V ZR 246/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES V ZR 246/23 URTEIL in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein BGB §§ 133 B, 157 C Ein in einem Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlungsvereinbarung vorgesehenes Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall, dass der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber eine Vermögensauskunft zu erteilen und deren Vollständigkeit an Eides statt zu versichern hat, besteht im Zweifel nur bis zur vollständigen Erfüllung der dem Käufer nach dem Kaufvertrag obliegenden Pflicht zur Zahlung der Kaufpreisraten nebst etwaiger Forderungen, die - wie etwa Verzugszinsen - mit der Hauptleistungspflicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.
BGH, Urteil vom 28. Februar 2025 - V ZR 246/23 - OLG Naumburg LG Magdeburg ECLI:DE:BGH:2025:280225UVZR246.23.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, die Richterin Haberkamp, die Richter Dr. Hamdorf und Dr. Malik und die Richterin Laube für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. November 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Rechtsvorgänger des Klägers (im Folgenden: Erblasser) veräußerte an den Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 9. Mai 2018 drei Grundstücke zum Preis von insgesamt 100.000 €. Es handelt sich um Landwirtschaftsflächen und das Wohngrundstück des Erblassers. In dem Kaufvertrag ist vorgesehen, dass der Kaufpreis in monatlichen Raten zu je 500 € jeweils zum Monatsersten bis zum Tod des Erblassers zu zahlen ist. Als weitere Gegenleistung vereinbarten die Vertragsparteien ein lebenslanges Wohnungsrecht des Erblassers. Ferner ist unter Ziffer III. 1. u.a. Folgendes festgelegt:
„Der Veräußerer und dessen Rechtsnachfolger kann vom schuldrechtlichen Teil dieser Kaufvertragsurkunde zurücktreten oder die Zahlung des gesamten offenen Kaufpreises einschließlich sämtlicher etwaig aufgelaufener Verzugszinsen verlangen, wenn … e) der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber ein Vermögensverzeichnis abzugeben und dessen Richtigkeit an Eides Statt zu versichern hat, und der Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten zurückgenommen wird, … ." In die Grundbücher der drei Grundstücke wurden Auflassungsvormerkungen zugunsten des Beklagten eingetragen. Der Erblasser verstarb am 4. Juni 2020 und wurde von dem Kläger beerbt. Am 27. Mai 2022 erteilte der Kläger der Gerichtsvollzieherin den Auftrag, gegen den Beklagten die Zwangsvollstreckung durchzuführen, die Vermögensauskunft abzunehmen und den Beklagten deren Richtigkeit an Eides statt versichern zu lassen. Grundlage des Vollstreckungsauftrags war ein in einem anderen, mit dem Kaufvertrag nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rechtsstreit der Parteien erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 den Rücktritt von dem Kaufvertrag. Am 31. Dezember 2022 zahlte der Beklagte die durch den Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Forderung.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkungen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen. Die Klage hat bei Land- und Oberlandesgericht Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkungen gemäß § 894 BGB. Der Kläger sei mit seiner Erklärung vom 20. Dezember 2022 gemäß der Regelung in Ziffer III. 1. lit. e) wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten, so dass die Auflassungsvormerkungen erloschen seien. Er habe am 27. Mai 2022 die Gerichtsvollzieherin beauftragt, eine Vermögensauskunft des Beklagten abzunehmen und deren Richtigkeit an Eides statt versichern zu lassen. Dass es nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft gekommen sei, hindere die Wirksamkeit des Rücktritts nicht. Der Kaufvertrag sehe auch nicht vor, dass sich der Antrag auf Abgabe des Vermögensverzeichnisses auf rückständige Kaufpreisraten aus dem Vertrag beziehen müsse. Der Rücktritt sei ferner nicht deshalb ausgeschlossen, weil der schuldrechtliche Teil des Kaufvertrags womöglich vollständig erfüllt gewesen sei. Selbst bei einem vollständig abgewickelten Kaufvertrag schließe die Eintragung des Erwerbers als Eigentümer in das Grundbuch ein schuldrechtlich vereinbartes oder gesetzliches Rücktrittsrecht nicht aus. Weder eine Verwirkung des Rücktrittsrechts noch ein Rechtsmissbrauch des Klägers seien ersichtlich. Da jedenfalls der Rücktritt vom 20. Dezember 2022 wirksam sei, komme es auf die Wirksamkeit der vorangegangenen Rücktrittserklärungen ebenso wenig an wie auf die Frage der Nichtigkeit des Kaufvertrags gemäß § 138 BGB.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung der Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkungen nach § 894 BGB nicht bejaht werden.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der Kläger könnte von dem Beklagten nach § 894 BGB die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkungen verlangen, wenn der Auflassungsanspruch des Beklagten aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB), dessen Wirksamkeit im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellen ist, wegen eines wirksamen Rücktritts des Klägers erloschen wäre (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 1998 - V ZR 360/96, NJW 1998, 3268, 3269). Mit dem Untergang des gesicherten Anspruchs erlischt die akzessorische Vormerkung; das Grundbuch wird unrichtig (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 2013 - V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rn. 7).
