35 W (pat) 421/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 421/17
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2019:140219B35Wpat421.17.0 betreffend das Gebrauchsmuster 20 2013 002 203 hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Februar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich und des Richters Dr. Jäger sowie der Richterin Dr. Wagner beschlossen:
1. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen. 2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Das am 8. März 2013 angemeldete Streitgebrauchsmuster ist am 15. Mai 2013 mit der Bezeichnung
„Vorrichtung zum Reinigen eines Besteckteils, vorzugsweise zum Reinigen eines Portionierers für an Kunden abzugebende Lebensmittel,
insbesondere zum Reinigen eines Eisportionierers in einem Eiscafé-Betrieb“
und den Schutzansprüchen 1 bis 8 unter der der Nummer 20 2013 002 203 in das Gebrauchsmusterregister eingetragen worden. Das Streitgebrauchsmuster ist in Kraft. Die eingetragenen Schutzansprüche lauten wie folgt:
Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2013 hat die Antragstellerin Rechercheantrag nach § 7 GebrMG gestellt. Gemäß Recherchebericht des DPMA vom 17. Dezember 2013 sind verschiedene Druckschriften, darunter die DE 20 2009 014 284 U1, als Entgegenhaltungen ermittelt worden.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. Mai 2014 gegen das Streitgebrauchsmuster Löschungsantrag erhoben und hierbei den Löschungsgrund fehlender Schutzfähigkeit geltend gemacht, wobei sie sich im Löschungsantrag auf die Entgegenhaltungen DE 32 13 488 A1, bezeichnet als L1, DE 200 02 117 U1, bezeichnet als L2 und DE 20 2009 014 284 U1, bezeichnet als L3 berufen hat.
Der Löschungsantrag ist dem Antragsgegner am 25. Juli 2014 zugestellt worden. Er hat dem Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 20. August 2014, per Fax am selben Tag eingereicht, widersprochen und in der Begründung seines Widerspruchs vom 22. September 2014 die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters schutzfähig sei.
Nach weiteren Schriftsätzen der Parteien und einem Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung, wonach der Löschungsantrag voraussichtlich Erfolg haben werde, hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 eine neue Anspruchsfassung mit geänderten Schutzansprüchen 1 bis 8 eingereicht, die wie folgt lauten:
Nach weiteren Schriftsätzen der Parteien hat die Gebrauchsmusterabteilung mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2017 verkündeten Beschluss das Streitgebrauchsmuster gelöscht und dem Antragsgegner die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt. Sie begründet diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
Soweit die eingetragenen Schutzansprüche des Streitgebrauchsmusters über die Schutzansprüche in der Fassung vom 27. Februar 2017 hinausgingen, sei das Streitgebrauchsmuster ohne Sachprüfung zu löschen. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der Fassung vom 27. Februar 2017 ergebe sich aus dem Stand der Technik in naheliegender Weise. Er unterscheide sich vom Gegenstand der Entgegenhaltung L1 nur durch die Ausbildung des Wasserbeckens als ein nach oben offenes Wasserbecken. Dies stelle aber eine einfache bauliche Maßnahme im Rahmen des Wissens und Könnens des Fachmanns dar, was auch durch die Entgegenhaltung L2 belegt werde.
Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 17. Juli 2017 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, die er mit Schriftsatz vom 8. August 2017, eingegangen am selben Tag, erhoben hat. Er ist der Auffassung, dass die Gebrauchsmusterabteilung bei der Würdigung der Entgegenhaltung L1 in Bezug auf die Offenbarung eines offenen Wasserbeckens eine unzulässige, rückschauende Betrachtungsweise vorgenommen habe. Die Lehre der Entgegenhaltung L1 sei darauf gerichtet, von Brauchwasserbehältern wegzugehen und in ein Gehäuse mit aufwärts gerichtetem Düsenkopf zu „investieren“, während das Streitgebrauchsmuster darauf gerichtet sei, nicht ein derartiges Gehäuse in einer Eisverkaufsstelle anzuordnen, sondern ein vorhandenes offenes Wasserbecken mit der erfindungsgemäßen Austrittsdüse mit Druckluft aufzurüsten.
