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XIII ZB 60/20

BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 60/20 BESCHLUSS vom 31. August 2021 in der Haftaufhebungssache ECLI:DE:BGH:2021:310821BXIIIZB60.20.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. August 2021 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Prof. Dr. SchmidtRäntsch, den Richter Prof. Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Tolkmitt beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Person des Vertrauens gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 27. Juli 2020 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, wurde 2017 und erneut 2018 aus Deutschland abgeschoben. Am 6. Februar 2020 wurde er aus Spanien kommend am Flughafen Berlin-Schönefeld aufgegriffen. Am 7. Februar 2020 ordnete das Amtsgericht zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Freiheitsentziehung bis zum 17. Februar 2020 an. Nach deren Verlängerung bis zum 28. Februar 2020 erging durch das Landgericht am 27. Februar 2020 im Beschwerdeverfahren nach Anhörung des Betroffenen eine Haftanordnung zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. April 2020. Mit Schreiben vom 26. März 2020 hat die Person des Vertrauens des Betroffenen (nachfolgend: Vertrauensperson) einen Haftaufhebungsantrag gestellt und für den Fall einer Haftentlassung beantragt, das Verfahren als Feststellungsverfahren fortzusetzen. Am 30. März 2020 wurde der Betroffene entlassen, weil der für den 16. April 2020 geplante Charterflug storniert worden war. Das Amtsgericht hat den unter anderem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft vom 26. bis 30. März 2020 gerichteten Feststellungsantrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Vertrauensperson mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es habe ein zulässiger Haftantrag vorgelegen. Die durch die beteiligte Behörde im Haftantrag gemachten und in der Beschwerde ergänzten Angaben genügten den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Nr. 3 und 4 FamFG. Die beteiligte Behörde habe ausführlich zum konkreten Fall vorgetragen und ausgeführt, dass ein normaler Linienflug nur möglich sei, wenn der Betroffene bereit sei, freiwillig auszureisen. Er habe jedoch geäußert, nicht freiwillig nach Pakistan zurückzufliegen. Dies zeige auch sein Verhalten. Er habe seinen Lebensmittelpunkt nach Europa verlegt und sei trotz bereits erfolgter zweimaliger Abschiebung zurückgekehrt. Für die begleitete Rückführung sei bei einem Linienflug nach Pakistan ein Visum für die begleitenden Beamten erforderlich, das von den pakistanischen Behörden aber nicht ausgestellt werde. Gegenwärtig seien nur Chartermaßnahmen möglich, weil deren Planung seitens der pakistanischen Behörden unterstützt werde. Die nächste Chartermaßnahme sei zwar bereits am 3. März 2020. Diese könne aber nicht genutzt werden, da die pakistanischen Behörden dafür eine Anmeldung bis zum 3. Februar 2020 verlangten. Der nächstmögliche Sammelcharterflug nach Pakistan sei daher am 16. April 2020. Dass der Betroffene kurz nach Ablauf der Anmeldefrist für den früheren Flug aufgegriffen worden sei, liege außerhalb des behördlichen Verantwortungsbereichs, zumal die beteiligte Behörde vergeblich versucht habe, den Betroffenen noch für den 3. März 2020 anzumelden.

Die Zurückweisung der Beschwerde hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt ein zulässiger Haftantrag vor.

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. April 2020 - XIII ZB 53/19, juris Rn. 7 mwN).

Mängel des Haftantrages können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.; vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 17/19, juris Rn. 12). Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 201/17, juris Rn. 8 mwN).

bb) So liegt es hier. Das Beschwerdegericht hat die erforderliche Dauer der Haft nach vorheriger Anhörung des Betroffenen festgestellt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde waren die ergänzten Angaben der beteiligten Behörde ausreichend. Sie verschafften dem Haftrichter eine hinreichende tatsächliche Grundlage für die Beurteilung des zur Sicherstellung der Abschiebung notwendigen Haftzeitraums. Aus dem Haftantrag ergibt sich, wann die Abschiebung erfolgen sollte und dass eine (frühere) begleitete Abschiebung mit einem Linienflug zum damaligen Zeitpunkt wegen der mangelnden Kooperation der pakistanischen Behörden nicht möglich war. Da die Gründe dafür unbekannt waren, konnten dazu auch keine weiteren Ausführungen erfolgen. Damit verblieb die Möglichkeit eines Sammelcharterfluges, der wegen des erforderlichen Vorlaufs mit Anmeldung zum 17. März 2020 für den 16. April 2020 geplant war. Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 3 des Rückübernahmeabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Pakistan (ABl. L 287 vom 4. November 2011, S. 52 ff.) in Zweifel zieht, dass die von der beteiligten Behörde genannten Hindernisse in Bezug auf die Visumserteilung für das Begleitpersonal vorgelegen hätten, greift das nicht durch. Zu Recht weist die beteiligte Behörde daraufhin, dass Art. 12 Abs. 3 des Rückübernahmeübereinkommens die hier gegebene Fallgestaltung nicht betrifft, sondern sich auf die Durchbeförderung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen bezieht.

cc) Auch im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des umfangreich begründeten Haftantrags, den die Rechtsbeschwerde im weiteren nicht beanstandet, keine Bedenken.

b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht seine Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) nicht verletzt.

aa) Die Haftgerichte sind auf Grund von Art. 20 Abs. 3, Art. 104 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich und auf Grund von § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (st. Rspr., etwa BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2021 - XIII ZB 14/19, juris Rn. 14; vom 20. April 2021 - XIII ZB 47/20, juris Rn. 15).

bb) Nach diesen Grundsätzen war das Landgericht am 27. Februar 2020 vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt erst beginnenden Coronavirus-Pandemie nicht verpflichtet, in Bezug auf die Durchführbarkeit der Abschiebung weitere Ermittlungen - etwa durch eine Anfrage bei dem pakistanischen Generalkonsulat - durchzuführen. Da entgegenstehende Erkenntnisse nicht vorlagen, durfte es davon ausgehen, dass die von der beteiligten Behörde betriebene Organisation eines Sammelcharterflugs durchführbar sein werde. Zu Recht weist die beteiligte Behörde daraufhin, dass am 27. Februar 2020 mit einer Einstellung des Flugverkehrs nach Pakistan nicht gerechnet werden konnte. Das Landgericht hat daher in seinem Beschluss gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG rechtsfehlerfrei die Prognose treffen können, dass die Abschiebung - wie von der beteiligten Behörde dargelegt - mit dem am 16. April 2020 geplanten Sammelcharterflug durchführbar sein werde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Meier-Beck Richterin Prof. Dr. SchmidtRäntsch ist infolge Versetzung an eine oberste Bundesbehörde an der Unterschrift gehindert.

Meier-Beck Roloff Tolkmitt Kirchhoff Vorinstanzen: AG Paderborn, Entscheidung vom 15.05.2020 - 11 XIV(B) 79/20 LG Paderborn, Entscheidung vom 27.07.2020 - 5 T 127/20 -

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