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3 Ni 7/14 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 7/14 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

14. April 2015 …

In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 022 944 (DE 698 14 437)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, des Richters Kätker, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg sowie des Richters Dipl.-Chem. Dr. Jäger für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 022 944 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 16. Juni 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der europäischen Patentanmeldung EP 97401390 vom 18. Juni 1997 als internationale Patentanmeldung PCT/EP98/03727 angemeldeten und vom europäischen Patentamt in der regionalen Phase in englischer Sprache erteilten europäischen Patents EP 1 022 944 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim europäischen Patentamt am 7. Mai 2003 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 698 14 437 geführt wird. Das Streitpatent betrifft eine "Vorrichtung zum Vertreiben von Schädlingen" („repellent pest control system“) und umfasst 6 Patentansprüche, die in deutscher Übersetzung wie folgt lauten:

1. Verwendung eines Pyrethroid bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands zum Schutz von Hunden vor Bissen von Sandmücken.

2. Verwendung eines Pyrethroid bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands zur Kontrolle der Hundeleishmaniose.

3. Verwendung eines Pyrethroid bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands zur Kontrolle der humanen viszeralen Leishmaniose.

4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1-3, worin das Pyrethroid aus einer Polymermatrix freigesetzt wird, die ein Vinylpolymer, ein flüssiges Plastifizierungsmittel für das genannte Polymer umfasst, worin das genannte Plastifizierungsmittel in der maximal möglichen Menge vorhanden ist, aber dennoch ein trockenes und fliessendes Gemisch aus Plastifizierungsmittel und Polymer und Triphenylphosphat bildet, wobei das genannte Triphenylphosphat in einer Menge vorhanden ist, die ausreicht um als Trägermittel für das Pyrethroid zu dienen.

5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1-4, worin das Pyrethroid Deltamethrin ist.

6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1-5, worin das Halsband 2 bis 6 g Deltamethrin auf 100 g Halsband umfasst.

Die Klägerin greift das Patent in vollem Umfang an und macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Der Gegenstand der Patentansprüche sei nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie stützt sich u.a. auf folgende Druckschriften:

NK1a DE 698 14 437 T2 (deutsche Übersetzung des Streitpatents) NK1b EP 1 022 944 B1 (Streitpatent) NK3 JPS6191102 A (English abstract) NK7 Lucius, R. und Loos-Frank, B. (Hrsg.): "Parasitologie", Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1997, S. 56 bis 63 sowie S. 313 bis 314, S. 316 NK8 Tischler, W. (Hrsg.): "Grundriß der Humanparasitologie", Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1982, S. 146 bis 151 NK12 Hiepe, T. (Hrsg) "Lehrbuch der Parasitologie", Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1983, Bd. 2, S. 12, 36 bis 38 NK13 EP 0 542 080 A1 NK28a Xiong G. et al. „Deltamethrin Bath of Domestic Dog in the Prevention of Sandfly Bite", Endemic Diseases Bulletin, 1994, Vol. 9, No. 2, S. 32 bis 34 (Originaltext mit englischem Abstract) NK28b englische Volltextübersetzung zu NK 28a NK40 Liebisch, A. et al. „Prophylaxe des Zecken- und Flohbefalls bei Hunden mit dem Hundehalsband KILTIX", Der praktische Tierarzt, 1996, 6, S. 493 bis 494, 496 bis 498, 500, 505, 506 bis 509 NK41 US 5,437,869 A NK42 EP 0 396 224 A2 NK50a Brame, B. „Contribution à l'étude du foyer provençal de leishmaniose canine étude particulière du golfe de la ciotat aspects therapeutiques et prophylactiques nouveaux", Dissertation an der Université Claude Bernard, Lyon (1991), Inhaltsverzeichnis und 76 bis 83 NK50b Deutsche Übersetzung des Inhaltsverzeichnisses und der S. 76 bis 83 von NK 50a NK54 Löscher, W. et al. „Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren" Parey Buchverlag, 3. Aufl., Berlin 1997, S. 279 bis 289 NK57 Buescher, M. D. et al. „Studies on the Comparative Effectiveness of Permethrin and Deet Against Bloodsucking Arthropods", Pestic. Sci. 1987, 21, S. 165 bis 173 NK58 US 4,178,384 A NK59 EP 0 251 464 A2 NK62 Heine, J. „Fliegen als Parasiten beim Weiderind in Europa", vmn Veterinär-Medizinische Nachrichten 1987, 1/87, S. 9 bis 16 NK63 Hillerton, J. E. et al. „Control of Flies (Diptera: Muscidae) on Dairy Heifers by Flectron Ear-Tags", Br. vet. J. 1985, 141, S. 160 bis 167 Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1, damit zugleich auch die Gegenstände der Patentansprüche 2 und 3, des Streitpatents jeweils von den Druckschriften NK13 und NK50b neuheitsschädlich vorweggenommen seien, da in beiden Druckschriften pyrethroidhaltige Hundehalsbänder und deren Anwendung zum Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücken offenbart seien.

