35 W (pat) 9/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/16
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05
…
betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Kostenfestsetzung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 5. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich, die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Feststellungsantragstellerin und die unselbständige Anschlussbeschwerde der Feststellungsantragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2016 aufgehoben.
Die der Feststellungsantragsgegnerin von der Feststellungsantragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf
3.935,67
(in Worten: dreitausendneunhundertfünfunddreißig 67/100 Euro)
festgesetzt.
Der festgesetzte Betrag ist ab dem 9. Juni 2015 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
2. Die weitergehende Beschwerde der Feststellungsantragstellerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Feststellungsantragstellerin und Beschwerdeführerin zu tragen.
4. Die Erstattung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Die Feststellungsantrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 9. Juli 2009 eingetragen deutschen Gebrauchsmusters … (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „…“, das durch Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung … als Anmeldetag den 27. Februar 2003 und die innere Priorität aus der Patentanmeldung … mit Zeitrang 14. Juni 2002 erhalten hatte.
Die Feststellungsantragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hatte am 19. März 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die vollumfängliche Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt, dem wirksam widersprochen wurde. Nachdem die Antragsgegnerin mit einer am 17. Oktober 2012 beim DPMA eingegangenen Erklärung auf das Streitgebrauchsmuster verzichtet und die Antragstellerin von allen Ansprüchen freigestellt hatte, hat die Antragstellerin ihr Begehren zwar auf Feststellung der Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters abgeändert, jedoch den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt. Daraufhin hat die Gebrauchsmusterabteilung im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2012 den Feststellungsantrag als unzulässig verworfen und der Antragstellerin die Kosten des patentamtlichen Feststellungsverfahrens auferlegt. Die im Beschluss enthaltene, von der Antragstellerin isoliert angefochtene Kostengrundentscheidung war nach erfolgloser Beschwerde (Az. …) am 9. März 2015 in Bestandskraft erwachsen.
Neben dem Streitgebrauchsmuster existierte noch das parallele europäische Patent …, bei dem es sich unstreitig um ein inhalts- und zeitranggleiches Schutzrecht aus der gleichen Patentfamilie handelte. Die Antragstellerin war – neben vier weiteren Einsprechenden – auch gegen die Erteilung dieses europäischen Patents vorgegangen. Die Antragstellerin war hingegen von der Antragsgegnerin vor dem Landgericht Düsseldorf wegen Verletzung des Streitgebrauchsmuster und des parallelen europäischen Patents verklagt worden (Az. …). Das Landgericht Düsseldorf war nach grober Schätzung in seinem Urteil vom 31. Mai 2011 davon ausgegangen, dass der Streitwert bezogen auf das Streitgebrauchsmuster 100.000 € und hinsichtlich des parallelen Patents 400.000 € betragen habe.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Antragstellerin eine Personenwaage mit kapazitivem Näherungsschalter, wie sie im Streitgebrauchsmuster beansprucht war, auf den Markt gebracht hat und hierdurch in Deutschland folgende Umsätze („Verkaufserlöse“) erzielt hat:
2009: 2010: 2011: 2012:
…€ …€
…€ …€
Die beiden Verfahrensbeteiligten gehen zudem übereinstimmend davon aus, dass für einen Gegenstand nach Streitgebrauchsmuster ein branchenüblicher Lizenzsatz in Höhe von 6 % anzusetzen ist.
Die Antragsgegnerin hat mit Eingabe vom 9. Juni 2015, eingegangen beim DPMA am selben Tag, beantragt, die ihr von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten festzusetzen und eine Verzinsung des festzusetzenden Betrages mit 5 % über dem Basiszinssatz auszusprechen. Den anfänglich geforderten Betrag hat die Antragsgegnerin mit Eingabe vom 16. Juli 2015 auf den Betrag in Höhe von 4.148,34 € reduziert. Dieser Betrag soll sich errechnen aus einer 2,0-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV in Höhe von 3.632,00 €, wobei die Antragsgegnerin einen Gegenstandswert in Höhe von 200.000 € und die bis zum 31. Juli 2013 gültige Gebührentabelle zugrunde gelegt hat, dem pauschalen Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 € nach Nr. 7002 RVG-VV sowie Reisekosten in Höhe von 496,34 €. Bei den genannten Reisekosten hat die Antragsgegnerin die Kosten der Bahnfahrkarte (194,07 €) und die Taxikosten (18,60 €) doppelt in Ansatz gebracht. Tatsächlich sind Reisekosten nur in Höhe von 283,67 € angefallen.
Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA hat sodann mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Februar 2016 die Kosten, die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstatten sind, in Höhe von 4.273,67 € festgesetzt. Herangezogen hat sie hierbei die jüngere, seit 1. August 2013 gültige Gebührentabelle. Der zugesprochene Betrag setzt sich – unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von 125.000 € – aus einer 2,5-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV in Höhe von 3.970,00 €, dem pauschalen Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 € nach Nr. 7002 RVG-VV sowie den Reisekosten in unstreitiger Höhe von 283,67 € zusammen.
Die Antragstellerin hat am 7. März 2016 gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss Beschwerde eingelegt und die entsprechende Beschwerdegebühr entrichtet. Sie bemängelt, dass der zugesprochene Kostenbetrag über den Antrag der Antragsgegnerin hinausgehe. Die Gebrauchsmusterabteilung habe offensichtlich spätere Eingaben der Verfahrensbeteiligten nicht mehr zur Kenntnis genommen. Ferner ist sie der Auffassung, der Gegenstandswert sei in der zugrunde gelegten Höhe von 125.000 € zu hoch bemessen. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gegenstandswertes müsse das wirtschaftliche Interesse sein, das die Antragstellerin an der Vernichtung des Streitgebrauchsmusters gehabt habe. Dieses Interesse entspreche in seiner Höhe den Schadensersatzansprüchen, die die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin hätte geltend machen können. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch die Besonderheit, dass ein durch das Streitgebrauchsmuster bewirkter, über das parallele Patent hinausgehender Schutz nur im Zeitraum von 41 Tagen des Jahres 2009 bestanden habe. Bei einem Jahresumsatz von … € errechne sich bei einem Lizenzsatz von 6 % nur ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 8.698,29 €. Unter Berücksichtigung des Feststellungsinteresses der Allgemeinheit, das in Form eines 25 %igen Zuschlages zu berücksichtigen sei, ergebe sich demnach für das durchgeführte Feststellungsverfahren ein Gegenstandswert in Höhe von nur 10.872,86 €. Eine 1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV sei ausreichend. Zusammen mit der als erstattungsfähig anerkannten Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 € sowie den Reisekosten in unstreitiger Höhe von 283,67 € beschränkten sich damit die erstattungsfähigen Kosten auf 1.618,67 €.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2016 aufzuheben und den von ihr der Antragsgegnerin zu erstattenden Betrag auf 1.618,67 € festzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt dagegen im Wege einer unselbständigen Anschlussbeschwerde,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2016 aufzuheben und den ihr zu erstattenden Betrag unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von 200.000 € ebenfalls niedriger, nämlich auf lediglich 4.148,34 €, zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Antragstellung, festzusetzen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, der von der Gebrauchsmusterabteilung angesetzte Gegenstandswert sei mit 125.000 € zu niedrig bestimmt worden. Im Falle der Durchsetzung des Streitgebrauchsmusters vor dem Landgericht Düsseldorf wäre ein Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 72.000 € zu erwarten gewesen. Hinzu kämen noch Auskunfts- und Vernichtungsansprüche, die gemäß dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2011 ebenfalls mit 100.000 € zu beziffern gewesen seien. In dem Betrag in Höhe von 172.000 € spiegle sich aber nur das individuelle Interesse der Antragstellerin an der Vernichtung des Streitgebrauchsmusters wieder; das einzubeziehende Interesse der Allgemeinheit und führe zu einer Erhöhung des Gegenstandswertes auf 200.000 €. Sodann sei eine 2,0-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV anzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
A. Beschwerde der Antragstellerin
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. §§ 62 Abs. 2 Satz 4, 73 PatG eingelegt worden. In dieser Frist ist auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 50,-- € (Nr. 401 200 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) ordnungsgemäß einbezahlt worden.
