35 W (pat) 423/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 423/12 Verkündet am 4. Dezember 2013
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BESCHLUSS In Sachen …
BPatG 154 05.08 betreffend das Gebrauchsmuster 298 25 257 hier: Löschungsantrag hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner sowie den Richter Dr. Müller und die Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
Gründe I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) war Inhaberin des am 24. Mai 2007 mit 11 Schutzansprüchen eingetragenen Streitgebrauchsmusters 298 25 257 mit der Bezeichnung „Perkutane kathetergeführte Verschlussvorrichtungen“. Für das Streitgebrauchsmuster wurde unter Erklärung der Abzweigung der Anmeldetag der Anmeldung EP 98 946 804.6 vom 1. September 1998 und deren Priorität vom 8. September 1997 (US 925 935) in Anspruch genommen. Das Streitgebrauchsmuster ist nach Erreichen der Höchstschutzdauer mit Ablauf des Monats September 2008 erloschen.
Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:
„Zusammenlegbare medizinische Vorrichtung (100; 120) mit einem schlauchförmigen geflochtenen Metallgewebe, das eine expandierte voreingestellte Konfiguration aufweist, wobei die Enden des schlauchförmigen Gewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst, wobei die medizinische Vorrichtung so geformt ist, dass sie einen Verschluss einer anormalen Öffnung in einer kardialen Septumwand erzeugen kann, wobei die expandierte voreingestellte Konfiguration für die Abgabe durch einen Kanal in den Körper eines Patienten auf eine kleinere Querschnittsabmessung verformbar ist, wobei das gewobene Metallgewebe eine Gedächtniseigenschaft hat, so dass die medizinische Vorrichtung dazu neigt, im entspannten Zustand in die expandierte voreingestellte Konfiguration zurückzukehren, dadurch gekennzeichnet, dass die expandierte voreingestellte Konfiguration an den distalen beziehungsweise proximalen Enden der Vorrichtung erste und zweite Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser und einen Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser, der zwischen den zwei Abschnitten (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser angeordnet ist, umfasst, und wobei der Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser eine Längenabmessung hat, die eine Dicke der Septumwand bei der anormalen Öffnung approximiert, wobei mindestens einer der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser in Richtung zum anderen der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser hin gewölbt ist,
was bewirkt, dass der Perimeterrand (108) des gewölbten Abschnitts (104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser vollständig an der Seitenwand (170) des Septums angreift.“
Wegen des Wortlauts der Schutzansprüche 2 bis 11 wird auf die Gebrauchsmusterschrift DE 298 25 257 U1 verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2008 hat die Beschwerdegegnerin und Antragstellerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) die Löschung des Gebrauchsmusters DE 298 25 257 beantragt. Sie hat ihren Löschungsantrag darauf gestützt, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe, wozu sie im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt auf 8 Druckschriften verwiesen hat. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters unzulässig erweitert sei.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 28. März 2012 das Gebrauchsmuster gelöscht. Dem Beschluss lagen die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag sowie die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2012 überreichten Schutzansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 14 zu Grunde.
Zur Begründung hat die Gebrauchsmusterabteilung I ausgeführt, dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang unwirksam war, da die Fassung des Schutzanspruchs 1 laut Hauptantrag und der Hilfsanträge 1 - 9 sich für den Fachmann nicht aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen herleiten lässt. Weiter sei die Aufnahme eines Disclaimers in den Hilfsanträgen 10 bis 14 unbehelflich, weil dadurch der Offenbarungsmangel nicht beseitigt werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin.
Sie verfolgt ihr Schutzbegehren auf der Grundlage eines neuen Hauptantrages sowie eines neuen Hilfsantrags 1, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2013, weiter.