Ferner macht die Klägerin geltend, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Sie ergäben sich für den Durchschnittsfachmann naheliegend aus einer Kombination der Druckschriften NK50b oder NK28b (jeweils als Ausgangspunkt) mit dem Fachwissen über wirkstoffhaltige Hundehalsbänder zur Bekämpfung von Ektoparasiten, wie sie bereits zum Prioritätszeitpunkt als Produkte auf dem Markt gewesen und/oder beispielsweise in den Druckschriften NK3, NK13, NK41 und NK42 beschrieben seien.

Die rückbezogenen Patentansprüche 4 bis 6 seien auf eine bestimmte Polymermatrix gerichtet, die eine bestimmte Freisetzung des Pyrethroids Deltamethrin in einer vorgegebenen Dosierung erlauben solle. Eine derartige Polymermatrix mit dem Wirkstoff Deltamethrin in der beanspruchten Menge sei aber aus NK41 bekannt, so dass auch diese Patentansprüche nicht bestandsfähig seien.

Die Klägerin beantragt:

das europäische Patent 1 022 944 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt ihr Patent in vollem Umfang und tritt den Vorhalten der Klägerin in allen Punkten entgegen, wobei sie auf folgende Dokumente verweist:

HE1 HE2 HE3 Tesh, R. B., "Control of Zoonotic Visceral Leishmaniasis: Is it Time to Change Strategies?", Am. J. Trop. Med. Hyg., 1995, 52 (3), S. 287 bis 292 Ready, P. D., "The Feeding Habits of Laboratory-bred Lutzomyia Longipalpis (Diptera: Psychodidae)", J. Med. Entomol., 1978, 14 (5), S. 545 bis 552 Endris, R. G., et al., "The Laboratory Biology of the Sand Fly Lutzomyia Anthophora (Diptera: Pyschodidae)", J. Med. Entomol., 1984, 21 (6), S. 656 bis 664 HE4 HE5 HE6 HE7 HE8 HE9 Killick-Kendrick, R. et al., "Protection of dogs from bites of phlebotomine sandflies by deltamethrin collars for control of canine leishmaniasis", Medical and Veterinary Entomology, 1997, 11, S. 105 bis 111 Thomson, M. C., "The effect of tsetse flies (Glossina spp.) of deltamethrin applied to cattle either as a spray or incorporated into ear-tags", Tropical Pest Management, 1987, 33 (4), S. 329 bis 335 Mehlhorn, H., und Piekarski, G., "Grundriß der Parasitenkunde – Parasiten des Menschen und der Nutztiere", 5. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1998, S. 385 bis 386 Yeh, M.-T., et al., "Determining the Duration of Ixodes scapularis (Acari: Ixodidae) Attachment to Tick-Bite Victims", Journal of Medical Entomology, 1995, 32 (6), S. 853 bis 858 Wikipedia-Eintrag: "Zecken", 10 Seiten "Gutachterliche Stellungnahme" von Prof. Dr. K. Pfister, 29. Juni 2014 mit Anlagen Nach Auffassung der Beklagten sind die Gegenstände der streitpatentgemäßen Patentansprüche 1 bis 3 neu. Das Dokument NK13 sei im Hinblick auf die Zielrichtung der darin offenbarten Erfindung und die Vielzahl der dort genannten Formkörper, Wirkstoffe, zu schützenden Tiere und zu bekämpfenden Parasiten nicht geeignet, die Neuheit in Frage zu stellen, zumal darin auch keine Anti-Feeding-Wirkung von pyrethroidhaltigen Hundehalsbändern offenbart sei, wie sie das Merkmal „zum Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücken“ des Patentanspruchs 1 bei richtiger Auslegung fordere. Zur Auslegung dieses Merkmals hat die Beklagte die Einholung eines Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen beantragt. Die NK50b sei neben ihrer nicht wissenschaftlichen Standards genügenden Art der Untersuchung schon deshalb nicht neuheitsschädlich, weil sie kein pyrethroidhaltiges Hundehalsband sondern ein Halsband offenbare, an dem zusätzlich Plaketten mit Pyrethroid angebracht seien.

Die Patentansprüche 1 bis 3 des Streitpatents beruhten auf erfinderischer Tätigkeit. Berücksichtige man die relevanten Unterschiede zwischen medizinischen Bädern und Halsbändern, das unterschiedliche Such- und Stechverhalten von Zecken und Sandmücken und die bekannte ungleichmäßige Verteilung des Wirkstoffs durch ein Hundehalsband im Hinblick auf die von Sandmücken bevorzugten wenig oder gar nicht behaarten Regionen des Hundes, so gelange der Fachmann bei keiner der von der Klägerin angeführten Kombinationen ohne erfinderisches Tätigwerden zum Gegenstand des Streitpatents. Vielmehr sei es überraschend, dass ein pyrethroidhaltiges Hundehalsband einen effektiven Schutz vor Stichen der Sandmücke biete, insbesondere damit ein Wirkstoffspiegel erreichbar sei, der selbst in unbehaarten Bereichen zum Erreichen eines Anti-Feeding Effekts auf Sandmücken hinreichend sei.

Entscheidungsgründe I.

1. Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.

