IV ZB 34/19
BUNDESGERICHTSHOF IV ZB 34/19 BESCHLUSS vom 7. Oktober 2020 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2020:071020BIVZB34.19.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Prof. Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz am 7. Oktober 2020 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandgerichts Celle, 6. Zivilsenat, vom 2. Dezember 2019 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: bis 500 €
Gründe:
I. Die Kläger nehmen den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunft in Anspruch. Der Beklagte ist der Sohn, die Kläger sind die Enkel des Erblassers, den der Beklagte zu ½ und die Kläger jeweils zu ¼ beerbt haben. Die Erbengemeinschaft ist noch nicht auseinandergesetzt. Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil verurteilt, "Rechnung zu legen über die von ihm getätigten Geschäfte für den Nachlass des [Erblassers] unter Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben" und "Auskunft über den Bestand der Erbschaft nach dem [Erblasser] und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses". Das Oberlandesgericht hat den Streitwert der dagegen gerichteten Berufung des Beklagten auf 300 €
festgesetzt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist im Übrigen unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt den Beklagten nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 600 € nicht. Er bemesse sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordere. Regelmäßig sei davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden könnten. Danach sei von einem Stundensatz von 3,50 € auszugehen (§ 20 JVEG). Der Aufwand sei auf höchstens 50 Stunden zu schätzen, so dass sich eine Beschwer von 175 € ergebe. Auch unter Berücksichtigung etwa anfallender Auslagen für Bankauskünfte o.a. sei ein Aufwand von mehr als insgesamt 300 € nicht ersichtlich. Das Landgericht habe die Berufung nicht zugelassen, wozu es mangels Vorliegens der Voraussetzungen auch keinen Anlass gehabt habe.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig angesehen (§ 511 Abs. 2 ZPO).
a) Wird bei einer Stufenklage - wie hier - eine Verurteilung zur Auskunft ausgesprochen, so ist für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. März 2017 - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 6; vom 4. Juni 2014 - IV ZB 2/14, FamRZ 2014, 1453 Rn. 8; jeweils m.w.N.). Soweit das Rechtsmittelinteresse - wie hier - gemäß den §§ 2, 3 ZPO festzusetzen ist, kann die Bewertung durch das Berufungsgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Berufungsgericht maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht festgestellt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2017 aaO m.w.N.).
b) Nach diesen Grundsätzen, die die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und ohne Überschreitung der dem Tatrichter gezogenen Grenzen einen 600 € nicht übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstandes angenommen.
aa) Ohne Erfolg bleibt der Angriff der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe verkannt, dass der Zeitaufwand des Beklagten nach § 22 JVEG mit mindestens 20 € je Stunde anzusetzen sei, weil dieser den erforderlichen Zeitaufwand als selbständiger Technikinformatiker nicht in seiner Freizeit aufbringen könne und daher einen Verdienstausfall in erheblicher Höhe erleide.
Das Berufungsgericht hat zu Recht keinen Verdienstausfall angesetzt. Nach § 22 JVEG erhalten diejenigen, "denen ein Verdienstausfall entsteht", eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst richtet und die für jede Stunde höchstens 21 € beträgt. Der Gesetzeswortlaut setzt damit einen tatsächlich entstandenen Verdienstausfall voraus. Tritt ein Verdienstausfall nicht ein, kommt folglich nur eine Zeitversäumnisentschädigung nach § 20 JVEG in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2014 - XII ZB 630/12, NJW-RR 2014, 1096 Rn. 18; vom 26. Januar 2012 - VII ZB 60/09, NJW-RR 2012, 761 Rn. 10). So liegt es hier. Ein Verdienstausfall, den der Beklagte nur pauschal behauptet, ergibt sich insbesondere nicht ohne Weiteres aus seiner selbständigen Tätigkeit. Gegen die Bemessung des Zeitaufwandes mit 50 Stunden erhebt die Rechtsbeschwerde keine Einwände.
bb) Pauschal bleibt auch die Behauptung der Rechtsbeschwerde, der Beklagte müsse die Hilfe fachkundiger Dritter in Anspruch nehmen. Um welche Dritte es sich handeln und aus welchen Gründen deren Heranziehung geboten sein soll, legt der Beklagte nicht dar. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass er für die geforderte Auskunft und Rechnungslegung neben etwaigen - vom Berufungsgericht berücksichtigten - Bankauskünften der Unterstützung weiterer Dritter bedürfte.
cc) Die Rechtsbeschwerde meint, es seien 300 € für 600 Fotokopien á 0,50 € anzusetzen. Abgesehen davon, dass dies nicht zu einem 600 € übersteigenden Wert der Beschwer führen würde, wäre dieser Ansatz jedenfalls der Höhe nach übersetzt (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG: 0,50 € je Seite für die ersten 50 Seiten und 0,15 € für jede weitere Seite).
dd) Infolge der umfassenden Verpflichtung des Beklagten zur Auskunft kann sich dieser auch nicht mit Erfolg auf die Unmöglichkeit der Auskunftserteilung berufen. Entsprechend ist bei der Bemessung der Beschwer hier auch nicht ein möglicher Kostenaufwand zu berücksichtigen, der notwendig wäre, um mit anwaltlicher Hilfe gegebenenfalls Vollstreckungsversuche abzuwenden (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 9).
Mayen Felsch Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Götz Vorinstanzen:
LG Verden, Entscheidung vom 17.07.2019 - 7 O 3/19 OLG Celle, Entscheidung vom 02.12.2019 - 6 U 66/19 -