Paragraphen in X ZR 80/21
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
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10 | 651 | BGB |
1 | 128 | ZPO |
1 | 561 | ZPO |
1 | 563 | ZPO |
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10 | 651 | BGB |
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 80/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 28. Januar 2025 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2025:280125UXZR80.21.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis 2. Januar 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterinnen Dr. Marx und Dr. von Pückler für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10. August 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht als Erbin ihres während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ehemannes (nachfolgend: der Kläger) von der Beklagten die Rückzahlung des restlichen Reisepreises für eine Pauschalreise.
Der Kläger buchte am 7. August 2019 für sich und die Klägerin bei der Beklagten eine Pauschalreise nach London und Südengland, die vom 28. März bis zum 4. April 2020 stattfinden und 2.308 Euro kosten sollte. Der Kläger hat den Reisepreis vollständig gezahlt.
Ende Februar 2020 ging der Kläger, der sich ebenso wie die Klägerin aufgrund einer langjährigen Krebserkrankung zur Covid-19-Risikogruppe zählte, davon aus, dass die Reise aufgrund der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus nicht angetreten werden kann. Daher trat er am 26. Februar 2020 telefonisch von der Reise zurück. Zu diesem Zeitpunkt bestanden keine Reise- oder Bewegungseinschränkungen für das Reisegebiet. Im März 2020 sprach das Auswärtige Amt eine weltweite Reisewarnung aus.
Die Beklagte sagte die Reise am 16. März 2020 wegen der Covid-19-Pandemie ab. Sie zahlte dem Kläger am 5. Mai 2020 einen Teilbetrag von 1.731 Euro zurück und behielt 577 Euro als Stornierungskosten ein.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 577 Euro und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Der Senat hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2022 (RRa 2023, 72) das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-584/22 ausgesetzt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 29. Februar 2024 (C-584/22, RRa 2024, 62 - Kiwi Tours) über das Vorlageersuchen entschieden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Amtsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte könne von dem Kläger nach dessen Rücktritt von dem Pauschalreisevertrag keine Entschädigung verlangen, da die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB erfüllt seien.
Vor dem Hintergrund, dass das Auswärtige Amt im März 2020 eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen habe, stelle die Corona-Pandemie einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB dar.
Es könne dahinstehen, ob bei einer ex-ante-Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers das damals bestehende Infektionsgeschehen bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB begründet habe. Eine ex-ante-Betrachtung sei jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn der Reiseveranstalter die Reise vor deren Beginn selbst aufgrund eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstandes abgesagt habe.
II. Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Beklagte hat gemäß § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf den Reisepreis verloren, weil der Kläger nach § 651h Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam vom Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist. Damit ist die Beklagte zur Rückzahlung der erbrachten Anzahlung verpflichtet.
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB, den die Beklagte dem Anspruch des Klägers entgegenhalten könnte, nicht ausgeschlossen werden.
a) Wie der Senat bereits im Aussetzungsbeschluss ausgeführt hat, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im maßgeblichen Reisezeitraum (März/April 2020) einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt (BGH, Beschluss 13. Oktober 2022 - X ZR 80/21, RRa 2023, 72 Rn. 20).
b) Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass § 651h Abs. 3 BGB auch dann anwendbar ist, wenn dieselben oder vergleichbare Beeinträchtigungen im vorgesehenen Reisezeitraum auch am Heimatort des Reisenden vorliegen (BGH, Beschluss 13. Oktober 2022 - X ZR 80/21, RRa 2023, 72 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 30. August 2022 - X ZR 3/22 Rn. 22 ff.).
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf eine erhebliche Beeinträchtigung im Streitfall jedoch nicht schon deshalb bejaht werden, weil die Reise nach der Rücktrittserklärung abgesagt worden ist.
Nach der auf Vorlage des Senats ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist. (EuGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - C-584/22, RRa 2024, 62 Rn. 28 ff. - Kiwi Tours).
III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Die Klage ist nicht schon dann ohne weiteres begründet, wenn die Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten, die eine pauschalierte Entschädigung vorsehen, nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind.
Falls der Beklagten ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zusteht, die in ihren Allgemeinen Reisebedingungen enthaltenen Regelungen zur Höhe des Anspruchs aber nicht zum Bestandteil des Vertrags geworden oder unwirksam sind, steht der Beklagten eine Entschädigung in der im Gesetz (§ 651h Abs. 2 Satz 2 BGB) vorgesehenen Höhe zu. Der Beklagten wird gegebenenfalls Gelegenheit gewährt werden müssen, zu den hierfür maßgeblichen Umständen vorzutragen.
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit bereits zum Zeitpunkt des Rücktritts des Klägers konkrete Umstände absehbar waren, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB begründen.
Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Hierbei wird das Berufungsgericht insbesondere auch zu berücksichtigen haben, dass eine im Zeitpunkt des Rücktritts begründete Ungewissheit über die weitere Entwicklung ein starkes Indiz dafür bilden kann, dass die Durchführung der Reise schon aus damaliger Sicht nicht zumutbar war. Hierbei sind gegebenenfalls auch individuelle Gesundheitsrisiken zu berücksichtigen, denen die Reisenden bei Durchführung der Reise ausgesetzt wären (BGH, Urteil vom 30. August 2022 - X ZR 66/21, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 62 ff.; Urteil vom
23. Januar 2024 - X ZR 4/23, NJW-RR 2024, 466 Rn. 31 ff.). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist dem Reisenden auch nicht ohne weiteres zuzumuten, mit einer Entscheidung über den Rücktritt bis kurz vor Reisebeginn zuzuwarten (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2024 - X ZR 79/22, MDR 2024, 1570 Rn. 43 ff.).
Bacher Hoffmann Deichfuß Marx von Pückler Vorinstanzen: AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 25.11.2020 - 31 C 2574/20 (15) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 10.08.2021 - 2-24 S 31/21 -
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10 | 651 | BGB |
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