phosphat, wobei i. d. R. die Phosphatgruppe auf Wasser und nicht auf ein anderes Substrat übertragen wird. Insofern handelt es sich um Enzyme aus der großen Gruppe der Hydrolasen. PTPs sind nicht zu verwechseln mit Protein Tyrosinkina- sen (PTKs), welche die Phosphorylierung von Tyrosin-Resten in Proteinen katalysieren. Sowohl PTPs als auch PTKs fungieren auf diese Weise in der Zelle als sogenannte Signalproteine und beeinflussen dadurch insbesondere die Zellfunktion (auch Immunfunktion), den Zellstoffwechsel und die Zelldifferenzierung.
Fusionsmoleküle bzw. –proteine (Merkmale 2.4, 3.4) umfassen GAD65 und/oder GAD67 und/oder IA-2 und/oder deren Protein- bzw. Peptidfragmente, die Bindungsregionen bzw. Epitope aufweisen (vgl z. B K 21 Titel; K18 Anspr. 1; K17 Anspr. 17). Die anspruchsgemäßen Fusionsmoleküle sind im Übrigen im Streitpatent in ihrer stofflichen Zusammensetzung bzw. Primärstruktur nicht beschrieben (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 4 Z. 51 bis S. 5 Z. 1 i. V. m S. 7 Z. 27 bis S. 8 Z. 5, insbes. S. 7 Z. 56 bis S. 8 Z. 5).
Kern der Merkmale 4 bis 7 ist als der bereits geraume Zeit vor dem Zeitrang des Streitpatents in die Praxis eingeführte sogenannte Reverse Sandwich Immunoassay (RSA bzw. DASA – double antigen sandwich assay; vgl z. B. K35 S. 397 Abb. Zeile C, K29 S. 701 Fig. 1a). Beim RSA liegt der (Auto)Antikörper als Analyt und Zielobjekt des diagnostischen Tests eingebettet zwischen zwei Antigen-Reagenzien - im Gegensatz zum normalen Sandwich-Assay, bei dem das Antigen eingebettet zwischen zwei Antikörpern liegt. Das erste Antigen bzw. der erste Antikörper ist vorteilhafterweise trägergebunden, das zweite Antigen bzw. der zweite Antikörper ist i. d. R. mit einem (üblichen) Detektionslabel bzw. Marker versehen, beispielsweise in der Ausgestaltung eines ELISA.
Ein RS- bzw. DAS-Immunkomplex der Struktur
Antigen 1. Quelle - Analyt (Auto)Antikörper - Antigen 2. Quelle
als Ergebnis bzw. Produkt des diagnostischen Test ist als solcher nicht Bestandteil eines Testkit gemäß Sachanspruch 6.
Dieser Proteinkomplex bildet sich erst im Zuge des angewandten Arbeitsverfahrens bzw. diagnostischen Tests und stellt insofern lediglich ein Kernmerkmal des streitpatentgemäßen Verfahrens, nicht aber des Sachanspruchs 6 dar.
Der Bestand des Streitpatents ist deshalb insbesondere von der Bewertung der Reagenzien gemäß den Merkmalsgruppen 2 und 3 i. V. m. den Merkmalen der Merkmalsgruppen 5 bis 7 in einem RSA bzw. DASA (Merkmalsgruppe 4) abhängig.
Zudem umfasst der Begriff „animal subject“ in der erteilten Fassung bzw. „Tier“ in der Fassung der Hilfsanträge auch den Menschen als „Säugetier“ und damit Patienten (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 3 0002 i. V. m. dem daran anschließend zitierten Stand der Technik).
5. Als Fachmann ist ein Forschungs- und Entwicklungsteam anzusehen, das einen Diplom-Chemiker der Fachrichtung Biochemie und/oder einen Diplom-Biochemiker, einen Molekularbiologen sowie einen forschenden Mediziner umfasst und das damit sowohl die biochemischen als auch die medizinisch-diagnostischen Aspekte der Entwicklung von Immundiagnostika bzw. immundiagnostischen Tests insbesondere auf dem Gebiet von Autoimmunerkrankungen abdeckt.
II.
Den Gegenständen des Streitpatents - Verfahren zur Detektion von Autoantikörpern, die mit Antigenen aus den Inselzellen der Bauchspeicherdrüse und/oder Insulin reagieren, Testkits zu deren Durchführung und Verfahren zur Diagnose diverser Autoimmunerkrankungen - nach Hauptantrag mangelt es bereits an der erforderlichen Neuheit. Soweit die Gegenstände des Streitpatents nach Hauptantrag und Hilfsanträgen, unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit, noch neu sind, beruhen sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Das Streitpatent vermittelt zudem keine Lehre, die eine Diagnose des wahrscheinlichen Beginns oder des Bestehens einer oder mehrerer Erkrankungen in der Fassung des Patentanspruchs 13 nach Hauptantrag sowie des Patentanspruchs 7 nach Hilfsantrag 1 ermöglicht, so dass der Gegenstand des Streitpatents insoweit schon mangels Ausführbarkeit keinen Bestand hat.
1. Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 3 sind zulässig, die Hilfsanträge 4 bis 6 sind unzulässig. Die Frage der Zulässigkeit der in den Hilfsanträgen 4 bis 6 vorgenommenen Änderungen kann mangels Patentfähigkeit des so geänderten Gegenstands dahinstehen. Die Hilfsanträge 7 und 8 werden als verspätet zurückgewiesen (vgl. nachstehend Ziff. 5).
a) Die erteilte Fassung der Patentansprüche (Hauptantrag) ergibt sich unmittelbar aus den ursprünglichen Unterlagen (vgl. WO 2003/48772 A2 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 3 bzw. Anspr. 7, S. 1 Z. 22-24, Anspr. 6, 20, 21, 22, Anspr. 26 i. V. m. Anspr. 28 bzw, Anspr. 31, 37, 38, 45, 46, 47, 51, Anspr. 52 i. V. m. Anspr. 54, so dass die im Übrigen nicht angegriffene Offenbarung des Gegenstands des Streitpatents anzuerkennen ist.
Zulässig sind auch die Anspruchsfassungen nach Hilfsanträgen 1 und 2, die sich aus der erteilten Fassung der Patentansprüche durch ersatzloses Streichen der einen Testkit betreffenden Sachansprüche 6 bis 11 einschließlich des einen Testkit betreffenden Teils des Patentanspruchs 12 (Hilfsantrag 1) sowie zusätzlich des Patentanspruchs 13 (Hilfsantrag 2) ergeben.
b) Hilfsantrag 3 ist zulässig, da dessen Anspruchsfassung gegenüber der Anspruchsfassung des zulässigen Hilfsantrags 2 lediglich durch die sowohl ursprünglich als auch im Streitpatent offenbarte Untersuchung einer unverdünnt, 32fach, 8-fach oder jeweils weniger verdünnt bereitgestellten Form der Körperflüssigkeitsprobe näher ausgestaltet wurde (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 12 Table 2 i. V. m. S. 9 [0043]; WO 2003/48772 A2 S. 52 bis 53 Table 2 i. V. m. S. 46 Z. 16 bis 30).
c) In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 sind die erteilten Patentansprüche 1 und 2 über den Passus „...wobei das Verfahren umfasst...“ im Übrigen wortgleich kombiniert. Aufgrund dieses Passus ist das nunmehr beanspruchte Verfahren nicht geschlossen formuliert und die möglicherweise mit den Stoffgruppen (i) und (ii) des Patentanspruchs 2 erteilter Fassung beabsichtigte Einschränkung im Hinblick auf die Formulierung „...umfasst...“ letztlich unwirksam.
Außerdem summieren sich die - im Gegensatz zum Wortlaut des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung - sowohl in (i) als auch in (ii) zusammengefassten Antigene aus der ersten Quelle und der zweiten Quelle lediglich zu den Stoffgruppen a) und b) des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung, so dass auch hierdurch keine Einschränkung bewirkt werden kann.
d) Soweit die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge 5 und 6 durch die Merkmale der Untersuchung einer unverdünnt, 32-fach, 8-fach oder jeweils weniger verdünnt bereitgestellten Form der Körperflüssigkeitsprobe näher gekennzeichnet sind, handelt es sich um fachübliche Arbeits- bzw. Vorgehensweisen im Zuge der Entwicklung und Durchführung immunologischer Tests, wie sie auch in den Beispielen des Streitpatents zur Anwendung gelangen (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 12 Table 2 i. V. m S. 9 0043; WO 2003/48772 A2 S. 52 bis 53 Table 2 i. V. m. S. 46 Z. 16 bis 30), so dass hinsichtlich der Offenbarung des insoweit geänderten Verfahrens keine Bedenken bestehen. Entsprechendes gilt für die darüber hinausgehende Einschränkung auf ein Serum als Körperflüssigkeitsprobe in Hilfsantrag 6, die sich unmittelbar sowohl aus dem Streitpatent als auch aus den ursprünglichen Unterlagen ergibt (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 7 Z. 24 bis 26; WO 2003/48772 A2 S. 41 Z. 10 bis 13), so dass auch diesbezüglich die Offenbarung anzuerkennen ist.
In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 6 sind die erteilten Patentansprüche 1 und 2 durch die Formulierung „...wobei das Verfahren umfasst...“ miteinander kombiniert. Aufgrund dieses Passus ist das nunmehr beanspruchte Verfahren nicht geschlossen formuliert und die möglicherweise mit der Stoffgruppe gemäß Textteil (i) des Patentanspruchs 2 erteilter Fassung beabsichtigte Einschränkung im Hinblick auf „...umfasst...“ letztlich unwirksam.
