Paragraphen in X ZR 91/14
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1 | 121 | PatG |
1 | 92 | ZPO |
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 91/14 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 29. November 2016 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2016:291116UXZR91.14.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Hoffmann sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 29. April 2014 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Das europäische Patent 1 369 091 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. A system for repositioning teeth from an initial tooth arrangement to a final tooth arrangement, said system comprising a plurality of dental incremental position adjustment appliances (100) including: a first appliance having a geometry selected to reposition the teeth from the initial tooth arrangement to a first intermediate arrangement: one or more intermediate appliances having geometries selected to progressively reposition the teeth from the first intermediate arrangement to successive intermediate arrangements wherein each appliance is configured so that its tooth receiving cavity has a geometry corresponding to an intermediate tooth arrangement intended for that appliance; and a final appliance having a geometry selected to progressively reposition the teeth from the last intermediate arrangement to the final tooth arrangement wherein the appliance is configured so that its tooth receiving cavity has a geometry corresponding to an end tooth arrangement intended for that appliance, wherein the plurality of dental incremental position adjustment appliances (100) are provided as a single package, wherein the appliances
(100) are marked to indicate order of use, the system comprising at least 25 intermediate appliances (100), wherein each appliance is configured to move individual teeth in increments of Iess than 0.5 mm and wherein at least one of said appliances (100) has a receptacle for receiving an anchor attached to a tooth. 2. A system as in claim 1, wherein the appliances (100) are numbered directly on the appliances. 3. A system as in claim 1, wherein the appliances (100) are marked on tags, pouches, or other items affixed to or enclosing the appliances. 4. A system as in any of the preceding claims, wherein at least one of said appliances (100) has a recess to provide a space between the appliance and a particular region of the teeth or jaw.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu einem Drittel den Klägern und zu zwei Dritteln der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 369 091 (Streitpatents), das ein System zum inkrementellen Bewegen von Zähnen betrifft. Das Streitpatent ist durch Teilung aus der Anmeldung des europäischen Patents 989 828 hervorgegangen. Die Stammanmeldung ist am 19. Juni 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier US-amerikanischer Patentanmeldungen vom 20. Juni 1997 und vom 8. Oktober 1997 eingereicht worden. Patentanspruch 1, auf den sich die übrigen zehn Patentansprüche zurückbeziehen, lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache wie folgt:
"A system for repositioning teeth from an initial tooth arrangement to a final tooth arrangement, said system comprising a plurality of dental incremental position adjustment appliances (100) including: a first having a geometry selected to reposition the teeth from the initial tooth arrangement to a first intermediate arrangement; one or more intermediate appliances having geometries selected to progressively reposition the teeth from the first intermediate arrangement to successive intermediate arrangements; and a final appliance having a geometry selected to progressively reposition the teeth from the last intermediate arrangement to the final tooth arrangement, wherein the plurality of dental incremental position adjustment appliances (100) are provided as a single package." Die Kläger haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei 2 nicht patentfähig. Ferner gehe der Gegenstand der Patentansprüche 1, 3 und 9 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in acht geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt (BPatG, BlPMZ 2015, 136). Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin in erster Linie die Abweisung der Klagen begehrt und hilfsweise das Streitpatent in der Fassung der erstinstanzlichen Hilfsanträge sowie mit zwei weiteren neuen Hilfsanträgen verteidigt. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
I. Das Streitpatent betrifft das Gebiet der Kieferorthopädie und hat ein System zum inkrementellen Bewegen von Zähnen zum Gegenstand.