Der Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
Zusammenlegbare medizinische Vorrichtung (100; 120) mit einem schlauchförmigen geflochtenen Metallgewebe, das eine expandierte voreingestellte Konfiguration aufweist, wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Metallgewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst, wobei die medizinische Vorrichtung so geformt ist, dass sie einen Verschluss einer anormalen Öffnung in einer kardialen Septumwand erzeugen kann, wobei die expandierte voreingestellte Konfiguration für die Abgabe durch einen Kanal in den Körper eines Patienten auf eine kleinere Querschnittsabmessung verformbar ist, wobei das gewobene Metallgewebe eine Gedächtniseigenschaft hat, so dass die medizinische Vorrichtung dazu neigt, im entspannten Zustand in die expandierte voreingestellte Konfiguration zurückzukehren, dadurch gekennzeichnet, dass die expandierte voreingestellte Konfiguration an den distalen beziehungsweise proximalen Enden der Vorrichtung erste und zweite Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser und einen Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser, der zwischen den zwei Abschnitten (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser angeordnet ist, umfasst,
und wobei der Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser eine Längenabmessung hat, die eine Dicke der Septumwand bei der anormalen Öffnung approximiert, wobei mindestens einer der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser in Richtung zum anderen der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser hin gewölbt ist, was bewirkt, dass der Perimeterrand (108) des gewölbten Abschnitts (104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser vollständig an der Seitenwand (170) des Septums angreift, wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Metallgewebes durch eine Klammer (112; 128) zusammengehalten werden, die von allgemein zylindrischer Gestalt ist und eine Crimpaussparung zum Aufnehmen der Enden der Drahtlitzen aufweist.
Der Schutzanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 lautet:
Zusammenlegbare medizinische Vorrichtung (100; 120) mit einem schlauchförmigen geflochtenen Metallgewebe, das eine expandierte voreingestellte Konfiguration aufweist, wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Metallgewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst, wobei die medizinische Vorrichtung so geformt ist, dass sie einen Verschluss einer anormalen Öffnung in einer kardialen Septumwand erzeugen kann, wobei die expandierte voreingestellte Konfiguration für die Abgabe durch einen Kanal in den Körper eines Patienten auf eine kleinere Querschnittsabmessung verformbar ist,
wobei das gewobene Metallgewebe eine Gedächtniseigenschaft hat, so dass die medizinische Vorrichtung dazu neigt, im entspannten Zustand in die expandierte voreingestellte Konfiguration zurückzukehren, dadurch gekennzeichnet, dass die expandierte voreingestellte Konfiguration an den distalen beziehungsweise proximalen Enden der Vorrichtung erste und zweite Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser und einen Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser, der zwischen den zwei Abschnitten (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser angeordnet ist, umfasst, und wobei der Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser eine Längenabmessung hat, die eine Dicke der Septumwand bei der anormalen Öffnung approximiert, wobei mindestens einer der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser in Richtung zum anderen der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser hin gewölbt ist, was bewirkt, dass der Perimeterrand (108) des gewölbten Abschnitts (104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser vollständig an der Seitenwand (170) des Septums angreift, wobei sie in einem proximalen und/oder einem distalen Ende der voreingestellten Konfiguration eine Aussparung aufweist, wobei mindestens eines der proximalen und distalen Enden Befestigungsmittel (112; 128), die an dem Metallgewebe befestigt und mindestens zum Teil innerhalb der Aussparung aufgenommen sind, umfasst, und wobei das Befestigungsmittel (112; 128) ein Innengewinde zur Befestigung an einer Abgabevorrichtung (28) umfasst.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass keine unzulässigen Erweiterungen vorlägen. Hinsichtlich des Merkmals „wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Metallgewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst,“ im Oberbegriff bezieht sie sich im Wesentlichen auf die nach ihrer Auffassung bestehende allgemeine Offenbarung auf Seite 8, Zeilen 12 - 14 in der WO 99/12478 A1. Der Fachmann würde darin eine übergeordnete Offenbarung verstehen und eine einzelne Klammer auch für die Ausführungsbeispiele vorsehen.
Zu dem in den Hilfsantrag 1 aufgenommenen neuen Merkmal „und mindestens zum Teil innerhalb der Aussparung aufgenommen sind,“ weist sie auf die Offenbarung in den Fig. 12, 15, 17 und 18 hin, aus denen sich eine nur teilweise Aufnahme ergebe.