1.1 Das Streitpatent betrifft ein Schädlingsbekämpfungssystem in Form eines Halsbands mit abschreckender Wirkung gegen die die canine und humane Leishmaniose übertragende Sandmücke für eine kontrollierte Freisetzung eines pyrethroiden Wirkstoffs aus einer Polymermatrix zum Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücken sowie zur Kontrolle der Hundeleishmaniose und der humanen viszeralen Leishmaniose (vgl. NK1a, Patentansprüche 1 bis 4, S. 2/5 Abs. [0001], [0002], [0007] und [0010]). Aus dem Stand der Technik sind pyrethroidhaltige Hunde- und Katzenhalsbänder gegen Moskito-, Zecken-, Laus- und Flohbefall bekannt, bei denen der Wirkstoff aus einer polymeren Matrix freigesetzt wird. Desweiteren sind im wesentlichen wasserfreie pyrethroidhaltige Gele mit Insektiziden und Insekten-abschreckenden Eigenschaften für eine topische Anwendung auf der humanen Haut beschrieben (vgl. NK1a S. 2/5 Abs. [0004] bis [0005]). Die Hundeleishmaniose ist in allen Ländern der Mittelmeerregion und in vielen Ländern Lateinamerikas verbreitet. Diese Krankheit, für die es bisher noch keinen Impfstoff gibt, wird durch Bisse der Sandmücke übertragen und ist nach Ausbruch der Krankheit kostenintensiv zu behandeln und fast immer mit einem Rückfall verbunden. Dieses veterinärmedizinische Problem wird dadurch weiter kompliziert, dass Hunde Reservoire der viszeralen humanen Leishmaniose sind. Problematisch hinsichtlich einer möglichen Leishmaniose-Prävention ist dabei, dass die Überträger nicht ausgesprochen endophag (Nahrungsaufnahme im Haus) oder endophil (verbleiben im Haus) sind, so dass das Infektionsrisiko durch das Versprühen von Insektiziden in Häusern ebenso wenig in erheblichen Ausmaß reduziert werden kann wie durch die mit Widerständen bei den Hundebesitzern verbundene Beseitigung serologisch positiver Hunde (vgl. NK1a S. 2/5 und 3/5. Abs. [0011] bis [0014]).

1.2. Vor diesem Hintergrund ist die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe darin zu sehen, ein System zu einem verbesserten Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücken bereitzustellen, um so die Hundeleishmaniose und die humane viszerale Leishmaniose kontrollieren zu können (vgl. NK1a S. 2/5 Abs. [0010] und S. 3/5 Abs. [0018]).

1.3. Die Aufgabe wird durch die Verwendung eines Pyrethroids nach den nebengeordneten Patentansprüchen 1 bis 3 gelöst.

Die Patentansprüche 1 bis 3 weisen folgende Merkmale auf (vgl. NK1a):

Patentanspruch 1

1.1 Verwendung eines Pyrethroids 1.2 bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands 1.3 zum Schutz von Hunden vor Bissen von Sandmücken.

Patentanspruch 2

2.1 Verwendung eines Pyrethroids 2.2 bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands 2.3 zur Kontrolle der Hundeleishmaniose.

Patentanspruch 3

3.1 Verwendung eines Pyrethroids 3.2 bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands 3.3 zur Kontrolle der humanen viszeralen Leishmaniose.

1.4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team, bestehend aus einem Parasitologen mit langjähriger praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Insektiziden und einem Formulierungstechniker mit speziellen Kenntnissen im Veterinärbereich.

II.

1. Die streitpatentgemäßen Patentansprüche 1 bis 6 erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig.

2. Patentanspruch 1 des Streitpatents bedarf der Auslegung, da mangels einer entsprechenden Definition im Streitpatent fraglich ist, ob der im Merkmal 1.3 des Patentanspruchs 1 beanspruchte Zweck "zum Schutz von Hunden vor Bissen von Sandmücken" bereits durch die letale Wirkung von pyrethroiden Insektiziden erreicht wird oder ob dafür ein Anti-Feeding-Effekt notwendig ist.

Danach umfasst die Zweckangabe gemäß Merkmal 1.3 sowohl die letale als auch die Anti-Feeding-Wirkung der streitpatentgemäß verwendeten Pyrethroide.

