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10 Ni 17/11

BUNDESPATENTGERICHT Ni 17/11 (Aktenzeichen)

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

25. April 2013 …

In der Patentnichtigkeitssache

…

BPatG 253 08.05

…

betreffend das deutsche Patent 10 2005 011 790 hat der 10. Senat (juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel sowie der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Dipl.-Ing. Küest und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2005 011 790, das auf eine Anmeldung vom 11. März 2005 zurückgeht und mit „Sanitärwanne“ bezeichnet ist. Das Streitpatent wurde mit sieben Patentansprüchen erteilt, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Die Unteransprüche 2 bis 7 sind auf Anspruch 1 unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogen.

Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:

„1. Sanitärwanne (1) mit einer in einer Vertiefung (5) des Wannenbodens (6) angeordneten Ablauföffnung (8), einer unterseitig an die Ablauföffnung (8) angeschlossene Ablaufgarnitur (2) und einem über der Ablauföffnung (8) angeordneten Deckel (4), der eine an die Vertiefung (5) angepasste Form aufweist, wobei zwischen Deckel (4) und Wannenboden (6) ein Spalt für den Wasserabfluss verbleibt, dadurch gekennzeichnet, dass der Deckel mit einem umfangsseitigen Abstandsspalt für den Wasserabfluss so in die Vertiefung (5) eingesetzt ist, dass der Deckel (4) flächenbündig an den die Vertiefung (5) umgebenden Bereichen (7) des Wannenbodens (6) angrenzt, und dass der Deckel (4) einen formstabilen Träger (18) sowie eine mit dem Träger (18) fest verbundene dünnwandige Kappe (19) aufweist, wobei die Kappe (19) die in der Vertiefung (5) sichtbare Außenfläche des Deckels (4) bildet.“

Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift DE 10 2005 011 790 B3 Bezug genommen.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und beruhe auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weshalb ihm die Patentfähigkeit fehle.

Zum Nachweis der fehlenden Patentfähigkeit bezieht sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:

D1: WO 92/05321 A1 D2: DE 92 14 996 U1 D3: GB 2 373 515 B D4 EP 0 436 093 B1 D5 DE 42 06 512 A1 D6 EP 0 371 068 B1 D7 EP 1 388 618 B1 D8 DE 39 07 252 C1 D9 DE 202 06 470 U1.

Außerdem macht die Klägerin die offenkundige Vorbenutzung eines Deckels für eine Sanitärwanne geltend, wofür sie als Anlage D8.1 D8.2 bis D8.8 das Muster eines Deckels und als Anlagen verschiedene Dokumente zum Nachweis der Lieferung von Deckeln seitens der Fa. Viegener an die Klägerin vor dem Anmeldetag des Streitpatents vorgelegt hat.

Die Klägerin beantragt,

das deutsche Patent 10 2005 011 790 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent in der Fassung des mit Schriftsatz vom 11. April 2013 (Bl. 96 d. A.) eingereichten Hilfsantrags, weiter hilfsweise in der Fassung des erteilten Patentanspruchs 7. Wegen des Wortlauts des Hilfsantrags wird auf den genannten Schriftsatz verwiesen.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent zumindest in den hilfsweise vorgelegten Fassungen für rechtsbeständig.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 14. Januar 2013 gemäß § 83 Abs. 1 PatG einen frühen gerichtlichen Hinweis übersandt.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Der Senat konnte sich auf Grund des schriftlichen Vorbringens der Parteien sowie unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung nicht vom Vorliegen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit (§ 22 Abs. 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 PatG) überzeugen.

I.