Die Beschwerdeführerin ist ferner der Auffassung, dass in den für die Priorität relevanten Druckschriften, insbesondere in der US 5 725 552 B2 (Anmeldenummer 647, 712) die dort offenbarte Klammer nicht der Klammer nach dem letzten Merkmal des dem Hauptantrags entspreche, sie weise dort keine Crimpaussparung aus.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
- den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2012 aufzuheben und den Feststellungsantrag zurückzuweisen, soweit er sich gegen den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hauptantrag richtet,
- hilfsweise, soweit er sich gegen das Streitgebrauchsmuster in der Fassung nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 1 richtet.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
- die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in allen Punkten entgegen. Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I zur unzulässigen Erweiterung. Außerdem ist sie der Auffassung, dass dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 die Neuheit fehle, da dem Streitgebrauchsmuster und der europäischen Anmeldung die Priorität der US-Anmeldung vom 8. September 1997 nicht zukomme, so dass Anmeldetag der 1. September 1998 sei. Zur fehlenden Neuheit verweist sie zusätzlich auf das Dokument D9 WO 97/42878 A1.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Löschungs- und der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Feststellungsantrag ist sachlich gerechtfertigt, da der Gegenstand des Gebrauchsmusters in der eingetragenen Fassung und der Fassung nach Haupt- und Hilfsantrag 1 über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG).
1. Das nach Ablauf des Streitgebrauchsmusters zur Fortsetzung des Löschungsverfahrens als Feststellungsverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis besteht, da die Beschwerdegegnerin von der Beschwerdeführerin aus dem Streitgebrauchsmuster vor dem Landgericht Düsseldorf in einem zur Zeit ausgesetzten Verletzungsprozess in Anspruch genommen wird (Az.: 4b O 130/11, LG Düsseldorf).
2. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der eingetragenen Fassung geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung, also der EP 98 946 804.6 hinaus. Die Erweiterung des ursprünglich nur auf Anspruch 2 bezogenen Antrags in der Hauptsache ist entsprechend § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig, wie die Gebrauchsmusterabteilung zutreffend festgestellt hat.
2.1. Das Gebrauchsmuster betrifft allgemein intravaskuläre Vorrichtungen zur Behandlung bestimmter medizinischer Zustände und insbesondere unauffällige intravaskuläre Verschlussvorrichtungen zum Behandeln angeborener Defekte. Gegenstand des Streitgebrauchsmusters ist ein Okkluder, mit dem eine Öffnung in der Herzscheidewand (kardiale Septumwand) verschlossen werden kann (siehe Streitgebrauchsmuster Abs. [0002], Anspruch 1).
In der Beschreibungseinleitung des Streitgebrauchsmusters ist erläutert, dass es unter bestimmten Umständen erforderlich sein kann, ein Blutgefäß eines Patienten zu verschließen, etwa um den Blutfluss durch eine Arterie zu einem Tumor oder einer anderen Läsion zu stoppen. Gegenwärtig wird dies allgemein bewirkt, indem zum Beispiel Ivalon-Teilchen und kurze Abschnitte von Schraubenfedern in ein Blutgefäß an einem bestimmten Ort eingesetzt werden (siehe Streitgebrauchsmuster Abs. [0004]). Weiter seien Ballonkatheter und mechanische Embolisierungsvorrichtungen wie Filter und Fallen vorgeschlagen und verwendet worden (siehe Streitgebrauchsmuster Abs. [0005], [0006]).
2.2. Vor diesem Hintergrund ist das Hauptziel der Erfindung nach dem Streitgebrauchsmuster, eine zuverlässige unauffällige Intrakardialvorrichtung zu schaffen, die ausgebildet sein kann, um zum Beispiel Ventrikelseptumdefekte (VSD), Atriumseptumdefekte (ASD) und offenen Ductus Arteriosus (PDA) zu behandeln (siehe Streitgebrauchsmuster Abs. [0010]).
2.3. Zur Lösung diese Aufgaben schlägt das Streitgebrauchsmuster im eingetragenen Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (mit eingefügter Gliederung):
M1 Zusammenlegbare medizinische Vorrichtung (100; 120) M2 mit einem schlauchförmigen geflochtenen Metallgewebe, M2.1 das eine expandierte voreingestellte Konfiguration aufweist, M2.2 wobei die Enden des schlauchförmigen Gewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst, M3 wobei die medizinische Vorrichtung so geformt ist, dass sie einen Verschluss einer anormalen Öffnung in einer kardialen Septumwand erzeugen kann, M4 wobei die expandierte voreingestellte Konfiguration für die Abgabe durch einen Kanal in den Körper eines Patienten auf eine kleinere Querschnittsabmessung verformbar ist, M5 wobei das gewobene Metallgewebe eine Gedächtniseigenschaft hat, so dass die medizinische Vorrichtung dazu neigt, im entspannten Zustand in die expandierte voreingestellte Konfiguration zurückzukehren,
dadurch gekennzeichnet,
M6 dass die expandierte voreingestellte Konfiguration M6.1 an den distalen beziehungsweise proximalen Enden der Vorrichtung erste und zweite Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser und M6.2 einen Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser, der zwischen den zwei Abschnitten (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser angeordnet ist, umfasst,
M7 und wobei der Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser eine Längenabmessung hat, die eine Dicke der Septumwand bei der anormalen Öffnung approximiert,
M8 wobei mindestens einer der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser in Richtung zum anderen der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser hin gewölbt ist,
M9 was bewirkt, dass der Perimeterrand (108) des gewölbten Abschnitts (104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser vollständig an der Seitenwand (170) des Septums angreift.