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift werden, um eine aus ästhetischen oder anderen Gründen angestrebte Veränderung der Zahnstellung zu erreichen, herkömmlicherweise Zahnspangen eingesetzt. Da Zahnspangen eine Vielzahl von Vorrichtungen, wie Halterungen, Bogendrähte, Ligaturen und Ringe aufwiesen, sei das Anbringen an den Zähnen des Patienten ein langwieriges und zeitaufwändiges Unterfangen, das viele Besuche beim behandelnden Kieferorthopäden notwendig mache. Die Verwendung herkömmlicher Zahnspangen binde daher die Kapazitäten des Kieferorthopäden und sei ziemlich kostspielig. Außerdem sei das Tragen einer Zahnspange für den Patienten lästig und unbequem. Eine Zahnspange berge überdies ein Infektionsrisiko und erschwere die Zahnhygiene (Beschr. Abs. 7). Es seien daher alternative Systeme zur Veränderung der Zahnstellung wünschenswert, die einerseits wirtschaftlicher seien, indem insbesondere der für die Betreuung des Patienten erforderliche Zeitaufwand verringert werde, und die andererseits auch auf mehr Akzeptanz beim Patienten stießen, weil sie weniger unbequem und infektionsgeneigt seien sowie besser mit der täglichen Zahnhygiene vereinbar seien.
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der erteilten Fassung ein System zur Regulierung der Zahnstellung vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern):
1. Es handelt sich um ein System zur Regulierung der Zahnstellung, mit dem Zähne von ihrer anfänglichen Anordnung (initial tooth arrangement) in eine endgültige Anordnung (final tooth arrangement) gebracht werden [1].
2. Das System besteht aus mehreren Vorrichtungen zur inkrementellen Regulierung der Zahnstellung und umfasst [2]: 2.1 eine als erste einzusetzende Vorrichtung (first appliance) mit einer Geometrie, die so gewählt ist, dass die Zähne von der anfänglichen Anordnung in eine erste Zwischenposition gebracht werden [3]; 2.2 eine oder mehrere Vorrichtungen für die Durchgangsstadien (intermediate appliances) mit Geometrien, die so gewählt sind, dass die Zähne aus der ersten Zwischenposition nach und nach in aufeinanderfolgende Zwischenpositionen gebracht werden [4]; und 2.3 eine Vorrichtung für die Schlussphase (final appliance) mit einer Geometrie, die so gewählt ist, dass die Zähne aus der letzten Zwischenposition nach und nach in die endgültig angestrebte Stellung gebracht werden [5].
3. Die Vorrichtungen zur inkrementellen Regulierung der Zahnstellung werden als Gesamtpaket (single package) bereitgestellt [6].
3. Zum Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre sind folgende Bemerkungen veranlasst:
9 a) Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei Merkmal 3 um ein technisches Merkmal handelt. Die Beschaffenheit der danach als Gesamtpaket bereitzustellenden einzelnen Komponenten des mit dem Streitpatent beanspruchten Systems zur Regulierung einer Zahnfehlstellung wird durch die Merkmalsgruppe 2 definiert. Danach weisen die einzelnen Vorrichtungen unterschiedliche Ausgestaltungen auf, je nachdem, für welches Stadium der Zahnbewegung sie vorgesehen sind. Die Vorrichtungen kommen nacheinander zum Einsatz. Ist die erste angestrebte Position auf dem Weg zur endgültigen Zahnstellung erreicht, wird die bis dahin eingesetzte Vorrichtung durch die für die sich anschließende Phase vorgesehene Vorrichtung ersetzt, was bedeutet, dass die einzelnen Vorrichtungen in ihrer technischen Ausgestaltung aufeinander abgestimmt sind. Damit handelt es sich bei dem erfindungsgemäßen Gesamtpaket von Vorrichtungen um eine Zusammenstellung unter technischen Gesichtspunkten, bei der gleichartige Gegenstände unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Ausmaßes zu einem Zweck funktionsbestimmt zusammengefügt sind und nicht lediglich um eine Mehrheit von Einzelgegenständen, die ohne funktionale Abstimmung in beliebiger Weise, etwa nach verkaufsorientierten Gesichtspunkten zusammengestellt sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2011 - X ZR 1/09, GRUR 2011, 707 Rn. 29 - Dentalgerätesatz).
