5 StR 296/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 296/24 BESCHLUSS vom 16. Juli 2024 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:160724B5STR296.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Februar 2024 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in vier Fällen schuldig ist, und im Ausspruch über die Einzelstrafen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte in der Zeit vom 5. April bis zum 21. Mai 2023 im Großraum B.
in vier Fällen Marihuana im Kilogrammbereich und brachte es (selbst) als aufgegebenes Gepäck auf Linienflügen nach Deutschland, um es hier zeitnah gewinnbringend zu verkaufen. Mit den so erzielten Erlösen wollte er seinen aufwendigen Lebensstil und den Eigenkonsum von Kokain und Marihuana finanzieren. Konkret handelte der Angeklagte in den Fällen II.1 und II.2 mit 8 kg (10 % THC), im Fall II.3 mit
7,5 kg (10 % THC) und im Fall II.4 mit 10,32 kg (13,6 bis 17,8 % THC) Marihuana,
welches im Fall II.4 sichergestellt wurde, bevor es in den Verkehr gelangte. In den ersten drei Fällen erzielte er Erlöse in Höhe von insgesamt 82.250 Euro.
2. Der Senat hat den Schuldspruch auf Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) umgestellt.
a) Da sich die Taten ausschließlich auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG beziehen, ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem 1. April 2024 geltende (BGBl. I 2024 Nr. 109) und hier mildere Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KCanG zur Anwendung zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2014 – 5 StR 1/24; vom 24. April 2024 – 5 StR 136/24 und zur nicht geringen Menge: Beschlüsse vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24; vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24; Urteil vom 24. April 2024 – 5 StR 516/23). Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
b) Dagegen kommt eine tateinheitliche Verurteilung auch wegen Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG), wie vom Generalbundesanwalt beantragt, nicht in Betracht.
Die Einfuhr von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG, die wie hier dem gewinnbringenden Umsatz dient, geht als unselbständiger Teilakt im Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG auf (Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 92, 108; zu § 29 Abs. 1 BtMG; vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 35/13; vom 1. März 2007 – 3 StR 55/07; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 534).
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn sich die Einfuhrhandlungen zum Zwecke des Handeltreibens – so wie hier – auf eine nicht geringe Menge beziehen (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbindet der Handel mit Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes unterhalb des Grenzwertes der nicht geringen Menge (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 1981 – 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28 ff.; vom 10. Mai 2005 – 3 StR 133/05, NStZ 2006, 172 f.; vom 5. März 2013 – 1 StR 35/13; ebenso für das Verhältnis zwischen bandenmäßiger Einfuhr und bandenmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: BGH, Beschlüsse vom 24. März 2020 – 4 StR 523/19; vom 24. Oktober 2007 – 2 StR 232/07; vom 3. Februar 1998 – 4 StR 631/97).
Demgegenüber wird dann, wenn sich Einfuhr und Handeltreiben (oder Beihilfe hierzu) auf Betäubungsmittel in nicht geringer Menge beziehen, zwischen § 30 Abs. 1 Nr. 4 und § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Tateinheit angenommen (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1982 – 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165 f.; vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73; vom 3. April 2008 – 3 StR 60/08 Rn. 5; Beschlüsse vom 5. März 2013 – 1 StR 35/13; vom 22. Mai 2014 – 4 StR 223/13 Rn. 11; vom 7. November 2007 – 1 StR 366/07, NStZ-RR 2008, 88, Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29a Rn. 159). Grund ist die gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG höhere Strafandrohung des § 30 Abs. 1 BtMG. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof nach Inkrafttreten des Betäubungsmittelgesetzes vom 28. Juli 1981, durch welches die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, anders als zuvor, als Verbrechen qualifiziert wurde (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG), entschieden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in abstrakt generalisierender Weise als die gegenüber dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schwerere Straftat bewertet worden sei, was im Schuldspruch hervorgehoben werden müsse. Daneben bedürfe es auch des Ausspruchs, dass der Täter in Tateinheit mit § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG wegen des gegenüber der Einfuhr umfassenderen – zusätzlich andere Verhaltensweisen erfassenden – Vergehens des Handeltreibens zu bestrafen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1982 – 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165 f.). An dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof auch nach Einführung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I 1302) wegen der gleichwohl noch höheren Strafandrohung für die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 BtMG) festgehalten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73).
Das KCanG sieht hingegen keinen höheren Strafrahmen für eine Einfuhr von Cannabis vor. Denn beide Begehungsvarianten (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KCanG) werden vom Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG, das pauschal auf Handlungen gemäß § 34 Abs. 1 KCanG verweist, einheitlich erfasst.
Eine parallele Handhabung der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses wie im Betäubungsmittelgesetz hinsichtlich der Tatbestände der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) und dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), zwischen denen nach herrschender Meinung Tateinheit besteht (vgl. nur BGH, Urteile vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73; vom 24. November 1982 – 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163), kommt deshalb nicht in Betracht.
Der Senat ist nicht gehindert, in diesem Sinne zu entscheiden; der Durchführung eines Verfahrens gemäß § 132 Abs. 3 GVG bedarf es nicht. Soweit der erste Strafsenat mit Beschluss vom 11. Juni 2024 – 1 StR 190/24 ein Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert hat, dass der dortige Angeklagte unter anderem wegen Handelreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Einfuhr von Cannabis schuldig sei, folgt daraus eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG nicht. Denn eine solche muss sich immer aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Oktober 1986 – 2 StR 193/86, BGHSt 34, 184, 189 f.; Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 65; MüKo-StPO/Cierniak/Pohlit, 1. Aufl., § 132 GVG Rn. 7; LR/Mosbacher, 27. Aufl., § 132 GVG Rn. 35 mwN). Das ist hier nicht der Fall, weil im genannten Beschluss kein Sachverhalt mitgeteilt und das angenommene Konkurrenzverhältnis (Tateinheit) nicht begründet wird. Entsprechendes gilt für den Beschluss des ersten Strafsenats vom 14. Mai 2024 – 1 StR 154/24 –, wobei sich dieser schon insoweit vom vorliegenden Fall unterscheidet, als der Schuldspruch in Anpassung an das KCanG (neben anderen Änderungen) zu einer tateinheitlichen Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis und Anstiftung zur Einfuhr von Cannabis führte.
c) Der Angeklagte ist daher (nur) wegen Handeltreibens mit Cannabis in vier Fällen schuldig (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG). Dass sich die Taten jeweils auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).
3. Angesichts der im Vergleich zu § 30 Abs. 1 und § 29a Abs. 1 BtMG deutlich geringeren Strafrahmen in § 34 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 4 KCanG unterliegen die Einzelstrafen der Aufhebung. Dies entzieht dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage. Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
Cirener Gericke Resch von Häfen Werner Vorinstanz: Landgericht Hamburg, 14.02.2024 - 612 KLs 8/23 6103 Js 630/23 BUNDESGERICHTSHOF StR 296/24 BESCHLUSS vom 31. Juli 2024 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:310724B5STR296.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2024 beschlossen:
Der Beschluss des Senats vom 16. Juli 2024 – 5 StR 296/24 – wird wegen eines offensichtlichen Fassungsversehens dahin berichtigt, dass der 3. Absatz der Beschlussformel wie folgt lautet: „Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.“
Cirener Resch Gericke Werner Mosbacher