Der Schutzanspruch 1 in der mit Hauptantrag verteidigten Fassung lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung, Unterschiede zur eingetragenen Fassung durch Streichung und Unterstreichung hervorgehoben):
M1 Zusammenlegbare medizinische Vorrichtung (100; 120) M2 mit einem schlauchförmigen geflochtenen Metallgewebe, M2.1 das eine expandierte voreingestellte Konfiguration aufweist, M2.2‘ wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen MetallgGewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst, M3 wobei die medizinische Vorrichtung so geformt ist, dass sie einen Verschluss einer anormalen Öffnung in einer kardialen Septumwand erzeugen kann, M4 wobei die expandierte voreingestellte Konfiguration für die Abgabe durch einen Kanal in den Körper eines Patienten auf eine kleinere Querschnittsabmessung verformbar ist,
M5 wobei das gewobene Metallgewebe eine Gedächtniseigenschaft hat, so dass die medizinische Vorrichtung dazu neigt, im entspannten Zustand in die expandierte voreingestellte Konfiguration zurückzukehren,
dadurch gekennzeichnet,
M6 dass die expandierte voreingestellte Konfiguration M6.1 an den distalen beziehungsweise proximalen Enden der Vorrichtung erste und zweite Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser und M6.2 einen Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser, der zwischen den zwei Abschnitten (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser angeordnet ist, umfasst, M7 und wobei der Abschnitt (106; 126) mit verringertem Durchmesser eine Längenabmessung hat, die eine Dicke der Septumwand bei der anormalen Öffnung approximiert, M8 wobei mindestens einer der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser in Richtung zum anderen der ersten und zweiten Abschnitte (102, 104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser hin gewölbt ist, M9 was bewirkt, dass der Perimeterrand (108) des gewölbten Abschnitts (104; 122, 124) mit expandiertem Durchmesser vollständig an der Seitenwand (170) des Septums angreift, M10 wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Metallgewebes durch eine Klammer (112; 128) zusammengehalten werden, die von allgemein zylindrischer Gestalt ist und eine Crimpaussparung zum Aufnehmen der Enden der Drahtlitzen aufweist.
Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag darin, dass das Merkmal M10 gestrichen und die Merkmale M11 bis M13 aufgenommen wurden:
M10 wobei die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Metallgewebes durch eine Klammer (112; 128) zusammengehalten werden, die von allgemein zylindrischer Gestalt ist und eine Crimpaussparung zum Aufnehmen der Enden der Drahtlitzen aufweist.
M11 wobei sie in einem proximalen und/oder einem distalen Ende der voreingestellten Konfiguration eine Aussparung aufweist,
M12 wobei mindestens eines der proximalen und distalen Enden Befestigungsmittel (112; 128), die an dem Metallgewebe befestigt und mindestens zum Teil innerhalb der Aussparung aufgenommen sind, umfasst,
M13 und wobei das Befestigungsmittel (112; 128) ein Innengewinde zur Befestigung an einer Abgabevorrichtung (28) umfasst.