b) Die Bereitstellung als Gesamtpaket bedeutet im Zusammenhang mit der Merkmalsgruppe 2 zugleich, dass sämtliche Vorrichtungen, die für die Regulierung der Zahnstellung in den einzelnen Durchgangsstadien ausgehend von der ursprünglichen Zahnstellung bis zum Erreichen der endgültig angestrebten Zahnstellung erforderlich sind, bereits zu Beginn der kieferorthopädischen Behandlung komplett einsatzbereit vorliegen und nicht sukzessiv je nach Behandlungsfortschritt hergestellt und an die jeweils erreichte Zahnstellung angepasst werden. Dementsprechend setzt die Bereitstellung als Gesamtpaket voraus,
dass die einzelnen Durchgangsstadien ausgehend von der anfänglichen zu korrigierenden Zahnstellung bis hin zu der angestrebten Schlussstellung im Voraus festgelegt sind.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er werde dem Fachmann, einem Zahntechniker, der eng mit einem Kieferorthopäden bzw. einem Zahnarzt zusammenarbeite, durch die US-amerikanische Patentschrift 2 467 432 (D1) und die Veröffentlichung von James A. McNamara/William L. Brudon: Orthodontic and Orthopedic Treatment in the Mixed Dentition, Needham Press, 1996 (D2) nahegelegt.
Aus der D1 sei ein System zum Umpositionieren von Zähnen aus einer anfänglichen Zahnanordnung in eine endgültige Zahnanordnung bekannt. Das System umfasse mehrere Instrumente zum inkrementellen Einstellen der Zahnposition. Für die Fertigung einer Zahnschiene nach der D1 werde zunächst ein Gipsmodell der Ausgangsstellung der Zähne hergestellt. Anschließend würden die Zähne des Gipsmodells vereinzelt und mit Hilfe von Wachs neu positioniert. Dadurch werde ein Modell mit der gewünschten Zahnstellung erhalten, das als Negativmodell zur Anfertigung der Vorrichtung diene, mit der die Zähne in die gewünschte Stellung gebracht werden sollen. Die D1 empfehle ein Instrument für das Erreichen der endgültigen Zahnstellung, schließe es aber nicht aus, die vorgeschlagene Vorrichtung und Methode für eine komplette Behandlung beginnend mit der Veränderung der Ausgangsstellung bis hin zu der gewünschten endgültigen Zahnstellung zu verwenden. Danach könnten zum Umpositionieren der Zähne von der Ausgangsstellung über mehrere Zwischenpositionen in die endgültige Position auch mehrere Instrumente verwendet werden.
Die Entgegenhaltung D2 betreffe ein System zum Umpositionieren von Zähnen mit unsichtbaren Zahnschienen, die bei einer Verwendung als Serie (series of invisible retainers) nicht nur eine Feinjustierung der Zahnposition, sondern auch die Umsetzung eines Zahns ermöglichten. Damit seien wie bei der D1 ebenfalls Merkmal 1 und die Merkmalsgruppe 2 offenbart.
Danach sähen zwar beide Entgegenhaltungen die Verwendung einer Serie von Instrumenten vor, ließen insoweit aber die Vorgehensweise offen. Bei der D1 sei denkbar, dass nach Erreichen eines bestimmten Zwischenstadiums entweder das Verfahren beginnend mit der Herstellung eines neuen Abdrucks vollständig wiederholt oder - was näher liege - der erste Abdruck in der Weise weiter verwendet werde, dass die in Wachs modellierten Zähne jeweils in die neue, als nächstes angestrebte Position gebracht würden. Die Bereitstellung der Zahnpositionierungsinstrumente in Form eines Gesamtpakets im Sinne von Merkmal 3 werde damit weder durch die D1 noch durch die D2 offenbart.