2. Einem Testkit und damit einem Erzeugnis gemäß Patentanspruch 6 der erteilten Fassung des Streitpatents (Hauptantrag) mangelt es gegenüber der Lehre der K17 bereits an der erforderlichen Neuheit. Entsprechendes gilt für den Teil des als Hybridanspruch abgefassten Patentanspruchs 12 der erteilten Fassung, der einen Testkit als Erzeugnis zum Gegenstand hat. Mangelnde Neuheit gegenüber K17 ist auch für ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 festzustellen.
a) Bei der Beurteilung der Neuheit eines beanspruchten Testkits ist zu berücksichtigen, dass der Sachanspruch 6 und der Erzeugnisteil des Hybridanspruchs 12 gegenständlich offen formuliert sind („...said kit comprising...“). Zwar ist auch zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit der Bildung eines „reverse sandwich“ Komplexes für den Testkit allenfalls als eine dem Testkit beiliegende und damit einen Bestandteil darstellende, die Durchführung eines RSA- bzw. DASA vorgebende Gebrauchsanweisung und insoweit als einschränkend zu bewerten ist. Jedoch sind auch andere Immunkomplexe bzw. immunologische Verfahren ausführbar bzw. der beanspruchte Testkit kann zusätzliche Reagenzien enthalten, die die Bildung auch anderer Immunkomplexe zulassen.
b) Aus der vorveröffentlichten K17, die ausweislich ihrer Bezeichnung Reagenzien und Verfahren zur Diagnose von Diabetes und des Stiff Man Syndroms betrifft, geht explizit hervor, dass Fragmente von GAD65, die aufgrund spezieller spezifischer Epitope spezifisch für eine bestimmte Gruppe von GAD65 Autoantikörper sind, zur Diagnose und zur Behandlung von Insulin abhängigem Diabetes (IDDM = Typ 1 Diabetes) und zur Behandlung des Stiff Man Syndroms geeignet sind (vgl. K17 Abstract i. V. m. z. B. Sp. 24 Beisp. 7). Ein entsprechend der Lehre der K17 zusammenzusetzender Testkit umfasst demnach unter anderem Reagenzien mit den Merkmalen 1 bis 1.4 sowie den Merkmalsgruppen 2 und 3 die Merkmale 2.1, 2.2, 2.4 und 3.1, 3.2, 3.4, wobei mindestens jeweils ein Merkmal aus den Merk- malsgruppen 2 und 3 erfüllt ist (vgl. K17 Sp. 1 Z. 24 bis 27 i. V. m Sp. 3 Z. 49 bis Sp. 4 Z. 11 sowie Anspr. 17 i. V. m. Sp. 13 Z. 33 bis 63, insbes. Z. 41 bis 48, bezüglich GAD67, siehe Sp. 7 Z. 5 bis 19). Eine derartige Zusammensetzung eines Testkits ergibt sich zwangläufig aus der in K17 beanspruchten und in der Beschreibung erläuterten Arbeitsweise (vgl. K17 Anspr. 17 i. V. m. Sp. 13 Z. 41 bis 63). Demnach wird ein Fusionspolypeptid, umfassend GAD65 oder ein Fragment davon als antigenes Molekül (Merkmale 2, 2.1, 2.4), in trägergebundener, immobilisierter Form (Merkmale 5, 5.1 i. V. m. Merkmalsgruppe 2 bis 2.4) mit einer Serumprobe inkubiert, wobei der gegebenenfalls in dem Patientenserum vorhandene Autoantikörper an das immobilisierte Antigen gebunden (Merkmale 4 bis 4.2) und durch Behandlung mit einem markierten, für den Autoantikörper spezifischen Liganden detektiert wird (Merkmale 6, 6.1 i. V. m. Merkmalsgruppe 3 bis 3.4). Gemäß dieser in K17 explizit beschriebenen speziellen Ausführungsform kommt es in dem expressis verbis benannten, nicht-kompetitiven Sandwich-Verfahren (vgl. K17 Sp. 13 Z. 46/47), nach Maßgabe der vorangestellten Definition des Begriffes „ligand“ als z. B. einem Fragment von GAD65, also einem Antigen (vgl. K17 Sp. 13 Z. 8/9), zwangsläufig zur Ausbildung eines Komplexes gemäß Merkmal 4.3 und damit eines RS- bzw. DAS-Komplexes (vgl. K17 Sp. 13 Z. 33 bis 36).
Da in K17 demnach sowohl ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hauptantrag und den demgegenüber unveränderten Hilfsanträgen 1 und 2 als auch ein entsprechender Testkit zur Durchführung dieses Verfahrens gemäß Patentanspruch 6 nach Hauptantrag vorbeschrieben sind, hat das Streitpatent in der Fassung nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 bereits mangels Neuheit keinen Bestand.
c) Der Senat kann dem Vorbringen der Beklagten, wonach aus der K17 ein RSA als Ausführungsform nicht hervorgehe, weder als Festphasen-Test noch in der Ausgestaltung eines ELISA, nicht beitreten. Es trifft zwar zu, dass in den Beschreibungen der Beispiele (vgl. K17 Sp. 20 Z. 35 bis Sp. 28 Z. 6) ein konkretes, die Durchführung eines RSA beschreibendes Ausführungsbeispiel fehlt, und sich dieser Teil der Beschreibung vielmehr vorwiegend mit gentechnischen bzw. re- kombinanten Arbeitsweisen zur Bereitstellung spezifischer antigener Reagenzien zur (Differential)Diagnose von Typ-1-Diabetes und Stiff Man Syndrom sowie der Herstellung von Substanzen, z. B. monoklonaler Antikörper, zur Behandlung betreffender Erkrankungen befasst. Jedoch sind die zur Validierung einer (Differential)Diagnose erforderlichen diagnostischen Tests unter der Rubrik „II. Methods of Use, A. Diagnostic and Predictive Assays“ abgehandelt (vgl. K17 Sp 13 Z 5 bis Sp 17 Z 16), darunter ersichtlich auch die Ausgestaltung eines RSA bzw. DASA sowie eines ELISA (vgl. Sp. 13 Z. 33 bis 63 i. V. m. Z. 7 bis 9, insbes. Z. 41 bis 48 i. V. m. Z. 58 bis 63).
