35 W (pat) 420/09
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 420/09
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2017:190417B35Wpat420.09.0 betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Löschungsverfahren Lö …)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) am 19. April 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. Geier und Dr.-Ing. Baumgart beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 150.000,- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 18. November 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA auf den Löschungsantrag der Antragstellerin das am 7. Juli 2005 angemeldete und am 15. September 2005 unter der Bezeichnung „… “ und mit den Schutzansprüchen 1 – 10 eingetragene Gebrauchsmuster … (i. F.: Streitgebrauchsmuster) gelöscht und dem Antragsgegner die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens auferlegt. Seine gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 hat der Senat dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Die Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2014 Kostenfestsetzung sowie die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren und trägt hierzu vor:
Sie ist zunächst von einem Gegenstandswert i. H. v. 1,43 Mio. € ausgegangen und berechnet diesen wie folgt: Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters sei sehr breit angelegt. Es sei davon auszugehen, dass jeder zweite in Deutschland verkaufte Kinderwagen mit einem anspruchsgemäßen Sonnensegel ausgestattet sei. Ferner geht die Antragstellerin von jährlich durchschnittlichen Verkaufszahlen von über … Kinderwagen, bezogen auf die Jahre 2001 – 2007, und einem durchschnittlichen Preis für ein Sonnensegel i. H. v. 10,47 € aus; hieraus folge ein durchschnittliches Umsatzvolumen von … € pro Jahr. Bei einer ab Löschungsantrag 7,5 Jahre dauernden (Rest-)Laufzeit des Streitgebrauchsmusters und einem Lizenzsatz von 4% ergebe sich ein Gegenstandswert i. H. v. 1,43 Mio. €. Auf Hinweis des Senats vom 19. März 2015, dass eine Ausrüstung aller verkauften Kinderwagen mit einem gebrauchsmustergemäßen Sonnensegel eine herausgehobene Marktstellung des Streitgebrauchsmusters voraussetze, eine solche aber weder vorgetragen, noch ersichtlich sei, weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie ohnehin nur jeden zweiten in Deutschland verkauften Kinderwagen als mit einem gebrauchsmustergemäßen Sonnensegel ausgestattet ihrer Berechnung zugrunde gelegt habe. Eine herausgehobene Marktstellung ergebe sich aus dem sehr breiten Schutzbereich des Streitgebrauchsmusters, der praktisch jedes Sonnensegel erfasse, wobei zudem alle Kinderwagen eine zusätzliche Schutzausrüstung zur Verminderung der Lichtdurchlässigkeit aufweisen würden. Gebrauchsmustergemäße Sonnensegel würden über große Drogerieketten, Babymärkte oder im Direktvertrieb angeboten. Selbst bei einem Marktpreis von 7,- € ergebe sich (ausgehend von den weiteren, o. g. Berechnungsfaktoren) ein Jahresumsatz von … € und damit ein Gegenstandswert i. H. v. ca. als 956.000,- €.
Der Antragsgegner tritt der Berechnung der Antragstellerin entgegen und geht von einem Gegenstandswert i. H. v. 65.000,- € aus. Er bestreitet die von der Antragstellerin vorgebrachten Zahlen und Berechnungsfaktoren. Diese seien ohne Bezug auf die Eigenschaften und Merkmale des Streitgebrauchsmusters aus zufällig im Internet gefundenen Preisangaben gebildet worden. Der Schutzbereich des Streitgebrauchsmusters sei eher eng. Sonnensegel wie dasjenige des Streitgebrauchsmusters seien nicht das einzige Mittel für den Sonnenschutz bei Kinderwagen. Der Antragsgegner habe das Streitgebrauchsmuster selber durch Lizenzvergabe verwertet, wobei gemäß einer seinem Schriftsatz vom 17. März 2015 beigefügten eidesstattlichen Versicherung des Lizenznehmers des Antragsgegners vom 6. März 2015 im Durchschnitt der Jahre 2006 – 2011 ca. … Sonnensegel verkauft und ein Jahresumsatz von ca. … € erzielt worden seien. Eine herausgehobene Marktposition sei in Bezug auf das Streitgebrauchsmuster nicht gegeben. Die weiteren Zahlen, die die Antragstellerin vorgebracht habe, gingen an der Realität vorbei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Bemessung des Gegenstandswertes erfolgt in entsprechender Anwendung von §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO nach billigem Ermessen, weil eine Wertvorschrift für die Anwaltsgebühren fehlt und der Gegenstandswert auch im Übrigen nicht feststeht. Der Gegenstandswert ist nach den o. g. Bestimmungen auf der Grundlage der vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkte nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Er richtet sich im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung des Schutzrechts, wobei Ausgangspunkt der Schätzung der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags ist (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 17 GebrMG, Rn. 58; § 84 PatG, Rn. 68). Für die Bestimmung des gemeinen Wertes gelten die folgenden, grundsätzlichen Überlegungen: Mit der Löschung besteht für die Mitbewerber die Möglichkeit, den geschützten Gegenstand frei zu benutzen. Während des Bestandes eines Schutzrechts müssten hierfür Lizenzen gezahlt werden. Demnach kann das Allgemeininteresse in etwa aus den Lizenzzahlungen errechnet werden, die alle Konkurrenten während der Laufzeit des Gebrauchsmusters zu leisten bzw. durch die Löschung erspart haben, also mit dem Betrag gleichgesetzt werden, der sich aus der Multiplikation des einschlägigen Lizenzsatzes mit dem in Deutschland erzielten bzw. zu erwartenden Gesamtumsatz ergibt (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl. 2011, § 17 Rn. 118).
