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IX B 156/12

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.4.2013, IX B 156/12 Nichtzulassungsbeschwerde: Krise, Zeitpunkt ihres Eintritts, Ermittlungspflicht des Gerichts Gründe Die Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht --FG-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 116 Abs. 6 FGO). Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel (i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Verletzung der Sachaufklärungspflicht ist gegeben; auf ihm kann die angefochtene Entscheidung beruhen.

1. Angesichts der Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls zur Feststellung einer Krise durch das FG als Tatsacheninstanz ist die Rechtssache mangels Klärungsbedürftigkeit weder grundsätzlich bedeutsam (i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch liegt eine für die Divergenz (i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erforderliche Abweichung im Grundsätzlichen vor.

2. Zwar stellen Einwände gegen die vom FG vorgenommene Schätzung keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Oktober 2012 IX B 11/12, BFH/NV 2013, 218, m.w.N.). Jedoch hat das FG die ihm obliegende Pflicht zur Sachaufklärung dadurch verletzt, dass es den Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht hinreichend aufgeklärt hat.

Nach § 76 Abs. 1 FGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und insbesondere Feststellungen zu treffen, denen nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. Es muss jedenfalls solchen tatsächlichen Zweifeln nachgehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Februar 2012 III B 54/10, BFH/NV 2012, 1151; vom 17. September 2003 I B 18/03, BFH/NV 2004, 207, m.w.N.).

Dies trifft vorliegend auf die Feststellung des Zeitpunkts des Eintritts der Krise zu. Das FG ist von einem Eintritt der Krise im Jahr 2002 ausgegangen; dies lässt sich aber dem vom FG selbst festgestellten Akteninhalt, insbesondere dem in Bezug genommenen Gutachten des Insolvenzverwalters (vom 22. März 2006) so nicht entnehmen. Denn danach ist die Krise nicht "erst im Jahr 2002" eingetreten, vielmehr muss sie (in Gestalt der bilanziellen Unterdeckung) "in jedem Fall schon 2002 vorhanden gewesen sein". Also ist es zumindest möglich, dass die Krise auch schon vor 2002 eingetreten sein könnte. Ob und zu welchem Zeitpunkt dies (--wie bisher-- 2002 oder schon vorher) der Fall gewesen ist, dazu fehlen die notwendigen Feststellungen.

3. a) Aufgrund des vorliegenden Verfahrensmangels wird das FG-Urteil ohne sachliche Nachprüfung aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO). Das FG wird die unterlassene und ggf. noch erforderliche Sachaufklärung unter Ein-beziehung des Akteninhalts nachholen.

b) Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Das FG hat die Frage, ob und wann die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls als Tatfrage zu beurteilen (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 60/05, BFH/NV 2009, 896). Eine Krisensituation ist nicht nur bei Insolvenzreife (in Gestalt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) gegeben, sondern kann auch --schon vor Insolvenzreife-- bei Kreditunwürdigkeit gegeben sein (vgl. Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 4 II Rz 19, 39; Löwisch, Eigenkapitalersatzrecht, 2007, Rz 66; z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. April 2006 II ZR 332/05, Betriebs-Berater 2006, 1178, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 1144; BFH-Urteile vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724; vom 24. Januar 2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854, GmbH-Rundschau 2012, 653); diese kann grundsätzlich in jedem Stadium der Gesellschaft eintreten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, unter III.3.d; FG Düsseldorf vom 20. November 2012 13 K 180/11 E, juris).

Nach den bisherigen Feststellungen zu den gewährten Darlehen konnte das FG das Vorliegen von sog. krisenbestimmten wie Finanzplan-Darlehen wegen der Kündigungsmöglichkeiten (vgl. BFH-Urteile vom 25. Mai 2011 IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029; vom 7. Dezember 2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778, m.w.N.) beanstandungsfrei verneinen. So kommt allenfalls die Annahme einer Darlehensgewährung nach Kriseneintritt oder eine solche vor Kriseneintritt mit nachfolgendem Stehenlassen in der Krise in Betracht, wobei der vereinbarte Forderungsverzicht mit Besserungszusage auf den 1. August 2005 datiert.

Kommt das FG danach zu dem Ergebnis, dass die Krise schon vor 2002 eingetreten ist, wird es entsprechende Feststellungen zu den gegebenen Darlehen und der übernommenen Bürgschaft als funktionales Eigenkapital und --ggf. im Wege der Schätzung-- zur Höhe etwa anzusetzender Finanzierungshilfen zu treffen und diese nachvollziehbar zu begründen haben. Letzteres gilt auch für den Fall, dass das FG erneut den Kriseneintritt im Jahr 2002 annimmt.

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