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I ZB 53/24

I ZB 53/24 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 18. Juni 2025 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend die Marke Nr. 30 2011 064 111 ECLI:DE:BGH:2025:180625BIZB53.24.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juni 2025 durch den Richter Feddersen, die Richterinnen Dr. Schwonke, Pohl, Dr. Schmaltz und Wille beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 5. Juli 2024 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Gründe:

I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 25. Januar 2012 die Wortmarke Nr. 30 2011 064 111 "Erdmann & Rossi" für Waren und Dienstleistungen der Klasse 12 (Kraftfahrzeuge, insbesondere getunte PKW; Karosserien für Kraftfahrzeuge), der Klasse 37 (Instandsetzung, Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen, insbesondere Karosserien für PKW) und der Klasse 42 (Design, Formgebung und technische Entwicklung von Karosserien für Kraftfahrzeuge) in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen.

Die im Jahr 1908 gegründete Firma E. & R. war vor dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bau hochwertiger Karosserien für Fahrzeuge befasst. Danach befasste sich die E. & R. GmbH & Co. KG mit der Reparatur und dem Lackieren von Karosserien. Im Jahr 1984 erwarb F. S. die Anteile an der E. & R. GmbH & Co. KG und verschmolz diese auf ihre Komplementärin, als deren Geschäftsführer er fortan tätig wurde. Die nunmehr als E. & R. GmbH firmierende Gesellschaft war zunächst weiter als Lackiererei und seit 1994 auch als freie Fahrzeugwerkstatt tätig. Im Jahr 2006 stellte sie diesen Betrieb ein. Seither befasst sie sich mit der Vermietung und Verpachtung von Gewerberäumen ihres Geschäftsführers.

Nachdem Interessenten den Wunsch nach dem Erwerb einer Lizenz zur Nutzung des Zeichens "Erdmann & Rossi" bekundet hatten, beauftragte die E. & R. GmbH im Herbst 2010 eine Rechtsanwaltskanzlei, deren Partner der Antragsteller ist, mit der Anmeldung einer deutschen Marke "Erdmann & Rossi" und der Ausarbeitung eines Lizenzvertrags. Die Rechtsanwaltskanzlei meldete für die E. & R. GmbH am 1. Dezember 2010 beim DPMA das Zeichen "Erdmann & Rossi" als Wortmarke für Waren und Dienstleistungen der Klasse 12 (Kraftfahrzeuge; Karosserien), der Klasse 36 (Vermögensverwaltung; Vermietung und Verpachtung von Geschäfts- und Gewerberäumen) und der Klasse 37 (Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und Aufbauten zu Kraftfahrzeugen) an. Aus zwischen den Beteiligten streitigen Gründen zahlte die E. & R. GmbH in den folgenden drei Monaten die Anmeldegebühr nicht ein. Das DPMA sah die Markenanmeldung daher als zurückgenommen an.

Wenige Tage nach der Mandatsbeendigung meldete der Antragsteller am 9. März 2011 ohne Rücksprache mit der E. & R. GmbH beim DPMA im eigenen Namen die sodann am 26. Mai 2011 eingetragene Wortmarke "Erdmann & Rossi" für Waren und Dienstleistungen der Klasse 12 (Kraftfahrzeuge, insbesondere getunte Kraftwagen; Karosserien für Kraftfahrzeuge), der Klasse 37 (Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und Aufbauten zu Kraftfahrzeugen; Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen) und der Klasse 42 (Design und Formgebung sowie technische Entwicklung von Karosserien für Kraftfahrzeuge; Planung von Fabrikationseinrichtungen; Konstruktion von Werkzeugen und Anlagen für den Kraftfahrzeugbau) an. Am 19. September 2011 meldete der Antragsteller außerdem beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Unionswortmarke "Erdmann & Rossi" für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 37 und 42 an. Nach der Eintragung der Unionsmarke am 3. Februar 2012 verzichtete der Antragsteller mit Wirkung zum 20. September 2013 auf die deutsche Marke.