Obwohl in K17 der Begriff „reverse sandwich assay“ expressis verbis nicht vorkommt und darin auch die Darstellung eines Komplexes nach Art eines „reverse sandwich“ gemäß dem Wortlaut des Merkmals fehlt, verbindet der fachkundige Leser mit den betreffenden technischen Ausführungen dieser Druckschrift (vgl. K17 Sp. 13 Z. 33 bis 48, insbes. Z. 41 bis 48, i. V. m. Z. 7 bis 9) zwangsläufig einen RSA bzw. DASA in der Ausgestaltung „trägergebundenes Antigen - Autoantikörper aus der Probe - markiertes Antigen“, auch in Kombination mit einem ELISA als Markerelement (vgl. K17 Sp. 13 Z. 58 bis 63).
Die den Autoantikörper-komplexierenden Antigenen zugeordneten Attribute „first source(s)“ and „second source(s)“ begründen schon deshalb keinen Unterschied gegenüber der K17, weil sich die beiden, zur Ausbildung des RS- bzw. DAS-Komplexes erforderlichen Antigene weder hinsichtlich der Reihenfolge ihrer Zugabe (vgl. Merkmale 4, 5.1 und 6.1) noch hinsichtlich ihres Protein- bzw. Peptidteils - die Merkmale der Merkmalsgruppe 2 und der Merkmalsgruppe 3 sind stofflich jeweils identisch abgefasst - sondern lediglich hinsichtlich ihrer Funktion zur Trägerbindung und zur Markierung des Komplexes unterscheiden, die auch in K17 beschrieben wird. Eine stoffliche Abgrenzung von der Lehre und dem Teilgegenstand der K17 betreffend die Ausführungsform eines RSA bzw. DASA ist über die Attribute „first source(s)“ und „second source(s)“ damit nicht gegeben und auch nicht möglich.
Auch wenn die Offenbarung der K17 - neben dieser Ausgestaltung des Immuntests als RSA - auch andere Varianten von Immuntests umfasst (vgl. K17 Sp. 13 Z. 6 bis Sp. 17 Z. 16), konnte der Fachmann unter diesen Varianten die Ausführungsform eines RSA ohne weiteres erkennen und als einfach zu realisierende Ausführungsform entnehmen.
d) Der Einwand der Beklagten, in K17 sei der Begriff „ligand“ nicht für ein Antigen auf Basis von GAD65 oder eines seiner geeigneten Fragmente reserviert, vermag deshalb nicht zu überzeigen. Denn ausgehend von der Textstelle in Sp. 13 Z. 7 bis 9 über die Textstelle in Sp. 13 Z. 33 bis 40 bis hin zu den Textteil in Sp. 13 Z. 41 bis 63, dort in Z. 42 und 47, bezieht sich der Begriff „ligand“ ausnahmslos auf das an den Träger zu bindende Antigen und/oder das markierte Antigen, mit dem der an das geträgerte Antigen gebundene zu bestimmende Autoantikörper zu inkubieren ist, und ist stofflich definiert als GAD-Antigen im Sinne der Gesamtoffenbarung der K17, darunter die bekannten Isoformen des GAD-Proteins sowie deren geeigneten Fragmente (vgl. K17 z. B. Sp. 7 Z. 4 bis 19 i. V. m. Sp. 13 Z. 9 „…e.g., a GAD65 fragment…“).
3. Ungeachtet der Beurteilung der Neuheitsfrage fehlt es dem Gegenstand des Streitpatents gemäß Haupt- und Hilfsanträgen auch an erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend vom gattungsgemäßen Stand der Technik, insbesondere von der K17 und/oder der K18, hätte der Fachmann unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung (vgl. I.2) bereits vor dem Zeitrang des Streitpatents ohne weiteres die Auswahl eines RSA bzw. DASA getroffen und wäre auf diese Weise ohne erfinderisches Zutun zu einem Verfahren bzw. einem Testkit in den Fassungen des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge gelangt, so dass das Streitpatent auch in diesen Fassungen mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand hat.