Grundlage für die Auslegung ist die Patentschrift, wobei zur Ermittlung des Sinngehaltes eines Merkmals das Verständnis des Fachmannes entscheidend ist, der Begriffe in Patentansprüchen so deutet, wie sie sich ihm anhand des Gesamtinhalts der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung erschließen (vgl. BGH GRUR 2001, 232, 233 re. Sp. I. – Brieflocher). Zur Deutung des strittigen Begriffs "Schutz vor Bissen" wird sich der Fachmann im Streitpatent an dem als bevorzugte Ausführungsform für ein abschreckendes Schädlingsbekämpfungssystem beschriebenen Hundehalsband mit dem Wirkstoff Deltamethrin orientieren (vgl. NK1a S. 3/5 Abs. [0015]). Diese bevorzugten Deltamethrin-Hundehalsbänder weisen sowohl eine starke Anti-Nahrungsaufnahmewirkung als auch eine letale Wirkung auf Sandmücken auf (vgl. NK1a S. 3/5 Abs. [0017]). Dabei versteht der Fachmann unter der Anti-Feeding- bzw. Anti-NahrungsaufnahmeWirkung, dass es entweder gar nicht zum Stich kommt, da der Wirkstoff als Repellens abstoßend und/oder als Insektizid abtötend wirkt, oder dass ein solcher nicht vollendet werden kann, da die Sandmücke während des Einstechversuchs als Folge der Wirkstoffeinwirkung stirbt (vgl. HE9, gutachterliche Stellungnahme von Prof. K. Pfister vom 29. Juni 2014 S. 4 Abschnitt C.1. Abs. 1 bis 4). Als letale Wirkung ist ihm die tödliche Wirkung eines Wirkstoffs auf die Sandmücken geläufig, wobei die Sandmücke entweder noch während des Stechvorgangs oder nach dem Verlassen des den Wirkstoff tragenden Tiers infolge der Wirkstoffeinwirkung stirbt (vgl. a. a. O. S. 4 Abschnitt C.1. Abs. 2 2. Spiegelpunkt). Nachdem sich die streitpatentgemäße Ausführungsform jedoch in beiderlei Hinsicht als wirksam erweist (vgl. NK1a S. 4/5 Abs. [0026] bis [0029]), führt dies nicht zum Vorrang einer der beiden Wirkungsweisen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich somit aus den Angaben im Streitpatent nicht herleiten, dass zum Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücken ein Anti-Feeding-Effekt notwendig ist, während die letale Wirkung lediglich einen nicht relevanten Zusatznutzen darstellt. Vielmehr wird im Streitpatent durch das Fehlen einer detaillierten Aussage zum Wirkmechanismus des pyrethroidhaltigen Hundehalsbandes offen gelassen, welche Wirkung zum angestrebten Schutz führt. Wesentlich ist nach der Lehre des Streitpatents lediglich der Nachweis einer erhöhten Gesamtmortalität der Sandmücken, mit der der streitpatentgemäß angestrebte Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücke erreicht wird. Aufgrund fehlender Angaben im Streitpatent ist es zudem nicht maßgeblich, ob es sich dabei um einen absoluten Schutz handelt.

Das Argument der Beklagten, dass durch die letale Wirkung lediglich das statistische Stichrisiko sinke, dieses aber keinen ausreichenden Schutz vor Stichen an sich ermögliche, dafür vielmehr ein Anti-Feeding-Effekt notwendig sei, kann nicht durchgreifen. Denn eine Auslegung unterhalb des Wortlauts bzw. Sinngehalts eines Patentanspruchs ist generell nicht zulässig. Dies gilt insbesondere, wenn der Beschreibung eine Schutzbegrenzung auf bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 309 1. Ls., 311 Rn. 17 – Schussfädentransport). Vorliegend lassen sich aber weder aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 noch aus der Beschreibung des Streitpatents, einschließlich den darin genannten Ausführungsbeispielen ausreichende Anhaltspunkte für eine beschränkende Auslegung des Merkmals "zum Schutz von Hunden vor Bissen der Sandmücke" im Sinne eines reinen Anti-Feeding Effekt entnehmen. Vielmehr werden im Streitpatent beide Effekte ohne jede Gewichtung als Wirkungsmechanismen beschrieben.

Im Übrigen wird der Fachmann beim Schutz von Hunden vor Leishmaniose nicht zwangsläufig nur an einen Wirkstoff mit Anti-Feeding-Effekt, sondern auch an letal wirkende Substanzen denken, da ihm beide Effekte bekannt sind (vgl. HE9, gutachterliche Stellungnahme von Prof. K. Pfister vom 29. Juni 2014 S. 4 Abschnitt C.1. Abs. 1 bis 4) und es für ihn keinen Grund gibt, eine von ihnen nicht in Betracht zu ziehen.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik gemäß NK50b nicht neu.

Die Druckschrift NK50b beschreibt einen mehrjährigen Feldversuch zur Bekämpfung der Leishmaniose im Süden Frankreichs beginnend im Jahr 1986 (vgl.

NK50b S. 1 Titel, S. 3 Z. 10 und 9 von unten sowie S. 80 le. Abs.). Dazu wurden Hunde während der kritischen Leishmaniosesaison von April bis Oktober mit einem Halsband versehen, das den Wirkstoff Propoxur und aus zusätzlich an der Innenseite des Halsbands angebrachten - Marken den Wirkstoff Cypermethrin freisetzte (vgl. NK50b S. 79 Z. 18 bis 25 und 36 bis 38 i. V. m. Z. 2 bis 5). Cypermethrin ist ein Pyrethroid, das auch streitpatentgemäß als Wirkstoff eingesetzt werden kann (vgl. NK1a S. 2/5 Abs. [0008]). Schließlich offenbart NK50b auch, dass das Cypermethrin freisetzende Marken-Halsband einen – wenn auch unvollständigen – Schutz gegen Stiche der Phlebotomen (Sandmücken) bildet (vgl. NK50b S. 83 Z. 31 bis 34 i. V. m. S. 3 Z. 6 von unten). Da der bezweckte Schutz vor Bissen der Sandmücken im Streitpatent weder in Bezug auf seinen Wirkmechanismus noch auf sein effektives Ausmaß näher definiert ist, sind somit sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in NK50b neuheitsschädlich vorbeschrieben.

Dem Einwand der Beklagten, der Pyrethroid-Wirkstoff Cypermethrin werde in NK50b aus den Marken und nicht aus dem Halsband selbst freigesetzt, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn dem Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent sind keine weitergehenden Angaben hinsichtlich der Ausgestaltung des Halsbandes zu entnehmen. Somit kann streitpatentgemäß der Pyrethroid-Wirkstoff auch über am Halsband angebrachte Marken freigesetzt werden, zumal in NK50b die Marken mit Nieten an der Innenseite des Halsbands befestigt sind, wodurch eine nicht lösbare Einheit aus Halsband und Marken entsteht (vgl. NK50b S. 79 Z. 21 bis 25). Zudem ist im Streitpatent ein den Pyrethroid-Wirkstoff Deltametrin enthaltendes Hundehalsband lediglich als bevorzugte Ausführungsform beschrieben (vgl. NK1a S. 3/5 Abs. [0015]). Beansprucht ist im Patentanspruch 1 dagegen nur die Verwendung eines Pyrethroids bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands. Dies schließt eine Ausgestaltung gemäß NK50b mit dem Pyrethroid-Wirkstoff in mit Nieten am Halsband befestigten Marken nicht aus.

Auch soweit die Beklagte einwendet, dass es sich bei der Druckschrift NK50b um eine „experimentelle Anwendungsbeobachtung“, nicht aber um eine wissenschaft- lichen Standards genügende Untersuchung handele, und ihre Aussagen daher spekulativ seien, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. NK50b ist ein Auszug aus einer Dissertation, die bei der Universität Claude Bernard in Lyon eingereicht und veröffentlicht worden ist (vgl. NK50b S. 1). Sie stellt für den Fachmann eine wissenschaftliche Studie dar, die ihm definitive Erkenntnisse und Handlungsanweisungen zu Wirkstoff, Applikationsform und Wirkung offenbart. Einen Nachweis dafür, dass diese offensichtlich fehlerbehaftet oder derart widersprüchlich bzw. spekulativ sind, dass der Druckschrift der vorgenannte Offenbarungsgehalt nicht entnommen werden kann, hat die Beklagte nicht angetreten, obwohl sie dafür die Beweislast trägt (vgl. Schulte Patentgesetz, 9. Aufl. § 3 Rn. 98, 133). Auch das Fehlen von weitergehendem Zahlenmaterial und einer Randomisierung der Studie sprechen nicht für eine wissenschaftlich unhaltbare und damit spekulative Lehre in der NK50b. Auch kann den Ausführungen der Beklagten nicht gefolgt werden, die unter Hinweis auf Busse Patentgesetz, 7. Aufl., § 3 Rn. 110 Satz 6 meint, dass die Neuheit der streitpatentgemäßen Verwendung zu bejahen sei, obwohl in der NK50b von gerade dieser Verwendung berichtet werde, weil ihr Inhalt nicht die Schlussfolgerung erlaube, dass die therapeutische Wirkung tatsächlich existiere. Vielmehr führt die NK50b mehrmals an, dass das Marken-Halsband ein gutes Mittel für die angestrebte Prävention der Leishmaniose darstellt (vgl. NK50b S. 80 Z. 46 bis 50, S. 81 Z. 19 bis 20 und S. 83 Z. 31 bis 34). Sie offenbart dem Fachmann somit erfolgreiche Versuche und Ergebnisse am lebenden Tier.

Die Durchführung als nicht randomisierte Studie mag zwar aus rein wissenschaftlicher Sicht Fragen aufwerfen. Für eine neuheitsschädliche Offenbarung gelten derartige Anforderungen jedoch nicht. Vielmehr reicht es aus, dass die patentgeschützte Lehre ausführbar offenbar ist (vgl. Schulte a. a. O. § 3 Rn. 94).

Auch der Hinweis in NK50b auf einen unvollständigen Schutz durch das Markenhalsband (vgl. NK50b S. 81 Z. 24 bis 28 und S. 83 Z. 7 bis 10) und auf die Anwendung als "Spot-on" als alternative Auftragungsmethode, d.h. das Auftragen des Wirkstoffs auf die obere Rückenlinie des Tieres (vgl. NK50b S. 79 Z. 42 bis

45), kann die Offenbarung der NK50b nicht in Zweifel ziehen. Denn NK50b beschreibt auch die "Spot-on"-Anwendung als nachteilhaft, da eine derartige Anwendung in weitaus kürzeren Abständen notwendig sei, was zu einer schlechten Kunden-Compliance führe (vgl. NK50b S. 81 Z. 5 bis 9).

