Paragraphen in 15 W (pat) 1/12
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 1/12 Verkündet am 16. Oktober 2014
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 198 19 058 …
BPatG 154 05.11 hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein und der Richter Kätker, Dr. Wismeth und Dr. Freudenreich beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 31. Mai 2011 aufgehoben und das Patent DE 198 19 058 widerrufen.
2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 29. April 1998 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 198 19 058 mit der Bezeichnung
„Teilchenförmige, schwach angeschäumte, expandierte Styrolpolymerisate, Verfahren zu deren Herstellung und Aufschäumen“
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 24. Dezember 2009.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 bis 6 in der erteilten Fassung haben den folgenden Wortlaut:
Nach Prüfung des dagegen eingelegten Einspruchs der Beschwerdeführerin zu 1. ist das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 31. Mai 2011 beschränkt aufrechterhalten worden. Dem Beschluss lagen gemäß Hauptantrag die Patentansprüche 1 bis 6 in der erteilten Fassung und gemäß Hilfsantrag ein Patentanspruch mit folgendem Wortlaut zugrunde.
„Verfahren zur Herstellung von vorgeschäumten EPS-Partikeln mit einer mittleren Teilchengöße von 2 bis 8 mm und einer Zellzahl zwischen 1 und 4 Zellen pro mm bei einer Schüttdichte von 8 bis 20 g/l durch ein- oder mehrmaliges Aufschäumen von EPS-Partikeln mit Wasserdampf bei Temperaturen zwischen 100 und 120°C, dadurch gekennzeichnet, dass teilchenförmige expandierbare Styrolpolymerisate (EPS-Partikel), die schwach angeschäumt sind, so dass ihre Schüttdichte 0,5 bis 20% niedriger ist als die Ausgangs-Schüttdichte der ungeschäumten EPS-Partikel, eingesetzt werden“.
Gegenüber dem mit den Druckschriften E1 US 4 606 873 E2 JP 06 136176 A E2‘ Englische Übersetzung der JP 06 136176 A E3 JP 06 298983 A E3‘ Englische Übersetzung der JP 06 298983 A E4 GB 1 062 307 E5 DIN ISO 697, Januar 1984, 4 Seiten. E6 EP 0 374 812 A1 E7 DE 39 21 147 A1 E8 DE 196 19 397 A1 E9 Versuchsbericht der Sulzer Chemtech AG vom 14. Mai 2011: Anschäumen von EPS E10 US 5 000 891 E11 Technisches Datenblatt der BASF, April 2002, Styropor® expandable polystyrene BF Product Series, 2 Seiten E12 Technisches Datenblatt der BASF, April 2002, Styropor® expandable polystyrene BFL Product Series, 2 Seiten E13 Technisches Datenblatt der INEOSNOVA, April 2002, Expandierbares Polystyrol (B933B), undatiert, 3 Seiten E14 Fotodokumentation der Patentinhaberin, Vergleich EPS ungeschäumt und schwach angeschäumt, 4 Seiten, undatiert ausgewiesenen Stand der Technik wurde die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents im Wesentlichen damit begründet, dass die technische Lehre der Erfindung für einen Fachmann anhand der vorliegenden Offenbarung praktisch zu verwirklichen sei und dass es dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 jedoch in der erteilten Fassung gegenüber der Druckschrift E3/E3‘ an Neuheit fehle. Die Merkmale des mit Hilfsantrag beanspruchten Verfahrens seien in keiner der Entgegenhaltungen unmittelbar und eindeutig offenbart und das Verfahren beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere vermittle die nahe liegende Druckschrift E3/E3‘ dem Fachmann keine Anregungen, die EPS-Partikel gezielt schwach anzuschäumen, um vorgeschäumte Partikel mit grober Zellstruktur und letztendlich Schaumstoff-Formkörper mit geringer Wärmeleitfähigkeit zu erhalten. Auch die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften führten den Fachmann nicht zu dem beanspruchten Verfahren.
Wegen der weiteren Ausführungen im Übrigen wird auf die Patentakte verwiesen.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Einsprechende (Beschwerdeführerin zu 1.) als auch die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin zu 2.) Beschwerde eingelegt.
