20 W (pat) 8/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 8/17 Verkündet am 20. Januar 2020
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2020:200120B20Wpat8.17.0
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betreffend das Patent 10 2009 023 949 hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Musiol, der Richterin Dorn sowie der Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dipl.-Phys. Bieringer beschlossen:
I. Die Einsprechendenstellung der Einsprechenden zu 3 ist übergegangen von der Mauell GmbH, 42553 Velbert (bisherige Einsprechende zu 3 und Beschwerdegegnerin zu 3) auf die PHOENIX Contact Energy Automation GmbH, 42553 Velbert (jetzige Einsprechende zu 3 und Beschwerdegegnerin zu 3).
II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Das am 4. Juni 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter der Nummer 10 2009 023 949.9 angemeldete und am 10. März 2015 erteilte Patent mit der Bezeichnung „Fernwirkgerät zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein auf der Basis des Standards IEC61850 arbeitendes Stationsleitsystem“ wurde am 30. April 2015 veröffentlicht.
Gegen dieses Patent wurde am 20. Januar 2016 von der Einsprechenden zu 1, am 29. Januar 2016 von der Einsprechenden zu 2 und der Einsprechenden zu 4 sowie am 1. Februar 2016 (Montag) von der Einsprechenden zu 3 jeweils Einspruch eingelegt. Die Patentabteilung 31 des DPMA hat das Patent daraufhin mit am Ende der Anhörung vom 16. November 2016 verkündetem Beschluss widerrufen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung über den Inhalt der ursprünglich beim DPMA eingereichten Anmeldeunterlagen hinausgehe und in den nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 verteidigten Fassungen (jeweils vom 16. November 2016) ausgehend von der Lehre der Druckschrift DS39 in Verbindung mit der Druckschrift DS40 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 18. Januar 2017 beim DPMA eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin.
Aus dem Prüfungs- und Einspruchsverfahren sind u.a. folgende Entgegenhaltungen aktenkundig:
DS11 DS37 DS39 DS40 ABB AG: "Remote Terminal Unit RTU560 for Energy System Operation", ©2005, S. 1-16 – Firmenschrift; WANG, Dewen, ZHU, Yongli, LIU, Peipei, HUANG, Jiancai, ZHAO, Wenqing: "Research on Distributed Transmission of Power Telecontrol Information Based on ACSI/MMS". In: 2008 3rd IEEE Conference on Industrial Electronics and Applications; Date of Conference: 3-5 June 2008. S. 670-674. ISSN: 21562318. DOI: 10.1109/ICIEA.2008.4582599; SENGBUSCH, Klaus von, BERKES, Uwe, KECK, Christian: "Fernwirktechnik mit IEC 61850 als Schlüsselelement der Netzautomation". In: etz - Elektrotechnik + Automation – Sonderdruck für ABB AG, Mannheim. 2007, Heft S1, S. 1-4; KIRKMAN, Robert: "Development in Substation Automation Systems". In: 3rd International Conference on Electric Utility Deregulation and Restructuring and Power Technologies, 2008. DRPT, Nanjuing; Date of conference: 6-9 April 2008. S. 598-603.
Die Bevollmächtigten der Patentinhaberin beantragen,
den Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16.11.2016 aufzuheben und das Patent 10 2009 023 949 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Hilfsweise beantragen sie, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen im Umfang eines der folgenden Hilfsanträge aufrechtzuerhalten: Hilfsantrag 1: Patentansprüche 1 bis 10 vom 14. März 2017, beim BPatG als Hilfsantrag 1 eingegangen am 15. März 2017 Hilfsantrag 2: Patentansprüche 1 bis 9 vom 14. März 2017, beim BPatG als Hilfsantrag 2 eingegangen am 15. März 2017 Hilfsantrag 3: Patentansprüche 1 bis 8 vom 14. März 2017, beim BPatG als Hilfsantrag 3 eingegangen am 15. März 2017 Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie Patentschrift.
Die Bevollmächtigten der Einsprechenden zu 1 bis 4 beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.
-6Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
Der nebengeordnete Patentanspruch 10 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019 hat der Bevollmächtigte der Einsprechenden zu 3 angezeigt, dass ein Wechsel der Einsprechendenstellung von der Mauell GmbH auf die Mauell Netzleittechnik GmbH erfolgt sei. Zur Begründung wurde ausgeführt und durch Vorlage von Unterlagen (Anlagen CF-R1 bis CF-R3) belegt, dass der abgeschlossene Geschäftsbereich „Netzleittechnik“ der Mauell GmbH durch Kauf- und Übertragungsvertrag mit Wirkung zum Ablauf des 30. November 2016 an die Mauell Netzleittechnik GmbH verkauft und übertragen worden sei. Nachfolgend sei mit Vertrag vom 6. April 2017 eine Umfirmierung der Mauell Netzleittechnik GmbH zur PHOENIX Contanct Energy Automation GmbH erfolgt, die nunmehr als Einsprechende zu 3 zu führen sei. Die weiteren Verfahrensbeteiligten haben sich zu diesem Vorbringen nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Wortlauts der abhängigen Unteransprüche 2 bis 9 gemäß Hauptantrag sowie der jeweiligen Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Verfahrensstellung der bisherigen Einsprechenden zu 3 (Mauell GmbH) ist zur Überzeugung des Senats übergegangen auf die Mauell Netzleittechnik GmbH, welche anschließend in PHOENIX Contact Energy Automation GmbH umfirmiert wurde.
