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V ZB 63/14

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 63/14 BESCHLUSS vom 16. Oktober 2014 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 11. März 2014 und der Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg - 5. Zivilkammer - vom 2. April 2014 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt Aschaffenburg auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger, war im Jahr 2000 von Deutschland in die Türkei abgeschoben worden. Nach eigenen Angaben reiste er Anfang März 2014 aus Italien kommend ohne die erforderlichen Papiere erneut nach Deutschland ein. Er wurde am 10. März 2014 von Beamten der Bundespolizei festgenommen, wobei er ein gefälschtes bulgarisches Identitätspapier vorlegte.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. März 2014 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung längstens bis zum 9. Juni 2014 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 2. April 2014 zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben. Mit Beschluss vom 16. April 2014 hat der Senat die Vollziehung der Sicherungshaft einstweilen ausgesetzt.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Haft gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG zu Recht angeordnet worden. Die zunächst unterbliebene Aushändigung des Haftantrags an den Betroffenen sei im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nicht bis spätestens 9. Juni 2014 erfolgen werde, seien nicht ersichtlich.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthafte (siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat den Betroffenen bereits deshalb in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

1. a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr. des Senats, siehe nur Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15 ff. mwN).

b) Den sich hieraus ergebenden Begründungsanforderungen genügt der Haftantrag nicht.

aa) Zu den darzulegenden Abschiebungsvoraussetzungen gehört die nach § 59 AufenthG erforderliche Abschiebungsandrohung. Fehlt es an einer für die Vollstreckung der Abschiebung notwendigen Voraussetzung, darf auch eine kraft Gesetzes (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) vollziehbare Ausreisepflicht nicht ohne weiteres durchgesetzt werden. Eine bestehende Fluchtgefahr berechtigt die Behörde zwar dazu, von einer Fristsetzung für die freiwillige Ausreise abzusehen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), macht die Abschiebungsandrohung aber nicht entbehrlich. Der Haftantrag muss daher entweder Ausführungen zu einer Abschiebungsandrohung enthalten oder aber dazu, dass es einer solchen ausnahmsweise nicht bedurfte (z.B. nach § 59 Abs. 1 Satz 3 AufenthG oder nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG; vgl. Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 – V ZB 44/12, InfAuslR 2013, 349 Rn. 9 ff. mwN). Solche Angaben enthält der Haftantrag hier nicht.

bb) Ferner fehlen Angaben zu der Durchführbarkeit der Abschiebung. Im Antrag heißt es lediglich, dass die Haft längstens bis zum Ablauf von drei Monaten beantragt werde, weil die Vorbereitung der Abschiebung, insbesondere die Passersatzbeschaffung, erheblichen Zeitaufwand erfordere und gegebenenfalls damit gerechnet werden müsse, dass das türkische Generalkonsulat in Nürnberg eine persönliche polizeiliche Vorführung des Betroffenen für die Passersatzausstellung verlangen werde. Dies lässt nicht erkennen, ob eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchführbar erscheint; es fehlen jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG treffen konnte.

cc) Darüber hinaus enthält der Haftantrag keine Angaben zu der notwendigen Haftdauer. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Inhaftnahme des Ausländers auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken; die Haft darf deshalb nur für den Zeitraum angeordnet werden, der für die Vorbereitung der Abschiebung unverzichtbar ist. Im Haftantrag ist zu begründen, dass die beantragte Haftdauer dieser Vorgabe entspricht; das gilt auch dann, wenn Haft für einen unter drei Monate liegenden Zeitraum beantragt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – V ZB 139/13, juris Rn. 9).

2. Mängel eines Haftantrags können zwar im gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Dies ist zunächst dadurch möglich, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 15). Mängel des Haftantrags können auch dadurch behoben werden, dass das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellt (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 23). An beidem fehlt es hier aber jedenfalls hinsichtlich des Vorliegens oder der Entbehrlichkeit einer Abschiebungsandrohung sowie hinsichtlich der erforderlichen Haftdauer.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 u. 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 2 u. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann Brückner Schmidt-Räntsch RiBGH Dr. Roth ist infolge Krankheit an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 12. November 2014 Die Vorsitzende Stresemann Weinland Vorinstanzen: AG Aschaffenburg, Entscheidung vom 11.03.2014 - 306 XIV 10/14 (B) LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 02.04.2014 - 5 T 6/14 -

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