Allerdings sei dem Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt gewesen sei, die Behandlung mit den bekannten Systemen wirtschaftlicher und für den Patienten komfortabler zu machen, die Bereitstellung eines Gesamtpakets mit vorgefertigten aufeinander abgestimmten Instrumenten durch den in der D1 und der D2 geschilderten Stand der Technik nahegelegt gewesen. Aufgrund seines Fachwissens habe er hieraus entsprechende Anregungen entnehmen können. Indem die D1 angebe, dass die durch sie vermittelte Lehre die Behandlungszeit des Patienten beim Arzt verringere, stelle sie sich dem Fachmann als geeigneter Ausgangspunkt dar. Sie lehre den Fachmann, dass durch die Verwendung von Zahnschienen der Einsatz von metallischen Bändern, Drähten oder ähnlichem nicht mehr erforderlich sei und so eine langwierige und für den Patienten unangenehme Anpassung vermieden werden könne. Zugleich sei dem Fachmann bewusst gewesen, dass bei der Behandlung Kosten und Zeit gespart werden könnten, wenn die sukzessive Fertigung inkrementeller Zahnschienen ohne die wiederholte Anfertigung von Abdrücken erfolge. Er habe daher auf der Grundlage der D1 und der D2 erkannt, dass er auch beim Einsatz einer Serie von Zahnschienen nicht zwingend von jeder erreichten Zahnstellung einen neuen Abdruck für die Fertigung der nächsten Zahnschiene machen müsse, sondern dass er das Ausgangsmodell weiterverwenden könne, indem er die dort mit Wachs modellierten Zähne vereinzele und entsprechend dem aktuell erreichten Zustand neu positioniere und auf dieser Grundlage die nächste Zahnschiene anfertige, solange bis die angestrebte endgültige Stellung erreicht sei. Diese Annahme werde gestützt durch die Ausführungen des Klägers zu 2, wonach es üblich sei, ein Master-Modell aus Gips herzustellen, mit dem durch eine entsprechende Verschiebung der in Wachs modellierten Zähne immer neue Negativabdrücke hergestellt werden könnten, die der Herstellung der einzelnen, nacheinander zum Einsatz kommenden Zahnschienen dienten. Im Hinblick darauf, dass das Streitpatent für den mit der Erfindung verbundenen Nachteil, dass aufgrund der fehlenden Kontrolle des Verlaufs der Zahnregulierung medizinische Risiken auftreten können, keine Lösung anbiete, sei davon auszugehen, dass für die objektive Aufgabe nicht medizinische Implikationen, sondern Marketingaspekte, wie die Verringerung der Herstellungskosten und des ärztlichen Therapieaufwands sowie die Erhöhung der Attraktivität bei den Patienten im Vordergrund stünden. Angesichts dessen habe es für den Fachmann auch nahegelegen, die Herstellung von Zahnschienen dadurch zu beschleunigen und kostengünstiger zu machen, dass er die nach dem Stand der Technik übliche oder sich ihm zumindest aufdrängende Arbeitsweise, wonach Zahnspangen entsprechend der Progression der erreichten Umpositionierung sukzessiv hergestellt werden, zu einem Arbeitsgang zusammenfasste und die mehreren erforderlichen Zahnschienen auf einmal als Gesamtpaket herstellte.
17 Die mit den Hilfsanträgen I, II, III, VI und VII verteidigten Fassungen seien ebenfalls nicht patentfähig. Die Verteidigung mit den Hilfsanträgen IV, V und VIII sei nicht zulässig.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nur hinsichtlich der auch in zweiter Instanz verteidigten erteilten Fassung sowie der mit den Hilfsanträgen I bis V verteidigten Fassungen stand, nicht aber hinsichtlich der mit Hilfsantrag VI verteidigten Fassung.
1. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, weil er dem Fachmann, dessen Definition durch das Patentgericht die Parteien nicht in Zweifel ziehen, durch den Stand der Technik nahe gelegt war.
a) Die Entgegenhaltung D1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung kieferorthopädischen Vorrichtungen, die - wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht - Merkmal 1 und der Merkmalsgruppe 2 entspricht.