Die Einsprechende sieht beim Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 keine Neuheit gegenüber jeder der Druckschriften E1 bis E4 und E10 gegeben, da Extrusionsverfahren stets wegen des Temperatur- und Druckgradienten zu einem Anschäumen führten. Zudem sei die Erfindung nicht so deutlich und ausreichend offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Gegenstand der Erfindung beruhe im Übrigen auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch beim Gegenstand des Verfahrens gemäß Hilfsantrag sieht sie zumindest keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Druckschrift E3/E3‘ gegeben.
Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin zu 2.) verweist zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit bei den Gegenständen des erteilten Patentes auf ihren Einspruchsschriftsatz. Sie sieht die Erfindung als ausführbar an. Insbesondere macht sie geltend, dass in der Druckschrift E9 keine Nacharbeitung der Lehre der Druckschrift E3/E3‘ verwirklicht sei, da die Versuchsparameter in Kenntnis der Lehre des strittigen Patents gezielt so verändert seien, dass entgegen der Lehre der Druckschrift E3/E3‘ schwach angeschäumte EPS-Partikel erhalten würden. Bei den Versuchen gemäß Druckschrift E9 werde eine hohe Menge des Nukleierungsmittels Talk eingesetzt und der Wasserdruck verringert, womit das Anschäumen erreicht werde, das es nach Absatz [0021] der Druckschrift E3/E3‘ zu vermeiden gelte. Auch die Entgegenhaltungen E1, E2, E4 und E10 lehrten das Vermeiden des Anschäumens.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 1. stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 31. Mai 2011 aufzuheben und das Patent vollumfänglich zu widerrufen.
Weiter beantragt sie,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin zu 2. beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent, wie erteilt, aufrechtzuerhalten.
Weiter beantragt sie,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerden der Einsprechenden zu 1. und der Patentinhaberin zu 2. sind frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig (PatG § 73). Sie führen zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
2. Der zuständige Fachmann ist ein Chemie-Ingenieur oder ein DiplomChemiker mit einschlägigen Kenntnissen der Polymerchemie, der aufgrund seiner Ausbildung und mehrjährigen Berufserfahrung, etwa in der Entwicklungsabteilung eines einschlägigen Unternehmens, über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Polymerschaumherstellung und –verarbeitung verfügt. Dieser Fachmann besitzt auch spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet der Werkstoffkunde, d. h. über anwendungsorientierte Aspekte von Polymeren, insbesondere von polymeren Schaummaterialien.
3. Die Patentansprüche 1, 2 und 6 des Streitpatents gliedern sich mit Merkmalen versehen wie folgt.
1.1 Teilchenförmige expandierbare Styrolpolymerisate (EPS-Partikel) 1.2 schwach angeschäumt 1.3 mit einer Schüttdichte, die 0,1 bis 20% niedriger ist als die Ausgangs- Schüttdichte der ungeschäumten EPS-Partikel,
Herstellverfahren Eingesetzt wird: 2.1 Treibmittelhaltiges Polystyrol Hergestellt werden: 2.2 EPS-Partikel nach 1.1 bis 1.3 Verfahrensschritte: 2.3 Extrusion der Polystyrolschmelze in ein Wasserbad 2.4 Abkühlen des Schmelzstrangs
2.5 Unterwassergranulierung des abgekühlten Strangs 2.6 das Wasserbad ist auf eine Temperatur zwischen 50 und 90°C temperiert 2.7 das Wasserbad befindet sich in einem geschlossenen System, in welchem ein Druck zwischen 2 und 20 bar herrscht,
Herstellverfahren Eingesetzt werden: 6.1 EPS-Partikel nach 1.1 bis 1.3 Hergestellt werden: 6.4 vorgeschäumte EPS-Partikel Verfahrensschritte: 6.5 ein- oder mehrmaliges Aufschäumen der EPS-Partikel 6.6 mit Wasserdampf 6.7 bei Temperaturen zwischen 100 und 130°C.