a) Die K17, aus der - wie vorstehend zur Neuheit ausgeführt - unmittelbar die Zweckbestimmung des immunologischen Verfahrens mit den Merkmalen 1 bis 1.4 und der Einsatz von Reagenzien der Merkmalsgruppen 2 und 3 gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 sowie eines dement- sprechend funktions- und zweckbestimmten Testkit gemäß Patentanspruch 6 hervorgehen, gibt dem Fachmann nicht nur Anlass zur Überlegung, welche der ihm geläufigen immunologischen Methoden (vgl. z. B. K35 S. 397) er einsetzen könnte, sondern auch den Hinweis und damit die Anregung zur Durchführung eines RSA bzw. DASA (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger). Der Fachmann wird seinen Blick schon deshalb nicht von einem RSA bzw. DASA abwenden können, weil aus der K17 nicht nur zu Beginn des methodischen Teils (vgl. K17 Sp. 13 Z. 5 bis Sp. 17 Z. 16) - nach einer kurzen allgemeinen Einführung (vgl. K17 Sp. 13 Z. 7 bis 32) - bereits die Ausführungsform eines RSA bzw. DASA mit GAD65 Fragment sowohl als Antigen und Ligand zur Trägerbindung als auch als markiertes Antigen bzw. als markierter Ligand hervorgeht (vgl. K17 Sp. 13 Z. 33 bis 48), sondern in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit zur Detektion sehr niedriger Konzentrationen von Autoantikörpern mit ELISA und damit auf die Vorteile der Ausgestaltung des Immunoassays als ELISA, insbesondere die hohe Empfindlichkeit hingewiesen wird (vgl. K17 Sp. 13 Z. 41 bis 63, insbes. Z. 62 bis 63). Allein wegen der gemäß Aufgabenstellung geforderten verbesserten Empfindlichkeit wird er nicht umhin können, einen RS-ELISA, der auch die bevorzugte Ausführungsform des Streitpatents darstellt (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 8 Z 9 ff.), in seine Überlegungen einzubeziehen. Er wird auf diese Weise unmittelbar zu einem Verfahren gemäß Streitpatent hingeführt.
Zudem finden sich im vorveröffentlichten Stand der Technik, beispielsweise in der K29 (vgl. K29 S. 701 li. Sp. vorle. Z. bis re. Sp. le. Z. i. V. m. Ref. (4), (8)), nicht nur dem Fachmann allgemein bekannte Vorbilder für die Durchführung eines RSA bzw. DASA anhand einer graphischen Gegenüberstellung eines RS-ELISA und eines indirekten ELISA, sondern es erschließen sich dem Fachmann daraus unmittelbar auch die damit verbundenen Vorteile erhöhter Spezifität und damit verbesserter Empfindlichkeit (vgl. K29 S. 701 Fig. 1 i. V. m. li. Sp. fünfte Z. bis re. Sp. le. Z. und S. 703 re. Sp. le. Abs. bis S. 704 li. Sp Ende Abs. 1). Die für einen RSA in Form eines ELISA typischen Verfahrensmerkmale der Merkmalsgruppen 4 bis 7 des Streitpatents stellen dem Fachmann geläufige, selbstverständliche Ausge- staltungen dar (vgl. K29 Fig. 1 i. V. m. S. 702 li. Sp. le. Abs. bis re. Sp. Ende Abs. 1), für die es keines erfinderischen Zutuns bedarf.
Dem Vorbringen der Beklagten, wonach ein RSA bzw. DASA zum Zeitpunkt der K17 (und K18) nicht zum Fachwissen zählte, kann sich der Senat mit Blick auf die jeweils vorveröffentlichten Druckschriften K27, K28 und K29 einschließlich der darin zitierten Fachliteratur jeweils unter Berücksichtigung des Lehrbuchwissens der K35 ebensowenig anschließen wie dem auf GKS5/GKS6 gestützten Vorbringen, wonach als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit zu werten sei, dass bis zum Jahr 2007 und damit 6 Jahre nach Anmeldung des Streitpatents noch kein RSA für GDA und IA-2 in den Markt eingeführt worden sei.
b) Auch ausgehend von der vorveröffentlichten Druckschrift K18, die ausweislich ihrer Bezeichnung die Diagnose von Typ 1 Diabetes mittels einer Anordnung bzw. eines Kollektivs von Immunreagenzien betrifft, ergibt sich das streitpatentgemäße Verfahren bzw. ein entsprechender Testkit in den Fassungen nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 für den Fachmann in nahe liegender Weise. In K18 werden antigene, ggf. rekombinante, für Autoantikörper in Blutproben von Patienten spezifische Immunreagenzien beschrieben, die Epitope von zwei oder mehr Glutamat-Decarboxylasen (GADs) und von den Inselzellantigenen ICA512 (=IA-2) und ICA12 aufweisen (vgl. K18 Abstract i. V. m. Sp. 4 Z. 64 bis 66, Sp. 5 Z. 18 bis 32, Z. 49 bis 57 sowie Sp. 6 Z. 60 bis Sp. 7 Z. 12 - Merkmale 1 bis 1.4, 2 bis 2.4 bzw. 3 bis 3.4), die - wie üblich - in trägergebundener und markierter Form auch in einem RSA eingesetzt werden können (vgl. K18 Sp. 7 Z. 13 bis Sp. 8 Z. 43, insbes. Sp. 8 Z. 35 bis 38). Die Anregung zur Anwendung eines RSA ergibt sich dabei unmittelbar aus der Beschreibung der K18, wonach jeder konventionelle Immunoassay eingesetzt werden kann (vgl. K18 Sp. 7 Z. 13 bis 23), darunter die Ausführungsform eines trägergebundenen Antigens, das zunächst mit einer (betreffende Autoantikörper enthaltende) Probe (vgl. K18 Sp. 7 Z. 24 bis 35 i. V. m. Z. 64 bis 68) und darauffolgend auch mit markiertem Antigen als Detektionsreagenz inkubiert wird (vgl. K18 Sp. 7 Z. 24 bis 28 i. V. m. Z. 51 bis 63). Der Fachmann wird folglich in der K18 ohne weiteres die ihm ohnehin geläu- fige Variante eines RSA (vgl. K35 S. 397 i. V. m. z. B. K29 S 701 li. Sp. vorle. Z. bis re. Sp. le. Z. und Ref. (4), (8)) erkennen und angeregt werden, sie auch auszuprobieren.
c) Nicht bestandsfähig mangels erfinderischer Tätigkeit ist das Streitpatent auch in den nach den übrigen Hilfsanträgen verteidigten Fassungen.
c.1) Das nach Hilfsantrag 3 verteidigte Verfahren, das sich von den Verfahren der vorangehenden Anträgen lediglich dadurch unterscheidet, dass die zu testende Körperflüssigkeitsprobe 32-fach oder weniger verdünnt ist, bedient sich der fachüblichen Arbeitsweise des schrittweisen, oftmals 2n-, 3n- oder 10n-fachen Verdünnens und damit routinemäßigen Optimierens bei der Entwicklung und Durchführung eines immunologischen Tests und beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dieses zusätzliche Merkmal einer dem Fachmann - entsprechend den Erfordernissen des jeweiligen Testsystems - geläufigen Verdünnung der zu untersuchenden Probe, das ausweislich des auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteranspruchs 3 ohnehin auch die Inkubation einer unverdünnten Probe umfasst, findet sich darüber hinaus im vorgebrachten Stand der Technik (vgl. z. B. K18 Sp. 10 Z. 1 bis 3 etwa 34-fach, Sp. 10 Z. 49 bis 54 etwa 2-fach; K29 S. 702 li. Sp. le. Abs. bis re. Sp. Z. 1 i. V. m. S. 702 re. Sp. vorle. Abs.).
c.2) In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 wurden die Patentansprüche 1 und 2 der erteilten Fassung des Streitpatents mittels der Formulierung „wobei das Verfahren umfasst“ miteinander kombiniert. Das damit beanspruchte Verfahren umfasst im Hinblick darauf, dass mit dem eingefügten Passus keine Einschränkung auf den nachfolgenden, aus dem erteilten Patentanspruch 2 entnommenen Wortlaut verbunden ist, weiterhin die Ausführungsformen des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung, so dass dem Hilfsantrag 4 schon aus den vorstehend zur Neuheit und/oder zur erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 ausgeführten Gründen nicht stattzugeben war.
Aber selbst bei einer einschränkenden Ausgestaltung des gemäß Hilfsantrag 4 beanspruchten Verfahrens nach Maßgabe der Textstellen (i) und (ii) des Patentanspruchs 2 erteilter Fassung ist die Patentfähigkeit nicht anzuerkennen. Denn ein immunologischer Test gemäß K17 und/oder K18 umfasst sowohl als trägergebundenes als auch als mit einem Marker versehenes Antigen jeweils GAD65 und/oder GAD67 und/oder IA-2 bzw.ICA512 und/oder ein Fusionsprotein umfassend mindestens eines dieser Antigene (vgl. K17 Anspr. 17 i. V. m. Sp. 13 Z. 5 bis 63, insbes. Z. 19 bis 21 und 45 bis 48 sowie Sp. 7 Z. 4 bis 19; K18 Anspr. 1 i. V. m. Sp. 2 Z. 13 bis 27 und Sp. 4 Z. 64 bis 66 sowie Sp. 7 Z. 1 bis 12). Eine beliebige Auswahl aus den Gruppen der Textstellen (i) und (ii) beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Eine über die Lehren der K17 und/oder K18 hinausgehende spezielle Auswahl der antigenen Reagenzien bzw. Moleküle hat das Streitpatent ausweislich seines Beispielteils ohnehin nicht getroffen.
c.3) Keinen Bestand hat das streitpatentgemäße Verfahren auch in der Fassung des Hilfsantrags 5, in dem die in Hilfsantrag 3 und Hilfsantrag 4 vorgenommenen Ausgestaltungen kombiniert wurden, wobei vollumfänglich auf die unter c.1 und c.2 ausgeführten Gründe verwiesen wird.
c.4) Auch die in dem Verfahren gemäß Hilfsantrag 6 vorgenommene Einschränkung auf die Untersuchung einer 32-fach oder weniger verdünnten Serumprobe sowie die Hinzunahme nur eines Teils des Wortlauts des Patentanspruchs 2 erteilter Fassung mit dem Passus „wobei das Verfahren umfasst“ an der Nahtstelle vermag dem Gegenstand des Streitpatents nicht zur Patentfähigkeit verhelfen. Die Untersuchung einer Serumprobe ergibt sich unmittelbar aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik (vgl z. B. K 17 Sp. 24 Z. 27 bis 65; K18 Sp. 7 Z. 13 bis 17 i. V. m. Sp. 10 Z. 2).
