19 W (pat) 9/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/14 Verkündet am 9. Juni 2016
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 199 20 222 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2016 unter Mitwirkung des Richters Dr.-Ing. Scholz als Vorsitzender, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Ing. Matter BPatG 154 05.11 beschlossen:
1. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen. 2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 3. Mai 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist das Patent 199 20 222 mit der Bezeichnung
„Verfahren und Anordnung zum Identifizieren des Benutzers eines Mobiltelefons oder zum Mithören der abgehenden Gespräche“
erteilt worden. Die Patenterteilung ist am 22. November 2012 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent hat die CellXion Limited, in C……… … mit Schriftsatz vom 20. Februar 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechende hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG) und unzulässig erweitert, da er über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende u. a. auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
E5 RIEGER, F.: Ambulantes GSM-Abhören. In: Die Datenschleuder, Nr. 60, September 1997, Chaos Computer Club e. V. Hamburg, ISSN 0930-1045,
Seiten 11, 12.
E6 Walke, B.: Mobilfunknetze und ihre Protokolle,
Band 1, Grundlagen, GSM, UMTS und andere zellulare Mobilfunknetze, 1. Auflage aus 1998,
B.G.Teubner, Stuttgart, Seiten 135 bis 209 und bis 261. 1998. ISBN 3-519-06430-8.
E9 Mouly, M.; Pautet, M.-B.: The GSM System for Mobile Communications.
CELL & Sys.,
Palaiseau, France, 1992. S. 432 bis 498. ISBN 2-
9507190-0-7.
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten und hat beantragt, das Patent in vollem Umfang, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge I, Ia, II oder III, aufrechtzuerhalten.
Mit am Ende der Anhörung am 6. November 2013 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 55 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent beschränkt aufrechterhalten. Die Ausfertigungen der schriftlichen Beschlussbegründung vom 11. Dezember 2013 sind den Beteiligten am 16. Dezember 2013 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 13. Januar 2014 und die Beschwerde der Einsprechenden vom 14. Januar 2014, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 13. bzw. 14. Januar 2014.
Mit Schriftsatz vom 14. November 2014 hat die C… ihren Einspruch und ihre Beschwerde zurückgenommen. Sie ist daher nicht mehr am Verfahren beteiligt.
Die Patentinhaberin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. November 2013 aufzuheben und das Patent 199 20 222 im erteilten Umfang,
hilfsweise mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung und Zeichnungen, Figuren 1 und 2, jeweils gemäß Hilfsantrag vom 13. Januar 2014.
Zudem beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet unter Hinzufügung einer Gliederung:
M1 M2.2 M2 M2.1 M3 M3.1 M3.2 M3.3 M4 Verfahren zum Identifizieren eines Mobiltelefons (MS) in einem öffentlichen digitalen zellularen Mobilfunknetz, wobei in räumlicher Nähe zum Mobiltelefon (MS) eine virtuelle Basisstation (VBTS) mit einem damit verbundenen Test-Mobiltelefon (TMS) betrieben wird, wobei eine Basisstation (BTS2) ausgewählt wird, die der dem gewählten Standort zugeordnete [sic] Basisstation (BTS1) benachbart ist, wobei auf deren Kanalfrequenz (BCCH) dann die virtuelle Basisstation (VBTS) mit einem Bereichscode, der von dem dem Standort zugehörigen Bereichscode (LAC) abweicht, betrieben wird, und wobei damit das Mobiltelefon (MS) veranlasst wird, auf die virtuelle Basisstation (VBTS) zu wechseln und ihre Parameter (IMSI, IMEI) mit dieser auszutauschen.
Der erteilte Patentanspruch 8 lautet unter Hinzufügung einer Gliederung:
M1’ Anordnung zum Identifizieren eines Mobiltelefons (MS) in einem öffentlichen digitalen zellularen Mobilfunknetz, M2.2’ die in räumlicher Nähe zum Mobiltelefon (MS) zu betreiben M2’ M2.1’
ist, mit einer virtuellen Basisstation (VBTS) und einem damit verbundenen Test-Mobiltelefon (TMS),
wobei die Anordnung dazu ausgebildet ist, M3.1’ die zum gewählten Standort der Anordnung zugeordnete Ba- M3.4’ M3.1’
sisstation (BTS1), den zum Standort zugehörigen Bereichscode (LAC), sowie zu der Basisstation (BTS1) benachbarte Basisstationen (BTSx) M3.5’ durch eine Zellenabfrage mittels des Test-Mobiltelefons (TMS) zu ermitteln M3’, M3.1’ und eine benachbarte Basisstation (BTS2) auszuwählen, M3.2’ wobei die virtuelle Basisstation (VBTS) dazu ausgebildet ist,
auf der Kanalfrequenz (BCCH) der ausgewählten Basisstation (BTS2) und M3.3’ mit einem Bereichscode, der von dem dem Standort zugehörigen Bereichscode (LAC) abweicht, betrieben zu werden, M4’ wodurch das Mobiltelefon (MS) veranlasst wird, auf die virtuelle Basisstation (VBTS) zu wechseln und ihre Parameter (IMSI, IMEI) mit dieser auszutauschen.