Bezüglich der Unteransprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
2.4. Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnungen stammen aus dem Streitgebrauchsmuster. So zeigen die Fig. 21 die Verwendung der Vorrichtung als Verschluss einer Septumwand und die Figur 12 beispielhaft eine ASD-Vorrichtung:
2.5. Die Schutzansprüche sind - wo nicht aus sich heraus eindeutig - unter Zugrundelegen des Verständnisses des Fachmanns anhand der Beschreibung zu interpretieren. Als Fachmann sieht der Senat den im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung bezeichneten Dipl.-Ing. der Medizintechnik an, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von medizintechnischen Geräten, insbesondere Okkludern als Verschlussvorrichtungen für Shunt-Verbindungen oder für Gefäße im menschlichen Körper verfügt. Er hat sich dabei ausreichend Kenntnisse über den Einsatz und die Herstellung von Metallgeflecht-Okkludern u. a. aus superelastischen Legierungen angeeignet. Dieser Fachmann interpretiert die in einem Dokument benutzten Worte und Begriffe im Lichte technischer Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung der technischen Gesamtoffenbarung. Deren Erfassung oder eine Interpretation des Anspruchswortlauts im Hinblick auf eine Durchsetzung bzw. Vernichtung von Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes, wie es aus parteilicher Sicht als opportun angesehen werden mag, ist ihm fremd. Diese Unvoreingenommenheit des zuständigen Fachmanns ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Interpretation des streitgegenständlichen Schutzrechts.
a) Im vorliegenden Fall ist insbesondere die Bedeutung des im Schutzanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 enthaltenen Merkmals M2.2', wonach die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen MetallgGewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst, zu ermitteln. Analog gilt dies auch für das Merkmal M2.2 des eingetragenen Schutzanspruchs 1, wonach die Enden des schlauchförmigen Gewebes zusammengehalten werden, um zu verhindern, dass das Geflecht ausfranst.
Aufgrund seines Fachwissens ist es dem Fachmann bekannt, dass ein geflochtenes Gewebe ausfransen kann. Es behält dadurch nicht die gewünschte Form und Flechtung und kann - insbesondere bei einem Metallgewebe - den umliegenden Bereich des Körpergewebes verletzten bzw. in unerwünschter Weise beeinflussen. Die Merkmale M2.2 und M2.2' geben an, dass die Enden bzw. die Enden der Drahtlitzen des schlauchförmigen Gewebes daher zusammengehalten werden.
Der Fachmann wird bezüglich der Merkmal M2.2 in der eingetragenen Fassung und M2.2' des Schutzanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag Überlegungen anstellen, mit welchen Mitteln oder Methoden das Zusammenhalten erfolgt. In Abs. [0086] wird für das Ausführungsbeispiel nach der Figur 10 hierzu gesagt: „Die Enden der rohrförmigen geflochtenen Metallgewebevorrichtung 100 sind geschweißt oder durch Klammern 112 ähnlich den oben beschriebenen zusammengehalten, um ein Ausfasern zu verhindern. Natürlich können die Enden alternativ auch durch andere, Fachleuten bekannte Mittel zusammengehalten werden.“ Die Figur 10 zeigt hierzu zwei Klammen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung.
Für die Angaben der Beschreibung zur Aufgabe der Erfindung gilt wie auch sonst für die Beschreibung der Vorrang des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift (BGH GRUR 2010, 602 ff. - Gelenkanordnung). Die Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen darf nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH a. a. O. - Gelenkanordnung; BGH GRUR 2004, 1023 ff. - Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung; BGH GRUR 2007, 778 ff. - Ziehmaschinenzugeinheit).
Das Ausführungsbeispiel nach Figur 10 erlaubt daher keine einschränkende Auslegung des Anspruchs 1.
Da eine Auslegung unterhalb des Wortlauts der Patentansprüche auch dann nicht in Betracht kommt, wenn diese den Inhalt der Beschreibung verallgemeinern (BGH a. a. O. - Gelenkanordnung, Tz. 29), ist die beanspruchte Lehre nach dem Schutzanspruch 1 nicht einschränkend zu verstehen. Durch die Merkmale M2.2 und M2.2' wird nicht festgelegt, welche oder wie viele Mittel (Klammern) in der zusammenlegbaren medizinischen Vorrichtung nach Anspruch 1 vorhanden sein müssen. Der Schutzanspruch 1 ist auch nicht dahingehend zu verstehen, dass insbesondere immer mehrere Klammern - wie in Figur 10 - vorhanden sein müssen. Weiter ist durch die Merkmale M2.2 und M2.2' auch nicht vorgegeben, dass die Klammern an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung angebracht sind und damit zumindest zwei Klammern vorhanden sein müssen (entgegen der Vorrichtung in der Entscheidung BGH GRUR 2011, 701 ff. - Okklusionsvorrichtung).
b) Auch die übrigen Merkmale in dem Anspruch 1 in der eingetragenen Fassung oder nach Haupt- und Hilfsantrag 1 schränken diesen Sinngehalt der Merkmale M2.2 und M2.2' nicht weiter ein, vielmehr werden durch die Merkmale M10 nach Hauptantrag und M13 durch die explizite Nennung nur einer Klammer (M10) bzw. eines Befestigungsmittels (M13) gerade solche Ausführungsformen einbezogen, die nur ein Mittel zum Zusammenhalten besitzen.