2. Zu beanstanden sind jedoch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Wirksamkeit des mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 erklärten Rücktritts des Klägers bejaht.
a) Nach Ziffer III. 1. lit. e) des Kaufvertrags kann der Veräußerer bzw. dessen Rechtsnachfolger von dem schuldrechtlichen Teil der Kaufvertragsurkunde zurücktreten, wenn der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber ein Vermögensverzeichnis abzugeben und dessen Richtigkeit an Eides statt zu versichern hat, und der Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten zurückgenommen wird. Das Berufungsgericht lässt offen, ob der schuldrechtliche Teil des Kaufvertrags im Zeitpunkt des Rücktritts vollständig erfüllt war. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass jedenfalls die Forderung gegen den Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises nebst etwaig aufgelaufener Verzugszinsen erloschen war.
b) Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass gleichwohl ein Rücktrittsrecht des Klägers wegen des Vollstreckungsauftrags besteht.
aa) Die Auslegung von Willenserklärungen ist allerdings grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Die tatrichterliche Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt daraufhin zu überprüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist und die der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt wurden (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 12. Mai 2017 - V ZR 210/16, NJW 2017, 3295 Rn. 16 mwN). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. Senat, Urteil vom 27. September 1991 - V ZR 191/90, NJW-RR 1992, 182; BGH, Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17, NJW 2017, 3590 Rn. 24 jeweils mwN).
bb) Mit diesem Grundsatz ist die von dem Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Kaufvertrags unvereinbar.
(1) Bei der Auslegung sind in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2022 - I ZB 15/22, SchiedsVZ 2023, 362 Rn. 14).