1. Nach seiner Beschreibung betrifft das Streitpatent eine Sanitärwanne - d. h. eine Bade- oder Duschwanne - mit einer in einer Vertiefung des Wannenbodens angeordneten Ablauföffnung, einer unterseitig an die Ablauföffnung angeschlossenen Ablaufgarnitur und einem über der Ablauföffnung angeordneten Deckel, der eine an die Vertiefung angepasste Form aufweist, wobei zwischen dem Deckel und dem Wannenboden ein Spalt für den Wasserabfluss verbleibt (Streitpatentschrift, Beschr. Abs. 1). Eine solche Ausgestaltung sei im Stand der Technik gemäß DE 298 23 021 U1 bekannt; sie habe den Vorteil, dass durch die Ausgestaltung der Ablaufgarnitur die Teile eines Abflussventils auf einfache Weise entnommen, gereinigt und montiert werden könnten. Jedoch seien die Gestaltungsmöglichkeiten des einstückig ausgebildeten Deckels begrenzt und der zurückspringende Rand des Deckels sei schwer zu reinigen (Beschr. Abs. 2). Bei anderen bekannten Ablaufgarnituren für Badewannen seien heb- und senkbare Deckel zumeist als runde verchromte Scheibe ausgebildet, die an der Bodenfläche der Sanitärwanne vorstünden.

Vor allem für Duschwannen seien auch Ablaufgarnituren mit feststehenden, runden Deckeln bekannt, deren Durchmesser größer sei als der Durchmesser der Ablauföffnung. Diese Deckel verdeckten die Ablauföffnung und stünden über dem angrenzenden Wannenboden vor, so dass ein Spalt für den Wasserabfluss zwischen der Unterseite des Deckels und der Oberseite des Wannenbodens gebildet werde. Der über den angrenzenden Wannenboden vorstehende Deckel hebe sich optisch deutlich von der Wanne ab. Aufgrund des vorstehenden Teils sei der Ablaufbereich der Sanitärwanne schlecht zu reinigen. Des Weiteren werde der vorstehende Deckel von einem Benutzer der Sanitärwanne, der auf dem Deckel stehe oder sitze, häufig als störend empfunden (Beschr. Abs. 3).

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, den Ablaufbereich einer Sanitärwanne so zu gestalten, dass er optisch unauffällig sei und gut gereinigt werden könne (Beschr. Abs. 4).

2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in der erteilten Fassung seines Anspruchs 1 (entsprechend einer von der Beklagten vorgelegten Gliederung) eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Sanitärwanne (1) mit

2. einer Ablauföffnung (8) 2.1 die in einer Vertiefung (5) des Wannenbodens (6) angeordnet ist;

3. einer Ablaufgarnitur (2), 3.1 die unterseitig an die Ablauföffnung (8) angeschlossen ist;

4. einem Deckel (4), 4.1 der über der Ablauföffnung (8) angeordnet ist und 4.2 eine an die Vertiefung (5) angepasste Form aufweist.

5. Zwischen Deckel (4) und Wannenboden (6) verbleibt ein Spalt für den Wasserabfluss. - Oberbegriff -

6. Der Deckel (4) ist in die Vertiefung (5) eingesetzt, 6.1 mit einem umfangsseitigen Abstandsspalt für den Wasserabfluss, 6.2 und zwar so, dass der Deckel (4) flächenbündig an den die Vertiefung (5) umgebenden Bereichen (7) des Wannenbodens (6) angrenzt.

7. Der Deckel (4) weist auf 7.1 einen formstabilen Träger (18) sowie 7.2 eine mit dem Träger (18) fest verbundene dünnwandige Kappe (19), 7.2.1 welche die in der Vertiefung (5) sichtbare Außenfläche des Deckels (4) bildet. - Kennzeichen -

3. Als Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Beurteilung des Standes der Technik ankommt, ist auf dem vorliegenden Gebiet ein Sanitärtechniker - oder ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau - mit einigen Jahren Berufserfahrung in der Konstruktion und Fertigung von Sanitärbauteilen anzusehen.

4. Zwischen den Parteien war vor allem die Auslegung der Merkmalsgruppe 7 umstritten.

Gemäß den Merkmalen 7.1 und 7.2 weist der Deckel einen formstabilen Träger sowie eine mit dem Träger fest verbundene dünnwandige Kappe auf. Der Deckel besteht somit aus zwei Teilen (nämlich einem Träger und einer Kappe), die fest miteinander verbunden sind. Der Träger muss zur Erfüllung seiner Tragfunktion formstabil sein, um die dünnwandige Kappe tragen und abstützen zu können. Die Kappe braucht somit nicht unbedingt eigenstabil zu sein (kann es aber, z. B. wenn sie gemäß Anspruch 4 aus emailliertem Stahlblech besteht). Sie muss als optisch sichtbare Kappe bzw. Abdeckelement lediglich die gewünschte Außenfläche bzw. Optik aufweisen (vgl. Beschr. Abs. 5).