2. In der Sache hat die Beschwerde nur teilweise Erfolg.
a) Die Gebrauchsmusterabteilung ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Gebühren für eine patentanwaltliche Tätigkeit nach den für Rechtsanwälte gültigen Vorschriften des RVG in Ansatz gebracht werden können. Somit sind auch im Falle eines Gebrauchsmuster-Löschungsverfahrens bzw. eines entsprechenden Feststellungsverfahrens diese Regelungen heranzuziehen (vgl. BPatGE 49, 29, 30 ff.).
b) Die Beschwerde der Antragstellerin hat insoweit keinen Erfolg, als mit dieser die Höhe des auf 125.000 € geschätzten Gegenstandswertes angegriffen wird, den die Gebrauchsmusterabteilung der Kostenfestsetzung zugrunde gelegt hat. Der Vortrag der Antragstellerin ist nicht geeignet, auf diese Weise eine Herabsetzung des Erstattungsbetrages zu bewirken.
aa) Die Bestimmung des Gegenstandswertes bemisst sich gemäß §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO nach billigem Ermessen, weil es für das Löschungsverfahren (Feststellungsverfahren) an Wertvorschriften für die Anwaltsgebühren fehlt (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 114). Der Gegenstandswert ist hiernach auf der Grundlage der vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkte nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen, wobei Ausgangspunkt der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags ist (vgl. Busse/Keukenschrijver, 8. Aufl., Rn. 59 zu § 17 GebrMG i. V. m. Rn. 68 zu § 84 PatG). Hierbei gilt insbesondere, dass die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters im Rahmen der Kostenfestsetzung zu unterstellen ist (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 116). Entscheidend für die Bestimmung des gemeinen Wertes ist das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung des Schutzrechts, das sich wiederum nach dem „Behinderungspotential“ richtet, das ein eingetragenes Gebrauchsmuster – seine Rechtsbeständigkeit unterstellt – entfaltet hätte (vgl. Eisenrauch in: Fitzner/Bodewig/Lutz, PatRKomm, 4. Aufl., § 17 GebrMG Rn. 35; BPatGE 26, 208, 218).
Der von der Antragstellerin genannte Gegenstandswert in Höhe von 10.872,86 € greift nach den vorstehend genannten Grundsätzen zu kurz. Derjenige, der die Festlegung eines bestimmten Gegenstandswertes anstrebt oder – wie hier – verhindern möchte, muss tatsächliche Anhaltspunkte und ihre rechtliche Relevanz für eine Schätzung so vortragen, dass sie nachvollziehbar zugrunde gelegt werden können (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 117). Die Antragstellerin hat dagegen keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein niedriger gemeiner Wert des Streitgebrauchsmusters hätte ergeben können. Die Antragstellerin meint insbesondere, die auf der Basis einer Lizenzanalogie ermittelten Schadensersatzansprüche durch eine restriktive, zeitliche Eingrenzung und durch Anrechnung einer auf das inhalts- und zeitranggleiche, parallele europäische Patent … entfallenden Quote reduzieren zu können. Eine solche Vorgehensweise geht an der Sache vorbei und widerspricht im Übrigen auch dem Umstand, dass auch das Landgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 31. Mai 2011 den auf das Streitgebrauchsmuster entfallenden Streitwert – ohne eine solche Anrechnung – festgesetzt hat.
Die Einschätzung des Landgerichts Düsseldorf kann allerdings auch nicht von der Antragsgegnerin als Grundlage für eine Gegenstandswertschätzung herangezogen werden. Als Begründung für eine Heraufsetzung des Gegenstandswertes ist der Streitwert von 100.000 € bereits deshalb nicht geeignet, weil die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 22. Juni 2015 selbst mitgeteilt hat, dass dem Landgericht Düsseldorf bei seinem Urteil die einschlägigen Umsatzzahlen der Antragstellerin noch nicht vorgelegen hätten.
bb) Für die Bestimmung des gemeinen Wertes gelten die folgenden, grundsätzlichen Überlegungen: Mit der Löschung besteht für die Mitbewerber eines Gebrauchsmusterinhabers die Möglichkeit, den geschützten Gegenstand frei zu benutzen. Während des Bestandes eines Schutzrechts müssten hierfür Lizenzen gezahlt werden. Zum Zwecke der Wertermittlung können die erzielten Erträge – im Allgemeinen nicht mehr als 5 bis 10 % der erzielten Umsätze – zugrunde gelegt werden (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 118, 120). Demnach kann das Allgemeininteresse aus den Zahlungen errechnet werden, die alle Mitbewerber während der möglichen Laufzeit des Gebrauchsmusters zu leisten gehabt hätten bzw. durch die Löschung erspart haben. Der Betrag entspricht damit dem Wert aller möglicher auf der Basis von Lizenzanalogie ermittelten, hypothetischen Schadensersatzansprüche. Er wird erhalten durch Multiplikation des branchenüblichen Lizenzsatzes, der hier unstreitig 6 % beträgt, mit den in Deutschland tatsächlich mit dem Gegenstand gemäß Streitgebrauchsmuster erzielten Umsätzen und mit den bis zum Ende der maximalen Schutzdauer hypothetisch möglich gewesenen Umsätzen (vgl. Bühring/Schmid, a. a. O.).
Unter den von beiden Verfahrensbeteiligten als unstreitig vorgetragenen Tatsachen befinden sich belastbare Angaben, die für eine Schätzung des Gegenstandswertes brauchbar sind. In der Zeit von der Eintragung des Streitgebrauchsmusters am 9. Juli 2009 bis zu dem am 18. Oktober 2012 wirksam gegenüber dem DPMA erklärten Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster ist von der Antragstellerin in Deutschland ein Umsatz in unstreitiger Höhe von ca. … € erzielt worden. Dieser Betrag errechnen sich aus folgenden Umsätzen: Juli bis Dez. 2009: 6/12 x … € = … €; 2010: … €; 2011: … €; Jan. bis Okt 2012: 10/12 x … € = … €). Zu dem Betrag in Höhe von … € sind noch hypothetische Umsätze für den Zeitraum nach dem erklärten Verzicht bis zur maximal möglichen Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters hinzuzurechnen. Von Nov. 2012 bis Feb. 2013 errechnen sich diese Umsätze ausgehend vom Wert des Jahres 2012 und vor dem Hintergrund offenbar über die Jahre rückläufiger Erträge auf eine geschätzte Höhe von … € (4/12 x ca. … €). Hiernach ergibt sich ein zugrunde zu legender Gesamtumsatz in Höhe von … €.
Die von der Antragstellerin erzielten Umsätze führen zu einem geschätzten Gegenstandswert in Höhe von 200.400 €. Dieser errechnet sich für die relevanten Zeiträume von Juli 2009 bis Feb. 2013 aus folgenden Faktoren: … x … € (Gesamtumsatz) x … x … (Lizenzfaktor 6 %) = … x … € x … = 200.400 €.
