9 W (pat) 49/10
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 49/10 Verkündet am 18. Oktober 2017
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11 betreffend das Patent … hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier beschlossen:
Die Beschwerde der Einsprechenden gegen den Beschluss der Patentabteilung 21 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen ihre gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, auch des Rechtsbeschwerdeverfahrens, selbst.
Der Gegenstandswert wird auf 150.000 € festgelegt.
Gründe I.
1. Das Patent … mit der Bezeichnung "… " ist am 13. Februar 2006 angemeldet worden. Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
Ventileinrichtung zur manuellen Veränderung der Niveaulage eines luftgefederten Fahrzeuges, mit einem Gehäuse (1) sowie einem gegenüber dem Gehäuse (1) durch Betätigung eines Hebels (3) bewegbaren Bedienelement (2), bei der das Bedienelement (2) mittels einer Drehbewegung wenigstens in eine Senken-Stellung stellbar ist und das Bedienelement (2) zur Verhinderung einer Drehbewegung wenigstens in der Senken-Stellung mittels einer mechanischen Arretiervorrichtung (12, 26), die zwischen dem Bedienelement (2) und dem Gehäuse (1) wirkt, einrastbar ist, und bei der eine Entriegelungsvorrichtung (13, 22; 24, 27, 28, 34) vorgesehen ist, welche bei Anlegen eines elektrischen und/oder pneumatischen Signals die Rastwirkung der Arretiervorrichtung (12, 26) aufhebt, wodurch eine Rückstellung des Bedienelements (2) in eine Fahrt-Stellung ermöglicht wird.
Diesem Patentanspruch nachgeordnet sind die erteilten Patentansprüche 2 bis 15.
Die Patentabteilung 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prüfung des Einspruchs das Patent mit Beschluss vom 13. Juli 2010 aufrechterhalten. Nach Prüfung des Einspruchs und einer Anhörung ist sie zu der Überzeugung gelangt, dass die erfindungsgemäße Ventileinrichtung gegenüber dem Stand der Technik patentfähig sei und hat dies im Einzelnen begründet.
2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Erstmals mit der Beschwerdebegründung vom 20. Juli 2015 hat sie eine unzulässige Erweiterung der patentierten Ventileinrichtung gegenüber deren Ursprungsoffenbarung geltend gemacht.
Der entscheidende Senat des Bundespatentgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2015 den Beschluss der Patentabteilung 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes aufgehoben und das Patent … widerrufen. Begründet hat der Senat die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Einsprechende nicht gehindert sei, im Beschwerdeverfahren einen zusätzlichen Widerrufsgrund geltend zu machen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach das Patentgericht im Beschwerdeverfahren nicht befugt sei, von Amts wegen zusätzliche Widerrufsgründe zu prüfen,
stehe dem nicht entgegen. Sie beruhe auf dem Grundsatz, dass der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens allein durch den Beschwerdeführer bestimmt werden dürfe. Der Gegenstand des Patents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden sei. Aus den Anmeldungsunterlagen gehe ausschließlich ein Bedienelement hervor, das in einer Mehrzahl von Stellungen einrastbar sei und dessen Entriegelungsvorrichtung folglich dafür ausgebildet sei, die Rastwirkung der Arretiervorrichtung aus einer Mehrzahl von Raststellungen aufzuheben. Insoweit definiere der ursprüngliche Patentanspruch 1 ein Bedienelement, das „in vorbestimmten Stellungen“ einrastbar sei. Damit übereinstimmend offenbarten sämtliche Ausführungsbeispiele betreffend ein rastbares Bedienelement neben einer Einrastbarkeit in der Senken-Stellung immer auch eine Einrastbarkeit in mehreren, nämlich vier weiteren Stellungen (Heben, Stopp nach dem Heben, Fahrt und Stopp nach dem Senken).
Die Ausführungsbeispiele gemäß den Figuren 7 und 12 mitsamt Beschreibung offenbarten keine Einrastbarkeit in der Senken-Stellung, weil dies in den Ausführungsbeispielen für eine Totmannschaltung funktionsbedingt gerade nicht vorgesehen sei. Trotzdem seien auch in diesen Ausführungsbeispielen mehrere, nämlich drei einrastbare Stellungen (Stopp nach dem Heben, Fahrt und Stopp nach dem Senken) des Bedienelements vorgesehen.
Mithin habe der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung keinen Bestand.
