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1 StR 317/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 317/25 BESCHLUSS vom 13. August 2025 in der Strafsache gegen

1. 2.

wegen zu 1.: Beihilfe zur räuberischen Erpressung u.a. zu 2.: Beihilfe zur räuberischen Erpressung ECLI:DE:BGH:2025:130825B1STR317.25.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 13. August 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14. März 2025 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Traunstein vom 19. Juli 2023 (Az. D2090 8 Cs 440 Js 31716/23) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Den Angeklagten Sa. hat es wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren relevant – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Die Angeklagten entschlossen sich spätestens im Januar 2023, den anderweitig Verfolgten C.

dabei zu unterstützen, eine Geldforderung gegen den Geschädigten S.

einzutreiben. Der in der Türkei lebende C.

hatte dem Geschädigten ein Darlehen in Höhe von 45.000 € gewährt, für welches eine monatliche Zinszahlung in Höhe von 7.500 € vereinbart war. Die Rückzahlung von insgesamt 60.000 € sollte Ende September 2022 erfolgen. Aufgrund anhaltender finanzieller Probleme des Geschädigten kam es dazu jedoch nicht. Stattdessen gab der Geschädigte zur Absicherung der Forderung am

4. November 2022 ein notarielles Schuldanerkenntnis ab und stellte seinem Gläubiger in Aussicht, den vereinbarten Betrag nach dem erwarteten Verkauf einer Immobilie zu bezahlen. Um seine Zahlungswilligkeit zu belegen, leistete er bis Mai 2023 in Teilbeträgen 61.000 € an C.

.

Im Januar 2023 arrangierte der anderweitig Verfolgte Sh. , der das Darlehen vermittelt hatte, ein Treffen zwischen dem Geschädigten und den Angeklagten. Auf deren Nachfrage erklärte der Geschädigte wahrheitswidrig, seine Restschuld mit einem Zahlungsziel von vier Wochen begleichen zu wollen. Am 16. April 2023 gab Sh. dem Geschädigten zu verstehen, C. habe sich nach der Farbe seines Hauses erkundigt. Als sich der Geschädigte daraufhin zu seiner Wohnanschrift begab, traf er dort auf den Angeklagten Sa. , der mit zwei weiteren Personen in einem gegenüber seinem Haus geparkten Fahrzeug saß. Ein persönlicher Kontakt fand nicht statt.

Am 19. Juni 2023 arrangierte der anderweitig Verfolgte Sh. ein weiteres Treffen zwischen den Angeklagten und dem Geschädigten, um diesen zur Zahlung an C.

zu bewegen. Der Angeklagte Sa. stellte über den Lautsprecher seines Mobiltelefons den Kontakt zu C.

her und erklärte diesem,

dass der Geschädigte nicht zahlen könne. C.

äußerte daraufhin für alle hörbar, er wolle jetzt sein Geld haben, ansonsten sollten die Angeklagten „ein paar Jungs holen“, um den Geschädigten zu ihm in die Türkei zu bringen. Die Angeklagten entgegneten, dass sie zu dritt seien und „man keine weiteren Jungs bräuchte" (UA S. 12). Daraufhin beendete C.

das Gespräch. Die Angeklagten wirkten auf den Geschädigten ein, ob er nicht doch irgendwie eine Möglichkeit sehe, an Geld zu kommen. Dann rief C.

erneut bei dem Angeklagten Sa. an. Auch dieses Gespräch wurde auf laut gestellt, so dass alle Anwesenden dem Gespräch folgen konnten. Der Angeklagte Sa. erklärte, dass der Geschädigte nicht liquide sei, woraufhin C.

gegenüber dem Geschädigten äußerte, er werde ihn „umbringen und erschießen lassen, auch wenn er selbst zu diesem Zweck nach Deutschland kommen müsse" (UA S. 12). Der Geschä- digte begann, aus Angst stark zu schwitzen und hatte Tränen in den Augen, was die Angeklagten wahrnahmen. Aus Angst, in die Türkei verschleppt zu werden,

übergab der Geschädigte nach weiterer Rücksprache mit C.

als Sicherheit den Fahrzeugbrief sowie den Zweitschlüssel eines Pkws Audi Q8, die er treuhänderisch für seinen verreisten Mieter in Verwahrung hatte. Sowohl C.

als auch die beiden Angeklagten nahmen dabei zumindest billigend in Kauf, dass C.

hierauf keinen Anspruch hatte. Auf Anregung des S.

füllten die Angeklagten mit dem Geschädigten anschließend ein Formular über einen Pkw- Kaufvertrag aus, in dem als Verkäufer des Fahrzeugs dessen wahrer Eigentümer und als Käufer die beiden Angeklagten genannt wurden. Wissend, dass er hierzu nicht berechtigt war, unterzeichnete der Geschädigte den Vertrag mit dem Namen seines Mieters und übergab den Fahrzeugbrief und den Zweitfahrzeugschlüssel an die Angeklagten oder den Sh. .

