Paragraphen in XII ZB 117/23
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 74 | FamFG |
1 | 1565 | BGB |
1 | 46 | EGBGB |
Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 1565 | BGB |
1 | 46 | EGBGB |
2 | 74 | FamFG |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 117/23 in der Familiensache ECLI:DE:BGH:2025:250625BXIIZB117.23.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum Ablauf des 14. Mai 2025 eingereicht werden konnten, durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 3. Zivilsenats als Senat für Familiensachen des Kammergerichts in Berlin vom 27. Februar 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Kammergericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Gründe: I.
Das Verfahren betrifft die Scheidung der Ehe zwischen dem 1965 geborenen Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und der 1964 geborenen Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau).
1. Die Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige und schlossen im Jahr 1989 die Ehe, aus der zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen sind.
Im Jahr 2006 mieteten die Beteiligten eine Wohnung in Berlin an, in der sie dann gemeinsam lebten. Im Juni 2017 zogen sie mit nahezu ihrem gesamten Hausstand nach Schweden, wo der Ehemann an der Deutschen Botschaft Stockholm beschäftigt war. Ihren inländischen Wohnsitz meldeten die Beteiligten im Juni 2017 ab; ihre Mietwohnung in Berlin behielten sie allerdings bei, um nach Beendigung der Auslandstätigkeit des Ehemanns wieder dorthin zurückkehren zu können. Als der Ehemann an die Deutsche Botschaft Moskau (Russland) versetzt wurde, zogen die Beteiligten im September 2019 mit ihrem Hausstand von Stockholm nach Moskau in eine Wohnung auf dem Compound der Botschaft. Der Ehemann ist Botschaftsrat und beherrscht - anders als die Ehefrau - die russische Sprache. Die Ehefrau war als Angehörige eines Botschaftsmitarbeiters ebenfalls in der Wohnung auf dem Compound gemeldet; sie meldete auch ihr Auto in Russland an. Die Beteiligten besitzen beide einen Diplomatenpass.
Im Januar 2020 reiste die Ehefrau nach Berlin, um sich dort einer Operation zu unterziehen. Sie wohnte in der Folgezeit in der Berliner Mietwohnung der Beteiligten und ließ sich später Sommerbekleidung von Moskau nach Berlin schicken. Im Februar 2021 kehrte sie nach Moskau zurück und wohnte in der Wohnung auf dem Compound der Botschaft. Nach Angaben des Ehemanns teilten die Beteiligten ihren Kindern am 17. März 2021 mit, dass sie sich scheiden lassen wollten. Die Ehefrau reiste am 23. Mai 2021 nach Berlin und lebt seither in der dortigen Mietwohnung der Beteiligten.
Am 8. Juli 2021 hat der Ehemann beim Amtsgericht einen Scheidungsantrag gestellt. Er hat vorgetragen, dass die Beteiligten seit Januar 2020 getrennt gelebt hätten, die Ehefrau im März 2021 nur für einen kurzen Zeitraum nach Moskau gereist sei und die Beteiligten sich dann endgültig getrennt hätten. Die Ehefrau ist dem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, dass eine Trennung der Ehegatten frühestens im Mai 2021 erfolgt sei. Aufgrund der medizinischen Behandlung habe sie sich vom 15. Januar 2020 bis zum 26. Februar 2021 in Berlin aufgehalten. Eine frühere Rückkehr nach Moskau sei wegen ihres Gesundheitszustands und der Corona-Beschränkungen nicht möglich gewesen. Bis zu ihrer Abreise aus Moskau am 23. Mai 2021 habe sie sich um den dortigen Haushalt der Beteiligten gekümmert. Zudem habe sie den Ehemann, der sich aufgrund eines Schlaganfalls in einem russischen Krankenhaus bzw. Sanatorium befunden habe, mit Kleidung versorgt.
Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag durch Beschluss vom 26. Januar 2022 zurückgewiesen, weil das nach deutschem Recht erforderliche Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei und Gründe für eine Härtefallscheidung nicht vorlägen (§ 1565 Abs. 2 BGB). Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Kammergericht die Ehe der Beteiligten nach vorherigem Hinweis unter Anwendung russischen Sachrechts geschieden. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, mit der diese eine Scheidung nach deutschem Sachrecht und zusammen mit dem Scheidungsausspruch eine von Amts wegen zu treffende Entscheidung über den Versorgungsausgleich erstrebt.
