VIa ZR 290/22
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 290/22 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2024:180924UVIAZR290.22.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 5. September 2024 eingereicht werden konnten, durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterin Möhring, den Richter Liepin, die Richterin Dr. VogtBeheim und den Richter Dr. Katzenstein für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 2022 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache gerichtete Klage abgewiesen wird. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 40.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger hat die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er erwarb im Mai 2017 von einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten neuen VW T6 California Beach 2.0 TDI, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist, zum Kaufpreis von 43.250 € nebst Zubehör für weitere 1.190 €.
Das Landgericht hat die auf Erstattung des Kaufpreises zuzüglich der Kosten für Zubehör abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben.
Nach Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger seine Berufungsanträge weiterverfolgt hat, hat der Kläger am 24. Januar 2024 das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 102.600 km für 43.500 € an einen Dritten weiterveräußert.
Nachdem der Senat mit Beschluss vom 2. Juli 2024 die Revision zugelassen hat, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Juli 2024 den Rechtsstreit im Hinblick auf die dort mitgeteilte Veräußerung für erledigt erklärt, weil er das Fahrzeug für einen den geltend gemachten Schaden übersteigenden Verkaufspreis veräußert habe und sein Schaden damit entfallen sei. Die Beklagte ist der Erledigungserklärung entgegengetreten, weil bereits im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses kein Schaden bestanden habe.
Entscheidungsgründe:
Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers, die dahin auszulegen ist, es werde die Feststellung begehrt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Eine einseitige Erledigungserklärung stellt eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung dar (BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - I ZR 157/98, NJW 2002, 442; Beschluss vom 8. Februar 2022 - VIII ZR 38/21, NJW-RR 2022, 1023 Rn. 39). Eine solche einseitige Erledigungserklärung ist im Revisionsverfahren jedenfalls dann zulässig, wenn das Ereignis, das die Hauptsache erledigt haben soll, unstreitig ist (BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 16 mwN). So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Januar 2024 für 43.500 € mit einem Kilometerstand von 102.600 km veräußert hat.
II.
Die Feststellungsklage ist unbegründet, weil die Klage bereits vor Eintritt des behaupteten erledigenden Ereignisses - der Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs - unbegründet war (vgl. zum maßgebenden Zeitpunkt BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - I ZR 35/90, VersR 1993, 627; Urteil vom 7. November 2019 - III ZR 16/18, WM 2020, 853 Rn. 9). Dem Kläger stand im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
2. Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat, hat es zwar übersehen, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist, wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32). Danach kann einem Fahrzeugkäufer nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).
Ein solcher Differenzschaden bestand aber jedenfalls im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs im Januar 2024 nicht mehr, so dass die Klage schon vor dem behaupteten erledigenden Ereignis unbegründet war. Im Wege der Vorteilsausgleichung sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs schadensmindernd auf den Differenzschaden anzurechnen, wenn und soweit sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 80). Nach dem im Revisionsrechtszug unstreitigen Parteivorbringen, das der Senat berücksichtigen darf (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2023 - VI ZR 1369/20, VersR 2023, 796 Rn. 29 mwN), überstiegen Restwert und geschuldete Nutzungsentschädigung vor der Weiterveräußerung im Januar 2024 sogar den vom Kläger gezahlten Kaufpreis einschließlich Zubehör. Der Kläger hat das Fahrzeug nahezu sieben Jahre nach der Anschaffung für einen 940 € unter dem bei Erwerb gezahlten Betrag veräußert. Zwar ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Die Nutzungsentschädigung überstieg jedoch nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen, nach dem kein Schaden mehr bestehe, im maßgeblichen Zeitpunkt diese Differenz.
C. Fischer Vogt-Beheim Möhring Liepin Katzenstein Vorinstanzen: LG München II, Entscheidung vom 16.03.2021 - 12 O 1650/20 OLG München, Entscheidung vom 21.01.2022 - 19 U 1848/21 - Verkündet am: 18. September 2024 Breit, Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle