Paragraphen in 20 W (pat) 37/10
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 123 | GVG |
1 | 2 | PatG |
1 | 21 | PatG |
Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 123 | GVG |
1 | 2 | PatG |
1 | 21 | PatG |
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 37/10 Verkündet am 12. März 2014
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 10 2005 019 800 BPatG 154 05.11 hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Ing. Albertshofer beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen den der Beschwerdeführerin am 25. Juni 2010 zugestellten Beschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Mai 2010, mit dem das Patent 10 2005 019 800, das ein Verfahren zur Klassifikation von Gießfehlern in einem Gussteil im Rahmen einer Röntgenanalyse betrifft, widerrufen wurde.
Die Patentabteilung 52 hatte den Widerrufsbeschluss damit begründet, dass sowohl der Gegenstand des erteilten Patents als auch die Verfahren der jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß den von der Patentinhaberin gestellten Hilfsanträgen 1 und 2 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt seien und deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Hierbei zog die Patentabteilung insbesondere die Druckschrift D1 HEROLD, Frank; BAVENDIEK, Klaus; GRIGAT, Rolf-Rainer: Verfahren zur Analyse und Klassifikation von Gießfehlern in Röntgenbildern mittels eines ADR-Systems. In: DGZfP-Jahrestagung 2003, The e-journal of Non-destructive Testing, Vol. 8, No. 12, Ausgabe Dezember 2003 in Betracht.
Der Bevollmächtigte der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Mai 2010 aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten,
hilfsweise, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrecht zu erhalten:
Hilfsantrag 1: Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2014 Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift.
Hilfsantrag 2: Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2014 Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift.
Der Bevollmächtigte der Einsprechenden beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag (erteilte Fassung des Patents) lautet:
„Verfahren zur Klassifikation von Gießfehlern in einem Gussteil im Rahmen einer Röntgenanalyse, wobei die Gießfehler automatisch jeweils einem bekanntem Gießfehlertyp zugeordnet werden, indem das Röntgenbild des Gussteils mit Merkmalen aus Trainingsbildern bekannter Gießfehlertypen verglichen wird und somit die vorhandenen Gießfehler im untersuchten Gussteil festgestellt werden, wobei der Klassifikation ein Entscheidungsbaum zugrunde liegt, der von den abstrakten Klassen mit einfachen Merkmalen, die die bekannten Gießfehlertypen zusammenfassen und vergleichbare Merkmale im Röntgenbild aufweisen, zu dem konkreten Gießfehler mit komplexen Merkmalen durchlaufen wird.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
„Verfahren zur Klassifikation von Gießfehlern in einem Gussteil im Rahmen einer Röntgenanalyse, wobei die Gießfehler automatisch jeweils einem bekanntem Gießfehlertyp zugeordnet werden, indem das Röntgenbild des Gussteils mit Merkmalen aus Trainingsbildern bekannter Gießfehlertypen verglichen wird und somit die vorhandenen Gießfehler im untersuchten Gussteil festgestellt werden, wobei der Klassifikation ein Entscheidungsbaum zugrunde liegt, der von den abstrakten Klassen mit einfachen Merkmalen, die die bekannten Gießfehlertypen zusammenfassen und vergleichbare Merkmale im Röntgenbild aufweisen, zu dem konkreten Gießfehler mit komplexen Merkmalen durchlaufen wird, wobei der genannte gesamte Entscheidungsbaum mit Hilfe geeigneter Trainingsbilder nach dem jeweiligen Bedarf umgestaltet wird.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
„Verfahren zur Klassifikation von Gießfehlern in einem Gussteil im Rahmen einer Röntgenanalyse, wobei die Gießfehler automatisch jeweils einem bekanntem Gießfehlertyp zugeordnet werden, indem das Röntgenbild des Gussteils mit Merkmalen aus Trainingsbildern bekannter Gießfehlertypen verglichen wird und somit die vorhandenen Gießfehler im untersuchten Gussteil festgestellt werden, wobei der Klassifikation ein Entscheidungsbaum zugrunde liegt, der von den abstrakten Klassen mit einfachen Merkmalen, die die bekannten Gießfehlertypen zusammenfassen und vergleichbare Merkmale im Röntgenbild aufweisen, zu dem konkreten Gießfehler mit komplexen Merkmalen durchlaufen wird, wobei nachdem der konkrete Gießfehler automatisch erkannt wurde, eine automatische Steuerung des Gießprozesses erfolgt und die Parameter des Gießprozesses in Abhängigkeit des erkannten Gießfehlers automatisch verändert werden.“
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig; sie führt jedoch nicht zum Erfolg.
1. Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Klassifizierung von Gießfehlern im Rahmen einer Röntgenanalyse.
Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift (Absätze 0002-0004) waren im Stand der Technik Verfahren bekannt, bei denen sich die Klassifikation eines Gießfehlers auf einen Soll-Ist-Vergleich mit einer Spezifikation beschränkt. Die verwendeten Spezifikationen würden im Allgemeinen auf flächenbasierten Merkmalen basieren. Das Ergebnis bei diesen bekannten Klassifikationsverfahren sei eine einfache Gut/Schlecht-Entscheidung. Dies würde bedeuten, dass in dem automatisierten Verfahren mittels eines automatischen Fehlererkennungssystems (ADR-System) lediglich entschieden werde, ob das gerade mittels der Röntgenanalyse geprüfte Gussteil einen Gießfehler aufweise oder nicht. Dies habe den Nachteil, dass lediglich unter Zuhilfenahme der manuellen bzw. visuellen Begutachtung durch den Gießer im Nachhinein festgestellt werden könne, welcher konkrete Gießfehler vorliegt.
Darüber hinaus sei es bekannt, dass der Gießer die Klassifikation eines Gießfehlers durch Betrachten des Röntgenbildes des Gussteils vornehme. Hierfür sei eine große Erfahrung nötig und der Gießfehler sei regelmäßig auch erst im Nachhinein zu detektieren, d. h. wenn das untersuchte Gussteil oberhalb der Spezifikationsgrenze einen nicht tolerierbaren Gießfehler aufweise. Für den Gießer, der bei diesem Verfahren ständig das Livebild an der Gießanlage überwachen müsse, sei dies äußerst ermüdend, so dass es unter Umständen zu Fehleinschätzungen hinsichtlich des vorliegenden Gießfehlers kommen könne. Dies würde dazu führen, dass die Parameter des Gießprozesses zwar geändert würden, jedoch ein irrtümlich angenommener Gießfehler nicht behoben werden könne. Die Folge sei ein vermeidbarer zusätzlicher Ausschuss an Gussteilen mit Gießfehlern gegenüber der Situation, wenn der tatsächlich vorliegende Gießfehler korrekt erfasst worden sei.
Weiter sei aus der Druckschrift US 6,738,450 B1 ein Verfahren zur Klassifikation von insbesondere Lötstellen als gut oder schlecht mittels Röntgenstrahlen bekannt. Hierfür würden unterschiedliche Parameter, die spezifisch festgelegt werden könnten, anhand von Röntgenbildern der Lötstelle daraufhin untersucht, ob sie in die jeweils nötige Kategorie fielen. Am Ende dieses Prozesses werde dann eine gewichtete Feststellung getroffen, ob eine gute Lötstelle oder eine schlecht Lötstelle vorliege.
Außerdem sei aus der US 2003/0099330 A1 ein Verfahren zur Erkennung eines Gießfehlers bekannt, bei dem aus einer ganzen Serie von Aufnahmen des fraglichen Gussteils überprüft werde, ob innerhalb der Serie gewisse vorher festgelegte Merkmale in den aufeinanderfolgenden aufgenommenen Bildern vorhanden seien. Aus diesen gewonnenen Werten werde dann abgeleitet, ob tatsächlich ein Gießfehler vorliege oder ob es sich nur um einen Pseudofehler handele, der aufgrund der Aufnahme des Röntgenbildes festgestellt wurde. Eine automatische Bestimmung, was für eine Art von Gießfehler vorliege, sei mit diesem Verfahren jedoch nicht möglich.
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem automatisch - d. h. ohne den für den Gießer ermüdenden Überwachungsvorgang - sowie zuverlässig und schnell der Typ eines konkret vorliegenden Gießfehlers im Gussteil festgestellt werden kann.