cc) Der in Höhe von 200.400 € ermittelte Gegenstandswert gibt allerdings nur das subjektive Interesse der Antragstellerin an der Löschung des Streitgebrauchsmusters wieder, während das entsprechende Interesse der Allgemeinheit, das nach den obigen Darlegungen ebenfalls zu berücksichtigen wäre, ausgeblendet bleibt. Anhaltspunkte für den Faktor, mit dem der bisher ermittelte Gegenstandswert gegebenenfalls anzuheben wäre, ergeben sich aus dem Umstand, dass gegen die Erteilung des unstreitig inhalts- und zeitranggleichen, parallelen europäischen Patents … die Antragstellerin und vier weitere Personen jeweils Einspruch beim Europäischen Patentamt erhoben hatten. Die Marktanteile und Umsatzzahlen dieser weiteren Mitbewerber sind zwar unbekannt geblieben, jedoch zeigt sich an der relativ großen Zahl der Einsprüche, dass das Behinderungspotential dieses europäischen Patents für die Allgemeinheit überaus beachtlich gewesen sein muss. Dasselbe muss aber zwingend auch für das unstreitig inhalts- und zeitranggleiche Streitgebrauchsmuster gegolten haben. Letztlich ist davon auszugehen, dass mit dem Wert von 200.400 € nur ein Bruchteil des Gegenstandswertes des patentamtlichen Feststellungsverfahrens umschrieben wird. Dies muss selbst für den Fall gelten, dass man – wie die Antragstellerin meint – die auf Basis einer Lizenzanalogie zu ermittelnden, hypothetischen Schadensersatzansprüche vor dem Hintergrund des inhalts- und prioritätsgleichen, parallele europäische Patent … durch eine entsprechende Quotelung herunterrechnen könnte.
dd) Der Gegenstandswert des Feststellungsverfahrens ist vorliegend jedoch wegen eines übergeordneten Grundsatzes auf den Wert von 200.000 € zu begrenzen. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Anschlussbeschwerde keinen höheren Wert gefordert. Zugunsten der Antragstellerin greift damit das Verbot einer „reformatio in peius“.
c) Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin dringen beide insoweit durch, als sie bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten die Heranziehung einer nur 2,0-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV und die Anwendung der bis zum 31. Juli 2013 gültig gewesenen Gebührentabelle verlangen. Insbesondere für die Zuerkennung einer 2,5-fachen Geschäftsgebühr, wie im angefochtenen Beschluss angenommen, besteht vorliegend kein Raum.
Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA ist im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren bzw. Feststellungsverfahren um kein gerichtliches Verfahren handelt. Die Löschungsverfahren vor den Abteilungen des DPMA tragen zwar Züge eines justizförmigen Verfahrens (vgl. BGH GRUR 2010, 231, 233 – „Legostein“ und BlPMZ 2015, 112, 113 – „VIVA FRISEURE/VIVA“), gebührenrechtlich handelt es sich bei diesen aber um Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde, weshalb hier der Gebührentatbestand Nr. 2300 RVG-VV einschlägig ist.
Hinsichtlich einer angemessenen Höhe der Gebühr ist zu beachten, dass bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ein Rahmen vorgesehen ist, der von einer 0,5- bis 2,5-fachen Gebühr reicht, wobei allerdings eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und/oder schwierig war. Demnach stellt der 1,3-fache Satz die Regelvergütung für ein durchschnittliches Gebrauchsmuster-Lösungsverfahren dar. Dagegen erlaubt der Gebührentatbestand Nr. 2300 RVG-VV die Anhebung eines Gebührensatzes bis zum 2,5-fachen nur dann, wenn im Vergleich zu den Umständen eines üblichen Löschungsverfahrens außerordentliche Erschwernisse hinzugetreten sind. Solche Erschwernisse sind vorliegend aber nicht ersichtlich.
Eine solche außerordentliche Erschwernis wird z. B. dann angenommen, wenn neben einer mündlichen Verhandlung zusätzlich noch eine Beweisaufnahme durchgeführt werden muss und/oder Rechtsfragen umfangreich erörtert und geklärt werden müssen, die das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes übersteigen. Beim hier in Rede stehenden Löschungs- bzw. Feststellungsverfahren war dagegen weder das eine noch das andere der Fall. Das hier durchgeführte Verfahren war aus anwaltlicher Sicht zwar anspruchsvoll, da es ein streitiges Verfahren mit mündlicher Verhandlung war, das Streitgebrauchsmuster auf einer Abzweigung beruhte, insgesamt 17 Schutzansprüche aufwies und der Löschungsantrag neben vier druckschriftlichen Entgegenhaltungen (Anlagen A9 bis A12) auch auf Unterlagen gestützt wurde (Anlagen A8), die eine offenkundige Vorbenutzung betrafen. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin sind daher zu Recht davon ausgegangen, dass es sich hierbei um ein schwieriges und mindestens durchschnittlich aufwendiges, nicht jedoch um ein außerordentlich schwieriges Verfahren gehandelt hat. Deshalb muss es – entgegen der Einschätzung der Gebrauchsmusterabteilung – bei einem 2,0-fachen Gebührensatz sein Bewenden haben.