Nach der Streitpatentschrift (Beschr. Abs. 7) ist ein erfindungsgemäßer Deckel mit formstabilem Träger und dünnwandiger Kappe besonders geeignet, wenn die Kappe aus demselben Material besteht wie der Wannenboden, da entsprechende Kappen, beispielsweise aus emailliertem Stahlblech oder Sanitär-Acryl, leicht zu fertigen sind und sich sehr gut in die Gesamterscheinung der Wanne einfügen. Die Kappe kann insbesondere auch eine rutschhemmende Antislip-Emaillierung aufweisen, die aus einer strukturierten Oberfläche aus einem dauerhaft eingebrannten Quarz-Sand-Gemisch besteht. Bei Verwendung von Sanitär-Acryl ist eine Beschichtung möglich, um der Oberfläche rutschhemmende Eigenschaften zu verleihen.

Das Streitpatent bringt damit klar zum Ausdruck, dass die dünnwandige Kappe i. S. d. Merkmals 7.2 ein vor allem dem Erscheinungsbild der Wanne angepasstes, auf unterschiedlichste Weise gestaltetes dekoratives Element sein soll. Demgegenüber hat das Trägerelement lediglich formstabil zu sein, während es in seinem optischen Erscheinungsbild nicht an das Wannendesign anzupassen ist; eine Anpassung kann lediglich an die Form der Vertiefung erfolgen (Merkmal 4.2). Wesentlich für den Trägerteil des Deckels ist dessen Formstabilität, die die Kappe gerade nicht aufzuweisen braucht.

Träger und Kappe bilden somit zusammen den Deckel, wobei das Hinzutreten weiterer Elemente nicht ausgeschlossen ist. So kann der Deckel an der Unterseite umfangsseitige vorstehende Abstandselemente aufweisen, die den Deckel innerhalb der Vertiefung zentrieren (Beschr. Abs. 8, Patentanspruch 6). Möglich sind auch unterseitige Fußelemente, die auf dem Boden der Vertiefung aufliegen (Beschr. Abs. 8). Die (ebenfalls formstabilen) Fußelemente haben in diesem Fall gegenüber dem (eigentlichen) Deckel zwar eine (vertikale) stützende Funktion; jedoch stellen sie nicht den Träger i. S. d. Merkmals 7.1 dar. Insbesondere die Formulierung (a. a. O.), der Deckel könne unterseitige Fuß- bzw. Abstandselemente aufweisen, impliziert nämlich, dass die Elemente zu dem gesamten Deckel, bestehend aus Träger und Kappe, hinzukommen.

5. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist neu, denn keine der im genannten Stand der Technik aufgezeigten Sanitärwannen weist sämtliche patentgemäßen Merkmale auf. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin als neuheitsschädlich genannte Druckschrift D1 (WO 92/05321 A1).

Diese Druckschrift offenbart - von der Beklagten unbestritten - eine Ablaufgarnitur zumindest mit den Merkmalen 1 bis 6.2 des angegriffenen Patentanspruchs 1. Darüber hinaus zeigt sie eine feststehende Scheibe, die in das Ablaufloch eingesetzt wird, wobei die Scheibe einen kleineren Durchmesser als das Ablaufloch aufweist (D1, Seite 2, letzter Absatz). Die Scheibe ist dabei nach Material sowie Form- und Farbgebung einfach herzustellen, und zwar in Anpassung an den sanitären Apparat (Seite 3, erster Absatz). Nach einem Ausführungsbeispiel der D1 sind auch Formschluss- oder Führungsgestaltungen vorgesehen, um einen festen Sitz der Scheibe im Ablaufloch zu gewährleisten, z. B. am äußeren Rand der Scheibe angeordnete Füßchen, die sich an der sich verengenden Wandung des Ablaufloches in dem sanitären Apparat abstützen (Seite 3, zweiter Absatz, sowie Patentanspruch 3 und Figurenzeichnungen 1 bis 4 mit Bezugsziff. 25 für die Scheibe, 26 für die Füßchen).