Im September 2011 wandte sich ein weiterer Interessent wegen der Lizenzierung des Zeichens "Erdmann & Rossi" an die E. & R. GmbH. Am 25. November 2011 meldete die Gesellschaft (im Weiteren auch Markeninhaberin) beim DPMA die eingangs genannte und sodann am 25. Januar 2012 eingetragene deutsche Wortmarke "Erdmann & Rossi" an. Zuvor hatte sie gegen den Antragsteller am 14. November 2011 eine Schadensersatzklage auf Übertragung seiner Marken wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen eingereicht. Das Landgericht Berlin wies die Klage am 9. Oktober 2012 mit der Begründung ab, der Antragsteller habe zwar anwaltliche Überwachungs- und Belehrungspflichten hinsichtlich der Zahlung der Anmeldegebühr sowie die Pflicht zum Hinweis auf eine mögliche Neuanmeldung der Marke verletzt. Diese Pflichtverletzungen seien jedoch nicht ursächlich dafür geworden, dass die E. & R. GmbH die Gebühr nicht rechtzeitig eingezahlt und die Markenanmeldung nicht zeitnah wiederholt habe. Die dagegen gerichtete Berufung der Markeninhaberin blieb erfolglos.

Der Antragsteller erhob gegen die Eintragung der Marke für die Markeninhaberin am 27. Februar 2012 Widerspruch aus seiner Unionsmarke. Die Markeninhaberin beantragte am 26. März 2014 beim EUIPO die Erklärung der Nichtigkeit der Unionsmarke des Antragstellers wegen dessen Bösgläubigkeit. Der Antrag hatte letztendlich Erfolg (vgl. EuGH, Urteil vom 24. März 2022 - C-529/18 und C-531/18, NJW 2023, 1709 - PJ / EUIPO [Erdmann & Rossi]). Darauf löschte das EUIPO am 26. September 2022 die Unionsmarke des Antragstellers aus dem Register. Das Bundespatentgericht verwarf den Widerspruch des Antragstellers gegen die Eintragung der deutschen Marke für die Markeninhaberin mit rechtskräftigem Beschluss vom 28. Juni 2023 (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZB 63/23, GRUR 2025, 686) als unzulässig.

Bereits am 24. Februar 2017 hat der Antragsteller beim DPMA die Löschung der Marke der Markeninhaberin wegen deren Bösgläubigkeit beantragt. Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag widersprochen.

Das DPMA hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Das Bundespatentgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er Verletzungen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt. Die Markeninhaberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, der Löschungsantrag des Antragstellers sei unbegründet, weil die Markeninhaberin bei der Anmeldung ihrer Marke nicht bösgläubig gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Anmeldung der angegriffenen Marke sei nicht wegen Störung eines schutzwürdigen Besitzstands des Antragstellers als bösgläubig anzusehen. Der Antragsteller habe im Zeitpunkt der Markenanmeldung nicht über einen schutzwürdigen Besitzstand verfügt. Die Unionsmarke könne wegen ihrer rechtskräftigen rückwirkenden Erklärung für nichtig keine Grundlage für einen Besitzstand sein. Ein etwaiger Besitzstand des Antragstellers an seiner bei Anmeldung der angegriffenen Marke noch in Kraft stehenden deutschen Marke sei nicht schutzwürdig, weil der Antragsteller die Marke unter Verletzung seiner nachvertraglichen Pflichten aus dem Mandatsverhältnis zum Nachteil der Markeninhaberin bösgläubig angemeldet habe.

Es könne auch nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Markeninhaberin bei der Anmeldung ihrer Marke ein genereller Benutzungswille gefehlt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass sie die angegriffene Marke im damaligen Zeitpunkt der Benutzung durch Dritte im Wege der Lizenzierung habe zuführen wollen.

Ebenso wenig könne angenommen werden, dass die Markeninhaberin die angegriffene Marke mit dem Ziel angemeldet habe, deren Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs gegen den Antragsteller einzusetzen. Ihre etwaige Absicht zur Behinderung des Antragstellers sei wegen ihrer damaligen Bestrebungen, das Zeichen "Erdmann & Rossi" einer Lizenzierung zuzuführen, nicht ihr wesentliches Motiv für die Anmeldung der Marke gewesen. Darüber hinaus führte bei Gesamtabwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls eine mögliche Behinderungsabsicht der Markeninhaberin wegen der vorangegangenen erheblichen anwaltlichen Pflichtverletzungen des Antragstellers nicht zu ihrer Bösgläubigkeit.