Die Einsprechendenstellung unterliegt als bloßes Prozessrechtsverhältnis nicht der freien Übertragbarkeit. In der Rechtsprechung ist ein Wechsel der Einsprechendenstellung allerdings unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt, und zwar nicht nur bei einer Gesamtrechtsnachfolge, sondern z.B. auch bei vollständiger Übertragung eines abgrenzbaren Geschäftsbereichs (vgl. BPatGE 42, 225 – Übergang der Einsprechendenstellung; BPatG, Beschluss vom 10.07.2018 – 7 W (pat) 10/17, juris Rn. 21; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 59 Rn. 241; Schulte, PatG, 10. Aufl., § 59 Rn. 146). Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. April 2007 (GRUR 2008, 87 – Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren) wird diesbezüglich auch die entsprechende Anwendung der für einen Parteiwechsel im Zivilprozess (und im Patentnichtigkeitsverfahren) gültigen Vorschrift des § 263 ZPO diskutiert (vgl. BPatG, Beschluss vom 10.07.2018 – 7 W (pat) 10/17, juris Rn. 21; Busse/Keukenschrijver a.a.O., Rn. 243). Danach wäre der Übergang der Einsprechendenstellung als Klageänderung anzusehen, welche zulässig wäre, sofern Parteiwechselerklärungen der alten und neuen Einsprechenden vorliegen und zusätzlich entweder die Patentinhaberin einwilligt oder das Gericht den Wechsel der Einsprechenden für sachdienlich erachtet.
Beide genannten Auffassungen sprechen im vorliegenden Fall für einen wirksamen Wechsel der Einsprechendenstellung zu 3:
Zum einen ist aufgrund des vorgelegten Kauf- und Übertragungsvertrags vom 15. Dezember 2016 (Anlage CF-R1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten der Einsprechenden zu 3 vom 20.12.2019) davon auszugehen, dass ein abgrenzbarer Geschäftsbereich „Netzleittechnik“, mit dem das Interesse an dem Einspruch thematisch eng verknüpft ist, mit allen Aktiva, einschließlich Schutzrechten, Passiva, Personal, Sachmitteln u.a. von der vormaligen Einsprechenden zu 3, der Mauell GmbH, mit Wirkung zum Ablauf des 30. November 2016 auf die Mauell Netzleittechnik GmbH übergegangen ist.
Zum anderen hat die Patentinhaberin keine Einwände gegen den Wechsel der Einsprechenden zu 3 erhoben, der im Übrigen auch sachdienlich sein dürfte. Denn die Frage, ob das angegriffene Patent bestandsfähig ist oder nicht, kann unter Beteiligung der neuen Einsprechenden zu 3 unter vollständiger Verwertung des bisherigen Prozessstoffs geklärt werden. Anhaltspunkte dafür, dass dadurch die Interessen der Patentinhaberin beeinträchtigt werden, sind nicht erkennbar. Vielmehr kann es ihr vorliegend gleichgültig sein, welche der beiden Gesellschaften ihr als Einsprechende zu 3 gegenübersteht, da die nunmehrige Einsprechende zu 3 keine neuen Angriffsmittel geltend gemacht hat, sondern sich im Wesentlichen auf das bisherige Vorbringen gestützt hat (vgl. BPatG, Beschluss vom 11.03.1998 – 7 W (pat) 61/96, Juris Rn. 28f.).
Die weitere Umfirmierung der neuen Einsprechenden zu 3 in „PHOENIX CONTACT Energy Automation GmbH“ stellt nach dem hier maßgeblichen Handelsregisterauszug (Anlage CF-R3) keinen Wechsel der Rechtspersönlichkeit dar. Vielmehr erhielt durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 6. April 2017 die bestehende „Mauell Netzleittechnik GmbH“ diese neue Bezeichnung; Sitz und Gegenstand des Unternehmens blieben unverändert.
III.
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat in der Sache keinen Erfolg, da der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl in der Fassung gemäß Hauptantrag als auch in den nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 verteidigten Fassungen ausgehend von der Lehre der Druckschrift DS39 i.V.m mit der Lehre der Druckschrift DS37 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und damit nicht patentfähig ist (§ 1 Abs. 1, § 4 PatG).
1. Das Streitpatent betrifft gemäß Bezeichnung ein Fernwirkgerät zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein auf der Basis des Standards IEC 61850 arbeitendes Stationsleitsystem (vgl. Titel) sowie die Verwendung des Fernwirkgeräts (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002]). Gemäß Streitpatentschrift kommunizierten Fernwirkgeräte zur Überwachung und Steuerung von lokalen sowie unterlagerten Prozessen über eine Kommunikationsverbindung, beispielsweise ein Netzwerk, mit einer übergeordneten Prozessführungsebene, die auch als Leitstelle bezeichnet werde, und mit dem Prozess verbundenen unterlagerten Systemen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0003]). Die Kommunikation in Systemen zur Übertragung von elektrischer Energie, wie beispielsweise eine Nachrichtenübermittlung zwischen verschiedenen Geräten (Schutzgeräte, Schaltgeräte, Transformatoren usw.), würde über den Kommunikationsstandard IEC 61850 ausgeführt. Die Streitpatentschrift zitiert hierzu die Druckschrift EP 1 976 281 A1. Es sei erforderlich, Geräte, die nicht gemäß dem IEC 61850 Standard arbeiteten, mittels verschiedener Baugruppen an das üblicherweise als Datenbus ausgeführte Netzwerk anzubinden. Die dazu erforderlichen Baugruppen, wie Gateways, beispielsweise zur Umwandlung der ankommenden Daten in ein IEC 61850 kompatibles Format, IED-(Intellegent-ElectronicDevice) -Protokoll-Converter, Geräte zur Anbindung an übergeordnete Kommunikationseinheiten, wie die Netzleitstelle, oder Ein/-Ausgabegeräte zur direkten Prozessankopplung und deren Funktionsweise seien in der Druckschrift WO 2005/055538 A1 beschrieben (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0004]). Aus der Druckschrift WO 2007/071212 A1 (im Verfahren vor dem DPMA als DS3 referenziert) sei ein Gateway bekannt, welches in einer SchaltanlagenleittechnikAnordnung eingesetzt werde zur Ermöglichung einer Datenverbindung zwischen einer Leittechnikeinrichtung, die nach dem IEC 61850 Standard arbeite, und einem elektrischen Gerät, welches nicht mit dem IEC 61850 Standard kompatibel sei (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0005]). Gemäß Absatz [0006] der Streitpatentschrift ist eine Anbindung vorhandener Geräte an das nach dem IEC 61850 Standard arbeitende Kommunikationsnetzwerk mittels der vorab genannten Baugruppen mit einem nicht unerheblichen Hardwareund Konfigurationsaufwand verbunden.
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, ein Datenübermittlungsgerät zur Fernüberwachung und -steuerung eines verteilten Prozesssystems, insbesondere ein Fernwirkgerät der eingangs genannten Art, anzugeben, welches die vorgenannten Nachteile vermeide und insbesondere den Konfigurations- und Hardwareaufwand innerhalb des verteilten Systems reduziere (vgl. Abs. [0007] der Streitpatentschrift).
2. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat – in weitgehender Übereinstimmung mit der Patentabteilung und der Beschwerdeführerin – einen Diplomingenieur der Elektrotechnik (Uni oder FH) mit Vertiefungsrichtung Nachrichtentechnik oder Steuer- und Regelungstechnik, der über allgemeine Berufserfahrung auf dem Gebiet industrieller Bussysteme in der Automatisierungstechnik zum Aufbau verteilter Steuerungen sowie über spezielle Berufserfahrung auf dem Gebiet der Automatisierungssysteme für Energieversorgungsnetze verfügt und von daher vertiefte Kenntnisse entsprechender Systemarchitekturen, dazu notwendiger Komponenten sowie einschlägiger Kommunikationsprotokolle und -standards wie IEC 61850 und IEC 60870 besitzt.
3. Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lässt sich wie folgt gliedern:
M1.1 M1.2 M1.3 M1.4 M1.5 Fernwirkgerät zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein Stationsleitsystem, wobei das Fernwirkgerät mit wenigstens einer übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems Daten austauscht und mit dem unterlagerten Prozess verbunden ist, wobei das Stationsleitsystem auf der Basis des Standards IEC 61850 arbeitet und dass im Fernwirkgerät folgende als Schnittstellen ausgebildete Funktionseinheiten (11, 12, 13, 14) zur Anbindung des Prozesses an die wenigstens eine übergeordnete M1.6 M1.7 M1.8 M1.9 Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems gemäß dem Standard IEC 61850 integriert sind: wenigstens ein IEC 61850 Server (11) zur Anbindung an die übergeordnete Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems über einen ersten IEC 61850 Stationsbus, wenigstens ein IEC 61850 Client (14) zur Anbindung einer untergeordneten Stationsebene über einen zweiten IEC 61850 Stationsbus, wenigstens eine als Protokoll-Gateway ausgeführte Funktionseinheit (12) zur Anbindung der übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems und/oder zur Anbindung von intelligenten elektronischen Geräten mittels weiterer Netzwerkprotokolle, und wenigstens eine weitere Einheit (13) mit binären und/oder analogen Ein- und/oder Ausgängen zur direkten Prozessankopplung für den Anschluss von Steuer- und Kontrollsignalen an den ersten oder den zweiten IEC 61850 Stationsbus.