Somit erfüllt die in der Druckschrift D1 gezeigte Scheibe die Funktion eines in das Ablaufloch eines sanitären Apparates (z. B. einer Wanne) eingesetzten Deckels. Im Unterschied zu den erfindungsgemäßen Merkmalen 7.1 und 7.2 ist die Scheibe der D1 aber nicht zweiteilig ausgebildet, d. h. sie besteht nicht aus einem Träger und einer mit diesem verbundenen Kappe i. S. d. Streitpatents. Insbesondere besitzen - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - die in der D1 gezeigten Füßchen nicht die Funktion des Trägers i. S. d. Merkmals 7.1. Ebenso stellt die (einteilige) Scheibe der D1 keine Kappe i. S. d. Merkmals 7.2 dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese Scheibe ihrerseits zwingend formstabil und tragend sein muss, weshalb sie sich nicht darauf beschränken darf, die sichtbare Außenfläche des Deckels zu bilden (s. o. 4.).

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem vorliegenden druckschriftlichen Stand der Technik auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Geht man von der Schrift D1 als dem nächstkommenden Stand der Technik aus, so stellt sich für den Fachmann die Aufgabe, die Herstellung einer Scheibe bzw. eines Deckels, der nach seinem Material und nach seiner Form- und Farbgebung an den jeweiligen sanitären Apparat angepasst ist (vgl. D1, Seite 3, erster Absatz), weiter zu vereinfachen bzw. kostengünstiger zu machen.

Zur Lösung dieser Aufgabe kann der Fachmann der Schrift D1 keine Anregung entnehmen, die dort gezeigte Scheibe als zweiteiligen, aus einem formstabilen Träger und einer damit fest verbundenen dünnwandigen Kappe bestehenden Deckel i. S. des Streitpatents auszubilden.

Die von der Klägerin in ihren Schriftsätzen ferner angeführten Kombinationen aus der Entgegenhaltung D1 mit einer der Druckschriften D2 (DE 92 14 996 U1) und D4 (EP 0 436 093 B1) können den Patentgegenstand ebenfalls nicht nahelegen.

Die D2 befasst sich mit der dichtenden Einbindung eines Ablaufs in einen Wannenboden mittels einer Dichtungsbahn und einem Dichtungsring. Dabei ist zwar wie beim Patentgegenstand ein Deckel zur Abdeckung der Ablauföffnung vorgesehen, welcher jedoch gerade konträr zu den Merkmalen 7.1 bis 7.2.1 des angegriffenen Patentanspruchs 1 aufgebaut ist. Wie in der D2 insbesondere in Figur 1 dargestellt und in der zugehörigen Beschreibung (Seite 4, Zeilen 25 bis 31) erläutert wird, ist der aus einem elastischen Kunststoff bestehende Deckel (43) durch eine aufliegende Metallplatte (44) stabilisiert. Einen Hinweis darauf, den Deckel i. S. des Streitpatents aus einem formstabilen Träger und einer damit fest verbundenen dünnwandigen Kappe auszubilden, welche die in der Vertiefung sichtbare Außenfläche des Deckels bildet (also oberhalb des Trägers angeordnet ist), gibt diese Druckschrift damit gerade nicht.

Gleiches gilt für den Gegenstand der D4, welche im Wesentlichen einen identisch aufgebauten Deckel einer Ablauföffnung zeigt.

Die weiteren von der Klägerin zu den Unteransprüchen sowie zur Definition des Begriffs „Kappe“ im Zusammenhang mit Abläufen genannten Entgegenhaltungen liegen vom Gegenstand des Streitpatents noch weiter ab als die Druckschriften D1, D2 und D4.