Hinsichtlich der Frage, ob ein neuer Widerrufsgrund vom Einsprechenden in das Beschwerdeverfahren ohne Zustimmung des Patentinhabers eingeführt werden kann, hatte der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
3. Gegen den Beschluss des Senats vom 28. September 2015 hat die Patentinhaberin Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 8. November 2016 (X ZB 1/16, GRUR 2017, 54 – Ventileinrichtung) hat der Bundesgerichtshof den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der von der Einsprechenden erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung sei zu berücksichtigen. Wenn eine das Patent aufrechterhaltende Entscheidung des Patentamts in zulässiger Weise mit der Beschwerde angefochten sei, dürfe der Einsprechende im Beschwerdeverfahren zusätzliche Widerrufsgründe geltend machen, die nicht zum Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gehörten.
Der Gegenstand des Patents gehe aber nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen und im Streitpatent geschilderten Ausführungsbeispiele wiesen zwar durchweg Bedienelemente mit jeweils fünf unterschiedlichen Stellungen auf, von denen jeweils mindestens zwei so ausgestaltet seien, dass die Rastwirkung durch Anlegen eines elektrischen oder pneumatischen Signals aufgehoben werden könne. Aus der Beschreibung der Anmeldung ergebe sich jedoch unmittelbar und eindeutig, dass diese in der Beschreibung als vorteilhaft geschilderte Ausgestaltung nicht von der Anzahl der Stellungen abhänge, in denen die Rastwirkung aufgehoben werden könne.
Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe werde bereits in der Anmeldung dahin formuliert, eine Ventileinrichtung zur Verfügung zu stellen, die ohne wesentliche Änderung der Konstruktion mit oder ohne Totmannfunktion ausgebildet werden könne (Abs. [0006] der Offenlegungsschrift). Die Erreichung dieses Ziels werde als Vorteil der Erfindung eingehend hervorgehoben (Abs. [0008]). Dem entsprechend sei die Möglichkeit einer aufhebbaren Rastwirkung bei einigen der geschilderten Ausführungsbeispiele (Abs. [0034] ff.) in zwei und bei anderen in vier Stellungen möglich - je nachdem, ob für die beiden äußeren Positionen eine Totmannfunktion realisiert sei oder nicht.
Auch wenn dies in der Anmeldung nicht ausdrücklich erwähnt werde, ergebe sich daraus für den Fachmann unmittelbar und eindeutig, dass die Zahl der Stellungen, in denen die aufhebbare Rastwirkung realisiert sei, für die Ausführung der Erfindung nicht von Bedeutung sei, sondern allein davon abhänge, welche Funktionen die Ventileinrichtung erfüllen solle und wie viele einrastbare Positionen dafür erforderlich seien. Folgerichtig enthielten die in der Anmeldung formulierten Ansprüche keine Festlegung auf eine bestimmte Zahl von Positionen.
Vor diesem Hintergrund sei in der Anmeldung hinreichend deutlich offenbart, dass die Erfindung auch Vorrichtungen mit nur einer einrastbaren Stellung umfasse. Nach Zurückverweisung der Sache an den Senat zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung war nunmehr gemäß § 108 Abs. 2 PatG unter Beachtung der rechtlichen Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt war, erneut zu entscheiden.
4. Der erteilte Patentanspruch 1 lautet mit einer entsprechend der vorangehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergänzten Untergliederung:
1. Die Ventileinrichtung dient zur manuellen Veränderung der Niveaulage eines luftgefederten Fahrzeuges und umfasst a) ein Gehäuse (1) und b) ein gegenüber dem Gehäuse (1) durch Betätigung eines Hebels (3) bewegbares Bedienelement (2). 2. Das Bedienelement (2) ist a) mittels einer Drehbewegung wenigstens in eine Senken-Stellung stellbar und b) zur Verhinderung einer Drehbewegung wenigstens in der Senken-Stellung mittels einer mechanischen Arretiervorrichtung (12, 26) einrastbar.
3. Die mechanische Arretiervorrichtung (12, 26) a) wirkt zwischen dem Bedienelement (2) und dem Gehäuse (1) und b) weist eine Entriegelungsvorrichtung (13, 22; 24, 27, 28, 34) auf, die die Rastwirkung der Arretiervorrichtung (12, 26) durch Anlegen eines elektrischen und/oder pneumatischen Signals aufhebt, wodurch eine Rückstellung des Bedienelements (2) in eine Fahrt-Stellung ermöglicht wird.
5. Zum Stand der Technik sind von der Einsprechenden die folgenden Druckschriften in das Verfahren eingeführt worden:
D1 DE 199 13 380 C1 D2 DE 42 02 729 C2 D3 DE 26 23 235 C3 D4 DE 41 20 824 C1 D5 EP 0 536 124 B1 D6 DE 195 10 792 C1 D7 WO 92/12021 A1 D8 FR 2 733 942 A1 (mit D8a: deutsche Übersetzung der D8) D9 Druckdatenblatt „Drehschieberventil“, WABCO aus 01/99 D10 DIN 24300, Blatt 5 aus März 1966.
Die Beschwerdeführerin verweist in der Beschwerde zuletzt mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2017 noch auf die D11 Installation Instruction COLAS Raise-Lower Valve 338 0.. mit Druckvermerk 12/99 D12 Zeichnungen 338 054 000 1-04 und 338 054 000 2-04 der Haldex Brake Products GmbH und die D13 Zeichnung 022 0250 19-03 der Haldex Brake Products GmbH.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin führt aus, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber der D8 nicht neu, zumindest beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 21 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juli 2010 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Patentinhaberin sieht Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Vorrichtung gemäß Patentspruch 1 als gegeben an.
Wegen weiterer Einzelheiten und hinsichtlich des umfangreichen Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
1. Wie im angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts zutreffend festgestellt wurde, ist der Einspruch zulässig.
2. Als durchschnittlicher Fachmann auf dem Gebiet des Streitpatents ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik zugrunde zu legen, der bei einem Kraftfahrzeughersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung von luftgefederten Fahrwerken bzw. deren Bauteilen befasst ist und der insbesondere über berufliche Erfahrung und Kenntnisse auf dem Gebiet der LKW-Pneumatik verfügt.
3. Zulässigkeit der Änderungen des Streitpatents (§ 21 (1) Nr. 4 und § 22 PatG)
Die erteilte Fassung des angegriffenen Patents ist zulässig. Auf die Ausführungen im Beschluss des Bundesgerichtshofs wird verwiesen (BGH, Entscheidung vom 8. November 2016, X ZB 1/16, GRUR 2017, 54 – Ventileinrichtung).
4. Patentfähigkeit der streitpatentgemäßen Vorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 (§ 21 (1) Nr. 1 PatG)
Nachfolgend ist Fig. 1 des angegriffenen Patents wiedergegeben:
Beansprucht ist eine Ventileinrichtung mit einem Bedienelement, das drehbar ist. In (zumindest) einer Senken-Stellung ist das Bedienelement mittels einer mechanischen Arretiervorrichtung einrastbar. Eine Rastwirkung wird bei den Ausführungsbeispielen dadurch erreicht, dass der Stift 12 in einer der Ausbuchtungen (130, 131, 132, 133, 134) in Folge der Kraft der Druckfeder (10) einrastet (vergl. Figuren 6, 8, 9). Insofern ist von einer formschlüssigen Arretierung auszugehen. Das Merkmal 3b ist dahingehend auszulegen, dass die Entriegelungsvorrichtung auf die Arretiervorrichtung (nicht auf den Bedienhebel) einwirkt. Im die Aufhebung der Rastwirkung konkretisierenden Sinne des letzten Teils des Merkmals 3b muss die Rastwirkung auf null reduziert werden, so dass eine Rückstellung des Bedienelements in eine Fahrt-Stellung ermöglicht wird. Der Formschluss ist dann aufgehoben, ein Überdrücken der Verriegelung schließt das Merkmal demgemäß aus.
Der erteilte Patentanspruch 1 des angegriffenen Patents deckt allerdings eine Ventileinrichtung mit Totmannstellung nicht ab, da bei einer Totmannfunktion kein Einrasten in der Senken-Stellung (Merkmal 2a) erfolgt, vgl. Abs. [0003] der Patentschrift. Das hat auch die Patentinhaberin bestätigt, vgl. Schriftsatz vom 11. September 2015, Seite 8, Abs. 2 (Bl. 246 GA). Die Ausführungen in der Patentschrift zum patentgemäßen Vorteil der Erfindung (siehe Abs. [0009]) sind insoweit unzutreffend. Insofern fallen auch die Ausführungsbeispiele gemäß den Fig. 7 und 12 der Patentschrift, die eine Ventileinrichtung mit Totmannstellung offenbaren, nicht unter den Wortlaut des Patentanspruchs 1.
a) Zur gewerblichen Anwendbarkeit und Neuheit Die streitpatentgemäße Vorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist offensichtlich gewerblich anwendbar.
Die Vorrichtung ist auch neu, denn im Stand der Technik ist keine derartige Ventileinrichtung mit sämtlichen Merkmalen nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin verweist in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich fehlender Neuheit auf die D8 und deren Übersetzung D8a. Die D8 offenbart eine Ventileinrichtung (organe de commande manuel 4) für die Luftfederung eines Fahrzeugs, mit welcher die Niveaulage manuell verändert werden kann. Durch die Betätigung eines Hebels (tige d’actionnement 41) nimmt ein gegenüber einem Träger (support 40) bewegbares Bedienelement mittels einer Drehbewegung die Stellung Senken (Stellung B in Fig. 2) ein. Die Rückstellung des Bedienelements in die Stellung Fahrt bewerkstelligt ein pneumatischer Stellzylinder (verin 6), welcher mit einem Stößel (tige 61) an einem Fortsatz (levier 43) am Hebel (tige 41) angreift. Allerdings bewirkt der Stellzylinder (6) nicht die Aufhebung der Rastwirkung im Sinne der vorstehenden Auslegung einer im Übrigen auch nicht näher beschriebenen Arretiervorrichtung. Durch den Stellzylinder (6) wird lediglich die Rastwirkung unter Kraftaufbringung überwunden. Damit offenbart diese Schrift keine Entriegelungsvorrichtung, welche die Rastwirkung einer Arretiervorrichtung aufhebt. Somit ist dort Merkmal 3b nicht verwirklicht, wonach eine Entriegelungsvorrichtung die Rastwirkung einer Arretiervorrichtung aufhebt und so eine Rückstellung des Bedienelements in die Fahrt-Stellung ermöglicht.
b) Zur erfinderischen Tätigkeit Die Vorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt, denn der zu berücksichtigende Stand der Technik vermittelt dem Durchschnittsfachmann keine Anregung, eine Ventileinrichtung mit den im erteilten Patentanspruch 1 des angegriffenen Patents enthaltenen Merkmalen auszubilden.
Durch die D9 ist am Anmeldetag des Patents ein Drehschieberventil zur manuellen Steuerung des Anhebens und Absenkens von luftgefederten Fahrzeug-Fahrgestellen mit einem Gehäuse bekannt. Ein drehbarer Bedienhebel verfügt über fünf Raststellungen: I – Heben, II – Stopp, III – Fahrt-Stellung, IV – Stopp, V – Senken. In den einzelnen Raststellungen wird eine ungewollte Drehbewegung des Bedienhebels durch eine mechanische Arretiervorrichtung verhindert, die zwi- schen dem Bedienelement und dem Gehäuse wirkt, vgl. insb. Darstellung gemäß Symbol 2 der D9. Im Vergleich mit der vorstehenden Merkmalsgliederung offenbart D9 folglich eine Ventileinrichtung mit den Merkmalen 1 bis 3a. Das vorbekannte Drehschieberventil offenbart zumindest in der Ausführung gemäß Symbol 3 der D9 auch schon eine sogenannte „Totmannfunktion“. Dem vorbekannten Drehschieberventil fehlt aber eine Sicherheitsvorrichtung, die ein Entriegeln der Arretiervorrichtung und die Rückstellung des Bedienhebels in eine Fahrt- oder Sicherheitsstellung ermöglicht, falls der Bediener vor Beginn der Fahrt das vergessen haben sollte. Merkmal 3b ist daher nicht verwirklicht.
Die D1 zeigt und beschreibt eine Ventileinrichtung, durch welche sich bei einem Fahrzeug mit Luftfederung das Niveau verändern lässt. Mit Hilfe eines Bedienelements (Schaltorgan 1) können in Abhängigkeit von der Längs- und Drehposition Schaltverbindungen zwischen einem Druckluftvorrat und einem Verbraucher geschaltet werden. Hierzu kann ein Bedienelement (1) über einen nicht dargestellten Hebel mittels einer Drehbewegung in die Stellungen Heben, Senken und Stopp gestellt werden, vgl. Spalte 1, Zeile 67 bis Spalte 2, Zeile 9. Dieses sind die normalen Funktionsstellungen des Ventils. Die D1 offenbart außerdem eine Sicherheitsschaltstellung des Bedienelements, die dann eingenommen wird, wenn das Fahrzeug fährt, vgl. Spalte 2, Zeilen 27 bis 32. Hierzu ist eine zweite Axialposition des Bedienelementes vorgesehen, vgl. Spalte 2, Zeilen 22 bis 27. Eine mechanische Arretiervorrichtung zur Verhinderung einer Drehbewegung aus der Stellung Senken ist damit nicht offenbart. Die in der D1 beschriebene Arretiervorrichtung (11) verhindert lediglich eine axiale Bewegung des Bedienelements (1). Die Rastwirkung der Entriegelungsvorrichtung wird in der D1 auch nicht aufgehoben, vielmehr ist die Rastierkraft unter Ansteuerung der Rastierung durch ein Magnetventil veränderbar, vgl. Anspruch 1. Bei einer Abschwächung der Rastierkraft reicht die Kraft einer Druckfeder (5) aus, das Bedienelement (1) in die weitere axiale Stellung selbsttätig zu verschieben, vgl. Spalte 3, Zeilen 29 bis 33. Demgemäß ist in der D1 keine Aufhebung der Rastwirkung im Sinne der Aufhebung eines Formschlusses gemäß Merkmal 3b offenbart. Insofern kann auch die Übertragung der aus der D1 bekannten Arretiervorrichtung nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen.