d) Die im patentamtlichen Feststellungsverfahren angefallenen Kosten, deren Erstattung die Antragsgegnerin von der Antragstellerin verlangen kann, richten sich – in Abweichung vom angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss – nach der bis zum 31. Juli 2013 gültig gewesenen Gebührentabelle (§ 13 RVG) und nicht nach der, die zum 1. August 2013 in Kraft getreten ist. Es ist stets die Gebührentabelle anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Mandatsübernahme gültig war. Da der Löschungsantrag bereits im Jahr 2011 gestellt und zugestellt worden war, hätte die Gebrauchsmusterabteilung die Kosten offensichtlich auf der Grundlage der früheren Gebührentabelle berechnen müssen.
- 14 Die zu erstattenden Kosten errechnen sich hiernach wie folgt:
Gebührentatbestand Gegenstandswert: 200.000 € (§§ 2 Abs. 1, 23, 33 RVG)
1. Geschäftsgebühr 2. Pauschale Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 3. Fahrtkosten Deutsche Bahn Taxi 4. Sonstige Auslagen (Hotelkosten)
Gesamtkosten der Antragsgegnerin:
RVG- Satz Betrag VV Nr.
in €
2,0 3.632,00
7004
7006
20,00
194,07 18,60 71,00
3.935,67 =======
Ergänzend war antragsgemäß wiederum auszusprechen, dass der festgesetzte Betrag gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, ab dem 9. Juni 2015, also dem Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags beim DPMA, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen ist.
Der erkennende Senat hielt es nicht für notwendig, weitere Ermittlungen anzustellen oder auf ergänzenden Vortrag hinzuwirken. Auf eine mündliche Verhandlung hat der erkennende Senat ebenfalls verzichtet, da eine solche nicht erforderlich erschien (vgl. Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 18 Rn. 98).
B. Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. In ihrer Eingabe vom 31. Mai 2016 hat die Antragsgegnerin zwar den Begriff der „Anschlussbeschwerde“ nicht gewählt; eine solche Bezeichnung ist jedoch unnötig. Eine stillschweigende, unselbständige Anschlussbeschwerde liegt hier vor, da das Begehren der Antragsgegnerin auf eine inhaltliche Abänderung der getroffenen Entscheidung gerichtet ist und sie einen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 524 Rn. 6; BGH NJW-RR 1990, 259, 260). Da die unselbständige Anschlussbeschwerde nach h. M. nicht selbst als Rechtsmittel anzusehen ist, wird eine allgemeine Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung nicht gefordert (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 524 Rn. 4 und 31). Deshalb kann hier als unschädlich angesehen werden, dass die Antragsgegnerin in der Summe einen niedrigeren Betrag begehrt hat, als ihr zugesprochen wurde.
Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Anschlussbeschwerde die Heraufsetzung des der Kostenfestsetzung zugrunde liegenden Gegenstandswertes von 125.000 € auf 200.000 € begehrt, was nicht zu beanstanden ist. Mit diesem Antrag ist sie, wie vorstehend oben unter Abschnitt A. 2. b) ersichtlich, in vollem Umfang durchgedrungen.
