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AK 94/25

BUNDESGERICHTSHOF AK 94/25 BESCHLUSS vom 4. November 2025 in dem Strafverfahren gegen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:041125BAK94.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 4. November 2025 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Kammergericht übertragen.

Gründe:

I. 1 Der Angeklagte befindet sich seit dem 15. April 2025 ‒ lediglich unterbrochen vom 29. bis 30. Mai 2025 ‒ in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. April 2025 (348 Gs 1445/25), sodann aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Kammergerichts vom 23. Mai 2025 (2 ER OGs 8/25) und seit dem 20. Oktober 2025 aufgrund eines neuen ‒ erweiterten ‒ Haftbefehls des Kammergerichts vom 16. Oktober 2025 (2A St 1/25). 2 Gegenstand sowohl des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Kammergerichts vom 23. Mai 2025 als auch des neuen Haftbefehls des Kammergerichts vom 16. Oktober 2025 ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich im Zeitraum vom

11. Dezember 2023 bis zum 9. April 2025 in B. und an anderen Orten in der Bundesrepublik Deutschland, in Syrien sowie im Libanon mitgliedschaftlich an einer ausländischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB), Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a StGB und des § 239b StGB gerichtet gewesen seien, sowie durch dieselbe Handlung zugleich eine schwere staatsgefährdende Gewalttat, nämlich eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 StGB oder des § 212 StGB oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a StGB oder des § 239b StGB, die nach den Umständen bestimmt und geeignet sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, vorbereitet, indem er sich im Umgang mit Schusswaffen unterweisen lassen und sich Waffen verschafft habe, und durch dieselbe Handlung ohne Genehmigung die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, strafbar gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG, § 52 StGB.

Der neue Haftbefehl des Kammergerichts erstreckt sich zudem auf weitere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen des Angeklagten im Libanon und in B. . Ferner erweitert er den Tatvorwurf in rechtlicher Hinsicht auf eine weitere tateinheitliche Strafbarkeit wegen Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 86 Abs. 2 StGB.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat wegen der vorstehenden Tat am 24. September 2025 Anklage zum Kammergericht erhoben.

Dieses hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2025 die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten und die Vorlage der Akten an den Bundesgerichtshof zur besonderen Haftprüfung veranlasst. Ferner hat es am 16. Oktober 2025 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft den neuen Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen, der diesem am 20. Oktober 2025 verkündet worden ist. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2025 hat es sodann die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet sowie die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Überdies hat es mit Verfügung vom 30. Oktober 2025 Hauptverhandlungstermine ab dem 13. Januar 2026 bestimmt.

II.

Es kann dahingestellt bleiben, ob Gegenstand des besonderen Haftprüfungsverfahrens nach den §§ 121, 122 StPO hier der ursprüngliche Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Kammergerichts vom 23. Mai 2025 oder der neue, an die Anklagevorwürfe angepasste und erweiterte Haftbefehl des Kammergerichts vom 16. Oktober 2025 ist. Zwar ist grundsätzlich der aktuelle, dem Beschuldigten verkündete und vollzogene Haftbefehl der Entscheidung im besonderen Haftprüfungsverfahren zu Grunde zu legen. Vorliegend besteht indes die Besonderheit, dass dieser erlassen und verkündet worden ist, nachdem das Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO bereits beim Bundesgerichtshof und damit beim Haftprüfungsgericht anhängig geworden war. Ob beziehungsweise in welchem Umfang während der Anhängigkeit des Haftprüfungsverfahrens beim Haftprüfungsgericht das nach § 126 StPO zuständige Haftgericht befugt ist, eigene Haftentscheidungen zu treffen, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt. Nach vorherrschender Auffassung ist dem nach § 126 StPO zuständigen Haftgericht zwar während eines beim Haftprüfungsgericht anhängigen Haftprüfungsverfahrens eine eigene Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft versagt, um divergierende Entscheidungen zu verhindern (so OLG München, Beschluss vom 18. Januar 2019 – 2 Ws 43/19, juris Rn. 12 ff.; MüKoStPO/Böhm, 2. Aufl., § 122 Rn. 9; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 122 Rn. 2, 4; BeckOK StPO/Krauß, 56. Ed., § 122 Rn. 2; aA wohl Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 122 Rn. 6). Überwiegend wird aber angenommen, es behalte auch während eines laufenden Haftprüfungsverfahrens die Kompetenz, den Haftbefehl – bei Aufrechterhaltung des Vollzugs der Untersuchungshaft – zu ändern und insbesondere um neue Taten oder Haftgründe zu erweitern, namentlich ihn an die Anklageschrift anzupassen; das könne auch dadurch geschehen, dass der ursprüngliche Haftbefehl durch einen neuen ersetzt werde (so OLG München, Beschluss vom 18. Januar 2019 – 2 Ws 43/19, juris Rn. 15; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 122 Rn. 2, 4; BeckOK StPO/Krauß, 56. Ed., § 122 Rn. 2; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 122 Rn. 6; aA MüKoStPO/Böhm, 2. Aufl., § 122 Rn. 7). Der Senat braucht hier die Rechtsfrage nicht zu entscheiden und über die rechtliche Wirksamkeit des Haftbefehls des Kammergerichts zu befinden, weil der neue Haftbefehl auch auf die Tatvorwürfe gestützt ist, die Gegenstand des alten Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Kammergerichts vom 23. Mai 2025 sind, und schon diese die Untersuchungshaft sowie ihre Fortdauer tragen.