Schließlich kann auch der Hinweis der Beklagten, dass die zur Herstellung des Hundehalsbandes verwendeten Pyrethroide streitpatentgemäß als Repellens und damit als Anti-Feeding-Mittel wirkten, während deren Wirkung als Insektizid und damit als Fraßgift mit tödlicher Wirkung auf die Sandmücken für den streitpatentgemäßen Effekt nur eine untergeordnete Rolle spiele, keine andere Beurteilung zur Neuheit rechtfertigen. Damit mag zwar die theoretische Begründung der Wirkungsweise der Pyrethroide auf die Sandmücken erklärt werden können, hierbei handelt es sich aber nicht um eine konkrete Lehre zum technischen Handeln. Diese liegt vielmehr darin, Pyrethroide in Verbindung mit einem Hundehalsband zum Schutz vor Sandmücken mit dem Ziel zu verwenden, eine Leishmaniose zu vermeiden. Diese Lehre ist aber sowohl hinsichtlich der Indikation als auch hinsichtlich der Art und Weise der Wirkstoffgabe aus der NK50b bekannt (vgl. BGH GRUR 1994, 357 Ls. 3, 358 II. 2. c) – Muffeloffen sowie BGH GRUR 2011, 999 Ls. – Memantin).

4. Im Hinblick auf den über die NK50b hinausgehenden Stand der Technik beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgangspunkt zum Auffinden einer Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden Problems stellt die englischsprachige Übersetzung NK28b des Artikels NK28a aus der chinesischsprachigen Fachzeitschrift "Endemic Diseases Bulletin" dar. Die NK28b beschreibt einleitend, dass durch den zunehmenden Einsatz von Hunden in den Bergregionen chinesischer Provinzen auch das ernsthafte Problem der Epidemologie der Kala-azar (= viszerale Leishmaniose) in diesen Gebieten zu beobachten sei, weshalb ein dringender Bedarf einer Kontrolle der Ausbreitung dieser Krankheit besteht (vgl. NK28b S. 1/2 übergreifender Abs.). Zur Lösung die- ses Problems schlägt die NK28b ein deltamethrinhaltiges Bad für Hunde vor. Durch die Behandlung mit dem Pyrethroid Deltamethrin, das im Übrigen auch als bevorzugter Wirkstoff gemäß Streitpatent verwendet wird (vgl. NK1a Patentansprüche 5, 6 und S. 3/5 Abs. [0015] bis [0017] sowie Beispiele 1 und 2), wird der Anteil der Mücken mit "feeding rate" (= Blutmahlzeit) von 61,5 % bei unbehandelten Hunden auf nur 4,4 % gesenkt (vgl. NK28b S. 1 Titel, Abstract, S. 2 Abs. 2 Satz 2 und le. Abs. S. 3, Tab. 1). In der NK28b wird zudem die Wirkungsweise des Pyrethroids auf Sandmücken beschrieben. Demnach landen die Sandmücken auf der Suche nach einer geeigneten Einstichstelle oftmals auf dem Hund und wandern vor dem Einstich durch das Haarkleid des Hundes, wobei sie in Kontakt mit dem Pyrethroid kommen. Noch vor dem Einstich setzt der tödliche Effekt des Pyrethroids ein und der Mückenstich wird verhindert (vgl. NK28b S. 3 Abs. 1 Satz 3 bis 5). Somit hat das Pyrethroid gemäß der Lehre der NK28b – wie das Streitpatent (vgl. Abschnitt II. 2.) – sowohl eine Anti-Feeding als auch eine letale Wirkung. Schließlich offenbart die NK28b, dass das pyrethroidhaltige Bad nicht nur den Haushund schützt und die Sandmücken abtötet, sondern dass es auch nutzbringend für die Prävention von Kala-azar ist (vgl. NK28b S. 5 le. Satz).

Da aber das Baden eines Hundes in einem pyrethroidhaltigen Bad mit Nachteilen und Problemen verbunden ist, z. B. einer Exposition des Menschen mit der pyrethroidhaltigen Badeflüssigkeit sowie einer Aversion vieler Hunde gegen Badevorgänge, und die Überlegungen des Fachmanns naturgemäß bei der Fehleranalyse vorhandener Lösungen und deren Verbesserung ansetzen (vgl. BGH, GRUR 2010, 814, 816 Rn. 24 – Fugenglätter), wird er sich nach alternativen Lösungen für das Aufbringen von Pyrethroiden zum Schutz der Hunde vor Sandmückenstichen umschauen. Dabei wird er auf die NK13 stoßen, die ihn lehrt, dass bevorzugt wirkstoffhaltige Halsbänder und Halsbandanhänger für Hunde zur Kontrolle von Schädlingen eingesetzt werden können (vgl. NK13 Patentanspruch 1 i. V. m. S. 2 Z. 1 bis 3 und S. 14 Z. 26 bis 32). In diesem Zusammenhang offenbart NK13 auch Pyrethroide und unter diesen die im Abs. [0008] der Streitpatentschrift genannten Cyfluthrin, Deltamethrin, Cypermethrin, Permethrin und Fluvalinat. (vgl. NK13 S. 4 Z. 25 bis 27, S. 5 Z. 18 bis 31). Darüber hinaus wird mit dem Beispiel C die An- wendung eines dieser Pyrethroide, nämlich von Cyfluthrin zur Herstellung eines Halsbandes angegeben (vgl. NK13 S. 15 Z. 36 bis 47). Der Fachmann zieht die NK13 insbesondere auch deswegen in Betracht, weil die dort offenbarten wirkstoffhaltigen Formkörper zur Bekämpfung der Sandmücke (= Phlebotomus spp.) verwendet werden (vgl. NK13 S. 14 Z. 38). Aus der NK13 erhält der Fachmann somit die Anregung, anstelle eines pyrethroidhaltigen Bades gemäß NK28b ein pyrethroidhaltiges Halsband zum Schutz von Hunden gegen Bisse der Sandmücken einzusetzen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher aus der Kombination der Lehren der Druckschriften NK28b und NK13 nahe gelegt.