2. Zum Hauptantrag a) Zur Lösung des vorgenannten Problems schlägt das Streitpatent in der erteilten und insoweit mit dem Hauptantrag auch verteidigten Fassung ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
M1 Verfahren zur Klassifikation von Gießfehlern in einem Gussteil im Rahmen einer Röntgenanalyse,
M2 wobei die Gießfehler automatisch jeweils einem bekanntem Gießfehlertyp zugeordnet werden,
M3 indem das Röntgenbild des Gussteils mit Merkmalen aus Trainingsbildern bekannter Gießfehlertypen verglichen wird und somit die vorhandenen Gießfehler im untersuchten Gussteil festgestellt werden,
M4 wobei der Klassifikation ein Entscheidungsbaum zugrunde liegt, der von den abstrakten Klassen mit einfachen Merkmalen, die die bekannten Gießfehlertypen zusammenfassen und vergleichbare Merkmale im Röntgenbild aufweisen, zu dem konkreten Gießfehler mit komplexen Merkmalen durchlaufen wird.
Der Patentgegenstand richtet sich seinem technischen Inhalt nach an einen Gießer, der über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen bei der Klassifizierung von Gießfehlern verfügt, der aber bei Bedarf auch auf das Wissen eines Spezialisten zurückgreift, der über einschlägige Erfahrungen bei der Entwicklung von Geräten und Verfahren zur Bildverarbeitung von Röntgenbildern verfügt.
b) Der Fachmann versteht unter dem Begriff der „Klassifikation von Gießfehlern“ (Merkmal M1), wie er in dem Streitpatent verwendet wird, die Abbildung eines Merkmals oder einer Merkmalskombination eines konkret zu klassifizierenden, erkannten Gießfehlers auf die Menge der Merkmale bzw. Merkmalskombinationen von bekannten Gießfehlern. Sofern die Merkmale bzw. Merkmalskombinationen typisiert werden (in Gießfehlertypen gruppiert werden), beinhaltet die Klassifikation die Abbildung der Merkmale bzw. der Merkmalskombinationen eines konkret erkannten Gießfehlers auf die Menge der definierten Gießfehlertypen. Von diesem Verständnis geht auch der Senat aus. Zur Definition der bekannten Gießfehler und zur Typisierung sind für den Fachmann zwingend Beschreibungen von bekannten Gießfehlern erforderlich.
Den Begriff der „Trainingsbilder bekannter Gießfehlertypen“ (Merkmal M3) legt der Senat dahingehend weit aus, dass damit ganz allgemein Bilder von Gießfehlern gemeint sind, die anhand bestimmter Merkmale typisiert sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob oder dass es sich bei den Bildern um Röntgenbilder handelt und die Bilder von ebensolchen Gussteilen stammen. Die Beschwerdeführerin meint hingegen, Trainingsbilder seien nur solche, die von Gussteilen stammten, wie sie mit dem streitpatentgegenständlichen Verfahren geprüft werden sollten. Für ein solchermaßen eingeschränktes Verständnis des Begriffs bietet aber weder die Patentschrift noch das Fachwissen des hier angesprochenen Fachmanns konkrete Anhaltspunkte.
c) Aus dem Aufsatz von HEROLD (Druckschrift D1) ist - schon ersichtlich im Titel des Aufsatzes - ein Verfahren zur Klassifikation von Gießfehlern in einem Gussteil im Rahmen einer Röntgenanalyse bekannt (Merkmal M1).
Im Rahmen der Klassifikation werden bei diesem Verfahren die Gießfehler unter Berücksichtigung von aus dem Röntgenbild berechneten Merkmalen einem bekannten Gießfehlertyp zugeordnet (Absatz vor der Zwischenüberschrift „Klassifikation“: „Zusätzlich werden Merkmale zur anschließenden Klassifikation berechnet, z. B. Umfang, Fläche und Form bezogen auf die einzelnen Fehlstellen im Bild. Diese ermöglichen nun eine detaillierte Klassifikation des entsprechenden Fehlertyps im Gegensatz zu der herkömmlichen einfachen Einteilung in Gut- und Schlechtteil.“). Ohne, dass in dem Artikel expressis verbis erwähnt ist, dass diese Klassifikation automatisch erfolgt, erkennt der Fachmann aus den sonstigen Darlegungen in dem Aufsatz ohne Weiteres, dass die Klassifikation tatsächlich automatisch erfolgt. Dies ist für den Fachmann nämlich zwingend, wenn er in dem Aufsatz die Angabe findet, dass für die Klassifikation eines Gussfehlers bzw. der Gießfehler mit einem noch nicht optimierten Prototypen des erläuterten neuen Systems nur 0,4 Sekunden benötigt werden (Abschnitt „Ergebnisse“, dritter Absatz) bzw. Grundlage des software-basierten Anteils des neuen ADR-Systems ist und in Echtzeit erfolgt (Abschnitt „Zusammenfassung“, erster und zweiter Absatz, Tabelle 1; Merkmal M2). Einen weiteren eindeutigen Hinweis auf die automatische Ausführung der Klassifikation liefert die Einleitung mit ihrem vierten Absatz, wo es heißt:
„Eine optimalere Fehlererkennung ermöglicht eine detailliertere Klassifikation. Diese sollte aber wiederum leicht bedienbar sein und neben einem effizienten Training auch einen hohen Automatisierungsgrad besitzen.“
Darüber hinaus ist aus der Druckschrift D1 bekannt, dass der Klassifikation der Gießfehler ein Entscheidungsbaum zugrunde liegt, der von abstrakten Klassen mit einfachen Merkmalen zu dem konkreten Gießfehler mit komplexen Merkmalen durchlaufen wird (Abschnitt „Klassifikation“ mit Abbildung 5). Auf den einzelnen Stufen des Entscheidungsbaums werden bekannte Gießfehlertypen anhand von Merkmalen (z. B. Umfang, Fläche, Form) zusammengefasst, die in vergleichbarer Weise auch aus dem jeweiligen Röntgenbild extrahiert werden (Merkmal M4).
Die Druckschrift D1 beschreibt im Übrigen, dass die Klassifikation durch eine Filterung des Röntgenbildes mit Hilfe eines nicht-linearen und nicht-lokalen sogenannten „Trained Median Filters“ erfolgt, der mit Hilfe einer Gutbilddatenbank angelernt (trainiert) wird (Abschnitt „Kurzfassung, vorletzter Absatz; Abschnitt „Trained Median Filter“). Der Anlernvorgang führt zur Ermittlung der Referenzpunkte für die Medianoperation, die anschließend auf die jeweiligen Röntgenbilder der zu prüfenden Gussteile angewendet wird. Die Filterung ermöglicht es dann, aus einem Originalbild ein idealisiertes fehlerfreies Bild ̃ zu berechnen. Letzteres enthält also das Bild des Prüfobjektes, aber die Fehlstellen wurden restauriert (d. h. die Fehler werden heraus gerechnet; Abschnitt „Trained Median Filter“, elfter Absatz). Auf dem Differenzbild ̂ ̃ zwischen fehlerfreiem Bild und Originalbild, welches als solches nur noch die Gießfehler darstellt, wird die Fehlererkennung (Segmentation) durchgeführt (Absatz vor Abbildung 4; Abbildung 4). Zu den segmentierten Fehlern werden dann die für die Klassifikation erforderlichen Merkmale, z. B. Umfang, Fläche und Form, berechnet, die der Klassifikation dienen (Absatz nach Abbildung 4).
Dies bedeutet mit anderen Worten, dass der Gesamtvorgang der Klassifikation von Gießfehlern gemäß der Druckschrift D1 folgende Schritte durchläuft:
- Anlernen des Filters anhand einer Gutbilddatenbank, - Anwendung des Filters auf das aktuell aufgenommene Röntgenbild zur Gewinnung des idealisierten fehlerfreien Bild ̃ aus dem Originalbild , - Berechnung des Differenzbildes ̂ ̃ , - Fehlererkennung (Segmentierung) aus dem Differenzbild, - Merkmalsextraktion, - Klassifikation der Gießfehler anhand der Merkmale.
Wie die für die Klassifizierung notwendigen Merkmale der bekannten Gießfehler bzw. Gießfehlertypen bestimmt werden, ist in der Druckschrift D1 nicht detailliert angegeben. Dass solche Beschreibungen aber der Klassifikation auch nach der Lehre der Druckschrift D1 zugrunde liegen, wird aus der Darstellung des Entscheidungsbaumes in Abbildung 5 der Druckschrift D1 deutlich.