III.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Angeklagte ist jedenfalls der ihm mit dem Haftbefehl vom 23. Mai 2025 zur Last gelegten Tat, die auch Gegenstand des neuen Haftbefehls vom 16. Oktober 2025 ist, weiterhin dringend verdächtig.

a) Im Sinne eines solchen Tatverdachts ist nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Die Organisation Hizb Allah geht zurück auf einen Zusammenschluss schiitischer Islamisten mit iranischer Unterstützung im Jahr 1982 nach der israelischen Invasion in den Libanon. Die Bezeichnung Hizb Allah wurde erst in den folgenden Jahren genutzt, in denen sich auch ihre Strukturen verfestigten. Höchstes Entscheidungsgremium ist ein aus sieben bis acht Mitgliedern bestehender Schura-Rat. Dessen Vorsitz nahm der Generalsekretär wahr. Dieser führte zentral mit seinem Stellvertreter und dem Vorsitzenden des Exekutivrates die Organisation strikt autoritär. Neben dem Exekutivrat sind dem Schura-Rat noch ein Justiz-, ein Parlaments-, ein Politik- und ein Militärrat untergeordnet. Dem Militärrat unterstehen über Kriegswaffen verfügende militärische Einheiten. Die Zahl der ihnen zugehörigen Kämpfer wuchs im Lauf der Jahre bis zu einer Größenordnung von etwa 20.000 bis 25.000 und einer ähnlichen Anzahl von Reservisten an.

Die Organisation orientiert sich ideologisch an dem iranischen Revolutionsführer Ruhollah Khomeini und dessen Nachfolger, die von einem Widerstandsgedanken insbesondere gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel geprägt sind. Das grün gehaltene Logo der Vereinigung zeigt auf gelbem Hintergrund eine stilisierte Abbildung ihres Namens mit einem erhobenen Arm, der ein Sturmgewehr greift, sowie begleitenden Text. Zu ihren maßgeblichen Zielen zählt die Zerstörung Israels. Für Angriffe nutzt sie unter anderem Raketen, verfügt aber auch etwa über Panzer und Drohnen. Daneben ist sie in weiteren Konflikten im Nahen Osten involviert, so in Syrien, im Irak und im Jemen. Zur Durchsetzung ihrer Interessen verübte sie eine Vielzahl von Anschlägen mit zahlreichen – vor allem auch zivilen – Todesopfern sowohl im Libanon als auch in Israel und weltweit, beispielsweise bereits in den 1980er Jahren auf die Botschaft der Vereinigten Staaten in Beirut oder auf die israelische Botschaft in Buenos Aires (Argentinien) im März 1992. In den Folgejahren kam es regelmäßig zu weiteren Gewaltakten. Im Oktober 2023 bekannte sich die Organisation zu Angriffen aus dem Libanon auf israelische Stellungen und Siedlungen.

Seit den 1990er Jahren weitete die Hizb Allah ihren Einfluss auf den libanesischen Staat aus und war schließlich an verschiedenen Regierungen beteiligt. Zudem bietet sie vornehmlich in schiitischen Gebieten sozialkaritative Leistungen an. Die politischen und sozialen Aktivitäten unterstehen ebenso wie die militärischen der Gesamtführung der einheitlichen Organisation.

Die Hizb Allah ist bereits seit den 1980er Jahren in Deutschland präsent und verfügt dort über rund 1.000 Anhänger.

bb) Der Angeklagte gliederte sich nach derzeitigem Sachstand einvernehmlich in die Hizb Allah ein und förderte sie durch interessenbezogene Tätigkeiten von innen. Er schloss sich ihr an und kannte dabei deren Organisationsstruktur sowie Ziele. Anschließend war er auf verschiedene Weise für die Vereinigung, unter anderem als Angehöriger einer Kampfeinheit, tätig.