4. Der beanspruchte Gegenstand betrifft ein Fernwirkgerät, das zumindest dazu geeignet ist, einen unterlagerten Prozess an ein Stationsleitsystem, das gemäß dem IEC 61850 Standard arbeitet, anzubinden (Merkmale M1.1, M1.4). Das Fernwirkgerät ist gemäß den Merkmalen M1.2 und M1.3 sowohl mit einer übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems als auch mit einem unterlagerten Prozess verbindbar. In das beanspruchte Fernwirkgerät sind gemäß Merkmal M1.5 vier als Schnittstellen ausgebildete Funktionseinheiten zur Anbindung des Prozesses an die wenigstens eine übergeordnete Kommunikationseinheit integriert, die gemäß den Merkmalen M1.6 bis M1.9 spezifiziert sind. Gemäß Merkmal M1.6 ist eine erste als IEC 61850 Server ausgeführte Funktionseinheit zur Anbindung an die übergeordnete Kommunikationseinheit über einen ersten IEC 61850 Stationsbus ausgebildet. Sie stellt damit eine dem IEC 61850 Standard konforme Schnittstelle zur übergeordneten Kommunikationseinheit bereit. Gemäß Merkmal M1.7 ist eine weitere als IEC 61850 Client ausgeführte Funktionseinheit zur Anbindung einer untergeordneten Stationsebene über einen zweiten IEC 61850 Stationsbus ausgebildet. Der zweite Stationsbus ist ein nach dem IEC 61850 Standard arbeitender Bus. Die Merkmale M1.8 und M1.9 spezifizieren jeweils Funktionseinheiten für die Anbindung an nicht IEC 61850 konforme Geräte. So ist eine gemäß Merkmal M1.8 als Protokoll-Gateway ausgeführte Funktionseinheit zur Anbindung der übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems und/oder zur Anbindung von intelligenten elektronischen Geräten (lEDs) mittels weiterer Netzwerkprotokolle, bspw. TCP/IP und/oder seriell basierter Protokolle (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0024]), ausgebildet. Schließlich weist das Fernwirkgerät gemäß Merkmal M1.9 eine weitere Funktionseinheit zur direkten Prozessankopplung mittels binärer und/oder analoger Ein- und/oder Ausgänge für den Anschluss von Steuer- und Kontrollsignalen an den ersten oder zweiten IEC 61850 Stationsbus auf.
5. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
5.1 Die Druckschrift DS39 ist ein Fachartikel betreffend die Fernwirktechnik mittels IEC 61850 (vgl. DS39, Titel) und beschreibt ein zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents aktuelles (2007) und gattungsgemäßes Fernwirkgerät (RTU – remote terminal unit), das sowohl über eine IEC 61850-Schnittstelle an einen Stationsbus als auch über weitere (nicht nach diesem Standard arbeitende) Schnittstellen verfügt, die sowohl eine Anbindung an die Prozessebene als auch an die Leitebene ermöglichen. Neben anderen Aspekten wird in der Druckschrift DS39 die Erwartung formuliert, zukünftig das für die Stationsebene definierte IEC 61850 Protokoll für die Kommunikation zur Leitebene zu verwenden. Diskutiert werden damit verbundene Vor- und Nachteile (vgl. DS39, S.4).
Mit den Worten des erteilten Patentanspruchs 1 ist aus der Druckschrift DS39 folgendes bekannt:
M1.1 Fernwirkgerät zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein Stationsleitsystem, Die DS39 offenbart ein als RTU 560 bezeichnetes Fernwirkgerät (vgl. DS39, Bild 1; vgl. DS39, S. 2, mittl. Sp. unten bis re. Sp. oben), das offensichtlich zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein Stationsleitsystem geeignet ist (vgl. DS39, Bild 1, insb. „Prozessebene“ und „Leitsystem“) .
M1.2 wobei das Fernwirkgerät mit wenigstens einer übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems Daten austauscht Das Fernwirkgerät RTU 560 der DS39 steht in kommunikativer Verbindung mit dem Leitsystem (vgl. DS39, Bild 1).