(2) Vereinbaren die Vertragsparteien eines Grundstückskaufvertrags eine ratenweise Kaufpreiszahlung, entspricht es ihrer typischen Interessenlage, dass die Erfüllung der zunächst gestundeten Zahlungspflichten des Käufers abgesichert wird. In der Vertragspraxis geschieht dies regelmäßig dadurch, dass dem Verkäufer bei Eintritt solcher Voraussetzungen, die bei abstrakter Betrachtung sein Gegenleistungsinteresse gefährden, ein vertragliches Rücktrittsrecht von dem schuldrechtlichen Teil des Kaufvertrags vorbehalten wird (vgl. BeckOF Vertrag/Salzig [1.1.2025], Form. 8.1.4 Anm. 10). Der Verkäufer kann nach seiner Lösung von dem Kaufvertrag die Immobilie anderweitig veräußern oder selbst nutzen. Entfällt das Sicherungsinteresse mit Kaufpreiszahlung, besteht allerdings kein berechtigtes Interesse des Verkäufers mehr, sich im Fall drohender Insolvenz des Käufers durch Rücktritt von dem Kaufvertrag zu lösen; dann genießt im Zweifel das Interesse des Käufers an dem Fortbestand des von seiner Seite aus erfüllten Vertrags Vorrang. Ein in einem Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlungsvereinbarung vorgesehenes Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall, dass der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber eine Vermögensauskunft zu erteilen und deren Vollständigkeit an Eides statt zu versichern hat, besteht daher im Zweifel nur bis zur vollständigen Erfüllung der dem Käufer nach dem Kaufvertrag obliegenden Pflicht zur Zahlung der Kaufpreisraten nebst etwaiger Forderungen, die - wie etwa Verzugszinsen - mit der Hauptleistungspflicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Derartige Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sind ein Hinweis auf mangelnde Zahlungsfähigkeit des Käufers und werden vielfach eine Vorstufe zur Insolvenz darstellen. Denn die Abnahme der Vermögensauskunft ist je nach Antrag des Gläubigers erst nach vorheriger erfolgloser Zahlungsaufforderung des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Schuldner (§ 802f Abs. 1 ZPO) oder nach einem erfolglosen Pfändungsversuch (§ 807 Abs. 1 ZPO) zulässig. Mit vollständiger Erfüllung der Zahlungspflichten des Erwerbers trägt der Verkäufer nicht länger das Risiko einer Insolvenz des Käufers, so dass das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht im Zweifel erlischt.
(3) So liegt es auch hier.
15
(a) Nach der Regelung in Ziffer III. 1. lit. e) des Kaufvertrags kann der Veräußerer von dem Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Käufer eine Vermögensauskunft zu erteilen und deren Richtigkeit an Eides statt zu versichern hat und der Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten zurückgenommen wird. Ob und wann das Rücktrittsrecht endet, lässt sich der Klausel nicht entnehmen. Das Berufungsgericht bejaht, entgegen dem Gebot des § 133 BGB ausschließlich am Wortlaut der Vertragsurkunde haftend, den Fortbestand dieses Rücktrittsrechts auch für den Fall, dass der Beklagte seine vertraglichen Zahlungspflichten erfüllt haben sollte. Da die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbart haben, erweist sich die Auslegung - wie ausgeführt (Rn. 13) - nicht als beidseitig interessengerecht. Insbesondere der Umstand, dass die dem Vollstreckungsauftrag des Klägers zugrunde liegende Forderung nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kaufvertrag steht, führt nicht dazu, dass das Rücktrittsrecht trotz der Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen des Käufers fortbesteht; es dient in Ermangelung dahingehender Absprachen nicht der Absicherung solcher anderweitigen Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer.
(b) Bestätigt wird das Erlöschen des Rücktrittsrechts des Klägers mit vollständiger Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Beklagten hier zudem dadurch, dass der Vertrag dem Verkäufer neben dem Rücktrittsrecht wahlweise das Recht zur Gesamtfälligstellung des Restkaufpreises nebst etwaiger Verzugszinsen einräumt. Dieses Recht geht ins Leere, sobald die genannten Zahlungsansprüche des Verkäufers gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen sind. Da beide Rechte der Sicherung der Restkaufpreisforderung dienen und von denselben Voraussetzungen abhängen, muss auch das Rücktrittsrecht erlöschen, wenn das Recht zur Gesamtfälligstellung infolge der Erfüllung der gesicherten Forderung gegenstandslos geworden und das Sicherungsbedürfnis des Verkäufers weggefallen ist.
III.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache nicht entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat nämlich - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - weder Feststellungen zur Erfüllung der dem Beklagten nach dem Kaufvertrag obliegenden Zahlungspflichten noch zur Wirksamkeit des Kaufvertrags sowie der weiteren Rücktrittserklärungen des Erblassers bzw. des Klägers getroffen.
Brückner Haberkamp Hamdorf Malik Laube Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 25.01.2023 - 11 O 1094/19 OLG Naumburg, Entscheidung vom 06.11.2023 - 12 U 31/23 - Verkündet am: 28. Februar 2025 Langendörfer-Kunz, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle