5 ZA (pat) 14/16
BUNDESPATENTGERICHT ZA (pat) 14/16 zu 5 Ni 67/09 (EU)
führend verbunden mit 5 Ni 77/09 (EU)
KoF 189/14
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 152ni_adler 07.12
-2…
betreffend das europäische Patent … (DE …)
(hier: Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 29. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens und den Richter Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi beschlossen:
1. Die Erinnerung der Beklagten gegen Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin 16. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
den vom
2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens beträgt 300.303,33 Euro.
Gründe I.
Mit Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2014 (X ZR 35/11) sind u. a. die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt worden mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der früheren Streithelferin der Klägerin zu 2 sowie der Mehrkosten, die durch den Klägerwechsel (auf Seiten der Klägerin zu 1) entstanden sind. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof wurde durch Beschluss vom selben Tag auf 30.000.000,- € festgesetzt. In entsprechender Höhe hatte der Senat den Streitwert durch Beschluss vom 17. März 2010 festgesetzt; die dagegen erhobene Gegenvorstellung ist durch Beschluss vom 7. Juli 2015 zurückgewiesen worden.
Die Klägerin zu 2 hat am 1. Dezember 2014 Antrag auf Kostenfestsetzung für beide Instanzen gestellt, dem die Beklagte, insbesondere hinsichtlich der Gerichtskosten der 1. Instanz und der Kosten der Vertretung durch einen Rechtsanwalt neben einem Patentanwalt, widersprochen hat.
Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Februar 2016 der Klägerin zu 2 auch die oben genannten, von der Beklagten nicht als erstattungsfähig angesehenen, Kosten zugesprochen.
Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 23. Februar 2016 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung der Beklagten, die am 7. März 2016 bei Gericht eingegangen ist. Die Beklagte hält das Festsetzungsverlangen der Klägerin zu 2) bezüglich der Gerichtskosten der 1. Instanz mit der Begründung für rechtsmissbräuchlich, diese hätte der Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 als weitere Klägerin beitreten können, ohne dass dadurch weitere Gerichtskosten entstanden wären. In Kenntnis dieser Nichtigkeitsklage und in Erwartung der Verbindung der beiden Nichtigkeitsverfahren habe die Klägerin zu 2 eine selbständige Nichtigkeitsklage nur deshalb erhoben, um das Kostenrisiko für die Beklagte zu erhöhen. Die Beklagte wendet sich darüber hinaus gegen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt im Patentnichtigkeitsverfahren, soweit dieser nicht personenidentisch ist mit dem im parallelen Verletzungsrechtsstreit auftretenden Rechtsanwalt. In diesem Fall greife nach Ansicht der Beklagten die Argumentation mit einer notwendigen Abstimmung der beiden Verfahren nicht mehr. Dies gelte umso mehr, wenn wie hier andere Anwälte die Klägerin zu 2) im Verletzungsverfahren vertreten. Es sei nicht ersichtlich, wieso ein weiterer Anwalt, nämlich Rechtsanwalt Emde, für die Klägerin zu 2) im Nichtigkeitsverfahren auftreten sollte.
Die Beklagte und Erinnerungsführerin, die ausdrücklich lediglich den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt hat, beantragt in der Sache sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 16. Februar 2016 insoweit abzuändern, als die geltend gemachten durch die Klägerin zu 2 verauslagten Gerichtskosten (68.612,- Euro) sowie deren Rechtsanwaltskosten 1. Instanz (231.691,33 Euro) als nicht erstattungsfähig abzusetzen sind.
Die Klägerin zu 2 und Erinnerungsgegnerin hält den angefochtenen Beschluss in beiden Punkten für zutreffend und beantragt,
die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Februar 2016 zurückzuweisen.
Die Klägerin zu 2 hält die Rechtsauffassung der Beklagten, das Kostenfestsetzungsverlangen der Klägerin hinsichtlich der erstinstanzlich angefallenen Gerichtsgebühren sei rechtsmissbräuchlich, für unhaltbar und tritt auch den Ausführungen zur angeblichen Nicht-Erstattungsfähigkeit der Kosten der am Nichtigkeitsverfahren beteiligten Rechtsanwälte entgegen.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (vgl. Mitteilung vom 9. Juni 2016).
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
1. Nach Abgabe des technischen Fachgebiets (H04 Q) mit Ablauf des Jahres 2015 besteht die Zuständigkeit des 5. Senats (Nichtigkeitssenat) im Erinnerungsverfahren fort (vgl. Abschnitt E. I. 4.c) der Geschäftsverteilung des Bundespatentgerichts für das Geschäftsjahr 2016). Der dem Senat für diesen Fall zugewiesene technische Richter ergibt sich aus der geltenden internen Geschäftsverteilung des 19. Senats (Technischer Beschwerdesenat).