Im Einzelnen:

Er reiste spätestens am 17. Dezember 2023 aus dem Bundesgebiet aus und in den Libanon ein, um sich an Kriegswaffen ausbilden zu lassen und für die Ziele der Hizb Allah zu betätigen. Nachdem er ein Schießtraining auf Übungsgeländen der Gruppierung absolviert hatte und in ideologisch-islamistischen Inhalten unterwiesen worden war, schloss er sich einer Kampfeinheit der Organisation an. Diese stellte ihm ein Sturmgewehr Kalaschnikow AK 47 und eine Panzerabwehrhandwaffe (RPG) zur Verfügung, deren Handhabung er in der Folgezeit trainierte. Im April 2024 fungierte er als kampfbereiter Wachposten, wobei er mit einem Granatgeschosswerfer bewaffnet war.

Im Oktober 2024 veröffentlichte der Angeklagte, der inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt, aber weiterhin in die Vereinigung eingegliedert war, von seinem Aufenthaltsort in B. aus einen Internet-Beitrag, in dem ein Kämpfer als „Märtyrer“ gepriesen wurde und der mit dem Symbol der Hizb Allah versehen war.

Im Zeitraum vom 3. März bis 9. April 2025 hielt er sich erneut im Libanon auf und nahm an Gefechten oder jedenfalls an Kampfübungen der Vereinigung teil.

b) Der dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Tat beruht auf Folgendem:

aa) Er ergibt sich zur Organisation der Hizb Allah insbesondere aus einem Gutachten des Sachverständigen S.

und Vermerken des Bundeskriminalamts (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 – 1 A 4.15, BVerwGE

153, 211 Rn. 22 ff.).

bb) Der Angeklagte hat durch Verteidigererklärung im Termin zur Verkündung des Haftbefehls des Amtsgerichts die Begehung der Taten bestritten. Die Erkenntnisse zu seiner Eingliederung in die Organisation, seinen Tätigkeiten für diese in Deutschland und im Libanon sowie seinen weiteren strafbaren Handlungen stützen sich insbesondere auf die Ergebnisse der Auswertung seines Profils bei Instagram und die auf seinen Mobiltelefonen gesicherten Chatverläufe und Bild- sowie Videodateien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Kammergerichts und die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft verwiesen.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der dem Angeklagten angelastete Sachverhalt dahin zu beurteilen, dass er jedenfalls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, soweit er in Deutschland agierte, und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 2a StGB dringend verdächtig ist.

aa) Er hat sich hochwahrscheinlich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB beteiligt.

(1) Die Hizb Allah ist auf Grundlage des nach dem gegenwärtigen Beweisstand maßgeblichen Sachverhalts als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 129 Abs. 2 StGB zu bewerten. Insbesondere ergibt das vorläufige Beweisergebnis, dass es sich bei der Vereinigung um eine einheitliche, unter zentraler Führung stehende Gesamtorganisation handelt. Angesichts des Ausmaßes ihrer militärischen Kräfte und der ihr zuzurechnenden Angriffe sowie Anschläge ist sie auf die Begehung von Mord und Totschlag ausgerichtet. Diese von ihr bezweckten und ausgeführten Taten sind nicht allgemein gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 29. November 2023 – AK 84/23 u.a., juris Rn. 17 mwN).

(2) Der Angeklagte beteiligte sich hochwahrscheinlich an der Vereinigung als Mitglied, da er sich nach derzeitigem Sachstand einvernehmlich in diese eingliederte und sie durch interessenbezogene Tätigkeiten von innen her förderte, indem er in B. zu Propagandazwecken der Vereinigung über das Internet einen Beitrag veröffentlichte.

bb) Daneben hat er sich hochwahrscheinlich wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2,

Abs. 2a StGB strafbar gemacht, indem er aus Deutschland in den Libanon ausreiste, sich dort, wie von Anfang an von ihm beabsichtigt, in den Umgang mit einer Schusswaffe unterweisen ließ und sich eine solche verschaffte.

cc) Die hochwahrscheinliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB steht in Tateinheit gemäß § 52 StGB zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a StGB.

dd) Soweit er in Deutschland handelte, folgt die Anwendung deutschen Strafrechts aus § 3 StGB. Zugleich ergibt sich hieraus der nach § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erforderliche Inlandsbezug.

