Paragraphen in 6 StR 241/20
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Häufigkeit | Paragraph | |
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3 | 250 | StGB |
2 | 224 | StGB |
1 | 223 | StGB |
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1 | 223 | StGB |
2 | 224 | StGB |
3 | 250 | StGB |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 241/20 URTEIL vom 2. Dezember 2020 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:021220U6STR241.20.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember 2020, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider als Vorsitzende,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Feilcke, Richter am Bundesgerichtshof Fritsche, Richterin am Bundesgerichtshof von Schmettau als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt P. als Verteidiger,
Rechtsanwalt H. als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt: Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 18. Februar 2020 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen - Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch (auch) wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB und wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Das Landgericht hat festgestellt: 3 Am 2. September 2019 beschloss der wegen zweier Handtaschenraubtaten vorbestrafte Angeklagte, einen weiteren Handtaschenraub zu begehen. An einer Sparkassenfiliale hielt er nach einer älteren Person Ausschau, „da er davon ausging, dass sie ihn nicht würde verfolgen können und da er hier mit wenig Gegenwehr rechnete“. Als die 83-jährige Nebenklägerin nach einer Geldabhebung die Sparkasse verließ, entschied er sich, sie zu überfallen.
Er verfolgte die Nebenklägerin bis zu ihrem Wohnhaus, das er hinter ihr betrat. Als die Eingangstür ins Schloss gefallen war und sich die Nebenklägerin fast auf dem über sechs Stufen erreichbaren ersten Treppenabsatz befand, griff er nach dem Riemen ihrer Handtasche, die sie über der linken Schulter trug. Er zog die Tasche kräftig zu sich nach unten, konnte sie jedoch zunächst nicht an sich bringen, weil die Nebenklägerin sie mit beiden Händen festhielt. Er riss weiter an der Tasche. Hierdurch verlor die Nebenklägerin das Gleichgewicht und stürzte ungebremst die Stufen hinunter auf ihre linke Gesichts- und Körperhälfte. Sie blutete und rief wie schon zuvor laut um Hilfe. „Der Angeklagte hatte nicht damit gerechnet, dass die Geschädigte durch sein Tun so schwer stürzen würde oder gar dass sie in solchem Maße verletzt werden könnte. Vielmehr war er davon ausgegangen, die Tasche ohne große Gegenwehr und mit lediglich kleineren Blessuren der Geschädigten an sich bringen zu können.“ Der „geschockte und überforderte“ Angeklagte ließ die Nebenklägerin am Boden liegen und flüchtete mit der Tasche. Er erbeutete 90 Euro.
Die Nebenklägerin erlitt unter anderem eine Jochbeintrümmer-, eine Orbitaboden- und eine Nasenbeintrümmerfraktur. Sie musste sich zwei mehrstündigen Operationen unterziehen. Da hierdurch ihre Gesichtsnerven gereizt wurden, sind Teile der linken Gesichtshälfte taub. Ihr linkes Auge tränt ständig, ihre Nase läuft ununterbrochen. Aufgrund des Sturzes auf die Schulter schmerzt diese nach wie vor, wobei die Schmerzen teilweise bis in die Finger der linken Hand ausstrahlen. Die Nebenklägerin ist traumatisiert. Sie leidet unter Albträumen und ist nicht mehr in der Lage, alleine Geld bei der Bank zu holen.
2. Das Landgericht hat eine körperlich schwere Misshandlung (§ 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB) angenommen, jedoch einen hierauf bezogenen Vorsatz des Angeklagten verneint. Die Verletzungen seien „gerade durch ihre Schwere derart ungewöhnlich, dass deren Eintreten sich dem Angeklagten nicht von vornherein“ habe aufdrängen müssen. Zudem habe dieser bereits zweimal fast identische Taten begangen, bei denen es nur zu leichten Verletzungen der Opfer gekommen sei. Diese früheren Taten könnten in ihm, „der sich um die Folgen seines Tuns wenig Gedanken gemacht“ habe, den Glauben geweckt haben, diese Art der Tatbegehung sei generell eher ungefährlich.
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum fehlenden Vorsatz in Bezug auf die objektiv vorliegende körperlich schwere Misshandlung im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB hält auch eingedenk des hierbei beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387; Beschluss vom 14. März 2012 – 5 StR 8/12, NStZ-RR 2013, 21, 22).
Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht wesentliche Umstände des Falles außer Betracht gelassen hat. Zum einen hat der Angeklagte – im Gegensatz zu den beiden früheren von ihm begangenen und bereits zur Aburteilung gelangten Raubstraftaten (vgl. UA S. 7 f.) – bei der vorliegenden Tat sein auserwähltes Opfer nicht auf gleicher Standhöhe angegriffen, sondern die ihm auf einer Treppe vorausgehende Geschädigte vielmehr jedenfalls von weiter unten kommend überfallen (vgl. UA S. 12). Zum anderen hat die Strafkammer ausgeblendet, dass nach den von ihr auf UA S. 12 getroffenen Feststellungen die Geschädigte nach dem ersten Ziehen des Angeklagten an ihrer Tasche diese sofort mit beiden Händen sehr fest hielt, der Angeklagte dennoch sein Treiben fortsetzte und an der Tasche so lange riss, bis sein Opfer das Gleichgewicht verlor und die Treppenstufen herunterstürzte. Das legt indessen nahe, dass er die von seinem Handeln ausgehende Gefahr erkannte, sich mit dieser aber gleichwohl um des erstrebten Zieles willen abfand. Vor dem Hintergrund der konkreten Tatsituation und in Ansehung des Lebensalters der ersichtlich betagten Geschädigten waren die von ihr im Zuge des Tatgeschehens erlittenen schweren Verletzungen – anders als das Landgericht meint (vgl. UA S. 29) – auch nicht derart außergewöhnlich, dass sich deren Eintritt dem Angeklagten nicht hätte aufdrängen müssen.
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend:
Aus den durch den Generalbundesanwalt angeführten Gründen stehen die beweiswürdigenden Ausführungen des Landgerichts in Bezug auf das Vorstellungsbild des Angeklagten ferner in unauflöslicher Spannung zu den Darlegungen betreffend den im Urteil bejahten Körperverletzungsvorsatz. Danach „war dem Angeklagten bewusst, dass die 83-jährige Geschädigte bei einem starken Ziehen an ihrer Tasche auf der Treppe, mithin auf einem unsicheren Untergrund, stürzen und sich hierbei auch verletzen konnte“ (UA S. 28). Im Blick darauf, dass er es nicht in der Hand hatte, wie die Nebenklägerin fallen würde, ist nicht ersichtlich, auf welcher Basis er einen nur „gelinden“ Sturz mit leichten Verletzungsfolgen in sein Vorstellungsbild hätte aufnehmen können. Bei einem Täter, der sich über die Konsequenzen seines gefährlichen Tuns „wenig Gedanken macht“, mithin insoweit gleichgültig handelt, drängt sich auch die Annahme des voluntativen Vorsatzelements auf (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteile vom
19. April 2016 – 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204, 205; vom 11. Oktober 2016 – 1 StR 248/16, NStZ 2017, 25, 26, jeweils mwN).
4. Die Sache bedarf danach neuer Verhandlung und Entscheidung. Von der Aufhebung umfasst ist die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB. Hingegen haben die rechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen Bestand. Weitere Feststellungen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Eingehender, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist, wird das nunmehr verhandelnde Tatgericht zu erwägen haben, ob der Angeklagte zugleich eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangen hat. Dafür ist erforderlich, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. September 1996 – 2 StR 320/96, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung 8 mwN). Dies liegt bei dem durch den Angeklagten verursachten Treppensturz der hochbetagten Nebenklägerin sowie deren hierdurch erlittenen schweren Verletzungen nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2018 – 2 StR 436/17 Rn. 12). Unter Umständen werden ergänzende Feststellungen zur Beschaffenheit der Treppe zu treffen sein.
b) Entgegen dem angefochtenen Urteil (UA S. 31) darf dem in Deutschland hafterfahrenen Angeklagten die erlittene Untersuchungshaft nicht strafmildernd zugutegehalten werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106 mwN).
Schneider Fritsche König von Schmettau Feilcke Vorinstanz: Göttingen, LG, 18.02.2020 - 302 Js 31479/19 2 KLs 31/19 NZS 202 Ss 36/20
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