Das Argument der Beklagten, es sei – beispielsweise durch NK40 S. 509 mittl. Sp. 6. vollst. Satz belegtes – fachmännisches Wissen, dass unabhängig vom Wirkstoff durch ein Halsband im Allgemeinen nur eine geringe Konzentration in ungleichmäßiger Verteilung auf der Körperoberfläche erhalten werde, weshalb es überraschend sei, dass sich streitpatentgemäß ein Pyrethroid aus einem Halsband in einem zum Schutz vor Bissen von Sandmücken ausreichenden Maße über den Körper des Hundes verteile, kann nicht durchgreifen. Die Formulierung in NK28b, auf die die Beklagte in diesem Zusammenhang hingewiesen hat (vgl. NK28b S. 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3), besagt lediglich, dass der Hund vollflächig im Bad mit der Medizin zu benetzen ist, spricht aber nicht von einer gleichmäßigen Applikation des Wirkstoffs an allen Stellen des Körpers. Zudem ist die Zweckangabe "zum Schutz vor Bissen von Sandmücken" gemäß dem Merkmal 1.3 des Patentanspruchs 1 in diesem Zusammenhang nicht als ein lückenloser Schutz zu verstehen. Denn das Streitpatent gibt an, dass immer noch bis zu 13 % der weiblichen Fliegen auf Halsband-tragenden Hunden angeschwollen waren und damit blutsaugend zugebissen haben (vgl. NK1a S. 4/5 Abs. [0027] i. V. m. Abs. [0026]). Damit ist diese Zweckangabe im Merkmal 1.3 als statistisch signifikante Absenkung der Bissrate anzusehen, die vergleichbar auch in der NK28b offenbart wird (vgl. NK28b S. 2 le. Abs.). Da es weiterhin zum fachmännischen Wissen gehört, dass es auch durch lokal applizierte Darreichungsformen wie einer Ohrmarke oder einem Halsband zur Freisetzung des darin enthaltenen Wirkstoffs kommt, wobei der Wirkstoff nach einer gewissen Zeit und dosisabhängig zumindest weitgehend über den ganzen Körper des Tieres verteilt ist (vgl. HE5 S. 329 re. Sp. le. Abs., S. 330 re. Sp. Abs. "Bioassay" und S. 334 Fig. 8; vgl. NK50b S. 79 Z. 3 bis 5; vgl. NK63 S. 160 "Summary" Abs. 1 le. Satz und S. 166 Abs. 2 Sätze 4 und 5), war der Fachmann motiviert, die Darreichung über ein Bad gemäß NK28b durch die Darreichung über ein Halsband gemäß der Lehre der NK13 zu ersetzen. Die für den streitpatentgemäß zu erzielenden Schutz vor Bissen der Sandmücke ausreichende Dosis an Pyrethroid im Halsband konnte er dann anhand von einfachen Versuchen ermitteln, deren Anlegung und Ausführung seiner Routinetätigkeit zuzurechnen sind und die keine Überlegungen erfinderischer Art erfordern.

Auch die Berücksichtigung des gegenüber Zecken und Flöhen unterschiedlichen Suchverhaltens der Sandmücken auf einem Hund kann an dieser Sichtweise nichts ändern. Denn dem Fachmann war beispielsweise anhand der Kopffliege (= Hydrotaea irritans), die Schleimhautregionen des Kopfes und Zitzenkuppen am Rind, damit ebenfalls wenig behaarte bis unbehaarte Regionen aufsucht (vgl. NK62 S. 11 li. Sp. Abs. 3 le. Satz und spaltenübergreifender Abs.), bekannt, dass Insekten mit ähnlichem Suchverhalten wie die Sandmücke (vgl. HE3 S. 658 re. Sp. vorle. Abs. unteres Drittel) durch einen lokal und in ausreichender Dosis applizierten Wirkstoff wirksam bekämpft werden können (vgl. NK63 S. 166 Abs. 2 Sätze 4 und 5). So wurde beim Einsatz von zwei das Pyrethroid Cypermethrin enthaltenden Ohrmarken die Zahl der Kopffliegen selbst am Euter um 89 % gesenkt (vgl. NK63 S. 160 Summary Abs. 1 le. Satz, S. 164/165 seitenübergreifender Satz). Das im Vergleich zu Sandmücken unterschiedliche Suchverhalten von Zecken und Flöhen war somit für den Fachmann kein Grund, die bisher nur gegen Zecken und Flöhe eingesetzten pyrethroidhaltigen Hundehalsbänder nicht auch für die Bekämpfung der Sandmücke in Betracht zu ziehen.