Mit Blick darauf, dass er sich im Libanon unterweisen ließ und sich dort eine Waffe verschaffte, ergibt sich die Anwendung deutschen Strafrechts für § 89a StGB aus § 89a Abs. 3 Satz 2 StGB. Diese Regelung geht als spezielle Regelung den §§ 3 ff. StGB vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 ‒ AK 72/17, juris Rn. 24; vom 8. November 2017 – AK 54/17, NStZ-RR 2018, 42, 44; s. auch zu § 89c Abs. 3 StGB BGH, Beschluss vom 7. Februar 2023 – 3 StR 483/21, StV 2023, 805 Rn. 29; noch offengelassen in BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2009 – StB 52/09, BGHSt 54, 264, Rn. 11; vgl. MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 89a Rn. 69 mwN; Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., § 89a Rn. 43; BeckOK/StGB/v. Heintschel-Heinegg, 66. Ed., § 89a Rn. 37 f.; Gazeas/GrosseWilde/Kießling, NStZ 2009, 593, 599 f.; Zöller, Terrorismusstrafrecht, 2009, S. 578; BT-Drucks. 16/12428, 15 f., 16/11735 S. 14).

ee) Ob hinsichtlich im Libanon begangener Beteiligungshandlungen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB deutsches Strafrecht gilt oder ob es wegen § 9 Abs. 1 StGB hierauf nicht ankommt, bedarf hier keiner Vertiefung (vgl.

LK/Werle/Jeßberger, StGB, 13. Aufl., § 9 Rn. 65; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129b Rn. 30; TK-StGB/Eser/Weißer, 31. Aufl., § 9 Rn. 35).

ff) Die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB und § 89a Abs. 4 StGB liegt vor.

2. Es bestehen der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie ‒ auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 ‒ AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) ‒ derjenige der Schwerkriminalität.

a) Nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist es wahrscheinlicher, dass sich der Angeklagte ‒ sollte er auf freien Fuß gelangen ‒ dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Dem vorbestraften und hafterfahrenen Angeklagten droht eine empfindliche Freiheitsstrafe. Dies stellt einen deutlichen Fluchtanreiz dar. Diesem stehen keine erheblichen hemmenden Aspekte entgegen. Er ist ledig, kinderlos, hat keine Berufsausbildung und lebte zuletzt von Sozialleistungen. Ferner befasste er sich mit einer erneuten Rückkehr in den Libanon, wo er dauerhaft seinen zukünftigen Lebensmittelpunkt sieht. Trotz Kenntnis eines gegen ihn bestehenden Haftbefehls reiste er zudem am 11. Dezember 2023 in den Libanon aus.

b) Daneben besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität. Der Angeklagte ist einer Straftat gemäß § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB, mithin einer Katalogtat des § 112 Abs. 3 StPO, dringend verdächtig. Nach den vorgenannten Umständen des Einzelfalls ist eine Fluchtgefahr jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1965 ‒ 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342, 349 ff.; BGH, Beschluss vom 22. September 2016 ‒ AK 47/16, juris Rn. 26).

c) Eine ‒ bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche ‒ Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO analog) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Verfahren ist seit der Festnahme des Angeklagten mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden:

Die Ermittlungen waren umfangreich. Es sind mehrere Mobiltelefone des Angeklagten sichergestellt worden. Auf diesen befinden sich zahlreiche Datensätze und Chatnachrichten sowie Bild- und Videodateien, die teilweise übersetzt werden mussten. Deren Inaugenscheinnahme und Auswertung hat sich zeit- und arbeitsintensiv gestaltet. Ferner sind ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Untersuchung einer Haarprobe des Angeklagten auf Betäubungsmittel und weitere toxikologisch relevante Wirkstoffe sowie ein kriminaltechnisches Gutachten zur waffenrechtlichen Einordnung der auf den sichergestellten Videos verwendeten Schusswaffen und Munition eingeholt worden. Inzwischen hat die Generalstaatsanwaltschaft am 24. September 2025 Anklage zum Kammergericht erhoben. Die Vorsitzende des mit der Sache befassten Staatsschutzsenats hat am 26. September 2025 die Zustellung der Anklage verfügt und eine angemessene Erklärungsfrist gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO bis zum 10. Oktober 2025 bestimmt. Mit Eröffnungsentscheidung vom 21. Oktober 2025 hat das Kammergericht die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Überdies hat es mit Verfügung vom 30. Oktober 2025 ‒ nach vorheriger Terminabsprache ‒ ab dem 13. Januar 2026 bis zum 10. März 2026 13 Hauptverhandlungstermine bestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Vorlagebeschluss des Kammergerichts vom 6. Oktober 2025 Bezug genommen.

4. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeklagten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Hohoff Anstötz Voigt

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