Bei dem Hilfsantrag sind die Verfahrensansprüche 1 bis 7 des erteilten Patents gestrichen. Die verbleibenden Ansprüche nach Hilfsantrag entsprechen den auf eine Anordnung gerichteten Ansprüchen 8 bis 14 des erteilten Patents.
Nach den Ausführungen in dem Absatz 0002 der Patentschrift bestehe bei modernen öffentlichen digitalen zellularen Mobilfunknetzen im öffentlichen Interesse oftmals die Notwendigkeit, den Benutzer eines Mobiltelefons durch Ermittlung seiner IMSI (International Mobile Subscriber Identity) bzw. der IMEI (Internation Mobile Station Equipment Identity) des von ihm benutzten Mobiltelefons zu identifizieren oder sogar dessen Gespräche abzuhören.
Daher sei es Aufgabe der Erfindung, den hierzu berechtigten öffentlichen Diensten, wie z. B. der Polizei, eine Anordnung und ein damit ausführbares Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem in einem digitalen zellularen Mobilfunknetz beliebige Benutzer von Mobiltelefonen identifiziert und deren Gespräche abgehört werden können (Absatz 0003).
Diese Aufgabe werde durch ein Verfahren nach Anspruch 1 und durch eine Anordnung nach Anspruch 8 gelöst.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG).
2. Die Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg.
2.1 Der Senat legt seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Diplomingenieur der elektrischen Nachrichtentechnik mit Hochschulabschluss zugrunde, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Spezifikation und Entwicklung von Geräten für Mobilfunksysteme und über die hierfür erforderlichen Kenntnisse der einschlägigen Mobilfunkstandards verfügt.
Der vom Vertreter der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand, der Fachmann sei ein Fachhochschulingenieur für Sicherheitstechnik, kann nicht überzeugen. Das Streitpatent betrifft nämlich die Entwicklung einer Basisstation sowie eines damit zusammenwirkenden Test-Mobiltelefons, die die Anforderungen des GSM-Mobilfunkstandards erfüllen und darüber hinaus in der Lage sein müssen, die im GSM-Standard vorgesehenen Möglichkeiten zur Abfrage der IMSI bzw. der IMEI eines Mobiltelefons auszuschöpfen. Hierfür ist ersichtlich ein Fachmann zuständig, der über umfassende Kenntnisse des GSMMobilfunkstandards verfügt und mit dem Aufbau und der Funktionsweise entsprechender Basisstationen und Mobiltelefone vertraut ist.
2.2 Der Senat geht bei der Auslegung der Ansprüche von folgendem Hintergrundwissen des Fachmanns aus:
a) In den Merkmalen M1 und M1‘ der Ansprüche 1 bzw. 8 nach Hauptantrag ist von einem öffentlichen digitalen zellularen Mobilfunknetz die Rede. Am Anmeldetag (3. Mai 1999) war das GSM-Mobilfunknetz das in Europa am weitesten verbreitete. Die weiteren Betrachtungen beziehen sich daher, wie auch das Streitpatent (vgl. Absätze 0005, 0006, 0013, 0015, 0018, 0019), auf ein solches GSM-Mobilfunknetz.
b) Das von einem GSM-Mobilfunknetz versorgte Gebiet (PLMN area = public land mobile network area) ist in eine Mehrzahl von ersten Teilgebieten (MSC areas = mobile switching centre areas) unterteilt. Jedes dieser ersten Teilgebiete (MSC areas) ist wiederum in weitere zweite Teilgebiete (location areas) unterteilt. Diese kleineren zweiten Teilgebiete (location areas) umfassen jeweils mehrere bienenwabenartig angeordnete Funkzellen, die jeweils eine Basisstation (BTS = base transceiver station) aufweisen. Eine Basisstation (BTS) versorgt eine Vielzahl von Mobiltelefonen (MS = mobile stations), die sich aktuell in ihrem Empfangsbereich befinden. Die Funkbereiche der bienenwabenartig angeordneten Basisstationen überlappen sich, so dass ein Mobiltelefon regelmäßig gleichzeitig die Signale mehrerer Basisstationen empfängt.