Die in der D1 beschriebenen kieferorthopädischen Vorrichtungen, dienen entweder dazu, Zähne aus einer Fehlstellung in eine für den Patienten möglichst optimale Position zu bringen oder eine bereits vorhandene korrekte Zahnstellung zu erhalten, ohne dass Metallbänder, Drähte oder dergleichen erforderlich sind (Sp. 1 Z. 1-8). Dabei steht bei der D1 zwar im Vordergrund, ein Zahnpositioniergerät zur Verfügung zu stellen, mit dem bessere Ergebnisse erzielt werden können als mit den im Stand der Technik bekannten Geräten. Insbesondere soll mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung die Regulierung der Zahnstellung unter moderater Krafteinwirkung erfolgen, um einerseits ein Verschieben der Ankerzähne zu vermeiden, und andererseits den Tragekomfort für den Patienten zu erhöhen. In der D1 ist aber nicht nur das verbesserte Erreichen der endgültig angestrebten Zahnstellung angesprochen, sondern es wird auch explizit auf die Möglichkeit hingewiesen, die erfindungsgemäße Vorrichtung und das erfindungsgemäße Verfahren zur Zahnpositionierung dazu einzusetzen, Zähne aus einer extremen Fehlstellung in mehreren Stufen Schritt für Schritt in eine angestrebte Position zu bewegen. Für diesen Fall liege es - so führt die D1 weiter aus - klar auf der Hand, dass eine ganze Reihe von Vorrichtungen anzufertigen sei, die nacheinander in den einzelnen Phasen zur Anwendung kämen, bis die endgültige Position erreicht sei (Sp. 5 Z. 22-32).
b) Dagegen wird Merkmal 3, wonach die mehreren für eine Bewegung der Zähne in die endgültig angestrebte Position erforderlichen Zahnschienen zu Beginn der Behandlung in einem Gesamtpaket bereitgestellt werden, weder in der D1 noch in den weiteren, von den Klägern im Berufungsverfahren vorgelegten Entgegenhaltungen (Nahoum, The vaccum formed dental contour appliance, N. Y. State D. J. 1964, Bd. 30, S. 385-390 [MH25]; deutsche Offenlegungsschrift 27 49 802 [MH26]; ELASTO-KFO-System 1.1 [KC01] und Lotzmann, Okklusionsschienen und andere Aufbissbehelfe, 1983, S. 110-123 und 148-149 [KC02]) offenbart. Dies wird im Übrigen von den Klägern auch nicht geltend gemacht, die auf diese Entgegenhaltungen lediglich zur Erläuterung des Offenbarungsgehalts der D1 und der D2 und vor allem als Beleg dafür verweisen, dass bestimmte Arbeitsweisen für einen Zahntechniker seit langem üblich seien.
c) Die D1 legt ein Gesamtpaket jedoch nahe.
aa) Für den Fachmann ergaben sich aus der D1 Hinweise darauf, größere Zahnbewegungen in mehreren Schritten vorzunehmen und für jeden dieser Schritte eine gesonderte Vorrichtung anzufertigen (Sp. 5 Z. 22-32). Ebenso ergab sich für den Fachmann aus der D1, dass bereits zu Beginn der Behandlung die angestrebte endgültige Position und die auf dem Weg zu dieser Position erforderlichen Zwischenschritte festgelegt werden können. Damit gab die D1 dem Fachmann auch eine hinreichende Anregung dafür, die für eine Zahnregulierung erforderlichen Vorrichtungen auf einmal herzustellen, wenn er dies im Interesse einer rationalen Organisation der Herstellung der Vorrichtungen und ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung bei der kieferorthopädischen Behandlung für sinnvoll hielt, indem er das dort offenbarte Verfahren, bei einem Gipsmodell die Zähne mit Wachs in die gewünschte Stellung zu bringen, wiederholt durchführte, indem er für jede angestrebte Zahnposition das Gipsmodell so modellierte, dass es die Basis für die Herstellung der für das jeweilige Stadium erforderlichen Positioniervorrichtung bildete.