Die Anmeldung der Marke sei auch nicht aus anderen Gründen als bösgläubig anzusehen. Die Markeninhaberin sei gegen die älteren Marken des Antragstellers vorgegangen. Sie habe bereits vor der Anmeldung ihrer Marke eine Klage eingereicht, die darauf gerichtet gewesen sei, dem Antragsteller seinen möglichen Besitzstand an der deutschen Marke zu entziehen, und nach rechtskräftiger Abweisung dieser Klage die Erklärung der Nichtigkeit seiner Unionsmarke beantragt. Eine Bösgläubigkeit der Markeninhaberin könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass sie bei der Anmeldung der angegriffenen Marke nicht das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihrer früheren Anmeldung übernommen, sondern sich an den Markenanmeldungen des Antragstellers orientiert habe.

III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf Versagungen des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Diese Rügen hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2025, 686 [juris Rn. 15]; BGH, Beschluss vom 24. April 2025 - I ZB 50/24, juris Rn. 8).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Bundespatentgericht hat den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festzustellen, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, FamRZ 2013, 1953 [juris Rn. 14]; NVwZ 2019, 1276 [juris Rn. 17]; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2023 - I ZB 55/22, MarkenR 2023, 329 [juris Rn. 11]; Beschluss vom 12. Oktober 2023 - I ZR 42/23, GRUR-RR 2024, 130 [juris Rn. 12]). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfG, NJW-RR 2018, 694 [juris Rn. 18]; NVwZ 2019, 1276 [juris Rn. 17]; BGH, GRUR-RR 2024, 130 [juris Rn. 12]; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2024 - I ZR 152/23, GRUR 2024, 1836 [juris Rn. 14]). Gleiches gilt, wenn sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinandersetzt, sondern mit Leerformeln über diesen hinwegsetzt und die Begründung seiner Entscheidung daher nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2016 - I ZB 76/15, SchiedsVZ 2016, 343 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 18. Juli 2019 - I ZB 90/18, SchiedsVZ 2020, 46 [juris Rn. 10]).

b) Die Rechtsbeschwerde macht erfolglos geltend, das Bundespatentgericht habe den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es seinen Kernvortrag zu einer Vorlagepflicht mit Blick auf die Entscheidung "Simca Europe / HABM - PSA Peugeot Citroën" des Gerichts der Europäischen Union (EuG, Urteil vom 8. Mai 2014 - T-327/12, GRUR Int. 2014, 1047) verkannt und deshalb von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen habe.

aa) Eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV stellt eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG dar, wenn das Bundespatentgericht entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen hat, mit dem dieser geltend gemacht hat, der Streitfall werfe eine Zweifelsfrage zur Auslegung des Unionsrechts auf, so dass die Sache gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 6/12, GRUR 2014, 1132 [juris Rn. 12 und 19] = WRP 2014, 1320 - Schwarzwälder Schinken I; Beschluss vom 9. November 2017 - I ZB 17/17, juris Rn. 20; Beschluss vom 30. April 2020 - I ZB 101/19, juris Rn. 16).

bb) Die Rechtsbeschwerde führt an, der Antragsteller habe vorgebracht, der vorliegende Sachverhalt sei in wesentlichen Elementen mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Urteil "Simca" des Gerichts der Europäischen Union (EuG, GRUR Int. 2014, 1047) zugrunde gelegen habe. Das Gericht der Europäischen Union sei von der Bösgläubigkeit des Anmelders der Marke "Simca" ausgegangen, weil er das Zeichen in Kenntnis identischer älterer Marken und ihres guten Rufs angemeldet habe, ohne zuvor einen Antrag auf Löschung der vorbestehenden Marken zu stellen. Auch im vorliegenden Fall habe die Markeninhaberin Kenntnis von den beiden Marken des Antragstellers und dem erheblichen Bekanntheitsgrad der Bezeichnung "Erdmann & Rossi" gehabt. Sie habe eine übereinstimmende Marke angemeldet, ohne dass sie vorher die Löschung der Marken des Antragstellers beantragt habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union hätte die Markeninhaberin jedoch zuerst die vorbestehenden Marken des Antragstellers in einem geordneten formellen Verfahren vor den dafür zuständigen Ämtern löschen lassen müssen und erst danach ihre Marke anmelden dürfen. Mit Blick darauf habe der Antragsteller eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union beantragt, falls das Bundespatentgericht entgegen der Entscheidung "Simca" des Gerichts der Europäischen Union annehmen wolle, die Markeninhaberin habe ihre Marke anmelden dürfen, ohne die vorbestehenden Marken des Antragstellers zuvor löschen zu lassen.