Der beschränkt aufrechterhaltene Patentanspruch 1 bezieht sich auf ein
1B Herstellverfahren Eingesetzt werden: 1.1B teilchenförmige expandierbare Styrolpolymerisate (EPS-Partikel) 1.2B schwach angeschäumt 1.3B mit einer Schüttdichte, die 0,5 bis 20% niedriger ist als die Ausgangs- Schüttdichte der ungeschäumten EPS-Partikel. Hergestellt werden: 1.4B vorgeschäumte EPS-Partikel 1.5B mit einer mittleren Teilchengröße von 2 bis 8 mm 1.6B mit einer Zellzahl zwischen 1 und 4 Zellen pro mm bei einer Schüttdichte von 8 bis 20 g/l Verfahrensschritte: 1.7B ein- oder mehrmaliges Aufschäumen der EPS-Partikel 1.8B mit Wasserdampf 1.9B bei Temperaturen zwischen 100 und 120°C.
Das Herstellverfahren 1B für vorgeschäumte EPS-Partikel des beschränkt aufrechterhaltenen Patents unterscheidet sich vom Herstellverfahren 6 nach erteiltem Patent durch einen engeren Bereich hinsichtlich der relativen Abnahme der Schüttdichte des Einsatzmaterials im Vergleich zum ungeschäumten Polystyrol (Merkmale 1.3B und 1.3 mit 0,5 bis 20 % bzw. 0,1 bis 20 %), durch einen engeren Temperaturbereich für das Aufschäumen der EPS-Partikel (Merkmale 1.9B und 6.7 mit 100 bis 120°C bzw. 100 bis 130°C).
Die aus diesem Herstellverfahren zugänglichen vorgeschäumten EPS-Partikel werden durch ihre mittlere Teilchengröße (2 bis 8 mm; Merkmal 1.5B) und eine definierte Zellzahl bei definierter Schüttdichte (1 bis 4 Zellen pro mm bei einer Schüttdichte von 8 bis 20 g/l; Merkmal 1.6B) charakterisiert.
4. Der Inhalt der beantragten Patentansprüche geht in zulässiger Weise auf die ursprünglich beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Anmeldeunterlagen und das Streitpatent zurück. Bezüglich der Offenbarung der Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Streitpatent und des einzigen Patentanspruchs nach Hilfsantrag bestehen somit keine Bedenken.
Die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 bis 6 finden ihre Offenbarung in den Patentansprüchen 1 bis 6 vom Anmeldetag.
Die Gegenstände der Merkmale 1.1B bis 1.3B sind im Patentanspruch 1 sowie auf Seite 3, Zeile 18 (Patentschrift: Absatz [0016], die der Merkmale 1.4B bis 1.6B im Patentanspruch 7 sowie auf Seite 3, Zeilen 32 und 34 bis 36 (Patentschrift: Absatz [0018]), die der Merkmale 1B und 1.7B bis 1.9B in den Patentansprüchen 1 und 6, sowie auf Seite 3, Zeilen 28 bis 30 (Patentschrift: Absatz [0018]) der Unterlagen vom Anmeldetag offenbart.
5. Zu den Merkmalen „schwach angeschäumt“ und „Schüttdichte“
a) Für die Herstellung der „schwach angeschäumten“ Styrolpolymerisate nach Patentanspruch 1 der Patentschrift sind in den Patentansprüchen 2 bis 5 unterschiedliche Herstellungwege beschrieben. Beim Befolgen der für die verschiedenen Herstellungswege angegebenen Versuchsbedingungen werden dann „schwach angeschäumte“ EPS-Partikel erhalten, da gleiche bzw. vergleichbare Verfahrensmaßnahmen regelmäßig zu gleichen bzw. vergleichbaren Produkten führen. Auch in der Patentschrift ist dargelegt, dass nach dem ersten Verfahren der Unterwassergranulierung (Patentanspruch 2) die Temperierung bzw. der Druck ein schwaches, genau kontrolliertes Anschäumen bewirkt (Patentschrift: Absatz [0012], letzter Satz).
b) Hinsichtlich der Schüttdichte wird der Fachmann den im Absatz [0016] des Streitpatents angegebenen mit 1600 g/l nicht korrekt publizierten Wert von 600 g/l als Referenzwert für ungeschäumte EPS-Partikel zugrunde legen, womit die Schüttdichte „schwach angeschäumter“ EPS-Partikel im Bereich von 480 bis 599,6 g/l liegt.
Im Übrigen ist dem Fachmann die Herstellung nicht angeschäumter EPS-Partikel als Referenz unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens möglich. Dies ist bereits beim Unterschreiten der in den Verfahrensansprüchen 2 bis 6 gemäß Streitpatent angegebenen Temperaturbereiche unter sonst identischen Verfahrensbedingungen möglich (Patentschrift: Beispiele 2 und 4). Alternativ kann er bei der Herstellung der Referenzpartikel ohne Treibmittel arbeiten. Er wird die Bestimmung der Schüttdichten ungeschäumter und angeschäumter EPS-Partikel dann unter denselben Messbedingungen anhand bekannter Methoden vornehmen und kann damit die technische Lehre hinsichtlich der Schüttdichtendifferenz praktisch verwirklichen.
6. Die Erfindung ist in einer Weise offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Geltender Rechtsprechung folgend, ist bei der Bewertung, inwiefern eine Erfindung ausführbar offenbart ist, zunächst zu klären, ob die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachkundigen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Wissen und Können in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen (BGH, GRUR 2010, 916 – „Klammernahtgerät“).
Diesen Anforderungen genügen die Angaben in den Anmeldeunterlagen, wie zu den von der Einsprechenden als unklar bzw. nicht ausführbar erachteten Merkmalen „schwach angeschäumt“ und „Schüttdichte“ ausgeführt wurde.
Selbst der Einsprechenden ist bei der Erstellung des Versuchsberichtes E9 die Umsetzung der erfindungsgemäßen Lehre gelungen, worauf sie im Schriftsatz vom 23. September 2014, Seite 8, 3. Absatz verweist. Fallkonstellationen wie in den Verfahren 1 Ni 16/13 (EP) vom 6. Juli 2004 und 15 W (pat) 27/01 vom 27. Juni 2002 sind daher vorliegend nicht einschlägig.
Auch wenn man der Einsprechenden dahingehend folgte, dass ausweislich der ISO 697 (Druckschrift E5), die sich nicht mit der Bestimmung der Schüttdichte von Polymeren, sondern von oberflächenaktiven Stoffen und Waschmitteln beschäftigt, die Messungenauigkeit eines normierten Verfahrens bei bis zu 5 % liege, ist dies unbeachtlich, da unter dieser Voraussetzung alle EPS-Partikel mit einer Schüttdichte nach Patentanspruch 1 als schwach angeschäumt zu werten sind.
7. Der Gegenstand nach den erteilten Patentansprüchen 1, 2 und 6 ist nicht neu.
In der Druckschrift JP 06 298983 A (E3) bzw. deren englischer Übersetzung E3‘ wird die Herstellung schäumbarer thermoplastischer Harzpartikel beschrieben (E3‘: Titel), bei welcher der Thermoplast, Treibmittel und bis zu 1,5 Gewichtsteile eines anorganischen Pulvers in eine unter Druck stehende Flüssigkeit extrudiert, sofort geschnitten und dann abgekühlt werden (E3‘: Abstract und Patentanspruch 1; Merkmale 2, 2.3 bis 2.5). Als thermoplastisches Harz wird Styrolharz genannt (E3‘: Patentanspruch 3; Merkmal 2.1) und auch in den Beispielen verwendet, wobei als Granulierbad ein auf 60 bis 85°C erwärmtes Wasserbad bevorzugt ist (E3‘: Absatz [0018], letzte 4 Zeilen; Merkmal 2.6). Der Anteil des Treibmittels liegt bei weniger als 40 Teilen bezogen auf den Thermoplasten, bevorzugt bei 2 bis 10 Teilen (E3‘: Absatz [0010]; vgl. Patentschrift: Absatz [0010]: 3-10 Gew.-%), der Druck, unter dem das Bad steht, liegt bei 5, bevorzugt bei 10 bis 20 kg/cm2 (= 4,90, bevorzugt 9,8 bis 19,6 bar; E3‘: Absatz [0017]; Merkmal 2.7).
Die Verfahrensparameter und die Ausgangsmaterialien entsprechen somit den Vorgaben des Streitpatents, da das thermoplastische Material nach Absatz [0009] übliche und bekannte Hilfsmittel und Zusatzstoffe enthalten kann (Patentschrift: Absatz [0009] und Beispiel 1 mit 2% Graphit). Somit muss das in der Druckschrift E3‘ beschriebene Verfahren zu den Produkten gemäß Streitpatent führen (Merkmale 2.2 bzw. 1.1 bis 1.3).