M1.3 und mit dem unterlagerten Prozess verbunden ist, Die RTU 560 gemäß DS39 ist über mehrere Schnittstellen (vgl. Bild1 „Stationsbus IEC 61850-8-1“, „Parallele Prozessanschaltung“ und „IEC 60870-5-103 [2,3] DNP, Modbus“) mit Geräten der Prozessebene verbunden M1.4 wobei das Stationsleitsystem auf der Basis des Standards IEC 61850 arbeitet Das Leitsystem der DS39 arbeitet auf Basis des IEC 60870-Standards M1.5teils und dass im Fernwirkgerät folgende als Schnittstellen ausgebildete Funktionseinheiten zur Anbindung des Prozesses an die wenigstens eine übergeordnete Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems gemäß dem Standard IEC 61850 integriert sind:
Die RTU 560 der DS39 bindet den Prozess über mehrere Schnittstellen an ein übergeordnetes Kommunikationsgerät an (vgl. DS39, S. 3, Bild 1), wobei die RTU auf Stationsebene bzw. zur Prozessebene eine IEC 61850 konforme und weitere – nicht dem IEC 61850 Standard entsprechende – Schnittstellen aufweist, vgl. DS39, unterer Teil des Bilds 1.
Die DS39 offenbart eine Schnittstelle nach oben (zur Leitebene bzw. Kommunikationsebene), die nach dem IEC 60870-5-101 bzw. -104 Standard, also nicht nach dem IEC 61850 Standard arbeitet.
M1.6 – wenigstens ein IEC 61850 Server zur Anbindung an die übergeordnete Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems über einen ersten IEC 61850 Stationsbus, Die RTU der DS39 bindet über den IEC 60870 an die übergeordnete Leitstelle an (vgl. DS39, Bild 1 i.V.m. S. 4, mittl. Spalte oben: „Daher wird hier die Lösung favorisiert, zumindest auf absehbare Zeit weiterhin auf Stationsebene eine Reduktion der Datenmenge vorzunehmen, um nur die für die Netzleittechnik relevanten Daten von der Station in die Leitebene auf Basis eines auf diese Funktion optimierten Protokolls (IEC 60870-5-104 [8, 9]) zu übermitteln.“).
M1.7 – wenigstens ein IEC 61850 Client zur Anbindung einer untergeordneten Stationsebene über einen zweiten IEC 61850 Stationsbus, Die RTU 560 gemäß DS39 weist eine IEC 61850 Client-Schnittstelle auf (vgl. Bild1 „Stationsbus IEC 61850-8-1“).
M1.8 – wenigstens eine als Protokoll-Gateway ausgeführte Funktionseinheit zur Anbindung der übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems und/oder zur Anbindung von intelligenten elektronischen Geräten mittels weiterer Netzwerkprotokolle, und Gemäß DS39 können IEDs an die RTU angebunden werden (vgl. DS39, S.2, re. Sp., 2. Abs.: „Neben den von ABB verfügbaren IED [1] können auch Fremdgeräte über Standardprotokolle wie IEC 60870-5103 [2, 3] oder IEC 61850-8-1 [4, 5] angebunden werden Bild 1.)“
M1.9 – wenigstens eine weitere Einheit mit binären und/oder analogen Einund/oder Ausgängen zur direkten Prozessankopplung für den Anschluss von Steuer- und Kontrollsignalen an den ersten oder den zweiten IEC 61850 Stationsbus. Vgl. DS39, S.2, mittl. Sp.: „ … hybride Prozessanschaltungen, die eine Kombination aus klassischen parallelen Prozessverdrahtungen, über konventionelle serielle Protokolle bis hin zum aktuellen Standard IEC 61850 ermöglicht,…“ i.V.m. Bild 1, Elemente „Stationsbus“ „RTU 560“ und „Parallele Prozessanschaltung“ mit Verbindungslinien und Pfeilen.
Das beanspruchte Fernwirkgerät unterscheidet sich somit in folgenden Merkmalen von dem Fernwirkgerät gemäß der Druckschrift DS39:
1. Die Druckschrift DS39 beschreibt kein Fernwirkgerät zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein Stationsleitsystem, das auf Basis des Standards lEC 61850 arbeitet. Vielmehr ist die in der DS39 beschriebene RTU 560 (Fernwirkgerät i. S. des Streitpatents) zur Anbindung an ein Stationsleitsystem eingerichtet, das auf Basis des Standards lEC 60870 arbeitet (Merkmal 1.4).
2. Demgemäß ist in der Druckschrift DS39 auch keine als Schnittstelle ausgebildete Funktionseinheit zur Anbindung des Prozesses an das Stationsleitsystem gemäß dem Standard lEC 61850 beschrieben. Vielmehr ist eine Anbindung des Prozesses an das Stationsleitsystem gemäß dem Standard lEC 60870 vorgesehen (vgl. DS39, Bild 1; Merkmal 1.5 teilweise).
3. In der Druckschrift DS39 ist folglich auch kein lEC 61850 Server zur Anbindung an die übergeordnete Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems über einen ersten lEC 61850 Stationsbus vorgesehen (Merkmal 1.6).