Diesen Vortrag habe das Bundespatentgericht grundlegend missverstanden. Es habe nicht erkannt, dass die Kernthese des Antragstellers darin bestanden habe, nach der Entscheidung "Simca" des Gerichts der Europäischen Union könne der Inhaber einer Marke nur dann vom Fehlen eines schutzwürdigen Besitzstands des Inhabers übereinstimmender älterer Marken ausgehen, wenn er vor der Anmeldung seiner Marke einen Antrag auf Löschung der älteren Marken gestellt habe und bei der Anmeldung seiner Marke das Löschungsverfahren erfolgreich abgeschlossen sei.

cc) Das Bundespatentgericht hat diesen Vortrag des Antragstellers zur Kenntnis genommen. Es hat allerdings angenommen, das Gericht der Europäischen Union habe in der Entscheidung "Simca" unter anderem darauf abgestellt, dass der Inhaber der angegriffenen Marke keinen Verfallsantrag gegen die älteren Marken gestellt und lediglich vorgetragen habe, er werde solche Anträge noch stellen (vgl. EuG, GRUR Int. 2014, 1047 [juris Rn. 45] - Simca Europe / HABM - PSA Peugeot Citroën [Simca]). Anders als in der vom Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidung habe vorliegend die Markeninhaberin jedoch noch vor der Anmeldung ihrer Marke eine Klage auf Übertragung der älteren deutschen Marke des Antragstellers eingereicht und damit ein formelles Verfahren eingeleitet, um dem Antragsteller seinen möglichen Besitzstand zu entziehen. Zudem habe sie, nachdem die Klage rechtskräftig abgewiesen worden sei, nach etwas mehr als drei Monaten die Erklärung der Nichtigkeit der Unionsmarke des Antragstellers beantragt. Die Markeninhaberin sei demnach gegen die älteren Marken des Antragstellers vorgegangen und habe nicht nur vorgetragen, dies tun zu wollen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers könne daher im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union nicht von einer Bösgläubigkeit der Markeninhaberin ausgegangen werden. Die vom Antragsteller vorsorglich angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei folglich nicht angezeigt.

dd) Das Bundespatentgericht hat sich demnach mit der Argumentation des Antragstellers inhaltlich auseinandergesetzt. Es hat der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union "Simca" jedoch - abweichend von den Ausführungen des Antragstellers - entnommen, der Vorwurf der Bösgläubigkeit könne durch die Einleitung eines förmlichen Verfahrens jedweder Art entkräftet werden, mit dem der Anmelder zum Ausdruck bringe, er sehe den Besitzstand des Inhabers der älteren Marken als nicht schützenswert an, und mit dem er anstrebe, dem Markeninhaber die Rechte an den Marken zu entziehen. Solche förmlichen rechtlichen Schritte hat das Bundespatentgericht in der von der Markeninhaberin vor der Anmeldung ihrer Marke eingereichten - zwar erfolglosen, aber aus Sicht des Bundespatentgerichts das Fehlen eines schutzwürdigen Besitzstands des Antragstellers wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen bestätigenden - Klage der Markeninhaberin auf Übertragung der deutschen Marke (tatsächlich auch der Unionsmarke) des Antragstellers sowie in ihrem nachfolgenden Antrag auf Erklärung der Unionsmarke des Antragstellers für nichtig gesehen, ohne dass es den Ausgang dieser Verfahren für maßgeblich erachtet hat.