Der Auffassung der Patentinhaberin, dass die Druckschrift E3’ vom Anschäumen der EPS-Partikel abrate (E3’: Absatz [0021] „while foaming of the particle is prevented“) und der Fachmann, wenn er schwach angeschäumte Partikel herstellen solle, entgegen der Lehre dieser Druckschrift arbeiten müsse, kann nicht gefolgt werden. In der Druckschrift E3’ sind identische Temperatur- und Druckwerte wie im Streitpatent angegeben, womit sich das im Absatz [0021] beschriebene, allgemein formulierte, „Schäumen“ nicht auf das Anschäumen, sondern auf das Aufschäumen des Polystyrols beziehen muss.
Die Druckschrift E9 zeigt von der SULZER Chemtech AG (Beschwerdeführerin zu 1.) durchgeführte Versuche mit zwei verschiedenen Polystyrolen (143E der BASF und Empera 153F der INEOS NOVA), die mit 6,2 Gew.% des Treibmittels Pentan (vgl. Streitpatent: Beispiele 1 bis 4 und Absatz [0010]) und 0,5 bis 1 Gew.-% Talk in ein unter Druck von 5 bis 10 bar stehendes Wasserbad granuliert und geschnitten, sowie nachfolgend abgetrennt und getrocknet wurden. Bei den Referenzversuchen 2 und 10 liegt die Badtemperatur außerhalb des beanspruchten Bereiches, nämlich wie im Streitpatent bei 35°C (Patentschrift, Beispiel 2).
In den Referenzversuchen, bei denen das Bad mit 10 bar beaufschlagt war, liegt die Schüttdichte der Partikel bei 603 bzw. 594 g/l (E9: Versuche 2 und 10 in der Tabelle) und damit im Bereich, den auch die Patentschrift für nicht angeschäumte EPS-Partikel angibt. Die Schüttdichte der nach den Versuchen erhaltenen Partikel ist um 0,17 bis 5,22 % im Vergleich zu den ungeschäumten EPS-Partikeln verringert. Das Nacharbeiten der in Druckschrift E3‘ gegebenen Lehre, das nach Aussage der Einsprechenden aus ökonomischen und anlagetechnischen Gründen nicht völlig exakt möglich gewesen sei, führte gleichwohl dazu, dass unter den Verfahrensbedingungen der E9 und damit unter den Verfahrensbedingungen nach Patentanspruch 3 des Streitpatents teilchenförmige expandierbare Styrolpolymerisate erhalten wurden, die schwach angeschäumt sind und deren Schüttdichte 0,1 bis 20 % niedriger ist als die Ausgangsschüttdichte der ungeschäumten EPS-Partikel.
Soweit die Patentinhaberin bei den Versuchen der Sulzer Chemtech AG nach Druckschrift E9 eine gezielte Veränderung in Kenntnis der Lehre des strittigen Patents verwirklicht und den Anteil des als Nukleierungsmittel wirkenden Talks stark erhöht sieht, vermag diese Ansicht nicht durchzugreifen. Alle Versuchsparameter liegen im vorgegebenen Bereich der Druckschrift E3/E3‘ und des Streitpatents. Talk ist als erstes Beispiel eines Zusatzstoffes auf Basis anorganischer Pulver in der Druckschrift E3’ genannt (E3’: Absatz [0011], während im Streitpatent nach Absatz [0009] sogar beliebige Mengen an Hilfs- und Zusatzstoffen zulässig sind. Die Menge an Talk in der Druckschrift E9 liegt zwischen 0,5 und 1%, während im Beispiel 1 des Streitpatents auch höhere Mengen anorganischer Stoffe zugegeben werden können (Patentschrift: Absatz [0021]: 2% Graphit).
Die nach der Druckschrift E3‘ gewonnenen Partikel (Merkmale 6, 6.1) werden mit Dampf (Merkmal 6.6) unter Druck (1 kg/cm2) und damit bei einer Temperatur von etwa 100°C (Merkmal 6.7) 30 s lang aufgeschäumt (E3‘: Absatz [0027], Punkt 6 dieses Absatzes; Merkmale 6, 6.4, 6.5).
Damit sind die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 6 aus der Druckschrift E3‘ bekannt.