Die D3 zeigt und beschreibt ein Steuerventil für Luftfederungen von Fahrzeugen, vgl. Bezeichnung. In Fig. 2 der D3 ist eine Ventileinrichtung (6) zur manuellen Änderung des Niveaus eines luftgefederten Fahrzeugs dargestellt. Ein gegenüber einem Gehäuse (18) bewegbares Bedienelement wird durch einen Hebel (Steuerhebel 80) betätigt und ist mittels einer Drehbewegung in die Stellung Senken (Stellung S in Fig. 2) überführbar. Zur Verhinderung einer Drehbewegung des Bedienelements aus der Stellung Senken ist, wie aus Fig. 1 und 4 ersichtlich, eine mechanische Arretiervorrichtung (85, 88) vorgesehen. Diese besteht aus einem feder-beaufschlagten Schnappteil (85), welches in die Ausnehmung eines Kopfteils (88) einrastet. Dabei wirkt die Arretiervorrichtung (85, 88) zwischen dem Bedienelement und dem Gehäuse (18). Die D3 offenbart damit eine Ventileinrichtung mit den Merkmalen 1 bis 3a. Eine Entriegelungsvorrichtung im Sinne des Merkmals 3b offenbart die D3 hingegen nicht. Die Übertragung der aus der D8 bekannten Lehre auf die D3 würde bedeuten, einen auf den Hebel (80) wirkenden Stellzylinder vorzusehen. Damit wird - wie bereits bei der vorangegangenen Neuheitsprüfung ausgeführt - nicht die Rastwirkung der Arretiervorrichtung (85, 88) aufgehoben, sondern unter Kraftaufbringung überwunden. Dementsprechend führt eine Übertragung der aus der D8 bekannten Lehre auf eine Ventilvorrichtung, wie sie die D3 offenbart, nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1, weil eine Aufhebung der Rastwirkung der Arretiervorrichtung (85, 88) nicht erreicht wird (Merkmal 3b).
Der Fachmann wird somit weder durch die D8 noch durch die D1 angeregt, eine Entriegelungsvorrichtung vorzusehen, welche die Rastwirkung einer Arretiervorrichtung aufhebt und so einen Übergang aus der Stellung Senken in die Stellung Fahrt ermöglicht (Merkmal 3b).
Die übrigen Entgegenhaltungen kommen dem angegriffenen Patent jedenfalls nicht näher; sie haben in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle mehr gespielt. Allen Druckschriften fehlt es zumindest an einer Ausbildung, welche die Rastwirkung einer Arretiervorrichtung aufhebt und so einen Übergang von der Stellung Senken in die Stellung Fahrt ermöglicht (Merkmal 3b).
Die Vorrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 ist daher patentfähig. Mit ihm sind es die Weiterbildungen der Vorrichtung nach den darauf zurückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 15.
6. Die Entscheidung über die Kosten auch des Rechtsbeschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 80, 109 PatG. Billigkeitsgesichtspunkte für eine andere Kostenverteilung sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Das Unterliegen im Einspruchsbeschwerdeverfahren allein rechtfertigt eine Kostenauferlegung zu Lasten einer der Beteiligten nicht (vgl. Busse/Engels, PatG, 8. Aufl. 2016; § 80 Rn. 22 m. w. N.). Die Festlegung des Gegenstandswertes erfolgte nach Anhörung der Beteiligten und beruht auf § 63 GKG i. V. m. § 3 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Hilber Paetzold Sandkämper Geier Ko