Schließlich kann auch der von der Beklagten angeführte Anti-Feeding Effekt die erfinderische Tätigkeit der streitpatentgemäßen Verwendung nicht begründen, da ein Anti-Feeding Effekt bereits aus der NK28b bekannt ist. So beschreibt diese Druckschrift expressis verbis, dass nur 4,4 % der Sandmücken bei behandelten Hunden gegenüber 61,5 % bei unbehandelten Hunden zur Blutmahlzeit kommen

(vgl. NK28b S. 2 le. Abs.). Im Übrigen gehört es zum fachmännischen Wissen, dass Pyrethroide eine Anti-Feeding Wirkung haben (vgl. z. B. NK59 S. 1 Z. 6 bis 7; NK54 S. 280 re. Sp. Abs. 2 Satz 3 und 4; NK57 S. 171 Abs. 3; NK58 Sp. 2 Z. 19 bis 25). Zudem handelt es sich bei dem Anti-Feeding Effekt um eine theoretische Begründung der Wirkungsweise der Pyrethroide auf die Sandmücken und nicht um eine konkrete Lehre zum technischen Handeln (vgl. Abschnitt II. 3. le. Abs.), so dass dieser Effekt auch keine erfinderische Tätigkeit begründen kann. 5. Die nebengeordneten Patentansprüche 2 und 3 sind auf die Verwendung eines Pyrethroids bei der Herstellung eines Medikaments in Form eines Halsbands zur Kontrolle der Hundeleishmaniose bzw. der humanen viszeralen Leishmaniose gerichtet. Hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für diese Patentansprüche aufgrund des Zusammenhangs des Schutzes von Hunden vor Bissen der Sandmücke und der Kontrolle der Hundeleishmaniose sowie der humanen viszeralen Leishmaniose die oben für den Patentanspruch 1 dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, so dass auch diese Patentansprüche nicht bestandsfähig sind (vgl. NK7 S. 56 le. Abs. bis S. 58 Abs. 3; NK8 S. 146 vorle. Abs. bis S. 149 Abs. 3; NK12 S. 12 Tab 1 5. Z. sowie S. 36 bis S. 38). Zudem finden sich entsprechende Offenbarungen für die in den Merkmalen 2.3 und 3.3 beanspruchten Zweckangaben in NK50b und NK28b (vgl. NK50b S. 76 Abs. 1, S. 78 le. Abs., S. 80 vorle. Abs., S. 81 Z. 16 bis 17 und S. 83 le. Abs.; NK28b S. 1 Abstract und S. 4 vorle. Abs. bis S. 5).

6. Bezüglich der auf die Patentansprüche 1 bis 3 rückbezogenen Patentansprüche 4 bis 6 hat die Beklagte einen eigenständigen patentfähigen Gehalt nicht geltend gemacht. Ein solcher ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Diese Patentansprüche, deren selbstständiger Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, sind daher ebenfalls nicht patentfähig, ohne dass hierauf näher einzugehen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 309, Rn. 42 Schussfädentransport).

7. Der Senat hat davon abgesehen, dem Antrag der Beklagten entsprechend ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen einzuholen. Zum einen kam es auf die unter den Parteien kontrovers diskutierte Frage der Auslegung des Merkmals „for the protection of dogs from bites of phlebotomine sandflies“ / „zum Schutz von Hunden vor Bissen von Sandmücken“ nicht an, da die NK 50b und die NK 28 b jeweils eine repellierende Wirkung gegen Sandmücken bzw. deren Stiche und damit - auch nach dem engen Verständnis der Beklagten - das o. g. Merkmal offenbaren.

Im Übrigen stellt die Auslegung der Patentansprüche eine Rechtsfrage dar, die nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden darf (vgl. BGH GRUR 2008, 779, 782 Rn. 30 – Mehrgangnabe). Er kann dem Gericht nur die Kenntnisse vermitteln, die es benötigt, um die geschützte technische Lehre zu verstehen und den diese Lehre definierenden Patentanspruch unter Ausschöpfung seines Sinngehalt selbst auslegen zu können (BGH, a. a. O., Ls. 1). Hierbei kann ein Gericht auch dann auf sachverständige Hilfe zurückgreifen müssen, wenn zweifelhaft und auf andere Weise nicht zu klären ist, wie der einschlägige Fachmann im Patentanspruch (oder in der Beschreibung) verwendete technische Begriffe versteht, was allerdings von den Umständen des Einzelfalls abhängt und einen Ausnahmefall darstellt (vgl. BGH GRUR 2004, 413, 416 unter I.4.c) a. E. – Geflügelkörperhalterung), und vorliegend angesichts der wenig komplexen Tatfragen zur Auslegung des fraglichen Merkmals durch ein sachkundig besetztes Gericht nicht in Betracht gekommen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

Schramm Dr. Proksch-Ledig Kätker Dr. Münzberg Dr. Jäger prö

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