8. Der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Patents ist nicht neu.
Das Herstellverfahren 1B wird auch in dem enger gesetzten Temperaturbereich für das Aufschäumen der angeschäumten EPS-Partikel (Merkmale 1.9B und 6.7) in der Druckschrift E3‘ offenbart, womit die Verfahrensprodukte die Produktmerkmale 1.4B bis 1.6B zwangsläufig erfüllen. In der Druckschrift E3‘ wird durch das Aufschäumen ein Polystyrolschaum mit der beanspruchten Schüttdichte erhalten (E3’: Absatz [0036], viertletzte Zeile), da die reziproke Dichte von 70 cc/g 14,3 g/l entspricht und damit in der Mitte des beanspruchten Bereichs von 8 bis 20 g/l liegt (Teilmerkmal 1.6B).
Dabei spielt es keine Rolle, dass im Ausführungsbeispiel 1 der Druckschrift E3‘ das Merkmal „Zellzahl pro mm“ (Merkmal 1.6B: vgl. E3‘, Tabelle 1, drittletzte Zeile: 200 µm Zelldurchmesser, also 5 Zellen pro mm) unterschiedlich und die beanspruchte „mittlere Partikelgröße“ der aufgeschäumten Partikel nicht genannt ist. Bei diesen Größen handelt es sich um das Verfahrensprodukt charakterisierende Merkmale, die sich bei der Durchführung des identischen Verfahrens von selbst einstellen.
9. Der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Patents beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gemäß Absatz [0006] des Streitpatents besteht die Aufgabe der Erfindung darin, EPS-Partikel bereitzustellen, die beim Verschäumen vorgeschäumte Partikel mit grober Zellstruktur ergeben.
Nach der Beschreibung (Patentschrift: Absatz [0004], letzter Satz; Anmeldeunterlagen: Seite 1, Zeilen 37 bis 40) führe eine zu feinzellige Schaumstruktur zu erhöhten Wärmeleitfähigkeiten, d.h. zu einer geringen Wärmedämmwirkung. Bei den erfindungsgemäßen aufgeschäumten Partikeln liegt die Zellzahl bei einer Schüttdichte von 8 bis 20 g/l zwischen 1 und 6, insbesondere zwischen 2 und 4 pro mm (Anmeldeunterlagen: Seite 3, Zeilen 34 bis 37; Patentschrift Absatz [0018], vorletzter Satz) Die geforderte grobzellige Struktur und damit die Lösung der Aufgabe ist mit den aufgeschäumten Partikeln in der Druckschrift E3‘ (5 Zellen pro mm) bereits verwirklicht.
Ein überraschender Effekt, der sich auf die Beschränkung der Zellzahl auf 1 bis 4 Zellen pro mm (Merkmal 1.6B) zurückführen ließe, ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Schon das im Streitpatent als erfindungsgemäß ausgewiesene Beispiel führt eine höhere Zellzahl auf (Streitpatent: Beispiel 4 und Tabelle 2 mit 4,8±0,8 Zellen pro mm).
In gleicher Weise kann aus dem Streitpatent kein besonderer Effekt herausgelesen werden, der mit der Beschränkung der mit 1 bis 10 mm im Stand der Technik üblicherweise eingesetzten mittleren Teilchengröße von vorgeschäumten EPSPartikeln auf 2 bis 8 mm (Merkmal 1.5B) verbunden wäre. Zum Merkmal der mittleren Teilchengröße räumt die Patentinhaberin ein, dass diese durch die Größe des angeschäumten Ausgangsmaterials bestimmt sei. Damit kann die mittlere Teilchengröße, wie auch in der Druckschrift E3’ gezeigt ist (Absatz [0015]: „extruding holes with 0.3 to 3 mm of diameter“) über die Wahl der Lochgröße, durch welche die angeschäumten EPS-Partikel extrudiert werden, beliebig eingestellt werden.
Die beanspruchten Bereiche für die Zellzahl pro mm und die mittlere Teilchengröße sind wegen ihrer Beliebigkeit nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen.
10. Nach alledem ist der Beschluss der Patentabteilung 43 vom 31. Mai 2011 aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Damit war zugleich die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Feuerlein Kätker Wismeth Freudenreich prö
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