Dass das Bundespatentgericht das Urteil "Simca" des Gerichts der Europäischen Union (GRUR Int. 2014, 1047) anders als der Antragsteller ausgelegt, auf der Grundlage dieses Verständnisses seine eigene Beurteilung mit jener Entscheidung im Einklang gesehen und deshalb von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daraus jedoch andere rechtliche Schlüsse als die vortragende Partei gezogen hat. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2017 - I ZB 59/16, GRUR 2018, 111 [juris Rn. 11] = WRP 2018, 197 - PLOMBIR; BGH, MarkenR 2023, 329 [juris Rn. 11]; BGH, Beschluss vom 1. Juni 2023 - I ZB 65/22, GRUR 2023, 1293 [juris Rn. 20] = WRP 2023, 1089 - Silver Horse/Power Horse).

c) Die Rechtsbeschwerde führt ohne Erfolg an, das Bundespatentgericht habe den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt, indem es von der angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen habe, ohne den Beteiligten vorab einen rechtlichen Hinweis zu erteilen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Hätte es auf seine im angegriffenen Beschluss später zum Ausdruck gekommene Rechtsansicht hingewiesen, hätte der Antragsteller klargestellt, dass die Würdigung des Bundespatentgerichts auf einem grundlegenden Missverständnis seines Rechtsvortrags zu der Entscheidung "Simca" des Gerichts der Europäischen Union (GRUR Int. 2014, 1047) beruhe und bei richtigem Verständnis die Bösgläubigkeit der Markeninhaberin zu bejahen, jedenfalls aber eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union geboten sei.

aa) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn das Bundespatentgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ohne einen vorherigen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten unterlässt, sofern ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretener Rechtsauffassungen - damit nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte (BGH, GRUR 2014, 1132 [juris Rn. 19] - Schwarzwälder Schinken I).

bb) Nach diesen Grundsätzen war das Bundespatentgericht nicht gehalten, den Antragsteller auf seine von dessen Verständnis abweichende Auslegung des Urteils "Simca" des Gerichts der Europäischen Union (GRUR Int. 2014, 1047) hinzuweisen. Der rechtlich versierte und zudem anwaltlich vertretene Antragsteller musste damit rechnen, dass das Bundespatentgericht die Entscheidung anders als er deuten und die Annahme, die Markeninhaberin habe hinreichende rechtliche Schritte zur Beseitigung des als nicht schutzwürdig angesehenen Besitzstands des Antragstellers ergriffen, als damit in Einklang stehend ansehen werde.

Das Gericht der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung ausgeführt, bei der Beurteilung der Bösgläubigkeit des Markenanmelders sei zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke "Simca" trotz Kenntnis des Anmelders von der Existenz älterer "SIMCA"-Marken angemeldet worden sei. Der Anmelder habe auch keine Verfallsanträge gegen die älteren Marken gestellt. Vielmehr sei dem Gericht lediglich vorgetragen worden, solche Anträge würden noch gestellt werden. Soweit bereits Schritte zur Löschung älterer Marken unternommen worden seien, beträfen diese andere als die in Rede stehenden älteren Marken. Der Anmelder der angegriffenen Marke sei nicht in der Position gewesen, ohne dass ein Antrag auf Löschung der nicht mehr benutzten älteren Marken gestellt worden wäre, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass "kein schützenswerter Besitzstand" des Inhabers der älteren Marken bestanden habe (EuG, GRUR Int. 2014, 1047 [juris Rn. 45 und 63] - Simca). Diesen Ausführungen ist nicht zwingend zu entnehmen, dass das Gericht der Europäischen Union von der Bösgläubigkeit des Markenanmelders ausgeht, wenn er vor der Anmeldung seiner Marke nicht die älteren Marken zur Löschung gebracht hat. Dann aber konnte der Antragsteller nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Bundespatentgericht seine vorgetragene Interpretation der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union teilen werde.

d) Die Rechtsbeschwerde rügt vergeblich, das Bundespatentgericht habe den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es seinen Vortrag, das Verhalten der Markeninhaberin entbehre jeder "unternehmerischen Logik", allenfalls nach dem äußeren Wortlaut, aber nicht nach seinem Sinn zur Kenntnis genommen habe.

