Paragraphen in XII ZB 95/25
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Häufigkeit | Paragraph | |
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3 | 1831 | BGB |
3 | 74 | FamFG |
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3 | 1831 | BGB |
3 | 74 | FamFG |
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 95/25 BESCHLUSS vom 11. Juni 2025 in der Unterbringungssache ECLI:DE:BGH:2025:110625BXIIZB95.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Günter und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 25. Februar 2025 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Gründe: I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner weiteren Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung.
Der Betroffene, der an einer paranoiden Schizophrenie mit wiederholten drogenassoziierten Exazerbationen der Psychose leidet, war zunächst aufgrund einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung vom 11. März 2024 in einer psychiatrischen Fachklinik geschlossen untergebracht. Im Oktober 2024 wurde er in die beschützende Abteilung einer psychiatrischen Einrichtung verlegt.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2024 hat der Betreuer beantragt, die Unterbringung des Betroffenen für ein weiteres Jahr über den 10. März 2025 hinaus betreuungsgerichtlich zu genehmigen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 7. Februar 2025 die weitere Unterbringung des Betroffenen bis längstens 20. Januar 2026 genehmigt.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen, wogegen er sich mit der Rechtsbeschwerde wendet.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen vor. Der Betroffene bedürfe aufgrund seiner psychischen Erkrankung bei fehlender Krankheitseinsicht und daraus folgender Unfähigkeit zur freien Willensbestimmung der weiteren Unterbringung, um die konkrete und ernstliche Gefahr einer erheblichen Gesundheitsgefahr abzuwenden. Es sei zu erwarten, dass der Betroffene in einem offenen Setting seine antipsychotische Medikation erneut absetzen würde, so dass rasch wieder mit neuen psychotischen Exazerbationen zu rechnen sei, in denen sich der Betroffene durch desorganisierte Verhaltensweisen erheblich selbst gefährden würde. In Phasen akuter psychotischer Exazerbation mit verzerrter Wahrnehmung und Realitätsverkennung sei der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens „nicht verkehrssicher“ und würde sich nicht nur im Straßenverkehr erheblich selbst gefährden. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Betroffene im Falle einer Entlassung aus dem beschützten Setting seine Medikation weiterhin zuverlässig einnehmen würde, weil er krankheitsbedingt die Notwendigkeit der Einnahme von antipsychotischer Medikation nicht mehr erkennen könne. Zudem sei - wie bereits in der Vergangenheit gezeigt - zu erwarten, dass der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens zusätzlich Drogen konsumieren würde, was letztlich wiederum das Auftreten von psychotischen Exazerbationen fördere.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen zur Gefahrenabwehr gemäß § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht ausreichend festgestellt. Nach dieser Vorschrift ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwar keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten. Dies setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, so dass beispielsweise auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Erforderlich sind aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens. Der Grad der Gefahr ist dabei in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. November 2024 - XII ZB 254/24 - FamRZ 2025, 381 Rn. 8 und vom 15. Mai 2024 - XII ZB 98/24 - FamRZ 2024, 1396 Rn. 8 mwN).
b) Die bislang getroffenen Feststellungen können eine geschlossene Unterbringung des Betroffenen nach diesen Maßstäben nicht rechtfertigen. Zwar leidet der Betroffene - wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - an einer paranoiden Schizophrenie mit wiederholten drogenassoziierten Exazerbationen der Psychose.
Die Beschwerdeentscheidung zeigt jedoch keine hinreichend konkreten Umstände für die Annahme auf, dass der Betroffene sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen würde, wenn seine geschlossene Unterbringung unterbliebe. Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr sind nicht festgestellt und sie ergeben sich auch nicht aus dem Sachverständigengutachten. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts, wonach der Betroffene in einem offenen Setting seine antipsychotische Medikation absetzen würde, so dass rasch wieder mit neuen psychotischen Exazerbationen zu rechnen sei, in denen er sich durch desorganisierte Verhaltensweisen erheblich selbst gefährden würde, lassen für sich genommen noch nicht auf eine erhebliche Gesundheitsgefährdung schließen, der nur mit einer Unterbringung begegnet werden könnte. Ohne nähere Feststellungen zur konkreten Art der befürchteten selbstschädigenden Handlungen und zu den konkreten Auswirkungen eines krisenhaften Krankheitsschubs bestehen keine genügenden Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens, der dem Betroffenen ohne die Unterbringung drohen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2022 - XII ZB 257/22 - FamRZ 2023, 468 Rn. 13). Soweit das Beschwerdegericht weiter ausführt, in Phasen akuter psychotischer Exazerbation mit verzerrter Wahrnehmung und Realitätsverkennung sei der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens „nicht verkehrssicher“ und würde sich im Straßenverkehr erheblich selbst gefährden, bleibt unklar, inwiefern solche Gefahren krankheitsbedingt konkret dem Betroffenen drohen sollen. Schließlich lässt auch die Erwägung des Beschwerdegerichts, es sei zu erwarten, dass der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens zusätzlich Drogen konsumieren würde, was letztlich wiederum das Auftreten von psychotischen Exazerbationen fördere, für sich genommen noch nicht auf eine erhebliche Gesundheitsgefährdung schließen, der nur mit einer Unterbringung begegnet werden könnte.
3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben, und die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Guhling Krüger Klinkhammer Recknagel Günter Vorinstanzen: AG Cham, Entscheidung vom 07.02.2025 - 7 XVII 447/24 LG Regensburg, Entscheidung vom 25.02.2025 - 53 T 54/25 -
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3 | 1831 | BGB |
3 | 74 | FamFG |
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3 | 1831 | BGB |
3 | 74 | FamFG |
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