Der Antragsgegner hat schriftsätzlich beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung vom 20. Juni 2017 aufzuheben.
Die Antragstellerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden sei. Insbesondere ergebe sich der fehlende erfinderische Schritt aus einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen L1 und L2.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 hat der Antragsgegner angekündigt, zu dem auf den 22. Januar 2019 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zu erscheinen und um Entscheidung nach Lage der Akten gebeten. Die Antragstellerin, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur hilfsweise beantragt hat, hat mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019 mitgeteilt, dass eine mündliche Verhandlung nur durchzuführen sei, wenn die Beschwerde des Antragsgegners nicht zurückzuweisen sei. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist daraufhin mit Verfügung vom 14. Januar 2019 unter Ankündigung, dass der Senat beabsichtigt, vorbehaltlich einer abschließenden Beratung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, aufgehoben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet, da der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der eingetragenen Fassung mangels Vorliegen eines erfinderischen Schritts nicht schutzfähig ist (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1 GebrMG) und die Anspruchsfassung vom 27. Februar 2017 eine unzulässige Erweiterung aufweist (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG).
1. Der Antragsgegner hat dem streitgegenständlichen Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen, so dass das Löschungsverfahren mit einer Prüfung der Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters in der Sache durchzuführen war (§ 17 Abs. 1 und 2 GebrMG).
2. Entgegen der Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung hat der Antragsgegner den Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Löschungsantrag nicht teilweise zurückgenommen.
Zwar kann eine beschränkte Verteidigung eines Gebrauchsmusters dadurch, dass der Gebrauchsmusterinhaber in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung eine beschränkte Anspruchsfassung zum Gegenstand seines Sachantrags macht, eine teilweise Rücknahme bzw. ein teilweiser Verzicht auf den Widerspruch gegen den Löschungsantrag darstellen, nämlich in dem Umfang, in dem das Streitgebrauchsmuster in seiner eingetragenen Fassung über diese beschränkte Fassung hinausgeht. Enthalten nachgereichte Schutzansprüche jedoch eine unzulässige Erweiterung, erweist sich diese Anpassung von Schutzansprüchen als unwirksam, so dass daraus auch kein (teilweiser) Verzicht bzw. keine (teilweise) Rücknahme eines vorher – wie hier – uneingeschränkt erklärten Widerspruchs gegen den betr. Löschungsantrag folgt (vgl. BGH GRUR 1998, 910, 913 – Scherbeneis).
3. Die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 eingereichte Anspruchsfassung enthält eine unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung.
Der Schutzanspruch weist gegenüber dem eingetragenen Schutzanspruch 1 u. a. das zusätzliche Merkmal auf, dass das Wasserbecken „auf der Bedienerseite eines Thekentresen anordbar ist“. Diese Positionierung ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen wie auch in der Streitgebrauchsmusterschrift nur für Vorrichtungen zum Reinigen von Eisportionierern gemäß dem Stand der Technik offenbart (vgl. urspr. einger. Unterlagen S. 4, Z. 16 und 17, 21 bis 23 und S. 5, Z. 3 bis 5; Streitgebrauchsmusterschrift S. 3, Abs. [0015], [0017], [0018] i. V. m. Fig. 1). Für eine solche Anordnung bei der streitgebrauchsmustermäßigen Vorrichtung finden sich hingegen keine Angaben in den eingetragenen Schutzansprüchen bzw. in der Beschreibung. Somit führt die Aufnahme dieses Merkmals zu einer unzulässigen Erweiterung von Schutzanspruch 1.
4. Da der Antragsgegner auch ansonsten keine wirksame Teil-Rücknahme des Widerspruchs gegen den streitgegenständlichen Löschungsantrag erklärt und die Beschwerde gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung vom 20. Juni 2017 uneingeschränkt erhoben hat, ist die eingetragene Fassung des Streitgebrauchsmusters weiterhin Prüfungsgegenstand. Jedoch weist der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der eingetragenen Fassung keinen erfinderischen Schritt auf.
a) Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zum Reinigen eines Besteckteils bereitzustellen, die sich vorzugsweise zum Reinigen eines Portionierers für an Kunden abzugebende Lebensmittel, insbesondere zum Reinigen eines Eisportionierers in einem Eiscafé-Betrieb eignet und welche eine Erhöhung der hygienischen Zustände bei der Abgabe loser Lebensmittel an Kunden bewirkt (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift S. 2, Abs. [0004]).
b) Gelöst wird diese Aufgabe durch eine Vorrichtung gemäß dem eingetragenen Schutzanspruch 1 mit folgenden Merkmalen
1. 1.1
1.1.2
2. 3.