2. Der Senat hat das Verfahren durch Beschluss vom 20. Dezember 2023 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zur Auslegung von Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (im Folgenden: Rom III-VO) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, nach welchen Kriterien der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Sinne von Art. 8 lit. a und b Rom III-VO zu bestimmen ist, insbesondere ob die Entsendung als Diplomat der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Empfangsstaat entgegensteht. Der Gerichtshof hat diese Frage mit Urteil vom 20. März 2025 (C-61/24 - FamRZ 2025, 665) beantwortet.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 239, 190 = FamRZ 2024, 343 Rn. 22 ff.) führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass sich das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht nach Art. 8 Rom III-VO richte, weil eine Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO nicht erfolgt sei. Vorliegend finde Art. 8 lit. b Rom III-VO und damit das russische Sachrecht Anwendung; eine Rück- und Weiterverweisung sei gemäß Art. 11 Rom III-VO ausgeschlossen. Denn nach dem Vortrag der Beteiligten sei davon auszugehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Ehemanns weiterhin in Moskau sei, während der dortige gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau erst mit ihrer Abreise nach Deutschland am 23. Mai 2021 geendet habe, also weniger als ein Jahr vor Anrufung des Amtsgerichts am 8. Juli 2021. Dass die Ehegatten wegen der Tätigkeit des Ehemanns als Diplomat nach Moskau gezogen seien, habe keinen Einfluss auf die Beurteilung eines dort begründeten gewöhnlichen Aufenthalts.
2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Richtig sind die rechtlichen Ausgangspunkte des Beschwerdegerichts.
aa) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vorliegend aus Art. 3 Abs. 1 lit. a dritter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom
27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (im Folgenden: Brüssel IIa-VO) iVm Art. 100 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Brüssel IIb-VO) ergibt. Danach sind für Entscheidungen über die Ehescheidung in vor dem 1. August 2022 eingeleiteten Verfahren die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass die Ehefrau als Antragsgegnerin bei Anrufung des Amtsgerichts am 8. Juli 2021 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts. Im Übrigen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt aufgrund der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Beteiligten aus Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO (Senatsbeschluss BGHZ 239, 190 = FamRZ 2024, 343 Rn. 29).
bb) Ebenfalls zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht aus Art. 8 Rom III-VO ergibt, weil die Beteiligten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug (vgl. Art. 46 e Abs. 2 Satz 1 EGBGB iVm Art. 5 Abs. 2 und 3 Rom III-VO) keine Rechtswahl nach Art. 5 Rom III-VO getroffen haben. Art. 8 Rom III-VO bestimmt das anzuwendende Recht, indem die Vorschrift als Anknüpfungspunkte der Reihe nach den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, anderenfalls unter bestimmten Voraussetzungen den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten, anderenfalls ihre gemeinsame Staatsangehörigkeit oder anderenfalls den Sitz des angerufenen Gerichts heranzieht (Senatsbeschluss BGHZ 239, 190 = FamRZ 2024, 343 Rn. 30 mwN).
b) Dagegen ist das Beschwerdegericht bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten im Sinne von Art. 8 lit. a und b Rom III-VO von unzutreffenden Kriterien ausgegangen, weil es hierbei dem Umstand, dass die Beteiligten wegen der beruflichen Tätigkeit des Ehemanns als Diplomat nach Moskau gezogen sind, ausdrücklich keinerlei Bedeutung beigemessen hat.
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ unter Berücksichtigung von Wortlaut und Kontext der Bestimmungen, in denen er genannt wird, sowie der Ziele der jeweiligen Verordnung autonom auszulegen (vgl. EuGH Urteile vom 6. Juli 2023 - C-462/22 FamRZ 2023, 1479 Rn. 26; vom 25. November 2021 - C-289/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 39 und vom 28. Juni 2018 - C-512/17 - FamRZ 2018, 1426 Rn. 40, jeweils zur Brüssel IIa-VO). Nach welchen Kriterien der „gewöhnliche Aufenthalt“ in Art. 8 lit. a und b Rom III-VO insbesondere bei Diplomaten zu bestimmen ist, hatte der Gerichtshof zunächst noch nicht entschieden. Die Kriterien waren auch nicht von vornherein eindeutig oder zweifelsfrei im Sinne eines acte clair, weshalb der Senat dem Gerichtshof diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 239, 190 = FamRZ 2024, 343 Rn. 21).
bb) Der Gerichtshof hat dazu in seinem Urteil vom 20. März 2025 (C-61/24 - FamRZ 2025, 665 Rn. 42 f.) ausgeführt, dass der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO grundsätzlich durch zwei Elemente gekennzeichnet sei, nämlich zum einen durch den Willen des Betreffenden, an einem bestimmten Ort den gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen zu begründen, und zum anderen durch eine Anwesenheit im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweise. Dieselben Elemente seien erforderlich, um den Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Sinne von Art. 8 lit. a und b Rom III-VO zu kennzeichnen.
Bei der Frage, ob der Diplomatenstatus eines der Ehegatten im Empfangsstaat, die Dauer der physischen Präsenz der Ehegatten in diesem Staat sowie das Maß an sozialer und familiärer Integration in diesem Staat für die Bestimmung ihres „gewöhnlichen Aufenthalts“ im Sinne von Art. 8 lit. a und b Rom III-VO relevante oder sogar entscheidende Gesichtspunkte seien, handele es sich im Wesentlichen um eine Tatsachenfrage. Es sei daher Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die beiden genannten Elemente, die den Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ kennzeichneten, im Ausgangsverfahren erfüllt seien (EuGH Urteil vom 20. März 2025 - C-61/24 - FamRZ 2025, 665 Rn. 48).