Die Möglichkeit zur Ausgestaltung des beanspruchten Verfahrens durch mehrere, aber nicht sämtliche Antigene aus den Stoffkollektiven der Gruppen (i) und (ii) des Patentanspruch 2 erteilter Fassung entnimmt der Fachmann zwanglos aus der K17 und/oder der K18 (vgl. K17 Anspr. 17 i. V. m. Sp. 13 Z. 5 bis 63, insbes. Z. 19 bis 21 und 45 bis 48 sowie Sp. 7 Z. 4 bis 19; K18 Anspr. 1 i. V. m. Sp. 2 Z. 13 bis 27 und Sp. 4 Z. 64 bis 66 sowie Sp. 7 Z. 1 bis 12). Eine beliebige Auswahl aus den Gruppen der Textstellen(i) und (ii) beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, eine über die Lehren der K17 und/oder K18 hinausgehende spezielle Auswahl der antigenen Reagenzien bzw. Moleküle hat das Streitpatent ausweislich seines Beispielteils nicht getroffen.
c.5) Die erst in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge 7 bis 8 werden wegen Verspätung nach § 83 Abs. 4 PatG zurückgewiesen. Die Hilfsanträge sind außerhalb der mit dem vorterminlichen Hinweis vom 14. Dezember 2016 unter Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis gesetzten Frist eingereicht worden (§ 83 Abs. 2 und 4 Nr. 3 PatG).
Zudem hätten sie eine Vertagung erforderlich gemacht (§ 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG), da es der Klägerin nicht zuzumuten war, sich noch im Laufe der mündlichen Verhandlung auf diese Hilfsanträge einzulassen. Es sind Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen worden, die bisher weder schriftsätzlich noch mündlich diskutiert worden sind. Der Vertreter der Klägerin hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, dass es nunmehr einer Überprüfung, insbesondere einer Recherche bedurft hätte, um sich hierauf einlassen zu können. Dies wäre ohne Vertagung nicht möglich gewesen.
Die Beklagte hat die Verspätung auch nicht genügend entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Nr. 2 PatG). Auf entsprechende Nachfrage des Vorsitzenden hat sie vorgetragen, dass die Hilfsanträge als direkte Reaktion auf den erst mit Schriftsatz der Klägerin vom 5. April 2017 als K35 eingereichten Auszug aus Römpp Lexikon Biotechnologie und Gentechnik, vorgelegt worden seien. K35 zeigt unter dem Stichwort „Immunoassay“ in Abbildung c einen Reversen Sandwich Assay und kann damit Hinweise auf das allgemeine Fachwissen des Fachmanns zu dieser Art des Bestimmungsverfahrens geben. Damit geht er jedoch nicht über das hinaus, was die Klägerin bereits unter Hinweis auf die Druckschriften K26 bis K29 schriftsätzlich diskutiert hat (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 8. September 2016, Ziff. 6 und Ziff. 8.2). Weiter ist die Frage der Offenbarung eines solchen Testverfahrens auch anhand der Druckschriften K17 und K18 bereits seit Beginn des Klageverfahrens diskutiert worden. Zudem ist nicht ersichtlich, wie die Einführung der K35 dazu geführt haben kann, dass nunmehr erstmalig Merkmale der Belegungsdichte aufgegriffen werden.
Der Senat übt das ihm nach § 83 Abs. 4 PatG eingeräumte Ermessen unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks der Vorschrift, der o.g. prozessualen Situation und der berechtigten Interessen der Klägerin an einer zeitnahen Entscheidung dahin aus, dass er die Hilfsanträge 7 und 8 wegen Verspätung zurückzuweist.
d) Nachdem die Beklagtenvertreter erklärt haben, dass ihre Antragstellung nach Haupt- und Hilfsanträgen als in sich geschlossen anzusehen ist (vgl. Protokoll), ist über die Bestandsfähigkeit des Streitpatents auch in der Ausgestaltung der Unteransprüche des letzten zur Sachentscheidung anstehenden Hilfsantrags 6 zu bestimmen.
Die Ausgestaltung des beanspruchten Verfahrens durch die Merkmale der Probenverdünnung in den Unteransprüchen 2 oder 3 gemäß Hilfsantrag 6 erschließt sich dem Fachmann unmittelbar aus seinem Wissen und Können und im Übrigen aus dem vorgebrachten Stand der Technik (vgl. K18 Sp. 10 Z. 1 bis 3 etwa 34fach, Sp. 10 Z. 49 bis 54 etwa 2-fach; K29 S. 702 li. Sp le. Abs. bis re. Sp. Z. 1 i. V. m. S. 702 re. Sp. vorle. Abs.), wobei im Übrigen vollumfänglich auf die betreffenden Ausführungen unter c.1 verwiesen wird.
Die Ausgestaltung des beanspruchten Verfahrens durch die Merkmale der Unteransprüche 4 bis 6 gemäß Hilfsantrag6, die sich auf die Reihenfolge der Arbeitsschritte des immunologischen Verfahrens und dabei zwangsläufig auftretende (Zwischen)Komplexe beziehen, ergibt sich für den Fachmann unmittelbar aus dem RSA bzw. DASA gemäß K17 (vgl. z. B. K17, Sp. 13 Z. 33 bis 48 insbes. Z. 35) und seinem Fachwissen (vgl. z. B. K29, insbes. Fig. 1). Denn gleiche bzw. vergleich- bare übliche Arbeitsweisen führen regelmäßig zu gleichen bzw. vergleichbaren Ergebnissen.