4.
Vorrichtung zum Reinigen eines Besteckteils, vorzugsweise zum Reinigen eines Portionierers für an Kunden abzugebende Lebensmittel, insbesondere zum Reinigen eines Eisportionierers in einem EiscaféBetrieb, umfassend zumindest ein Wasserbecken, dem zumindest ein Wasserhahn zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass sie weiterhin zumindest eine wenigstens eine Austrittsdüse (9, 10) für Druckluft umfassende Trocknungseinrichtung (8) für das Besteckteil (5) aufweist.
c) Der maßgebende Fachmann ist ein Team, dem ein Lebensmitteltechnologe und ein Mechatronikmeister angehören, die über eine einschlägige Berufserfahrung auf dem Gebiet Lebensmittelherstellung und -ausgabe, insbesondere von Eis, verfügen.
d) Bei seiner Suche nach einer Vorrichtung zum Reinigen eines Besteckteils, insbesondere eines Eisportionierers, welche eine verbesserte Hygiene gewährleistet, wird der Fachmann auf die Druckschrift L2 stoßen. Die L2 betrifft eine Vorrichtung zum Spülen von Eisportionierern oder Bestecken, mit der diese einfach und gründlich gereinigt werden können, um eine Verkeimung der Bestecke zu verhindern (vgl. L2, Patentanspruch 1, S. 2, 2. Abs., Fig. 1). Die Vorrichtung ist in einem nach oben offenen Spülbecken angeordnet (vgl. L2, S. 6, Z. 23 bis 25, Fig. 1). Damit unterscheidet sich die Vorrichtung gemäß dem eingetragenen Schutzanspruch 1 von der Reinigungsvorrichtung gemäß L2, dass sie zusätzlich eine Trocknungseinrichtung für das Besteckteil gemäß Merkmal 4 aufweist.
Um eine hygienische Trocknung des Bestecks bzw. des Eisportionierers zu gewährleisten, wird sich der Fachmann demzufolge im Stand der Technik informieren, welche Vorrichtungen eine Trocknung ohne erneute Verkeimung des gereinigten Besteckes ermöglichen. Dabei wird er auf das Dokument L1 stoßen, das gleichfalls eine Vorrichtung zum Reinigen eines Besteckteils, insbesondere eines Eisportionierers, betrifft, mit der die hygienischen Bedingungen bei der Eisausgabe verbessert werden sollen (vgl. L1 S. 7 letzt. vollst. Abs.). Aus L1 erfährt der Fachmann, dass neben einer Portioniererdusche auch ein Druckluft-Düsenkopf für die Befreiung des Portionierers von Spülwasserresten und für die Trocknung des gereinigten Portionierers vorgesehen ist, wobei das Düsenkopfpaar in einem Gehäuse untergebracht ist (vgl. L1 Schutzansprüche 1 und 10 bis 13, S. 10/11 übergr. Abs., Fig.). Folglich entnimmt der Fachmann der L1, dass eine hygienische Trocknung des gereinigten Portionierers durch eine Drucklufttrocknung erzielt werden kann. Die Integration eines Druckluft-Düsenkopf in die Vorrichtung gemäß L2 lag für den Fachmann somit auf der Hand und bedurfte keiner erfinderischen Überlegungen.
Nach alledem war die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO.
6. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 erklärt, dass er an der für den 22. Januar 2019 bestimmten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten. Hierin ist zugleich ein Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu sehen. Nachdem die Antragstellerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur hilfsweise beantragt hat, was sie mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019 ausdrücklich wiederholt hat, und der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch aus anderen Gründen für nicht geboten erachtet hat, war der Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2019 aufzuheben und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Metternich Dr. Jäger Dr. Wagner Fa