2.6. Dieses Verständnis des Fachmanns für die Merkmale M2.2 und M2.2' der jeweiligen Schutzansprüche 1 findet jedoch keine Stütze im Inhalt der ursprünglichen Anmeldung, der WO 99/12478 A1 (= EP 98 94 6804.6).
Wie bereits in dem Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA erwähnt, wird der Fachmann beim Lesen des Streitgebrauchsmusters, das insoweit mit dem Inhalt der Ursprungsanmeldung übereinstimmt, feststellen, dass hier verschiedene Lösungen für Okkluder und deren Herstellung vorgeschlagen werden.
So werden Lösungen für Atriumseptumdefekte (ASD), eines Ventrikelseptumdefektes (VSD), eines offenen Ductus Arteriosus (PDA), eines offenen Foramen Ovale (PFO) u.dgl. angesprochen (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0046]).
Allen Okkluder-Lösungen der Beschreibung nach den Ausführungsbeispielen ist zu entnehmen, dass das rohrförmige Metallgeflecht immer zwei Enden mit für den jeweiligen Verschlusszweck ausgestalteter Mittenausbildung aufweist, wobei die Enden jeweils Klammern aufweisen, die die Enden der Drahtlitzen zusammenhalten (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0046] - [0098] und Figuren, insb. Fig. 10 - 18, 22 - 32).
In der Beschreibung heißt es zu den Ausführungsbeispielen - was insoweit unstreitig ist - dass immer jeweils zwei Klammern verwendet werden. So heißt es in der Kurzbeschreibung der Erfindung nach Abs. [0012] zu einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung: „Jedes geflochtene Ende der Vorrichtung wird von einer Klammer zusammengehalten. Die Klammern sind…" und nach Abs. [0013] zu einer weiteren erfindungsgemäßen Vorrichtung: „… Die Klammern, die die geflochtenen Litzenenden zusammenhalten, sind zur Mitte der Glocke hin versenkt, wodurch eine unauffällige Vorrichtung mit einer verringerten Gesamthöhenabmessung erhalten wird." In der Beschreibung zu den Ausführungsbeispielen wird erläutert, dass bei der bevorzugten Ausgestaltung Klammern 22 verwendet sind, „um die jeweiligen Enden der Drahtlitzen an jedem Ende 16 und 20 der rohrförmigen Geflechts zusammenzubinden. … Jede Klammer 22 kann eine Gewindebohrung 24 aufweisen, die zum Anschließen der Vorrichtung 100 an ein (nicht dargestelltes) Abgabesystem dient.“ (vgl. Streitgebrauchsmuster Abs. [0074]).
Weiter wird der Zweck der Klammern erläutert. Diese dienen zur Verhinderung der Auflösung der Enden des Geflechts (vgl. Streitgebrauchsmuster Abs. [0075]: „Die Klammern 22 sind nützlich, um das Geflecht daran zu hindern, sich an den Enden aufzulösen, und …“.
Auch bei Betrachtung der Figuren erkennt der Fachmann jeweils nur Klammern an den Enden der Vorrichtungen, somit zwei Mittel, um die Drahtenden festzulegen. Zwar können die Drahtenden auch mittels Schweißen zusammengehalten werden (vgl. Streitgebrauchsmuster Abs. [0075]), dies führt den Fachmann jedoch nicht zur technischen Lehre von nur einem Ende, das zusammengehalten wird. Vielmehr wird er auch bei der Lösung mittels Schweißen zwei Enden vorsehen, die jeweils einzeln zusammengehalten werden.