bb) Auch die nach Auffassung der Beklagten für eine erfinderische Tätigkeit sprechenden Sekundärindizien, wie der wirtschaftliche Erfolg des erfindungsgemäßen Produkts, die Nachahmung durch Wettbewerber oder der Umstand, dass das den nächstliegenden Stand der Technik repräsentierende Dokument aus dem Jahr 1943 stamme, führen zu keiner anderen Beurteilung. Derartige Hilfskriterien können eine erfinderische Tätigkeit für sich genommen weder begründen noch ersetzen. Sie können lediglich im Einzelfall Anlass geben, die im Stand der Technik bekannten Lösungen besonders kritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens hinreichende Anhaltspunkte für ein Naheliegen des Gegenstands der Erfindung bieten und nicht erst aus Ex-post-Sicht eine zur Erfindung führende Anregung zu enthalten scheinen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 29 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Die technische Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Zahnschienen wird in Patentanspruch 1 nur allgemein dahin beschrieben, dass die Vorrichtungen eine dem jeweiligen Stadium entsprechende Geometrie aufwiesen, ohne dass im Einzelnen dargelegt würde, durch welche Merkmale die Geometrien gekennzeichnet sind. Damit unterscheiden sich die erfindungsgemäßen Vorrichtungen in ihrer technischen Ausgestaltung nicht von entsprechenden im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen. Einzig ihre Verbindung zu einem als Gesamtpaket angebotenen System hebt sie vom Stand der Technik ab. Damit liegt die Annahme nahe, dass der Markterfolg, auf den sich die Beklagte beruft, nicht auf dem technischen Vorteil des "Systems" beruht, sondern darauf zurückgeht, dass die die Ausnutzung der prinzipiell bereits von den bekannten technischen Lösungen eröffneten Möglichkeit, sämtliche für eine Zahnregulierung erforderlichen Vorrichtungen auf einmal zur Verfügung zu stellen, eine bessere Vermarktung ermöglicht.
2. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 auch in der Fassung der Hilfsanträge I bis V für nicht schutzfähig erachtet.
a) Nach Hilfsantrag I soll Merkmal 2.2 um folgendes Merkmal ergänzt werden:
"wobei jedes Instrument so konfiguriert ist, dass sein Hohlraum zum Aufnehmen von Zähnen eine Geometrie hat, die einer für dieses Instrument beabsichtigten Zwischenzahnanordnung entspricht".
Entsprechend soll Merkmal 2.3 folgenden Zusatz erhalten:
"wobei das Instrument so konfiguriert ist, dass sein Hohlraum zum Aufnehmen von Zähnen eine Geometrie hat, die einer für dieses Instrument beabsichtigten endgültigen Zahnanordnung entspricht".
Diese Ergänzungen sind nicht geeignet, die Patentfähigkeit des Gegen29 stands von Patentanspruch 1 zu begründen. Die Notwendigkeit, dass die Zähne in entsprechenden Vertiefungen des Zahnregulierungsinstruments exakt sitzen müssen, um die angestrebte Veränderung der Zahnstellung zu erreichen, ist bereits in der D1 offenbart. Dort heißt es, dass bei der Anbringung des Instruments an den Zähnen des Patienten sicherzustellen ist, dass die Zähne tatsächlich in den Vertiefungen (recesses) des Geräts sitzen. Gegebenenfalls müsse das Gerät an einigen Stellen je nach Ausgangsstellung und angestrebter Zahnstellung zusammengedrückt oder auseinandergezogen werden, wenn die Zähne in die entsprechenden Fassungen (sockets) des Instruments gedrückt werden (S1, Sp. 5 Z. 46-60).
b) Nach Hilfsantrag II soll Merkmal 2.2 dahin konkretisiert werden, dass das System mindestens zwei Zwischeninstrumente umfasst.