Die Autoren der DS39 betrachten Vor- und Nachteile eines einheitlichen Datenmodells auf IEC 61850-Basis bis in die Netzleitstelle (vgl. DS39, S. 4, li. Sp., letzter Abs., bis mittl. Sp., 2. Abs., Abschnitt „Optimiertes Engineering“). So führt die Druckschrift DS39 aus, dass der Pflegeaufwand des Gesamtsystems minimiert werden könne, jedoch ein Mehraufwand für eine Reduktion der Datenmenge auf der Leitebene entstehe. Um nur die für die Netzleittechnik relevanten Daten von der Station in die Leitebene zu übermitteln, werde auf absehbare Zeit ein auf diese Funktion optimiertes Protokoll favorisiert, d.h. IEC 60870-5-104. Wenn allerdings das zuvor genannte Problem gelöst werde, könne sich diese Position ändern (vgl. DS39 ebenda).
5.2 Zur Überzeugung des Senats hatte der Fachmann ausgehend von der Druckschrift DS39 Anlass, das einheitliche Datenmodell auf IEC 61850-Basis anzustreben, sobald sich ihm für die genannten Nachteile eine Lösung anbietet.
Eine derartige Lösung vermittelt ihm die Druckschrift DS37. Diese stellt eine Lösung bereit, die Station mit dem IEC 61850 Protokoll an die Leitebene anzubinden. Denn das Gateway der DS37 ist ein Datenkonzentrator (vgl. DS37, Fig. 3 i.V.m. S. 671, re. Sp., letzter Satz: „Firstly the ACSI/MMS Gateway is a data concentrator which collects data from all the connected devices such as RTUs, […]“) und bietet somit die von der DS39 für eine gesamthafte Einsetzbarkeit des IEC 61850 geforderte Reduktion der Datenmenge auf die für die Netzleittechnik relevanten Daten.
- 18 Die Fig. 2 der DS37 zeigt das Kommunikationsschema zwischen der Unterstation und dem Leitsystem, wobei beide gemäß IEC 61850 Protokoll arbeiten:
Soweit das Gateway der DS37 als Server gegenüber dem Leitsystem wirkt (vgl. DS37, S. 671, re. Sp., vorletzter Abs.: „The SCADA system interrogates the ACSI/MMS Gateway as if it were a substation device, the ACSI/MMS Gateway is thus a server to the SCADA, […]“), bildet das Gateway eine IEC 61850 Serverfunktionseinheit i.S. des Merkmals M1.6 (drittes Unterschiedsmerkmal). Das Gateway der DS37 bildet somit auch eine Anbindung des Prozesses an das Stationsleitsystem (SCADA) gemäß dem IEC 61850 Standard (vgl. DS 37, Fig. 2 oben „IEC 61850 ACSI“) i.S. des Merkmals M1.5 (zweites Unterschiedsmerkmal). Die Druckschrift DS37 lehrt den Fachmann, das IEC 61850 Protokoll als ausschließliches Protokoll für die Kommunikation zwischen Station und Stationsleitsystem zu verwenden (vgl. DS37, S. 674, li. Sp., 1. Abs., letzter Satz: „Thus we can use IEC61850/MMS as the exclusive protocol to control the communication from substations to control center.“; S. 671, li. Sp., 1. Abs.: „We can use IEC 61850 as the exclusive protocol to realize the communication […] from substation to control center, […])“. Somit entnimmt der Fachmann der Druckschrift DS37 die Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein Stationsleitsystem, das auf Basis des IEC 61850 Standards arbeitet (erstes Unterschiedsmerkmal; Merkmal M1.4).
Für den Fachmann war es daher naheliegend, ausgehend von der Druckschrift DS39 die dortige RTU 560 unter Beibehaltung aller sonstigen Schnittstellen um das Gateway der DS37 zu erweitern, um die mit der DS39 gelehrten Vorteile zu realisieren, wodurch er ohne weiteres zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelangt. Eine erfinderische Tätigkeit kann das nicht begründen.
5.3 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Soweit sie die Auffassung vertritt, dass die DS37 lediglich ein Gateway zeige und keine Schnittstelle der RTU, kann der Senat dem nicht beitreten, denn das Gateway der DS37 bildet mit der RTU eine funktionale Einheit und ist somit als die einzige Schnittstelle der RTU „nach oben“ zu verstehen (vgl. DS37, S. 671, Fig. 2).
Zu dem weiteren Einwand der Beschwerdeführerin, die DS37 zeige keine IEC 61850 Client Schnittstelle i. S. des Merkmals M1.7, ist entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Einsprechenden zu 4 anzumerken, dass die Fachwelt zwischen Stationsbus und Prozessbus unterscheidet, wobei der Prozessbus die Anbindung nach „unten“ meint, was in DS37, Fig. 2 gezeigt ist.
Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die DS37 würde lediglich einen Prototypen betreffen und der Fachmann würde die DS37 bei der Fragestellung, wie die in DS39 angesprochenen Nachteile überwunden werden könnten, nicht in Betracht ziehen, vermag nicht zu überzeugen. Denn die DS37 offenbart explizit die technische Wirkung eines Datenkonzentrators (vgl. DS37, Fig. 3 i.V.m. S. 671, re. Sp., letzter Satz) und dass das IEC 61850 als ausschließliches Protokoll verwendet werden soll (soweit nicht für eine Übergangszeit weitere Protokolle zugelassen sind, vgl. DS37, S. 671, re. Sp., Z. 5-6). Somit sind die Daten, die „nach oben“ gehen, reduziert. Gleiches entnimmt der Fachmann dem Datenmodell gemäß Fig. 2 der DS37, wonach Schaltgeräte und Umformer (vgl. DS37, Fig. 2 Kästchen „Switchgear, Transformers“) über die RTU an die Leitebene gekoppelt sind und somit nicht direkt an die Leitebene berichten. Auch eine Beschreibung der Verwirklichung als Prototyp vermittelt dem Fachmann hierbei eine ausführbare, für ihn als vorteilhaft erkennbare technische Lehre, selbst wenn sie ggf. nur einmal realisiert worden wäre.
Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, die DS39 würde dem Fachmann vermitteln, dass der IEC 60870 Standard „nach oben“ erforderlich sei, da das gesamte Kommunikationsnetz (aus Sicherheitsgründen) in unterschiedliche Bereiche unterteilt und nicht direkt auf IP-Ebene gekoppelt werde, und insoweit auf DS39, S. 3, re. Sp., letzter Abs. verweist, bezieht sich der zitierte Absatz – wie von der Einsprechenden zu 1 zutreffend ausgeführt – lediglich auf Funkverbindungen („WiMax“, „WLan“, „Funkverbindungen“). Der Senat schließt sich ferner der zutreffenden Auffassung der Einsprechenden zu 3 an, wonach aus der DS39 hervorgeht, dass sicherheitstechnisch die IP-Ebenen entkoppelt werden sollen, wobei eine Trennung der IP-Netze sowohl in der DS39 (Entkopplung der Ebenen, S. 3, re. Sp.) als auch in der DS37 (Fig. 6) offenbart ist.
6. Der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 ist ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG) nicht patentfähig.
6.1 Gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wurde der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dahingehend geändert, dass die Merkmale M1.1, M1.2 und M1.6 durch die folgenden Merkmale M1.1Hi1, M1.2Hi1 und M1.6Hi1 ersetzt wurden, wobei die diesseits unterstrichenen Textpassagen eingefügt wurden.
M1.1Hi1 Fernwirkgerät zur Fernüberwachung und -steuerung eines verteilten Prozessystems und zur Anbindung eines unterlagerten Prozesses an ein Stationsleitsystem,
M1.2Hi1 wobei das Fernwirkgerät mit wenigstens einer übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems gemäß dem Standard IEC 61850 Daten austauscht M1.6Hi1 – wenigstens ein IEC 61850 Server (11) zur Anbindung an die wenigstens eine übergeordnete Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems über einen ersten IEC 61850 Stationsbus,
Darüber hinaus wurde das Merkmal M1.8 durch das folgende Merkmal M1.8HI1 ersetzt, wobei die Textpassage „zur Anbindung der übergeordneten Kommunikationseinheit des Stationsleitsystems und/oder“ gestrichen wurden:
M1.8Hi1 – wenigstens eine als Protokoll-Gateway ausgeführte Funktionseinheit (12) zur Anbindung von intelligenten elektronischen Geräten mittels weiterer Netzwerkprotokolle, und Darüber hinaus wurde weiterhin das Merkmal M1.9 durch das folgende Merkmal M1.9Hi1 ersetzt, wobei die Textpassage „oder den zweiten“ gestrichen wurden:
M1.9Hi1 – wenigstens eine weitere Einheit (13) mit binären und/oder analogen Ein- und/oder Ausgängen zur direkten Prozessankopplung für den Anschluss von Steuer- und Kontrollsignalen an den ersten IEC 61850 Stationsbus.
Die vorgenannten Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1, die von der Patentinhaberin vorgenommen wurden, um die von der Patentabteilung geäußerte Beanstandung hinsichtlich einer unzulässigen Erweiterung auszuräumen (vgl. Beschwerdebegründung, S. 9), führen hinsichtlich der nunmehr mit Merkmal 1.8 exklusiv verfolgten Variante zu keinem anderen technischen Verständnis des Fachmanns. Daher trifft die Argumentation zum Hauptantrag für den Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 in gleicher Weise zu, d.h. sein Gegenstand ergibt sich in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Druckschriften DS39 und DS37.
6.2 Gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 dahingehend geändert, dass nach dem Merkmal M1.9Hi1 das folgende Merkmal M1.10Hi2 ergänzt wurde:
M1.10Hi2
, wobei im Fernwirkgerät eine konfigurierbare Filterfunktion (20) vorgesehen ist, welche den Datenaustausch zwischen den Funktionseinheiten (11, 12, 13, 14) koordiniert.