Der Sachvortrag der Antragstellerin enthält jedoch keine hinreichende Tatsachengrundlage, um nach den vorgenannten Grundsätzen den Gegenstandswert wie von ihr beantragt festsetzen zu können. Bei einem streitgebrauchsmustergemäßen Sonnensegel kann es sich um ein Zubehörteil für Kinderwagen handeln. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass es sich, anders als z. B. bei Kinderwagenplanen, um einen üblichen Bestandteil eines Kinderwagens handelt. Vielmehr gibt es, wie der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 17. März 2015 letztlich unwidersprochen vorgetragen hat, eine Reihe von Alternativen für einen besonderen Sonnenschutz, falls die Erwerber von Kinderwagen einen solchen überhaupt wünschen. Welchen Anteil Sonnensegel in Bezug auf verkaufte Kinderwagen überhaupt und welchen Anteil davon streitgebrauchsmustergemäße Sonnensegel ist auf dieser Grundlage nicht feststellbar. Vor diesem Hintergrund gibt es für die Annahme, dass jeder zweite in Deutschland verkaufte Kinderwagen mit einem streitgebrauchsmustergemäßen Sonnensegel ausgerüstet werde, keine hinreichende Tatsachengrundlage.
Allerdings enthalten auch die Darlegungen des Antragsgegners keine hinreichende Tatsachengrundlage für eine Bestimmung des Gegenstandswerts in der von ihm angegebenen Höhe. Zwar können nach Auffassung von Loth/Stock, GebrMG, 2. Aufl. 2017, § 17, Rn. 104 Gewinne und Umsätze des Gebrauchsmusterinhabers einen „bedeutenden“ Anhaltspunkt für die Bemessung des Gegenstandswerts darstellen. Im vorliegenden Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass letztlich nur Daten zu einer Geschäftsbeziehung mit einem Lizenznehmer des Antragsgegners vorgetragen worden sind, die keine hinreichenden Schlüsse auf das Allgemeininteresse an der Beseitigung des Streitgebrauchsmusters zulassen.
Da mithin keine genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Gegenstandswerts vorliegen, hat eine Schätzung nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu erfolgen, wobei eine Obergrenze von 500.000,- € zu beachten ist. Üblich ist ein (Regel-)Gegenstandswert von 100.000,- bis 125.000,- € (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl. 2011, § 17 Rn. 119). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters insbesondere in seinem Anspruch 1 durchaus breit formuliert ist und von seiner Ausgestaltung her nicht zwingend auf eine Anwendung als Zubehörteil für Kinderwagen „und dgl.“ beschränkt ist. Andererseits sind zur Erzielung von Gesamtumsätzen, wie ausgeführt, keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen worden und es liegen dem Senat insoweit auch keine sonstigen Erkenntnisse vor, die eine deutliche Abweichung von dem vorgenannten Regelgegenstandswert als gerechtfertigt erscheinen lassen. Eine allenfalls moderate Erhöhung des Regelgegenstandswerts erscheint geboten, so dass der Senat in Abwägung aller Fallumstände einen Gegenstandswert i. H. v. 150.000,- € als angemessen, aber auch ausreichend erachtet.
Aus § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG ergibt sich, aus Sicht des Senats zwingend, dass eine Rechtsbeschwerde zum BGH vorliegend nicht statthaft ist, so dass der Senat von einer Rechtsmittelbelehrung absieht.
Metternich Dr. Geier Dr. Baumgart Fa