Dem Fachmann ist bekannt, dass jede GSM-Basisstation Informationen über sich und die Basisstationen der benachbarten Zellen über einen speziellen Rundfunksteuerkanal (BCCH = broadcast control channel) auf bestimmten, in benachbarten Zellen voneinander abweichenden Frequenzen mit einer konstanten Sendeleistung aussendet (vgl. Druckschrift E6, Seite 162, Absatz 3; Seite 181, Absatz 3). Die auf dem Rundfunksteuerkanal BCCH1 einer Basisstation BTS1 rundgesendeten Informationen bestehen u. a. aus:
einer Frequenzliste, die angibt, mit welcher Frequenz die benachbarten Basisstationen BTS2, BTS3, … jeweils ihre Rundfunksteuerkanäle BCCH2, BCCH3, … betreiben (vgl. Druckschrift E6, Seite 143, dritter Aufzählungspunkt der zweiten Aufzählung; Druckschrift E9, Seite 456, letzter Absatz, Seite 464, Absatz 2) und
einer Angabe (LAC = location area code bzw. LAI = location area identifier), in welchem zweiten Teilgebiet (location area) sich die von der Basisstation BTS1 aufgespannte Funkzelle befindet (vgl. Druckschrift E6, Seite 207, vorletzter Absatz).
Mithilfe der Frequenzliste überprüft jedes eingeschalte, sich im Ruhemodus („idle mode“, d. h. zwar eingeschaltet, jedoch kein Telefongespräch führend) befindliche Mobiltelefon regelmäßig, von welcher Basisstation BTSx es das beste bzw. stärkste Signal auf dem jeweiligen Rundfunksteuerkanal BCCHx empfängt. BCCH-Signale von weiter entfernten Basisstationen BTSy, deren BCCH-Frequenzen nicht in der aktuell gültigen Frequenzliste aufgeführt sind, werden von dem Mobiltelefon unabhängig von der Signalstärke nicht überprüft.
Wenn das Signal der Basisstation BTS1, auf der das Mobiltelefon bisher eingebucht war, nicht mehr das stärkste ist, etwa weil sich der Benutzer mit seinem Mobiltelefon weiterbewegt hat, es eine Abschattung zwischen Basisstation BTS1 und Mobiltelefon gibt oder die Basisstation BTS1 der Zelle ausgefallen ist, wechselt das Mobiltelefon auf die stärkste benachbarte Basisstation BTS2, BTS3, … (vgl. Druckschrift E6, Seite 182, Absatz 1 und Seite 259, letzter Absatz; Druckschrift E9, Seite 455).
Daher versteht der Fachmann die Angaben in den Merkmalen M3, M3.1, M3.2 bzw. M3‘, M3.1‘ und M3.2‘ so, dass die „virtuelle“ Basisstation VBTS zunächst Kenntnis von der BCCH-Frequenz der ihrem Standort zugeordneten „realen“ Basisstation BTS1 sowie von den BCCH-Frequenzen der Nachbarbasisstationen BTSx erlangen muss. Danach wählt die virtuelle Basisstation VBTS eine der BCCH-Frequenzen der Nachbarbasisstationen BTSx, z. B. die BCCH-Frequenz der Nachbarbasisstation BTS2, als Frequenz für ihren eigenen BCCH-Kanal aus und sendet anschließend auf dieser ausgewählten BCCH-Frequenz GSM-konforme Signale aus.
c) Die im Merkmal M2 bzw. M2‘ erstmals genannte „virtuelle“ Basisstation VBTS muss zumindest so viel der Funktionalität einer „realen“ Basisstation BTS des GSM-Mobilfunknetzes nachbilden, dass ein sich in räumlicher Nähe zur virtuellen Basisstation VBTS befindliches Mobiltelefon, wie in den Merkmalen M4 und M4‘ angegeben, von der dem Standort zugeordneten „realen“ Basisstation BTS1 zu der virtuellen Basisstation VBTS wechselt und dieser seine Parameter (IMSI, IMEI) übermittelt.
d) Dem Fachmann ist – wie vorstehend ausgeführt – bekannt, dass ein Mobiltelefon jedenfalls dann die Basisstation wechselt, wenn der Empfangssignalpegel auf der BCCH-Frequenz einer benachbarten Basisstation, z. B. BTS2, größer ist als auf der BCCH-Frequenz der Basisstation BTS1, auf der das Mobiltelefon (noch) eingebucht ist.
