VIa ZR 521/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 521/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 17. Oktober 2022 Wendt Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:171022UVIAZR521.21.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2022 durch die Richterin Dr. Menges als Vorsitzende, die Richterin Möhring, die Richter Dr. Götz, Dr. Rensen und die Richterin Dr. Vogt-Beheim für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. Oktober 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf den Berufungsantrag zu 1 zur Höhe des Anspruchs zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch. 2 Er kaufte im Jahr 2012 von einem Händler ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug VW Passat zum Preis von 53.179 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, dessen Motorsteuerung mit einer sogenannten Umschaltlogik versehen war. Im Jahr 2016 verkaufte der Kläger das Fahrzeug für 19.440 €.
Die im Jahr 2020 erhobene, zuletzt im Wesentlichen auf Erstattung des an den Händler entrichteten Kaufpreises abzüglich des Veräußerungserlöses und einer Nutzungsentschädigung gerichtete Klage hat in erster Instanz keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Beklagte unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung verurteilt, 21.334,11 € nebst Prozesszinsen zu zahlen, und festgestellt, dass dieser Anspruch aus einer unerlaubten Handlung herrühre.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zuletzt ihr Begehren auf vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers weiter, soweit sie auf dessen Rechtsmittel zur Zahlung von mehr als 21.334 € abzüglich der angefallenen (und noch festzustellenden) Händlermarge und abzüglich Werkauslieferungs- und Zulassungskosten von zusammen 555 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat im Umfang des zuletzt geltend gemachten Revisionsangriffs Erfolg.
A.
Die Beklagte hat die Revision zuletzt zulässig auf die Höhe ihrer Verurteilung gemäß dem Berufungsantrag zu 1 beschränkt. Die Feststellung, der Anspruch des Klägers rühre aus einer unerlaubten Handlung (vgl. BGH, Urteil vom
21. Dezember 2021 - VI ZR 457/20, NJW-RR 2022, 566 Rn. 8 ff.), könnte hier selbst Gegenstand eines Grundurteils sein, weil feststeht, dass der festgestellte Klagegrund für die Höhe des gesamten eingeklagten Betrages ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1978 - VI ZR 39/77, BGHZ 72, 34, 36; Urteil vom 23. Juli 2020 - I ZR 119/19, BGHZ 226, 262 Rn. 23 mwN).
B.
Die auf die Höhe der Verurteilung zur Zahlung beschränkte Revision ist auch in der Sache begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB mit Ablauf des Jahres 2019 ergebe sich ein Restschadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB in Höhe des vom Kläger entrichteten Kaufpreises (53.179 €) abzüglich gezogener Nutzungen (12.404,89 €) und des Veräußerungserlöses (19.440 €), insgesamt mithin 21.334,11 €. Ein weiterer Abzug in Höhe einer etwaigen Provision, die die Beklagte dem Händler gezahlt haben möge, komme nicht in Betracht. Es fehle an jeglichem Sachvortrag der Beklagten zu einer dem Händler gezahlten Provision und deren Höhe. Unabhängig davon könne sich die Beklagte nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, ist dem Grunde nach wegen der wirksamen Beschränkung des Revisionsangriffs der revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2022 - V ZR 35/21, NJW 2022, 2685 Rn. 8 mwN).
2. Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs des Klägers begegnen durchgreifenden Bedenken. Das Berufungsgericht hat - entgegen den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils näher dargelegt hat (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) - den von ihm nach § 287 ZPO ermittelten Nutzungsvorteil und den Erlös aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs von dem vom Kläger entrichteten Kaufpreis abgezogen. Einen Händlereinkaufspreis hat es nicht festgestellt. Indessen sind zur Ermittlung des Restschadensersatzanspruchs der Nutzungsvorteil und ein im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnender Verkaufserlös vom Händlereinkaufspreis abzuziehen und folglich der Händlereinkaufspreis als Ausgangspunkt der Berechnung konkret festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2022 - VIa ZR 24/22, juris Rn. 16). Dass der Händlereinkaufspreis dem Verkaufspreis des Händlers entsprochen habe, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts und hier insbesondere seinen Ausführungen zu einer dem Händler gewährten "Provision" nicht sicher entnehmen.
3. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ferner insoweit nicht stand, als die Klage der Beklagten, was der Senat selbst prüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 110/13, NJW-RR 2014, 903 Rn. 14), erst am 26. Oktober 2020 zugestellt worden ist. Prozesszinsen kann der Kläger daher nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB nicht ab diesem Tag, sondern erst ab dem 27. Oktober 2020 verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; BAG, Urteil vom 15. November 2000 - 5 AZR 365/99, BAGE 96, 228, 233).
III.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit darin zur Höhe des Anspruchs zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst erkennen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Höhe des Händlereinkaufspreises getroffen hat. Dem Berufungsurteil ist lediglich der streitige Vortrag des Klägers zu entnehmen, es sei von einem Erlös der Beklagten in Höhe von 85 % des gezahlten Kaufpreises, mithin von einer Händlermarge von 15 %, auszugehen; auch die Erklärung der Beklagten im Sitzungsprotokoll erlaubt dem Senat insoweit keine Entscheidung (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. im Übrigen zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Händlereinkaufspreises Senatsurteil vom 12. September 2022 - VIa ZR 122/22, z.V.b.). Hinsichtlich der fraglichen Einbeziehung von Werkauslieferungs- und Zulassungskosten wird das Berufungsgericht - soweit verfahrensrechtlich geboten - zu berücksichtigen haben, dass §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch nur hinsichtlich solcher Vermögensnachteile des Geschädigten gewähren, die zu einer Vermögensmehrung bei der Beklagten geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 77 mwN).
Menges Rensen Möhring Vogt-Beheim Götz Vorinstanzen: LG Osnabrück, Entscheidung vom 02.03.2021 - 6 O 2518/20 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 29.10.2021 - 6 U 94/21 -