Indes sei festzustellen, dass der Aufenthalt eines Diplomaten im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats grundsätzlich ausschließlich beruflichen Zwecken diene, da er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung seiner Aufgaben stehe. Die dienstliche Verwendung im Empfangsstaat bestimme sich in erster Linie aufgrund dienstlicher Erfordernisse des Entsendestaats und nicht nach dem Willen oder den persönlichen Vorlieben des im Empfangsstaat eingesetzten Diplomaten. Eine solche Situation unterscheide sich von derjenigen, die dem Urteil des Gerichtshofs vom 1. August 2022 (C-501/20 - FamRZ 2022, 1466 Rn. 58 ff.) zugrunde gelegen habe, in dem es um Vertragsbedienstete der Europäischen Union in einem Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Dauer gegangen sei, die am Sitz in Brüssel keiner Rotation unterlegen hätten und der Delegation der Union in einem Drittstaat zugewiesen gewesen seien. Natur und Eigenart der beruflichen Tätigkeit eines in einer Auslandsvertretung im Empfangsstaat eingesetzten Diplomaten sprächen aufgrund der in dieser Funktion begründeten Umstände grundsätzlich dafür, dass dieser Diplomat (und auch sein Ehegatte) in diesem Staat keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 8 lit. a und b Rom III-VO habe (EuGH Urteil vom 20. März 2025 - C-61/24 - FamRZ 2025, 665 Rn. 52 ff.).
Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass der Empfangsstaat unter besonderen tatsächlichen Umständen als der Staat angesehen werden könne, in dem die betreffenden Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 8 lit. a und b Rom III-VO begründen wollten. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der Diplomat und sein Ehegatte im Empfangsstaat privat eine Wohnung erworben hätten, um sich dort nach dem Ende der Dienstzeit gemeinsam niederzulassen. Folglich sei der Diplomatenstatus eines der Ehegatten zwar ein relevanter Gesichtspunkt im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats haben, doch sei dieser Gesichtspunkt, was die Beurteilung der Gründe für ihre Anwesenheit in diesem Staat und der Umstände ihres Aufenthalts angehe, nicht allein entscheidend, um die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Staat auszuschließen. Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten sei daher auch bei Vorliegen eines solchen Gesichtspunkts auf der Grundlage aller tatsächlichen Umstände jedes Einzelfalles vorzunehmen (EuGH Urteil vom 20. März 2025 - C-61/24 - FamRZ 2025, 665 Rn. 56 f.).
Vorbehaltlich weiterer Überprüfungen durch das vorlegende Gericht auf der Grundlage aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalles deuteten die bislang ersichtlichen Gesichtspunkte darauf hin, dass die Ehegatten trotz der Dauer ihres Aufenthalts in Russland vorliegend nicht den Willen gehabt hätten, dort den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Interessen zu begründen, da dieser im Entsendestaat geblieben sei, von dem sie sich nur vorübergehend entfernt hätten, so dass offenbar das deutsche Recht das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten sei (EuGH Urteil vom 20. März 2025 - C-61/24 - FamRZ 2025, 665 Rn. 66).
cc) Demnach stehen der Diplomatenstatus eines der Ehegatten und seine dienstliche Verwendung im Empfangsstaat in der Regel der Annahme entgegen, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten in diesem Staat befindet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles einerseits der Wille der Ehegatten, den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Interessen in diesem Staat zu begründen, und andererseits eine Präsenz in diesem Staat festgestellt wird, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweist (vgl. EuGH Urteil vom 20. März 2025 - C-61/24 - FamRZ 2025, 665 Rn. 67). Demgegenüber ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Diplomatenstatus des Ehemanns von vornherein keinen Einfluss auf die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten im Sinne von Art. 8 Rom III-VO habe und somit der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Empfangsstaat auch nicht entgegenstehe.
3. Da das Beschwerdegericht den gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten im Sinne von Art. 8 Rom III-VO somit unter Anwendung unzutreffender Kriterien bestimmt hat, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben. Der angefochtene Beschluss ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Zwar spricht angesichts der bislang vorgetragenen Umstände des vorliegenden Einzelfalles einiges dafür, durchgehend von einem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten in Deutschland auszugehen. Indes ist nicht gänzlich auszuschließen, dass das Beschwerdegericht nach Durchführung weiterer Überprüfungen im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles auch bei Anwendung der richtigen Kriterien zu der Auffassung gelangt, dass die Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Moskau begründet hatten. Daher sieht der Senat davon ab, das deutsche Scheidungsstatut hier abschließend für maßgeblich zu erklären.
Guhling Pernice Nedden-Boeger Recknagel Botur Vorinstanzen: AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 26.01.2022 - 152 F 8176/21 KG Berlin, Entscheidung vom 27.02.2023 - 3 UF 33/22 - XII ZB 117/23 Verkündet am: 25. Juni 2025 Zimmermann, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 74 | FamFG |
1 | 1565 | BGB |
1 | 46 | EGBGB |
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 1565 | BGB |
1 | 46 | EGBGB |
2 | 74 | FamFG |
Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.
Öffnen