Daher versteht der Fachmann den ersten Teil der Merkmale M4 bzw. M4‘ so, dass der Wechsel des Mobiltelefons von der dem gewählten Standort zugeordneten Basisstation BTS1 auf die virtuelle Basisstation VBTS dadurch veranlasst wird, dass die von der virtuellen Basisstation VBTS ausgesendeten BCCH-Signale am Mobiltelefon mit einem höheren Pegel empfangen werden als die von der dem Standort zugeordneten Basisstation BTS1 ausgesendeten BCCH-Signale.
e) Eine zentrale Datenbank des GSM-Mobilfunknetzes (HLR = Home Location Register) umfasst u. a. die Teilnehmer- bzw. Gerätedaten IMSI, IMEI und die ungefähren Aufenthaltsorte der Mobiltelefone, nämlich in welchem ersten Teilgebiet (MSC area) sie sich befinden (vgl. Druckschrift E9, Seite 460, Absatz 3). Um den Datenverkehr zwischen dem zentralen HLR und der Vielzahl der dezentralen MSCs zu verringern, ist für jedes MSC eine kleinere dezentrale Datenbank (VLR = Visitor Location Register) vorgesehen. In den VLRs ist jeweils eine aus dem HLR stammende Kopie der Datensätze derjenigen Teilnehmer vorhanden, die sich in dem jeweiligen ersten Teilgebiet (MSC area) aufhalten. Dabei ist – verglichen mit dem zentralen HLR – in den dezentralen VLRs ein genauerer Aufenthaltsort der jeweiligen Mobiltelefone gespeichert, nämlich in welchem zweiten Teilgebiet (location area) sie sich aufhalten (vgl. Druckschrift E6, Seite 147, letzter Absatz; Druckschrift E9, Seite 460, Absatz 4).
In welcher der Mehrzahl von Funkzellen eines zweiten Teilgebiets (location area) sich die einzelnen Mobiltelefone gerade befinden, ist dagegen auch im VLR nicht gespeichert und damit dem Mobilfunknetz nicht bekannt, jedenfalls solange sich ein Mobiltelefon im Ruhemodus („idle mode“) befindet. Bei einem für ein Mobiltelefon eingehenden Anruf werden deshalb in allen Funkzellen eines zweiten Teilgebiets (location area) sogenannte „paging“-Rufe ausgesendet, um das Mobiltelefon zu orten und zu erreichen.
Solange der Wechsel des Mobiltelefons im Ruhemodus von einer Zelle zu einer anderen Zelle innerhalb eines zweiten Teilgebiets (location area) stattfindet, wird das GSM-Mobilfunknetz von dem Mobiltelefon (MS) nicht über diesen Wechsel informiert, d. h. die Einträge im HLR und im VLR bleiben unverändert.
Erst bei Wechsel des Mobiltelefons zu einer Basisstation, die in einem anderen zweiten Teilgebiet (location area) liegt und somit einen anderen „location area code (LAC)“ auf ihrem Rundfunksteuerkanal BCCH aussendet, muss sich das Mobiltelefon beim Mobilfunknetz melden (location updating request), den Wechsel angeben und sich bestätigen lassen (vgl. E6, Seite 207, Kap. 3.5.3.2, Absatz 2; E9, Seite 466, Kap. 4.1.4.1, Absatz 2; E9, Seite 469, Absatz 1). Dabei wird der Eintrag im VLR aktualisiert.
Bei der vorstehend genannten, durch den Empfang eines anderen location area codes ausgelösten Meldung des Mobiltelefons muss dieses seine Identitätsdaten preisgeben, die mit den im VLR gespeicherten Daten abgeglichen werden (vgl. E9, Seite467, letzter Satz; E9, Seite 468, Absatz 4, Satz 3). Zum Schutz der Teilnehmerdaten ist im VLR nicht die IMSI eines Teilnehmers gespeichert ist, sondern nur ein temporär vergebener Alias, die sogenannte TMSI (= temporary mobile subscriber Identity), die weniger Informationen enthält und die location area-bezogen vergeben wird (vgl. E9, Seite 484, Kap. 7.2.2.3 User Identity Protection; E9, Seite 489, Kap. 7.2.4.2 User Identity Protection). Bei dem Wechsel eines Mobiltelefons in ein anderes zweites Teilgebiet (location area) kann das GSM-Mobilfunknetz auch die IMSI des Teilnehmers abfragen (vgl. E6, Seite 207, Absatz 2; E6, die Seiten 260 und 261 übergreifender Absatz; E9, Seite 492, Absätze 2 bis 5).
Der Fachmann versteht das Merkmal M3.3 bzw. M3.3‘ daher so, dass die virtuelle Basisstation VBTS von dieser im GSM-Standard vorgesehenen Abfragemöglichkeit der IMSI bzw. IMEI nach Empfang eines anderen „location area codes“ durch das Mobiltelefon Gebrauch macht.
3. Das Patent ist in der Fassung nach dem Hauptantrag nicht bestandsfähig, da sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG). Er ergibt sich für den Fachmann in Kenntnis des GSMMobilfunksystems, hier repräsentiert durch die Druckschriften E6 und E9, in naheliegender Weise aus der Druckschrift E5:
Bei der Druckschrift E5 handelt es sich um einen Artikel in der Zeitschrift „Die Datenschleuder“ des Hamburger Chaos Computer Club e. V., in dem die Wirkungsweise des als „IMSI-Catcher“ bezeichneten Geräts GA 900 der Patentinhaberin beschrieben wird.
3.1 In den Worten des Patentanspruchs 1 ist aus der Druckschrift E5 bekannt ein M1 M2.2 M2 Verfahren zum Identifizieren eines Mobiltelefons in einem öffentlichen digitalen zellularen Mobilfunknetz (GSM-Netz), (vgl. Seite 11, linke Spalte, Absatz 1: „GSM-Netzes … IMSI-Catcher“; Seite 11, linke Spalte, Absatz 4: „wird die IMSI vom Telefon übermittelt und kann so im GA 900 abgelesen werden“)
wobei in räumlicher Nähe zum Mobiltelefon (vgl. Seite 11, linke Spalte, Absatz 3: „Mobiltelefon … im Nahbereich mit dem GA 900 kommuniziert“)
eine virtuelle Basisstation (GA 900) (vgl. Seite 11, linke Spalte, Absatz 3: „GA 900 von Rohde & Schwarz … simuliert … alle wesentlichen Eigenschaften einer GSM-Zelle“)
M2.1 mit einem damit verbundenen Test-Mobiltelefon betrieben wird, (vgl. Seite 12, linke Spalte, Absatz 4: „ein am GA 900 angeschlossenes modifiziertes Mobiltelefon“)
M3 wobei eine Basisstation ausgewählt wird, M3.2 wobei auf deren Kanalfrequenz dann die virtuelle Basisstation (GA 900) M3.3teils mit einem Bereichscode betrieben wird,
(zu den Merkmalen M3, M3.2 und M3.3: vgl. Seite 11, linke Spalte, Absatz 3: „Es simuliert gegenüber dem Mobiltelefon alle wesentlichen Eigenschaften einer GSM-Zelle, so dass dieses aufgrund der besseren Empfangsfeldstärke im Nahbereich mit dem GA 900 kommuniziert, statt die echte Zelle zu benutzen.“; hier liest der Fachmann mit, dass der IMSI-Catcher GA 900 entweder auf der BCCH-Frequenz der dieser Zelle zugeordneten Basisstation oder auf der BCCH-Frequenz einer dem gewählten Standort benachbarten Basisstation betrieben wird, weil nur diese beiden Varianten die Möglichkeit eröffnen, dass ein in räumlicher Nähe zum IMSI-Catcher GA 900 befindliches Mobiltelefon von diesem Notiz nimmt und sich in diesem einbucht, wie unter Abschnitt 2.2 d) dargelegt; zudem impliziert die Simulation eine GSM-Zelle, dass das GA 900 einen Bereichscode LAC aussendet) M4 und wobei damit das Mobiltelefon veranlasst wird, auf die virtuelle Basisstation (GA 900) zu wechseln und ihre Parameter (IMSI) mit dieser auszutauschen. (vgl. Seite 11, linke Spalte, Absatz 3: „mit dem GA 900 kommuniziert, statt die echte Zelle zu benutzen“ und Absatz 4: „wird die IMSI vom Telefon übermittelt und kann so im GA 900 abgelesen werden“)
Soweit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag durch das aus der Druckschrift E5 bekannte Verfahren vorweggenommen.
Als Unterschied verbleibt die Auswahl einer benachbarten Basisstation als „Spender“ einer Kanalfrequenz für die virtuelle Basisstation gemäß Merkmal 3.1, sowie die Auswahl eines Bereichscodes, der von dem dem Standort zugehörigen Bereichscode abweicht nach dem Rest des Merkmals 3.3.
Die Druckschrift E5 macht keine näheren Angaben dazu, wie das Mobiltelefon veranlasst wird, seine IMSI der Basisstation bekannt zu machen. Damit stellt sich dem Fachmann die Aufgabe, ausgehend von dem aus der Druckschrift E5 bekannten Verfahren eine im GSM-Standard angelegte Möglichkeit für eine Übermittlung der IMSI zu finden bzw. auszuwählen.
Dem Fachmann ist bekannt, dass der GSM-Standard – im vorliegenden Verfahren repräsentiert durch die Dokumente E6 und E9 – Maßnahmen zum Schutz der Teilnehmeridentität und damit zum Schutz der IMSI gegenüber Lauschangriffen bietet. So wird – falls erforderlich – üblicherweise nur der temporäre Alias der IMSI in Form der TMSI von dem Mobiltelefon an die Basisstation übertragen (vgl. Druckschrift E9, Seite 477 ff, Kap. 7.2. Security Management; Seite 484, Kap. 7.2.2.3. User Identity Protection; Seite 489, Kap. 7.2.4.2. User Identity Protection).
