Paragraphen in 27 W (pat) 5/14
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/14
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05 betreffend die Marke 306 58 379 – S 100/13 Lösch hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und der Richterin Werner beschlossen:
I. Auf die Beschwerde der Markeninhaber wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Dezember 2013 aufgehoben.
II. Der Löschungsantrag wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die am 20.09.2006 angemeldete Wortmarke Nr. 306 58 379 ist noch für die Waren Lönneberga Klasse 18: Taschen, soweit in Klasse 18 enthalten Klasse 25: Bekleidung und Kopfbedeckungen eingetragen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 22.03.2013, beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag eingegangen, die vollständige Löschung der Marke gemäß § 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beantragt, weil es sich bei Lönneberga um einen Ort in Schweden handle, welcher insbesondere aus den Geschichten des „Michel aus Lönneberga" von Astrid Lindgren weltbekannt sei. Die Kennzeichnung „Lönneberga" wirke daher ausschließlich als Hinweis auf die geographische Herkunft damit versehener Waren. Obwohl der Ort Lönneberga sehr klein sei, sei nicht ausgeschlossen, dass die Einwohner von Lönneberga die in Rede stehenden Waren herstellten und vertrieben. Es gebe einen großen Markt für handgefertigte und hochwertige Produkte. Jedenfalls sei es nicht ausgeschlossen, dass in der Zukunft in Lönneberga solche Waren hergestellt und vertrieben würden. Die Bekanntheit des Ortes „Lönneberga" belegten zudem ein WikipediaEintrag und … Ergebnisse zu einer Suchanfrage nach „Lönneberga".
Die Markeninhaber haben dem ihnen am 15.04.2013 zugestellten Löschungsantrag am 17.06.2013 widersprochen und ausgeführt, die ausländische Ortsbezeichnung Lönneberga sei nicht als Hinweis auf die geographische Herkunft der betroffenen Waren geeignet, da sich der schwedische Ort weder gegenwärtig als Sitz entsprechender Herstellungs-, Vertriebs- oder Leistungsuntemehmen anbiete, noch mit anderen relevanten Anknüpfungspunkten in Zukunft ernsthaft zu rechnen sei. Am 31.12.2005 habe Lönneberga lediglich 180 Einwohner gehabt und dehne sich nur auf einer Fläche von einem halben Quadratkilometer aus. Der Ort liege abseits der schwedischen Hauptverkehrsrouten und habe weder Anschluss an einen Seehafen noch an das Autobahn- oder Fernbahnnetz. Soweit ein Verbraucher eine gedankliche Verbindung zwischen der angegriffenen Marke und dem literarischen Werk Astrid Lindgrens herstelle, werde er nicht auf eine tatsächliche geographische Herkunft abstellen, sondern auf einen Phantasie- oder Sehnsuchtsort. Dementsprechend würden mit „Lönneberga" ein Restaurant in Nürnberg, eine Bar in Lüdenscheid und ein Bio-Laden in Mainz bezeichnet.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Marke durch Beschluss vom 04.12.2013 vollständig gelöscht. Die angegriffene Marke sei eine merkmalsbeschreibende Angabe (gewesen).
Der angesprochene Verbraucher erkenne aufgrund des Kinderbuches „Michel aus Lönneberga" von Astrid Lindgren in dem angemeldeten Markenwort „Lönneberga" ohne weiteres die schwedische Ortsangabe. Ihm fehle aber ein fundiertes Wissen über den tatsächlich existierenden Ort, insbesondere bezüglich Größe, Lage, Infrastruktur oder wirtschaftlicher Bedeutung. Die Angabe „Lönneberga" spreche den Verbraucher auf emotionaler Ebene an und erwecke in ihm positive Kindheitserinnerungen. Darüber hinaus rufe sie Vorstellungen von Urtümlichkeit und Heimeligkeit hervor. Die Herstellung handgefertigter Bekleidung und Taschen könne trotz der geringen Einwohnerzahl auch tatsächlich in Lönneberga geschehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaber.
Die große Anzahl von Ergebnissen zur Suchanfrage „Lönneberga" erwecke einen fehlerhaften Eindruck von der Bekanntheit des schwedischen Ortes, da die meisten der Suchergebnisse das literarische Werk Astrid Lindgrens zum Inhalt hätten. Auch die Existenz eines der Marke entsprechenden Wikipedia-Eintrages sei keineswegs per se geeignet, die Schutzfähigkeit zu verneinen. Im Löschungsverfahren sei im Zweifel zugunsten der Marke zu entscheiden. Auch nach der Chiemsee-Entscheidung des EuGH reiche für die Bewertung der Marke als nicht eintragungsfähige geographische Angabe eine lediglich spekulative Prognose zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen nicht aus. Eine geforderte realitätsbezogene Prognose verbiete aber die Annahme, dass künftig Taschen, Bekleidung oder Kopfbedeckungen, die aus der kleinen Ortschaft Lönneberga stammten, in Deutschland angeboten würden. Auch bringe der Verbraucher den Ort Lönneberga nicht mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung.
Die Markeninhaber beantragen,
den Beschluss der Markenabteilung vom 04.12.2013 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
In seinem Schriftsatz vom 14.07.2014 bezieht er sich in erster Linie auf die Begründung des Beschlusses der Markenabteilung.