2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht hinsichtlich beider Angeklagter den Tatbestand einer Beihilfe zur räuberischen Erpressung (§§ 253 Abs. 1, §§ 255, 249 Abs. 1 und 2, § 27 StGB) als erfüllt angesehen,

einen erpresserischen Menschenraub (§ 239a StGB) hat es verneint. Die Angeklagten hätten jedenfalls billigend in Kauf genommen, durch ihre Handlungen die räuberische Erpressung des C.

gegenüber dem Geschädigten durch die Inpfandnahme des Pkw zu unterstützen.

3. In der Vorbemerkung zu den Urteilsgründen hat das Landgericht ausgeführt, es habe nach der Eröffnung des Hauptverfahrens am 21. August 2024 eine Vorbesprechung zwischen der Vorsitzenden Richterin, den Verteidigern der Angeklagten und einem Vertreter der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel einer Verständigung stattgefunden. Nachdem konkrete Strafmaßvorstellungen erörtert worden seien, sei eine Verständigung nicht zustande gekommen. Zwei weitere Rechtsgespräche hätten in der Hauptverhandlung stattgefunden. Dort sei eine Verständigung hinsichtlich des Angeklagten M. dahingehend erfolgt, dass im Falle eines vollumfänglichen Geständnisses in subjektiver und objektiver Hinsicht bezüglich des konkret angeklagten Tatvorwurfes vom 19. Juni 2023 eine Freiheitsstrafe im bewährungsfähigen Bereich in einem Korridor von einem Jahr neun Monaten und zwei Jahren verhängt werden würde. Noch an diesem Sitzungstag habe der Verteidiger des Angeklagten M. für diesen eine Erklärung abgegeben, deren Inhalt der Angeklagte als zutreffend bestätigt habe. Mit Kammerbeschluss vom 29. Oktober 2024 habe das Landgericht mitgeteilt, dass die Bindungswirkung der Verständigung entfallen sei und „die vom Verteidiger des Angeklagten M. für diesen abgegebene Erklärung“ (UA S. 3) nicht verwertet würde.

II.

Die Beweiswürdigung, auf welcher die Feststellungen des Landgerichts gründen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, weil jegliche Angaben dazu fehlen, ob und wie sich die Angeklagten zur Sache eingelassen haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Dezember 2014 – 2 StR 403/14 Rn. 2; vom 12. Dezember 2019 – 5 StR 444/19 Rn. 4, vom 12. Februar 2020 – 1 StR 518/19 Rn. 5 und vom 30. September 2024 – 6 StR 421/24 Rn. 8).

1. Unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel ist regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Dezember 2014 – 2 StR 403/14 Rn. 3, vom 12. Dezember 2019 – 5 StR 444/19 Rn. 4, vom 24. September 2024 – 5 StR 302/24 und vom 6. Mai 2025 – 4 StR 525/24 Rn. 7, jeweils mwN). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können.

In den Urteilsgründen fehlt hier jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung der Angeklagten. In den Ausführungen zur Beweiswürdigung wird nicht einmal mitgeteilt, ob die Angeklagten sich überhaupt zu dem Anklagevorwurf geäußert haben. Soweit sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen bezüglich des Angeklagten M. auf seinen Angaben gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen und bezüglich des Angeklagten Sa. auf der teilweisen Verlesung eines vorangegangenen Urteils beruhen, lässt dies nicht den Schluss zu, dass die Angeklagten über Erklärungen zur Person hinaus keine Angaben zur Sache gemacht haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Dezember 2014 – 2 StR 403/14 Rn. 4, vom 12. Dezember 2019 – 5 StR 444/19 Rn. 5 und vom 12. Februar 2020 – 1 StR 518/19 Rn. 5). Dies gilt vorliegend umso mehr, als sich aus der Vorbemerkung zu den Urteilsgründen ergibt, dass sich der Angeklagte M. mit dem Ziel einer Verständigung zur Sache eingelassen hat. Da danach an den Verständigungsgesprächen auch der Verteidiger des Angeklagten Sa. beteiligt war, hätte es auch expliziten Ausführungen zu dessen Einlassungsverhalten bedurft. Ein Fall, in dem der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend sicher entnehmen könnte, dass sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht zur Sache geäußert haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2020 – 2 StR 416/19 und vom 6. Mai 2025 – 4 StR 525/24 Rn. 8 mwN), liegt damit nicht vor.

Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass für die Annahme des doppelten Gehilfenvorsatzes bezüglich einer räuberischen Erpressung des C.

das Vorstellungsbild der Angeklagten umfassend und widerspruchsfrei darzustellen sein wird. Für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung des C. (§§ 253, 255, 27 StGB) ist maßgeblich, welche Vorstellungen diese in Bezug auf die dem C.

gegen den Geschädigten zustehende Geldforderung hatten. Bei der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils handelt es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten erstrecken muss. Unter den bislang festgestellten Umständen wären die vom Landgericht verhängten Strafen allerdings auch im Falle der Annahme (nur) einer Nötigung gemäß § 240 StGB tat- und schuldangemessen gewesen.

Jäger Allgayer Wimmer Welnhofer-Zeitler Bär Vorinstanz: Landgericht Traunstein, 14.03.2025 - 1 KLs 600 Js 49855/23

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