7. Auch der von der Klägerin als offenkundige Vorbenutzung in das Verfahren eingeführte Deckel hat dem Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents keine ausreichenden Hinweise vermittelt, um ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

a) Nach dem Vortrag der Klägerin wurde seitens der Firma V… vor dem Anmeldetag mit einer „Adapter Jet Haube“ (V…-Modellnummer 98779) ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung beliefert. Als Nachweis für die Belieferung hat die Klägerin ein Angebotsschreiben vom 15. September 2003 (Anlage D8.3) nebst Zeichnung Nr. 83190 (Anlage D8.4) und eine Auftragsbestätigung vom 7. April 2004 (Anlage D8.5) vorgelegt. In der Auftragsbestätigung wird dieselbe Artikelnummer 483623 aufgeführt wie in dem Angebotsschreiben. Von der Haube wurden laut Auftragsbestätigung 50 Stück in der Ausführung Chromnickelstahl/poliert bestellt. Weitere 25 Stück der fraglichen Haube wurden laut Lieferschein vom 9. November 2004 (Anlage D8.6) von V… an die Klägerin geliefert.

Mit der als Anlage 8.1 vorgelegten, jedoch erst nach dem Anmeldetag vertriebenen Haube sei die vor dem Anmeldetag gelieferte Haube baugleich gewesen, mit dem einzigen Unterschied, dass die vorbenutzte Haube lediglich drei Füßchen besessen habe, während die Ausführung der Anlage 8.1 sechs Füßchen aufweist.

Der vorbenutzte Deckel weise die erfindungsgemäßen Merkmale 7 bis 7.2.1 auf. Er besitze einen formstabilen Träger aus Kunststoff, der durch eine dünne Metallschicht, die eine dünnwandige Kappe ausbilde, überdeckt sei. Im Randbereich sei die Kappe um den Träger umgebördelt und bilde mit diesem eine Einheit.

b) Der Vortrag der Klägerin wird bestätigt durch die Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen Heinz T…. Der Zeuge, dem die Haube der Anlage D8.1 vorgehalten wurde, hat ausgesagt, dass entsprechende Hauben seit dem Jahr 2003 von V… an die Klägerin geliefert wurden, und zwar zum Einbau in Whirlpool-Wannen, die von der Klägerin produziert und stets unmittelbar nach dem Einbau der Hauben an die Kunden geliefert wurden. Die damals gelieferten Hauben hätten jedoch (in den ersten beiden Jahren) nur drei und nicht - wie die im Gerichtssaal präsente Haube - sechs Füßchen besessen. Eine Geheimhaltungsverpflichtung habe es auf Grund mündlicher Abrede nur während der Testphasen, aber nicht nach Lieferung der Hauben gegeben.

Diese Aussage erscheint glaubwürdig, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeuge jahrzehntelang - darunter jahrelang als Betriebsleiter - bei der Klägerin tätig war und auch heute - wenngleich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit - immer noch Angestellter der Klägerin ist. Der Zeuge hat sich zu den Geschäftsbeziehungen, die zwischen der Klägerin und der Firma V… im hier maßgeblichen Zeitraum von ca. 2003 bis zum Anmeldetag des Streitpatents bestanden haben, detailliert und widerspruchsfrei geäußert. Er hat auf die Frage des Beklagtenvertreters, weshalb er sich so genau an Details der damaligen Vorgänge erinnere, ohne Weiteres zugegeben, dass er diese Erinnerung an Hand von Unterlagen, die ihm die Klägerin vorgelegt hat, aufgefrischt habe. Die Frage nach einer Geheimhaltungsverpflichtung hat er differenziert beantwortet. Hierbei erscheint auch seine Aussage, dass die in Whirlpool-Wannen eingebauten Hauben alsbald (und in jedem Fall noch lange vor dem hier maßgeblichen Anmeldetag) an Endkunden geliefert wurden, nach der Lebenserfahrung als nachvollziehbar.