Zwar gibt es im GSM-Mobilfunksystem die Möglichkeit, jederzeit direkt die IMSI von dem Mobiltelefon anzufordern (vgl. Druckschrift E6, Seite 207, Absatz 2: „Identifizierung Die Mobilstation wird vom Netz aufgefordert, einen der Identifizierungsparameter IMSI, TMSI oder IMEI an das Netz zu schicken.“; Druckschrift E9, Seite 492, Absatz 2: „a procedure allows the network to ask the mobile station for its full IMSI“). Von dieser Möglichkeit macht der Fachmann nach Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch, weil ihm bewusst ist, dass ein solch direkter Spionageversuch vom Netzbetreiber zwar nicht verhindert werden kann (weil GSM-Standardkonform), jedoch durchaus auf dem Mobiltelefon angezeigt werden könnte bzw. dem Netzbetreiber auffällt.
Daher überprüft der Fachmann den GSM-Mobilfunkstandard auf weniger auffällige Möglichkeiten, das Mobiltelefon zur Herausgabe seiner IMSI zu veranlassen.
Dabei ermittelt er, dass die IMSI eines Mobiltelefons unauffälliger abgefragt werden kann, wenn sich ein Mobiltelefon im Ruhemodus („idle mode“) auf einer anderen Basisstation einbucht und die neue Basisstation einen anderen Bereichscode („location area code“) auf ihrem BCCH ausstrahlt (vgl. Druckschrift E6, den die Seiten 260 und 261 übergreifenden Absatz: „Fordert eine Mobilstation eine Bereichsaktualisierung, so liegt damit in der Regel auch die 4 Zeichen lange temporäre Mobilteilnehmeridentität (TMSI) sowie die Kennung des alten Aufenthaltsbereiches (LAI) vor. Damit ist es möglich, das bisherige VLR und somit auch die internationale Mobilteilnehmeridentität (IMSI) zu bestimmen. Alternativ kann die Mobilstation aber auch unmittelbar aufgefordert werden, ihre IMSI zu übertragen“; Druckschrift E9, Seite 492, Absätze 3 und 4: „A side effect of the TMSI is its usage in an … LOCATION UPDATING REQUEST message sent in a location area managed by a MSC/VLR other than the one which allocated the TMSI … The new MSC/VLR has two possibilities. The first is to ask the mobile station for its IMSI … The other possibility is to request the IMSI from the previous MSC/VLR “; Unterstreichungen hinzugefügt).
Daher lässt der Fachmann den aus der Druckschrift E5 bekannten IMSI-Catcher GA 900 auf seinem Rundfunksteuerkanal BCCH einen „location area code“ ausstrahlen, der von dem dem Standort zugehörigen Bereichscode abweicht (Rest von Merkmal M3.3).
Zudem muss der Fachmann die Frequenz für den Rundfunksteuerkanal BCCH des IMSI-Catchers so auswählen, dass die Mobiltelefone in seiner Nähe von ihm Notiz nehmen und veranlasst werden, sich auf ihm einzubuchen. Um die erste Anforderung („Notiz nehmen“) zu erfüllen gibt es – wie bereits ausgeführt – nur zwei Möglichkeiten: Entweder der IMSI-Catcher wählt die BCCH-Frequenz der dem Standort zugehörigen Basisstation BTS1 oder eine BCCH-Frequenz aus der Frequenzliste der benachbarten Basisstationen BTSx, die von der zum Standort zugehörigen Basisstation BTS1 ausgesendet wird.
Um auch die zweite Anforderung („einbuchen“) zu erfüllen, sieht der Fachmann vor, dass der IMSI-Catcher mit einer höheren Leistung sendet als die dem Standort zugehörige Basisstation BTS1 bzw. zumindest mit einer relativ hohen Leistung sendet (wenn der Abstand zwischen IMSI-Catcher und auszuspionierendem Mo- biltelefon kleiner ist als zwischen der Basisstation BTS1 der Funkzelle und dem auszuspionierendem Mobiltelefon kann die Sendeleistung des IMSI-Catcher entsprechend geringer sein als die der Basisstation BTS1), weil der höchste Empfangspegel im GSM-Standard das „normale“ Kriterium für einen Zellenwechsel ist (vgl. Druckschrift E9, Seite 441, Absatz 4; Seiten 453, 454: „Radio Criteria“).