II.
Über die zulässige Beschwerde der Markeninhaber kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da der Beschwerdegegener keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und die Beschwerde in der Sache Erfolg hat.
Der Löschungsantrag ist zulässig, insbesondere innerhalb der 10-Jahresfrist nach § 50 Abs. 2 S. 2 MarkenG gestellt worden.
Der angegriffene Beschluss äußert sich zwar explizit nur zur Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke im Zeitpunkt der Eintragung, nicht aber der Anmeldung. Aufgrund des geringen zeitlichen Abstandes zwischen Anmeldung und Eintragung ist vorliegend jedoch davon auszugehen, dass die Beurteilung zu beiden Zeitpunkten identisch ausfällt. Weder die Bekanntheit des Ortes „Lönneberga" bei den angesprochenen Verkehrskreisen, noch die tatsächlichen Gegebenheiten dort haben sich seit dem Anmeldetag am 20.09.2006 in signifikanter Weise geändert. Die Geschichten des „Michel aus Lönneberga" von Astrid Lindgren, auf denen die Bekanntheit des Ortes Lönneberga vorranging basiert, wurden ab 1963 veröffentlicht und Anfang der 70er Jahre verfilmt. Sie erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit.
Anhaltspunkte für die Existenz einschlägiger Herstellungsuntemehmen fehlen bis zum heutigen Zeitpunkt. Die Wahrscheinlichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge künftiger wirtschaftlicher Entwicklungen hat sich seit 2006 ebenfalls nicht wesentlich geändert.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung ausgeschlossen Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die u.a. zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Erbringung sonstiger Merkmale von Waren und Dienstleistungen dienen können. Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst c Markenrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass unmittelbar warenbeschreibende Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, von allen frei verwendet werden können (EuGH GRUR 1999, 723, 725, Nr. 25 - Chiemsee). Im Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht generell das Allgemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese Bezeichnungen nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (EuGH GRUR 1999, 723, 725, Nr. 26 - Chiemsee). Für die Frage der Schutzfähigkeit geographischer Herkunftsangaben ist daher maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren bzw. zur Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, 726, Nr. 31-34 – Chiemsee).
Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben, sofern auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, 726, Nr. 31-34 – Chiemsee; EuGH GRUR 2010, 534, 536 – PRANAHAUS; BPatG GRUR 2006, 509, 510 – PORTLAND; Ullmann, GRUR 1999, 666, 672; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., Rn. 280 zu § 8).
Die Recherchen des Senats haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Mitbewerber betreffend Taschen und Bekleidung gegenwärtig oder künftig ein Freihaltungsbedürfnis an der Herkunftsangabe „Lönneberga“ haben könnten. Auch ist eine nennenswerte wirtschaftliche Entwicklung in diese Richtung für Lönneberga vernünftigerweise nicht zu erwarten.
Die bloße theoretische Möglichkeit, dass sich in Lönneberga künftig tatsächlich Betriebe oder Unternehmen zur Textilherstellug ansiedeln könnten, reicht nicht aus, die Anmeldung zurückzuweisen (vgl. BPatG Beschl. v. 19. November 2012, 27 W (pat) 571/11 – Ney; Beschl. v. 27. Januar 2009, 27 W (pat) 15/09 – Lansing; Beschl. v. 7. September 2011, 26 W (pat) 19/11 – Grönwohlder; Beschl. v. 20. November 2006, 26 W (pat) 20/04 – Lichtenauer Wellness).
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt voraus, dass die fragliche Angabe zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren dienen kann. Sofern eine solche beschreibende Verwendung noch nicht stattfindet, muss sie vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten sein. Von entscheidender Bedeutung für diese Prognoseentscheidung sind einerseits die tatsächlichen Gegebenheiten und andererseits die Frage, inwieweit diese Gegebenheiten den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sind.
Das deutsche Publikum wird das angegriffene Zeichen nicht ohne weiteres als reale schwedische Ortsangabe erkennen, zumal Kinderbücher, auch von Astrid Lindgren, häufig Phantasienamen verwenden. Die Verbraucher nehmen Ortsangaben, die sie nur aus Geschichten kennen, als erfundene Bezeichnungen, wie z.B. bei Taka-Tuka-Land oder Bullerbyn/Bullerbü, die Astrid Lindgren ebenfalls verwendet, die aber keine realen Ortsbezeichnungen sind.
Außerdem ist das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dadurch überwunden, dass einschlägige Herstellungsbetriebe in besagtem Ort seit 2005 nicht existieren und die Eröffnung solcher Betriebe auch im Zuge künftiger wirtschaftlicher Entwicklungen vernünftiger Weise nicht zu erwarten ist. Angesichts der Größe, Struktur und Bedeutung der Ortschaft Lönneberga handelt es sich bei ihrem Namen um eine nicht i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltebedürftige geographische Herkunftsangabe.
Der Senat folgt der Auffassung der Markenabteilung, dass ein Schutzhindernis auch bei geographischen Angaben besteht, die die Vorlieben der Verbraucher in sonstiger Weise beeinflussen können, zum Beispiel dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen, nicht. Die Geschichten von Lindgreen haben keinen Inhalt, der bestimmte Eigenschaften von Waren vorgibt.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.
Dr. Albrecht Hermann Werner Hu
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