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3 StR 340/22

BUNDESGERICHTSHOF StR 340/22 BESCHLUSS vom 15. November 2022 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

ECLI:DE:BGH:2022:151122B3STR340.22.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 15. November 2022 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 29. Juni 2022 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und des Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist,

b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II.1. und II.8. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zum "unerlaubten" Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen "unerlaubten" Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen unterstützte der Angeklagte eine Mitangeklagte in zwei Fällen bei deren Betäubungsmittelhandel. Im einen Fall (Fall II.1. der Urteilsgründe) begleitete er sie zu einem Treffen mit einem Kunden. Nachdem die Mitangeklagte mit dem Kunden handelseinig geworden war, holte der Angeklagte auf ihre Bitte die Betäubungsmittel (100 g Amphetamin "mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 18 Gramm Amphetaminbase" sowie 50 Ecstasytabletten), die dem Kunden übergeben wurden. Im anderen Fall (Fall II.8. der Urteilsgründe) übergab der Angeklagte dem Kunden im Auftrag der Mitangeklagten 200 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von "mindestens 36 Gramm Amphetaminbase".

Daneben verfügte der Angeklagte über ein Griptütchen mit 4,79 g Marihuana zum Eigenkonsum.

II.

1. Die Urteilsformel ist auf Grundlage der zutreffenden rechtlichen Würdigung des Landgerichts neu zu fassen.

Es versteht sich entgegen den Ausführungen der Strafkammer von selbst, dass es sich bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz um einen "unerlaubten" Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, weil das Handeln im Rahmen einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG aufgrund der gegebenen Verwaltungsakzessorietät die Strafbarkeit ausschließt. Der Zusatz "unerlaubt" ist im Tenor daher entbehrlich (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14, juris Rn. 8; vom 13. April 2022 - 2 StR 547/21, juris Rn. 2; vom 28. April 2022 - 4 StR 410/21, juris Rn. 3).

Der vom Landgericht für seine abweichende Ansicht herangezogene Hinweis auf § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG missachtet bereits die gesetzlichen Vorgaben; denn nach § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO soll eine vorhandene gesetzliche Überschrift zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Auch der Vergleich mit dem "Waffenstrafrecht" trägt nicht, da dieses nicht nur den "unerlaubten" Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen unter Strafe stellt, sondern überdies beispielsweise den Umgang mit verbotenen Waffen (vgl. etwa § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG).

2. Die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II.1. und II.8. der Urteilsgründe sind aufzuheben, weil sie an mehreren durchgreifenden Rechtsfehlern leiden.

a) Das Tatgericht hat - für sich genommen unbedenklich - bei der Prüfung minder schwerer Fälle zu Lasten des Angeklagten gewertet, Amphetamin und Ecstasy seien "mittelschwere" Drogen.

Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat es sich allerdings sodann "von den Umständen, die bei der Prüfung der Tat als minder schweren Fall berücksichtigt worden sind, (hat) leiten lassen", ohne zu bedenken, dass die Gefährlichkeit von Amphetamin und Ecstasy keinen wesentlichen Strafschärfungsgrund darstellt, weil diese Substanzen auf der Schwereskala der Gefährlichkeit der Betäubungsmittel nur mittlere Plätze einnehmen (vgl. für Amphetamin: BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 - 2 StR 275/90, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 12; für MDMA, MDE und MDA in Ecstasy: BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 265 f.). Somit hat das Landgericht seiner Strafzumessung einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt.

b) Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist - wie hier gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht nur geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Dies ist vielmehr nur der erste Schritt. Rechtfertigen die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles, stehen die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind in die weitere Prüfung die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzubeziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. März 2014 - 5 StR 45/14, juris Rn. 6; vom 11. Februar 2015 - 1 StR 629/14, NStZ 2015, 696; vom 9. August 2016 - 1 StR 331/16, BGHR BtMG § 29a Abs. 2 Verneinung eines minder schweren Falls 1; vom 15. November 2016 - 3 StR 368/16, juris Rn. 11).

Dem wird das angefochtene Urteil ebenfalls nicht gerecht. Das Landgericht hat vielmehr die Prüfung unterlassen, ob wegen Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB ein minder schwerer Fall des

§ 29a Abs. 2 BtMG vorliegt, der einen dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen eröffnet.

c) In Fall II.1. der Urteilsgründe trägt die festgestellte Herbeischaffung von 100 g Amphetamin "mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 18 Gramm Amphetaminbase" das strafschärfend berücksichtigte "mehrfache Überschreiten des Schwellenwertes" der nicht geringen Menge nicht. Denn bei Amphetamin-Zubereitungen liegt diese Grenze bei einem Wirkstoffgehalt von 10 g Amphetaminbase (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169), so dass sie hier lediglich um das 0,8-fache und damit unwesentlich überschritten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39 Rn. 2 f.).

Dass der Grenzwert zur "nicht geringen Menge" unter zusätzlicher Berücksichtigung des in den 50 übergebenen Ecstasytabletten enthaltenen Wirkstoffes "mehrfach überschritten" wurde (s. dazu BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 StR 473/02, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 12), versteht sich ebenfalls nicht von selbst. Denn die unterschiedlichen Wirkstoffkombinationen und die Schwankungen in den Wirkstoffkonzentrationen der einzelnen als Ecstasy vertriebenen Tabletten lassen die ausreichend sichere Feststellung einer Mindestkonzentration pro Tablette, die in der Praxis erfahrungsgemäß nicht unterschritten wird, nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267; Beschluss vom 24. November 2016 - 4 StR 413/16, juris Rn. 2). Es kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Tabletten eine Wirkstoffmenge enthielten, die mindestens 120 Prozent des Grenzwertes der "nicht geringen Menge" dieser Substanz betrug.

d) Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.1. und II.8. der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.

Die in Bezug auf die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe getroffenen Feststellungen sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen und bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht zu den bisherigen in Widerspruch stehen.

3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.

Schäfer Berg Erbguth Kreicker Voigt Vorinstanz: Landgericht Koblenz, 29.06.2022 - 12 KLs 2090 Js 8848/21

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1 21 StVG
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