Dabei scheidet für den Fachmann die Wahl der BCCH-Frequenz des IMSI-Catchers gleich der BCCH-Frequenz der dem Standort zugehörigen Basisstation BTS1 aus, denn bei Verwendung dieser Frequenz müsste der IMSI-Catcher eine um mindestens 10 dB höhere Sendeleistung aufweisen als die „reale“ Basisstation BTS1 der Funkzelle. Denn in diesem Fall würden sich am auszuspionierenden Mobiltelefon die BCCH-Signale der echten (BTS1) und der virtuellen Basisstation (IMSI-Catcher) auf einer Frequenz überlagern. Dies würde zu der Situation einer Gleichkanalstörung führen. Damit die gewünschte Demodulation des stärkeren BCCH-Signals im Mobiltelefon möglich ist, müsste der Empfangspegel des BCCHSignals der virtuellen Basisstation um mindestens ca. 10 dB über dem Empfangspegel des BCCH-Signals der realen Basisstation BTS1 liegen.
Eine so hohe Sendeleistung ist zum einen schwer zu realisieren – insbesondere bei einem portablen IMSI-Catcher mit begrenztem Energiespeicher – zum anderen würden durch eine ungewöhnlich hohe Sendeleistung des IMSI-Catchers Störungen in weiter entfernten Zellen auftreten, die diese Frequenz ebenfalls benutzen (wg. „frequency re-use“ im Mobilfunksystem) und somit eine Enttarnung des Abhörversuches erleichtern.
Im Gegensatz dazu führt die Wahl der BCCH-Frequenz des IMSI-Catchers gleich der BCCH-Frequenz einer benachbarten Basisstation BTSx, die regelmäßig einen wesentlich größeren räumlichen Abstand zum auszuspionierenden Mobiltelefon aufweist als der IMSI-Catcher, dazu, dass im Mobiltelefon ein Empfangssignalpegelabstand der beiden gleichfrequenten BCCH-Signale (vom IMSI-Catcher und von der benachbarten Basisstation BTSx) von 10 dB leicht erreicht wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BCCH-Signal des IMSI-Catchers – wie ausgeführt – am Mobiltelefon zwar mit dem größten Empfangspegel aller empfangenen BCCHSignale empfangen werden muss, um einen Wechsel des Mobiltelefons von der dem Standort zugeordneten Basisstation BTS1 auf den IMSI-Catcher auszulösen.
Da die BCCH-Frequenzen des IMSI-Catchers und der dem Standort zugeordneten Basisstation BTS1 nun jedoch unterschiedlich sind (wegen des Wegfalls der Gleichkanalstörerproblematik), kann das BCCH-Signal des IMSI-Catchers in dem Mobiltelefon auch dann sicher demoduliert werden, wenn die beiden Signale (vom IMSI-Catcher und von der Basisstation BTS1 am Standort) einen nur geringen Pegelunterschied (z. B. 1 bis 3 dB) aufweisen.
Damit ergibt sich die Wahl einer Kanalfrequenz gemäß Merkmal 3.1 für den Fachmann aus seinen Fachkenntnissen, ohne dass er erfinderisch tätig werden müsste.
Somit gelangt der Fachmann ausgehend von der Druckschrift E5 bei Berücksichtigung der durch den GSM-Standard gegebenen Randbedingungen in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag.
3.2 Für die Anordnung nach Anspruch 8 des Hauptantrags gilt nichts anderes als für das Verfahren nach Anspruch 1.
Die Vorrichtungsmerkmale M1‘ bis M3.3‘ und M4‘ entsprechen inhaltlich den entsprechenden Verfahrensmerkmalen M1 bis M3.3 und M4.
Der Anspruch 8 weist darüber hinaus die Merkmale M3.4‘ und M3.5‘ auf, welche angeben, dass die dem Standort der Anordnung zugeordnete Basisstation, der zum Standort zugehörige Bereichscode, sowie die zu der Basisstation [des Standorts] benachbarten Basisstationen durch einen Zellenabfrage mittels des Test-Mobiltelefons ermittelt werden.
Test-Mobiltelefone für GSM-Mobilfunksysteme waren am Anmeldetag des Streitpatents bekannt, wie auch der Vertreter der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten hat. Ob sie in der Lage waren, die genannten Parameter auszugeben, kann dahin stehen. Denn um die Parameter einer Basisstation (zu denen wie ausgeführt der „location area code (LAC)“ und die Frequenzliste mit den BCCH-Frequenzen der benachbarten Basisstationen gehören) eines Mobilfunksystems zu ermitteln, ist es zur Überzeugung des Senats bereits aus Kostengründen naheliegend, nicht etwa ein neues Messgerät zu entwickeln, sondern ein für dieses Mobilfunksystem geeignetes Test-Mobiltelefon zu verwenden und seine Software so zu verändern, dass die ohnehin von jedem Mobiltelefon ermittelten Zellparameter anzeigt und/oder ausgelesen werden können.