c) Somit ist davon auszugehen, dass tatsächlich ein Deckel, der zum Einsetzen in die Abflussöffnung einer Badewanne bestimmt ist, entsprechend der in der Anlage D8.1 vorgelegten „Adapter Jet Haube“ (allerdings mit lediglich drei statt sechs Füßchen) vor dem Anmeldetag des Streitpatents einem nicht überschaubaren Personenkreis - und zwar sowohl im Betrieb der Klägerin als auch unter deren Kunden - ohne Geheimhaltungsverpflichtung zugänglich gemacht und somit offenkundig wurde. Diese Haube weist auch unstrittig die Merkmale 7 bis 7.2.1 auf, wobei sie - insoweit darüber hinausgehend - an der Unterseite des formstabilen, aus einem Kunststoff hergestellten Trägers nicht nur mit den genannten (vom Rand etwas zur Mitte hin versetzten) Füßchen ausgestattet ist, sondern auch mit radial ausgerichteten Lamellen, welche im Wesentlichen eine Sieb- bzw. Filterfunktion für den unterhalb des Deckels angesaugten Wasserstrom ausüben.

d) Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass dem Fachmann - ausgehend von der in D1 gezeigten Ablaufgarnitur - durch den vorbenutzten Deckel die streitpatentgemäße Erfindung nahegelegt war.

Es hat für den Fachmann kein Anlass bestanden, die in D1 vorgesehene Scheibe gegen den vorbenutzten Deckel auszutauschen. Die D1 lehrt bereits, dass die dortige Scheibe nach Material sowie Form- und Farbgebung einfach herzustellen und an den jeweiligen sanitären Apparat anzupassen ist (Seite 3, erster Absatz). Wird der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, die Herstellung dieser Scheibe weiter zu vereinfachen bzw. kostengünstiger zu machen, so wird er zur Lösung dieser Aufgabe die vorbenutzte Haube nicht in Betracht ziehen. Zwar ermöglicht diese Haube auch eine gewisse Variabilität bei der Ausgestaltung der Oberfläche des Deckels. Der Zeuge Heinz T… hat hierzu ausgesagt, dass die Abde ckung der Haube entweder aus Chromnickelstahl war (und so komplett von der Firma V… geliefert wurde) oder nach Kundenwunsch von einem externen Bear beiter auf galvanischem Weg veredelt und anschließend auf den Kunststoffträger aufgeklebt wurde. Auf diesem Weg konnten zwar unterschiedliche dekorative Gestaltungen der Haube erzielt werden (z. B. goldglänzend oder bronzefarbig). Jedoch wurde weder von der Klägerin noch vom Zeugen dargelegt, dass die vorbenutzte Haube vor dem Anmeldetag in den unterschiedlichsten Materialien bzw. Farbgebungen, entsprechend dem Material und der Farbe der Wanne, verfügbar war.

Selbst wenn man unberücksichtigt lässt, dass es sich bei der vorbenutzten Haube um ein speziell für Whirlpool-Wannen hergestelltes Produkt handelt, wird der Fachmann keinen Vorteil darin sehen, in eine Ablaufgarnitur, wie sie die D1 zeigt, statt der dort vorgesehenen Scheibe die vorbenutzte „Adapter Jet Haube“ einzusetzen. Denn nach Aussage des Zeugen war dieser Adapter gerade nicht dazu bestimmt, den Ablaufbereich optisch unauffällig und angepasst an den umgebenden Wannenbereich erscheinen zulassen, sondern im Gegenteil eher als markantes „Highlight“ gegenüber der in üblichen Sanitärfarben gehaltenen Wanne hervorzuheben. Die in diesem Zusammenhang von dem Zeugen bestätigte übliche Ausführung des vorbenutzten Deckels mit chrom-, gold- oder bronzefarbener Oberfläche lässt es gerade nicht plausibel erscheinen, dass dieser in offenkundig gewordenen Exemplaren an Optik oder Material der jeweiligen Wanne angepasst war.

8. Somit hat Patentanspruch 1 des Streitpatents Bestand. Die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 werden vom Hauptanspruch mitgetragen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Rauch Püschel Hildebrandt Küest Richter prö

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1 99 PatG
1 91 ZPO
1 709 ZPO

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