Der Senat schließt sich hier der zutreffenden Argumentation der Patentabteilung im angefochtenen Beschluss an, wonach das Merkmal M1.10Hi2 aus der Druckschrift DS11 bekannt ist. Die DS11 offenbart die Filterfunktion i.S. des Merkmals M1.10Hi2 auf S. 10, 2. Abs.: „The process signals of a small RTU connected at the lowest level of a network may be routed via other RTUs on the way up to the final network control center (NCC). All necessary communication links and parameters are engineered with RTUtil 560 in one project.“ Da die DS11 auch die RTU 560 der DS39, jedoch in einer älteren Ausführung, beschreibt, wird der Fachmann die in der Druckschrift DS11 genannten Komponenten der RTU 560 bei Bedarf auch bei der jüngeren RTU 560 gemäß DS39 vorsehen.
Das Merkmal M1.10Hi2 kann eine erfinderische Tätigkeit daher nicht begründen.
6.3 Gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 dahingehend geändert, dass nach dem Merkmal M1.10Hi2 das folgende Merkmal M1.11Hi3 ergänzt wurde:
M1.11Hi3
, und im Fernwirkgerät eine weitere Einheit zur Ausführung von Steuerungsaufgaben mittels integrierter SPSFunktionalität integriert ist.
Der Senat schließt sich auch insoweit der zutreffenden Argumentation der Patentabteilung im angefochtenen Beschluss an, wonach das Merkmal M1.11Hi3 aus der Druckschrift DS11 bekannt ist. Die DS11 offenbart die beanspruchte Einheit mit SPS-Funktionalität in der RTU 560 auf S. 11, linke Spalte (dort insb.: „Programmable Logic Control (PLC)“). Da die DS11 auch die RTU 560 der DS39, jedoch in einer älteren Ausführung, beschreibt, wird der Fachmann die in der Druckschrift DS11 genannten Komponenten der RTU bei Bedarf auch bei der jüngeren RTU 560 gemäß DS39 vorsehen.
Das Merkmal M1.11Hi3 kann eine erfinderische Tätigkeit somit ebenfalls nicht begründen.
7. Der Gegenstand des jeweils nebengeordneten Patentanspruchs 10 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1, des Patentanspruchs 9 gemäß Hilfsantrag 2 und des Patentanspruchs 8 gemäß Hilfsantrag 3 betriff jeweils die Verwendung des Fernwirkgeräts nach einem der vorherstehenden Ansprüche in einer Fernwirkunterstation, in einer Stationsleittechnik, in einem Fernwirkknoten oder in einem Kommunikationsnetz, die auf der Basis des IEC 60870 Standards arbeiten.
Soweit die Druckschrift DS37 explizit anspricht, dass für lange Zeit IEC 61850 und andere Protokolle gemeinsam bestehen (vgl. DS37, S. 671, re. Sp., Z. 5-6) sowie Komponenten nach dem IEC 60870 Standard gezeigt sind (vgl. DS37, Fig. 3 i.V.m. S. 671, re. Sp., vorletzter Abs.), wird der Fachmann das sich aus der Zusammenschau der DS39 und DS37 aufdrängende Fernwirkgerät selbstverständlich auch in einer Umgebung nach dem IEC 60870 Standard verwenden. Eine eigenständige erfinderische Tätigkeit kann der Senat darin nicht erkennen.
8. Nachdem sich der jeweils geltende Patentanspruch 1 sowohl gemäß Hauptantrag als auch gemäß den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 als nicht patentfähig erweist, kann das Patent in keiner der beantragten Fassungen aufrechterhalten werden. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 fallen auch alle anderen Ansprüche. Aus der Fassung der Anträge und dem zu ihrer Begründung Vorgebrachten ergeben sich keine Zweifel an dem prozessualen Begehren der Patentinhaberin, das Patent ausschließlich in einer der beantragten Fassungen zu verteidigen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27.02.2008 - X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 Rn. 22 m. w. N. – Installiereinrichtung).
9. Ausführungen zu den weiteren vorgebrachten Widerrufsgründen gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 und 4 PatG können bei dieser Sachlage dahingestellt blieben.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht jedem am Beschwerdeverfahren Beteiligten, der durch diesen Beschluss beschwert ist, die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG). Da der Senat in seinem Beschluss die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist (§ 100 Abs. 3 PatG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen (§ 102 Abs.1, Abs. 5 Satz 1 PatG). Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht.
Sie kann auch als elektronisches Dokument durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofs eingelegt werden (§ 125a Abs.3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1 und § 2, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Das elektronische Dokument ist mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach § 2 Abs. 2a Nr. 1 oder Nr. 2 BGH/BPatGERVV zu versehen. Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
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