Danach ergibt sich auch der Gegenstand des Anspruchs 8 nach Hauptantrag (= Anspruch 8 des Streitpatents) für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
4. Das Patent ist auch in der Fassung nach dem Hilfsantrag nicht bestandsfähig, da die Ansprüche 1 bis 7 nach Hilfsantrag identisch mit den Ansprüchen 8 bis 14 nach Hauptantrag sind.
5. Nachdem die Patentinhaberin ihr Patent ausschließlich in der Fassung vollständiger Anspruchssätze gemäß dem Hauptantrag und gemäß dem Hilfsantrag verteidigt hat und sich keiner der unabhängigen Ansprüche als patentfähig erwiesen hat, war die Beschwerde der Pateninhaberin zurückzuweisen.
6. Da die Einsprechende ihre Beschwerde zurückgenommen hat, hat das Patent somit in der von der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung Bestand.
7. Für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG bestand keine Veranlassung. Ob die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats. Sie ist veranlasst, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten. Solche besonderen Umstände können u. a. auch in einem fehlerhaften Verfahren des Patentamts liegen, wenn ein schwerwiegender Verstoß vorliegt oder der Verfahrensverstoß ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 73 Rdn. 139 ff. m. Nw.; BPatG BlPMZ 2006, 372, 374 – Frequenzsignal; BPatGE 47, 224, 231 – Mikroprozessor; BPatGE 49, 154, 161 ff. – Tragbares Gerät; BlPMZ 2010, 41, 43 – Mobilfunknetzwerk).
Der Senat vermag schon keinen Verfahrensfehler der Patentabteilung festzustellen. Die Anmelderin macht diesbezüglich geltend, in der Anhörung vor der Patentabteilung habe der Vorsitzende nach einer Zwischenberatung erklärt, der erteilte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sei nicht patentfähig. Auf Nachfrage des Vertreters der Patentinhaberin nach einer Beurteilung des nebengeordneten Patentanspruchs 8 habe der Vorsitzende sich jedoch nicht geäußert. Erst durch die schriftliche Beschlussbegründung seien die Beteiligten damit überrascht worden, dass die Patentabteilung den Gegenstand des erteilten nebengeordneten Patentanspruch 8 für patentfähig erachte. Das rechtliche Gehör der Patentinhaberin (Art: 103 Abs. 1 GG; § 43 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 59 Abs. 5 PatG) ist dadurch nicht verletzt. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Patentabteilung nicht dazu, vor der abschließenden Entscheidung ihre – vorläufige – rechtliche Würdigung des zu beurteilenden Sachverhalts mitzuteilen (vgl. Schulte, a. a. O., § 59 Rdn. 215 m: Nw.; BGH Beschluss v. 16.09.2008, X ZB 29/07, GRUR 2009, 91 – Antennenhalter). Im Hinblick darauf, dass gemäß § 21 Abs. 2 PatG ein Patent grundsätzlich nur insoweit widerrufen werden darf, als die Widerrufsgründe reichen, wäre allenfalls bei Zweifeln an dem prozessualen Begehren der Patentinhaberin ein Hinwirken der Patentabteilung auf eine Klarstellung angezeigt gewesen, in welchem Umfang die Patentinhaberin ihr Patent verteidigen will (vgl. BGH Beschluss v 27.06.2007, X ZB 6/05, GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II). Zweifel an dem prozessualen Begehren der Patentinhaberin waren für die Patentabteilung aber zumindest nicht offensichtlich, nachdem die Patentinhaberin eine Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang nach Hauptantrag und hilfsweise im beschränkten Umfang nach Hilfsanträgen I bis III sowie nach einem weiteren, in der Anhörung eingereichten Hilfsantrag Ia beantragt hat. Grundsätzlich gilt, dass ein Beteiligter seine Antragsstellung nicht von der Mitteilung der rechtlichen Würdigung durch die Patentabteilung abhängig machen darf, da darauf, wie oben dargelegt, kein Anspruch besteht.
Aber selbst unterstellt, die Patentabteilung habe es versäumt, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, wäre dieses Versäumnis für die Beschwerdeeinlegung nicht ursächlich gewesen. Es mag sein, dass die Patentinhaberin in Kenntnis der erst in der Beschlussbegründung offenbarten Einschätzung der Patentabteilung noch in der Anhörung einen auf die beschränkte Aufrechterhaltung der Anordnungsansprüche (8 ff.) gerichteten Hilfsantrag eingereicht hätte. Dadurch hätte sich jedoch die Beschwerdeeinlegung nicht erübrigt. Denn auch wenn die Patentabteilung in diesem Fall die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines solchen Hilfsantrags beschlossen hätte, wäre die Einlegung der Beschwerde gleichwohl erforderlich gewesen, um das von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde nach Hauptantrag verfolgte prozessuale Begehren der Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang zu erreichen.
Somit war der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Dr. Scholz Kirschneck J. Müller Matter Pr