aa) Die Rechtsbeschwerde führt an, der Antragsteller habe unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Gerichts der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs sowie der Auffassung des EUIPO vorgebracht, bereits am Anmeldetag sei eine sinnvolle Benutzung der angegriffenen Marke unter Berücksichtigung der Natur und des Gesellschaftszwecks der Markeninhaberin nicht ernsthaft in Betracht gekommen. Die Markeninhaberin sei vor der Anmeldung der Marke weder im Automobilbereich noch im diesbezüglichen Markenlizenzhandel tätig gewesen. Auch nach der Anmeldung und Eintragung der Marke habe die Markeninhaberin nichts unternommen, um ihren Geschäftsbetrieb auf die Benutzung der Marke auszurichten und mit Blick auf den international geprägten Automobilmarkt in anderen Ländern Marken anzumelden. Für ihre satzungsgemäße Tätigkeit der Vermietung und Verpachtung von Gewerberäumen könne die Markeninhaberin die Marke nicht sinnvoll verwenden. Stattdessen setze sie ihre einzige Marke seit Jahren dazu ein, um den Antragsteller durch Anträge bei Behörden und die Erhebung von Klagen mit Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen zu überziehen. Hätte das Bundespatentgericht den Rechtsvortrag des Antragstellers inhaltlich verstanden, hätte es erkennen müssen, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke nicht der "unternehmerischen Logik" entsprochen, sondern ausschließlich auf die Behinderung des Antragstellers abgezielt habe und deshalb bösgläubig erfolgt sei.

bb) Das Bundespatentgericht hat das Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis genommen. Es hat jedoch angenommen, im Kontext der vom Antragsteller angesprochenen unternehmerischen Logik sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs ein gegen die Bösgläubigkeit sprechender genereller Benutzungswille des Markenanmelders auch dann zu bejahen sei, wenn er die Marke nicht selbst zu verwenden beabsichtige, sondern einem Dritten zur Benutzung zuführen wolle. Die Markeninhaberin habe im Laufe des Jahres 2010 die Absicht entwickelt, das Zeichen "Erdmann & Rossi" im Wege der Lizenzierung zu nutzen, und demgemäß die Rechtsanwaltskanzlei des Antragstellers mit der Anmeldung einer deutschen Marke und der Ausarbeitung eines Lizenzvertrags für dieses Zeichen beauftragt. Zudem habe sich kurz vor der Anmeldung der angegriffenen Marke ein weiterer Interessent an die Markeninhaberin wegen der Lizenzierung des Zeichens "Erdmann & Rossi" gewandt. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Markeninhaberin in dem allein maßgeblichen Anmeldezeitpunkt die angegriffene Marke einer Benutzung durch Dritte im Wege der Lizenzierung habe zuführen wollen. Dass sie dabei nicht das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihrer früheren Anmeldung übernommen, sondern sich an den Marken des Antragstellers orientiert habe, könne darauf beruhen, dass sie oder der potentielle Lizenznehmer an der Vermietung und Verpachtung von Geschäfts- und Gewerberäumen nicht (mehr) interessiert gewesen sei oder sie die Vorstellung gehabt habe, der Antragsteller habe die ursprünglich ausgearbeitete Markenanmeldung aufgrund neuer Erkenntnisse optimiert. Die Versuche der Markeninhaberin, "Erdmann & Rossi"-Marken in der Schweiz und in der Europäischen Union schützen zu lassen, könnten ihr nicht vorgehalten werden.

cc) Die Ausführungen des Bundespatentgerichts zeigen, dass es sich mit dem Vortrag des Antragstellers zu dem Unternehmensgegenstand und dem Vorgehen der Markeninhaberin inhaltlich auseinandergesetzt, das Verhalten der Markeninhaberin jedoch rechtlich abweichend gewürdigt hat. Auf der Grundlage seiner Würdigung hat das Bundespatentgericht dem Vorgehen der Markeninhaberin - anders als der Antragsteller - nicht jegliche "unternehmerische Logik" abgesprochen. Soweit die Rechtsbeschwerde anführt, die Annahme des Bundespatentgerichts, die Anmeldung der angegriffenen Marke habe der "unternehmerischen Logik" entsprochen, sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Gerichts der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar, rügt sie in der Sache einen Rechtsanwendungsfehler, der eine Gehörsrechtsverletzung im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen vermag.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Feddersen Schwonke Pohl Schmaltz Wille Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 05.07.2024 - 28 W (pat) 55/18 -

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