Es versteht sich mit Blick auf den gattungsgemäßen Stand der Technik (vgl. z. B. K17 und K18 jeweils Abstract) von selbst, dass die mittels Antigenen aus den Merkmalsgruppen 2 und 3 zu untersuchenden Körperflüssigkeitsproben Patienten entnommen wurden, bei denen der Verdacht oder bereits die Diagnose für einen oder mehreren der Krankheitszustände aus der Merkmalsgruppe B besteht oder vorliegt, so dass das streitpatentgemäße Verfahren auch in der Ausgestaltung des Patentanspruchs 7 nach Hilfsantrag 6 keinen Bestand hat.
4. Einem diagnostischen Verfahren gemäß Patentanspruch 13 nach Hauptantrag mangelt es darüber hinaus an der erforderlichen Ausführbarkeit. Denn das Streitpatent offenbart anhand der allgemeinen Beschreibung und den Ausführungsbeispielen unter Einsatz der expressis verbis beschriebenen und einzeln oder in Kombination eingesetzten humanen GAD65 und IA-2 (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 8 0034 bis 0039) ein sicheres diagnostisches Verfahren lediglich zur Diagnose von Typ 1 Diabetes mellitus (vgl. EP 1 448 993 B1 Tabellen 1 bis 5). Für die weiteren, in Patentanspruch 13 und in der Beschreibung aufgelisteten Erkrankungen, die von Typ 1 Diabetes mellitus verschieden sind (vgl. EP 1 448 993 B1 S. 7 0026 im Gegensatz zu S. 6 0022 sowie S. 6 bis 7 0024), ergibt sich jedoch, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 13 des Streitpatents mangels Offenbarung von für die Krankheitsbilder des Patentanspruchs 13 spezifischer Testreagenzien und damit mangels aussagekräftiger Testergebnisse nicht ausführbar ist (vgl. EP 1 448 993 B1 Tabellen 6 bis 8 i. V. m S. 9 Z. 30 bis 32 und S. 10 Z. 16 bis 18). Eine Differentialdiagnose von Typ 2 Diabetes melitus, einer oder mehrerer Schilddrüsen assoziierter Autoimmunerkrankungen, Zöliakie, einer oder mehrerer Bindegewebserkrankungen, adrenaler Autoimmunität ist deshalb aufgrund der Lehre des Streitpatents nicht möglich.
Der Einwand der Beklagten, gemäß dem Wortlaut in der maßgeblichen englischsprachigen Fassung betreffe Patentanspruch 13 lediglich ein Verfahren zur Unter- stützung bei der Diagnose der benannten Krankheiten, vermag die Ausführbarkeit indessen nicht zu begründen. Zwar betrifft Patentanspruch 13 zutreffenderweise ein Verfahren zur Unterstützung im Zuge der Diagnose des wahrscheinlichen Beginns oder des Vorhandenseins der benannten Krankheiten, jedoch ausdrücklich unter Einsatz der Verfahren oder des Testkits der vorangehenden Patentansprüche des Streitpatents. Insofern reicht die stoffliche Offenbarung hinsichtlich der erforderlichen, gegebenenfalls krankheitspezifischen antigenen Testreagenzien, beispielsweise auch maßgeschneiderter Fusionsproteine, nicht aus, um die Diagnose der Krankheiten gemäß Merkmalen B.1 bis B.5 zu unterstützen.
Soweit die Klägerin die mangelnde Ausführbarkeit darauf stützt, dass Patentanspruch 13 insoweit aufgabenhaft formuliert sei, als das Streitpatent keine Lehre vermittle, wie die Detektion der Autoantikörper zeitlich so zu bestimmen sei, dass die Messwerte mit dem Auftreten und/oder dem Verlauf der betreffenden Krankheiten korreliert werden könnte, lassen sich solche Schwellenwerte bei verfügbarem geeigneten Testreagenz zwar nach routinemäßig üblichem Vorgehen ohne Weiteres ermitteln. Für ein solches routinemäßig übliches Vorgehen fehlt es in vorliegendem Fall jedoch an der Offenbarung der erforderlichen, für die Krankheiten der Merkmale B.1 bis B.5 jeweils spezifischen Antigene als Testreagenzien zur Bestimmung der (spezifischen) Autoantikörper in den Patientenseren.
Dem Hauptantrag ist daher auch wegen fehlender Ausführbarkeit eines Verfahrens gemäß Patentanspruch 13 nicht stattzugeben. Entsprechendes gilt für den Hilfsantrag 1, der dieses Verfahren in dem Patentanspruch 7 beansprucht.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Ausführbarkeitseinwand nicht für den Gegenstand des Patentanspruchs 12 greift, auch wenn dieser Patentanspruch sämtliche Krankheitszustände der Merkmale B.1 bis B.8 nennt. Denn Patentanspruch 12 betrifft lediglich ein Verfahren und ein Testkit zur Bestimmung der Anwesenheit von Autoantikörpern gegen die Antigene der Merkmale 2 bis 3.4 per se in Körperflüssigkeitsproben von Patienten, die diese Krankheitszustände aufwei- sen, nicht jedoch die aus den Testergebnissen folgende (Differential)Diagnose bzw. die Zuordnung dieser Krankheitszustände anhand der Testergebnisse.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
IV.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
Schramm Dr. Egerer Kätker Dr. Wismeth Dr. Freudenreich Pr