Auch dieses Merkmal war dem Fachmann durch die D1 nahegelegt, die das Erfordernis offenbart, bei größeren Zahnbewegungen gegebenenfalls in mehreren Schritten vorzugehen und für jeden dieser Schritte eine gesonderte Vorrichtung anzufertigen (Sp. 5 Z. 22-32).
c) Nach Hilfsantrag III soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag II um das Merkmal ergänzt werden, dass die Vorrichtungen markiert sind, um die Verwendungsreihenfolge anzugeben. Hierbei handelt es sich - wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat - um eine Vorgehensweise, die keine erfinderische Tätigkeit darstellt, sondern fachmännischem Handeln entspricht, um eine korrekte Anwendung des medizinischen Produkts sicherzustellen.
d) Nach Hilfsantrag IV soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag III nicht mehr ein System zum Umpositionieren von Zähnen zum Gegen- stand haben, sondern ein Verfahren zum Bereitstellen eines entsprechenden Systems, das um folgendes Merkmal ergänzt werden soll:
"wobei nach dem Erzeugen die mehreren Instrumente zum inkrementellen Einstellen der Zahnposition alle zu einem Zeitpunkt an den Behandler geliefert werden".
Die Verteidigung des Streitpatents in dieser Fassung ist schon wegen 34 des Wechsels von einem Vorrichtungs- auf einen Verfahrensanspruch und der damit verbundenen Änderung des Schutzgegenstands nicht zulässig. Im Übrigen stellt das zusätzlich eingefügte Merkmal, wonach die mehreren Instrumente zum inkrementellen Einstellen der Zahnposition nach ihrer Herstellung alle zu einem Zeitpunkt an den Behandler geliefert werden sollen, kein technisch relevantes Kriterium dar, das die Patentfähigkeit begründen könnte.
e) Hilfsantrags V entspricht Hilfsantrag IV mit dem zusätzlichen Merkmal, dass zu Behandlungsbeginn Geometrien für mindestens vier Instrumente zum inkrementellen Einstellen der Zahnposition bestimmt werden sollen. Die Verteidigung des Streitpatents in dieser Fassung ist aus den bei Hilfsantrag IV genannten Gründen unzulässig.
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag VI verteidigten Fassung erweist sich hingegen als patentfähig.
Hilfsantrag VI knüpft an Hilfsantrag III an. Statt der danach vorgesehenen mindestens zwei Zwischeninstrumente soll das mit Hilfsantrag VI beanspruchte System mindestens 25 Zwischeninstrumente umfassen, wobei jedes Instrument so konfiguriert sein soll, dass einzelne Zähne in Schritten von weniger als 0,5 mm bewegt werden können, und wenigstens eines der Instrumente einen Aufnahmeraum besitzen soll, um einen an einem Zahn befestigten Anker aufzunehmen.
Die D1 offenbart zwar die Möglichkeit, bei größeren Zahnbewegungen gegebenenfalls in mehreren Schritten vorzugehen und für jeden dieser Schritte eine gesonderte Vorrichtung anzufertigen (Sp. 5 Z. 22-32). Sie enthält aber weder Ausführungen zur Größe der einzelnen Schritte noch zum Verhältnis zwischen der Anzahl der zu wählenden Zwischenschritte und Schrittgröße und regt zu der Vorfertigung einer so großen Anzahl von Zwischeninstrumenten auch nicht an, für die auch sonst kein Vorbild aufgezeigt ist. Auch aus den anderen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen ergeben sich keine Anhaltspunkte zur konkreten Ausgestaltung eines aus mehreren Vorrichtungen bestehenden, zu Beginn der kieferorthopädischen Behandlung als Gesamtpaket zur Verfügung stehenden Systems zur Regulierung von Zahnfehlstellungen. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VI war dem Fachmann daher nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Schuster Gröning Hoffmann Kober-Dehm Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.04.2014 - 4 Ni 21/12 (EP) verbunden mit 4 Ni 35/12 (EP) -
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