III.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO, die auch bei Nebenentscheidungen in Löschungsverfahren anwendbar sind (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., Rn. 129). Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerde die Herabsetzung des zu ihren Lasten in Höhe von 4.273,67 € festgesetzten Erstattungsbetrages auf 1.618,67 € gefordert, was einen Differenzbetrag in Höhe von 2.655,00 € ausmacht. Mit ihrer Beschwerde ist sie dagegen nur in Höhe von 338,00 € (4.273,67 € minus 3.936,67 €) durchgedrungen. Hinsichtlich des geforderten Differenzbetrages in Höhe von 2.655,00 € ist die Antragstellerin somit in Höhe von 2.317,00 € unterlegen; in Höhe von 338,00 € hat sie obsiegt. Dies entspricht in etwa Unterliegens- und Obsiegensanteilen im Verhältnis von 6/7 zu 1/7. Hierbei wäre allerdings nicht berücksichtigt, dass auch die Antragsgegnerin die Herabsetzung der festgesetzten Kosten beantragt hat. Ihr Antrag, den festgesetzten Betrag von 4.273,67 € auf 4.148,34 € zu reduzieren, war in voller Höhe von 125,33 € erfolgreich. Dieser Betrag ist billigerweise so zu berücksichtigen, dass er bei der Antragstellerin sowohl beim Betrag ihres Unterliegens als auch beim Betrag ihres Obsiegens in Abzug zu bringen ist. Damit stehen sich bei der Antragstellerin letztlich die Beträge in Höhe von 2.191,67 € und 212,67 € gegenüber, was Unterliegens- und Obsiegensanteilen nur noch im Verhältnis von etwa 10/11 zu 1/11 entspricht. Dies rechtfertigt es, der Antragstellerin gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
IV.
Die Beschwerdegebühr ist der Antragstellerin von Amts wegen zu erstatten. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 80 Abs. 3 PatG statthaft. Die Erstattung der Gebühr ist vorliegend anzuordnen, da dies der Billigkeit entspricht.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 80 Abs. 3 PatG dann als billig anzusehen, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung die Beschwerde hätte vermieden werden können (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 139). Die Billigkeit einer Erstattung ist z. B. dann gegeben, wenn bei der angefochtenen Entscheidung erhebliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligen, insbesondere Anträge, übergangen worden sind (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 144 – m. w. N.). Geht eine Behörde oder ein Gericht in den Gründen seiner Entscheidung auf entscheidungser- hebliches Vorbringen einer Partei nicht ein, so muss insoweit auf eine Nichtberücksichtigung des Parteivorbringens geschlossen werden (vgl. Schneider/Wolf/ E. Schneider, RVG, 6. Aufl., § 33 Rn. 50). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss leidet bereits insoweit an einem schweren Mangel, als mit ihm die Erstattungsfähigkeit von Kosten in Höhe von 4.273,67 € ausgesprochen wird, während die Antragsgegnerin von Anfang an eine Erstattung nur in Höhe von 4.148,34 € beantragt hatte. Dies stellt einen Verstoß gegen den Antragsgrundsatz dar, durch den in erster Linie die Antragstellerin beschwert wurde. Auch die zum angefochtenen Beschluss gelieferte Begründung weist schwere Mängel auf, die nur so zu erklären sind, dass die Gebrauchsmusterabteilung die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2015 und 16. Juli 2015 und den der Antragstellerin vom 1. September 2015 nicht zur Kenntnis genommen hat. Angesichts der vorgetragenen, unstreitigen Umsatzzahlen, die die Antragstellerin mit einem Gegenstand nach Streitgebrauchsmuster über die Jahre erzielt hatte, und eines branchenüblichen Lizenzsatzes von 6 %, den die Verfahrensbeteiligen ebenfalls außer Streit gestellt hatten, war für eine seriöse Schätzung des Gegenstandswertes eine hinreichend brauchbare Basis geliefert worden. Stattdessen hat die Gebrauchsmusterabteilung mit einer nichtssagenden und formelhaften Begründung einen Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € zugrunde gelegt. Hinzu kommt noch, dass die Gebrauchsmusterabteilung ohne erkennbaren Grund, den vollen Rahmen der Gebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ausgeschöpft und eine Gebührentabelle angewandt hat, die – wie oben beschrieben – offensichtlich nicht heranzuziehen war. Durch alle diese Umstände wurde die Antragstellerin geradezu in die Beschwerde getrieben. Es kann zudem unterstellt werden, dass sie bei einer angemessenen Sachbehandlung und Begründung, von einer Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss abgesehen hätte.
V.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Metternich Bayer Eisenrauch Fa