Dem steht auch nicht die allgemeine Beschreibung in der Ursprungsoffenbarung (WO 99/12478 A1) auf Seite 8, Zeilen 12 - 14 entgegen: „The ends of the wire strands of the tubular or planar metal fabric should be secured to prevent the metal fabric from unraveling. A clamp or welding, as further described below, may be used to secure the ends of the wire strands.“
Entsprechend heißt es in der Gebrauchsmusterschrift Abs. [0053]: „… Die Enden der Drahtlitzen des rohrförmigen oder planaren Metallgewebes sollten festgelegt sein, um das Metallgewebe daran zu hindern, sich aufzulösen. Eine Klammer oder eine Schweißung kann, wie weiter unten beschrieben, verwendet werden, um die Enden der Drahtlitzen zu befestigen.“
Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, dass der Fachmann dieser Textstelle eine Lehre entnimmt, wonach die aus einem schlauchförmigen geflochtenen Metallgewebe bestehende medizinische Vorrichtung nur ein Ende aufweist („Socken“), das dann mit nur einer Klammer zusammengehalten und vor dem Ausfransen geschützt wird. Unabhängig davon, ob die genannte Textstelle isoliert betrachtet eine derartige Auslegung zulässt, berücksichtigt die Beschwerdeführerin bei ihrer Auffassung nicht, dass der Fachmann bei unvoreingenommener Lektüre der Beschreibung eine solche isolierte Betrachtung nicht anstellt, da nichts im gesamten übrigen Text auf eine entsprechende allgemeinere Lehre hinweist. Der Fachmann liest diese Textstelle ausschließlich im Licht der Gesamtoffenbarung. Dieser Gesamtoffenbarung entnimmt der Fachmann zwei Mittel zum Zusammenhalten, jeweils ein Mittel an jedem Ende der Vorrichtung. So zeigen die Ausführungsbeispiele - wie oben erläutert - und die Figuren immer zwei Klammern. Der Fachmann wird daher die Textstelle auf Seite 8, Zeile 12 - 14 dahingehend lesen, dass der Begriff „eine Klammer“ als Gattungsbegriff zu verstehen ist und daher nicht die tatsächliche Anzahl von einer einzigen Klammer vorgibt.
Wie im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I zutreffend ausgeführt, erhält der Fachmann aus der Beschreibung keinen Hinweis darauf oder würde er sich darüber Gedanken machen, das distale und proximale Ende des schlauchförmigen Metallgewebes nur durch ein einziges Mittel zusammenzuhalten.
Alle zum Schutzanspruch gehörigen Ausführungsformen (Fig. 12 bis 20) weisen mehrere Klammern auf.
Zwar muss nicht jede mögliche Ausführungsform beschrieben werden, jedoch ist eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung für eine beliebige Anzahl von Klammern - u. a. eine einzige Klammer - weder der Textstelle auf Seite 8, Zeile 12 - 14 noch den übrigen Unterlagen der Ursprungsoffenbarung zu entnehmen. Ebenso erhält der Fachmann an keiner Stelle der ursprünglich eingereichten Beschreibung oder aufgrund seines Fachkönnens den Hinweis oder eine gedankliche Richtung, die ihn dazu führt, nur eine Klammer zum Zusammenhalten der Drahtlitzen der Enden der Vorrichtung vorzusehen.
3. Damit gehen die in der mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2013 überreichten jeweiligen Ansprüche 1 des Haupt- sowie des Hilfsantrags über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist. Mit ihnen konnte die Beschwerdeführerin daher das Streitgebrauchsmuster nicht wirksam beschränken.
Dem Feststellungsverfahren ist folglich weiterhin das Streitgebrauchsmuster in seiner eingetragenen Form zugrundezulegen (vgl. BGH GRUR 1998, 210 ff. - Scherbeneis). Da auch dessen Schutzanspruch 1 die genannte unzulässige Erweiterung enthält, die sich durch die jeweiligen Rückbezüge in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 11 fortsetzt, muss der Beschwerde insgesamt der Erfolg versagt bleiben.
4. Somit kann dahin stehen, ob das Streitgebrauchsmuster die Priorität der USAnmeldung US 925 935 (Patentschrift: US 5 846 261) zu Recht in Anspruch nimmt. Allerdings enthält das US-Patent US 5 725 552 (Anmelde-Nr. US 647 712, Anmeldetag 14.5.1996, continuation in part der US-Anmeldung 272 335 vom 8.7.1994) bereits alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters, es offenbart den gesamten Inhalt der technischen Lehre nach Anspruch 1. Daher wäre auch die Inanspruchnahme der Priorität der US 925 935 aufgrund der Vermeidung von Kettenprioritäten nicht möglich (vgl. 32 W (pat) 139/77 Abs. 4).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO. Dass die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.
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