2. Die zulässige Erinnerung der Beklagten (§§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 104 ZPO i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 RPflG) hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Die von der Klägerin zu 2 verauslagten Gerichtskosten sind erstattungsfähig, da sich die Erhebung der weiteren Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent entgegen der Auffassung der Beklagten als nicht rechtsmissbräuchlich erweist. Zu Recht weist die Klägerin zu 2 darauf hin, dass eine Nichtigkeitsklage gemäß § 81 PatG von jedermann erhoben werden kann. Auch unter dem Gebot der sparsamen Prozessführung kann es keine Verpflichtung für die Klägerin zu 2 geben, sich der Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 anzuschließen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun (vgl. BGH NJW 12, 2734, insb. Rn. 9 m. w. N.). Dass die Verfolgung berechtigter Interessen im Falle der Durchsetzung beim Gegner Kosten auslöst, kann nicht dazu führen, dass das Vorgehen als nicht erforderlich oder sogar als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Nach der gesetzlichen Regelung für das Nichtigkeitsverfahren war die Klägerin zu 2 nicht verpflichtet, sich der bereits anhängigen Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 anzuschließen. Welche Gründe für sie ausschlaggebend waren, dies nicht zu tun, kann somit dahingestellt bleiben.
Der Grundsatz, der es nach der Rechtsprechung einer Nichtigkeitsklägerin wegen der Systematik der §§ 81 ff PatG freistellt, ob und wann sie eine Klage anhängig macht (vgl. BGH, Urteil vom 18.3.2014, X ZR 77/12 – Proteintrennung, Rn. 15), gilt auch im vorliegenden Fall. Wird eine Klägerin wegen Patentverletzung in Anspruch genommen, kann es unter keinen Umständen als rechtsmissbräuchlich gewertet werden, wenn sie den Bestand des Streitpatents mit einer Nichtigkeitsklage überprüfen lässt und zwar unabhängig davon, ob andere Verletzungsbeklagte bereits eine Nichtigkeitsklage erhoben haben. Mit der Erteilung des Schutzrechts werden dem Patentinhaber grundsätzlich rechtliche Befugnisse gegenüber der Allgemeinheit eingeräumt; das damit verbundene Kostenrisiko für den Patentinhaber ist der gesetzlichen Regelung der §§ 81 ff. PatG immanent (BGH a. a. O., Rn. 22). Sein Kostenrisiko erhöht sich naturgemäß, wenn er aus dem Streitpatent gegen Dritte vorgeht. Macht er mehrere Klagen gegen potentielle Verletzter anhängig, erhöht dies bereits sein Kostenrisiko. In der Folge kann es nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn jeder Verletzungsbeklagte separat mit der nach dem Gesetz vorgesehenen Verteidigungsmöglichkeit reagiert. Das damit verbundene erhöhte Kostenrisiko hat der Patentinhaber hinzunehmen. Dass die Patentinhaberin im Übrigen durch die Klage der Klägerin zu 2 in unzumutbarer Weise mit Kosten belegt worden wäre, hat die Beklagte weder geltend gemacht noch ist das ersichtlich.
b) Die Erinnerung der Beklagten ist auch insoweit zurückzuweisen, als sie geltend macht, die Rechtsanwaltskosten erster Instanz seien nicht erstattungsfähig, da im Patentnichtigkeitsverfahren lediglich Rechtsanwalt Emde neben Patentanwalt Carstens prozessbevollmächtigt war, der seinerseits jedoch zu keinem Zeitpunkt am parallelen Verletzungsverfahren beteiligt war.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende Partei oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener Dritter beteiligt ist (BGH, Beschl. v. 18.12.2012 – X ZB 11/12, GRUR 2013, 427 – Rn. 26 – Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren). Aus dieser Entscheidung, die maßgeblich auf den Abstimmungsbedarf zwischen beiden Verfahren abstellt, ergeben sich keine Anhaltspunkte, die für die Annahme der Beklagten sprechen, die Personenidentität zwischen den jeweiligen Prozessbevollmächtigten sei Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit. Da die Beklagte im Übrigen nicht in Abrede stellt, dass ein paralleles Verletzungsverfahren zeitgleich anhängig war, beansprucht die Klägerin zu 2 die Rechtsanwaltskosten zu Recht. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellen würde, dass eine Personenidentität Voraussetzung für den Erstattungsanspruch wäre, hat die Rechtspflegerin zutreffend die Kosten in Ansatz gebracht. Laut Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 17. März und vom 1. Dezember 2010 vor dem Bundespatentgericht (vgl. Gerichtsakte Bl. 657 ff. bzw. Bl. 1083 ff.) war für die Klägerin zu 2 jeweils auch Rechtsanwalt … erschienen, der diese unstreitig im Verletzungsverfahren vertreten hat. Damit sind die geltend gemachten Gebühren und Auslagen jedenfalls entstanden, zumal die Personenidentität gewahrt ist. Ob daneben ein weiterer rechtsanwaltlicher Vertreter aufgetreten ist, ist ohne Belang, insbesondere nachdem die Beklagte gegen die Höhe der Rechtsanwaltskosten erster Instanz keine Einwände erhoben hat.
c) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO war nicht geboten, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 nicht vorliegen (§ 574 Abs. 3 ZPO). Mit der vorliegenden Entscheidung folgt der Senat den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Grundsätzen zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Klage (vgl. BGH a. a. O. - Proteintrennung) bzw.
zu den Doppelvertretungskosten im Patentnichtigkeitsverfahren (vgl. gleichnamige Entscheidung des BGH, Beschl. v. 18.12.2012). Die Sache hat vor diesem Hintergrund auch keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 574 Abs. 2 Nr. 1. ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus der Addition der mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Beträge.
Voit Martens Arnoldi Pr