Insoweit ist der Fachmann aber durch sein Fachwissen in der Lage, diese Lücke in der Beschreibung auszufüllen.
Der Fachmann weiß nämlich, dass die bekannten Gießfehler bzw. Gießfehlertypen entweder theoretisch (mathematisch) oder empirisch durch die Analyse von Trainingsbildern bekannter Gießfehler beschrieben werden können. Beide Möglichkeiten sind für den Fachmann inhaltlich gleichwertig, da sie im Ergebnis die notwendige Beschreibung der Gießfehler bzw. der Gießfehlertypen liefern. Der Fachmann hat auch Veranlassung, diese Alternativen zu erwägen, da der Schritt der Beschreibungen der bekannten Gießfehler bzw. der Gießfehlertypen in der Druckschrift D1 ja gerade offengelassen wurde, für die Ausführung des Verfahrens aber unabdingbar ist.
Zum Fachwissen des hier angesprochenen Fachmanns gehört aber auch, dass sich insbesondere die Verwendung von Trainingsbildern als besonders einfache Vergleichsmethode anbietet. Der Fachmann ist folglich angeregt, bei einem Verfahren mit den Merkmalen M1, M2 und M4 gemäß Druckschrift D1 zur Feststellung von Gießfehlern in einem aktuell zu bewertenden Gussteil das aktuelle Röntgenbild des Gussteils bzw. hieraus extrahierte Merkmale sinnvollerweise und erfolgversprechend mit Merkmalen aus Trainingsbildern bekannter Gießfehlertypen zu vergleichen (Merkmal M3).
Die Lehre wird ihm mithin durch den Stand der Technik in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht unter diesen Umständen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Zum Hilfsantrag 1 a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst neben den Merkmalen M1 bis M4 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal:
M5.1 wobei der genannte gesamte Entscheidungsbaum mit Hilfe geeigneter Trainingsbilder nach dem jeweiligen Bedarf umgestaltet wird.
b) Das zusätzliche Merkmal M5.1 ist nicht geeignet, die Patentfähigkeit des so konkretisierten Verfahrens zu begründen.
Zwar ist das ergänzend aufgenommene Merkmal M5.1 schon in der ursprünglichen Anmeldung und im erteilten Patent erwähnt (Anmeldung: Seite 6, Zeilen 15 bis 18; Patentschrift: Absatz 0021), so dass seine Aufnahme in den Anspruch an sich zulässig ist, das hinzugefügte Merkmal gestaltet jedoch das Verfahren der Klassifikation nicht weiter aus.
Die Definition des Entscheidungsbaums ist nämlich nicht Teil des streitpatentgemäßen Verfahrens zur Klassifikation von Gießfehlern. Die Definition geschieht vielmehr im Vorfeld der Klassifikation und ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche Klassifikation.
Hinzu kommt, dass die Angabe, dass der Entscheidungsbaum in irgendeiner Weise umgestaltet wird, in der Anmeldung und im erteilten Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Weder ist offenbart, worin die Umgestaltung besteht, noch nach welchen Kriterien sie erfolgt. Schon die Frage, woraus sich der in dem Merkmal erwähnte Bedarf ergeben soll, bleibt unbeantwortet. Allein die Angabe, dass anstatt der Unterteilung des Entscheidungsbaums, wie sie in der in der Patentschrift wiedergegebenen Figur dargestellt ist, auch auf der untersten Ebene der konkreten Gießfehlertypen eine andere Aufteilung möglich sei, gibt dem Fachmann keine ausführbare Lehre an die Hand.
Mithin ist auch der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht patentierbar.
4. Zum Hilfsantrag 2 a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst neben den Merkmalen M1 bis M4 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal:
M5.2 wobei nachdem der konkrete Gießfehler automatisch erkannt wurde, eine automatische Steuerung des Gießprozesses erfolgt und die Parameter des Gießprozesses in Abhängigkeit des erkannten Gießfehlers automatisch verändert werden.
b) Merkmal M5.2 geht in zulässiger Weise auf den auf den Patentanspruch 1 mittelbar und unmittelbar rückbezogenen Patentanspruch 4 zurück, ist aber ebenfalls nicht geeignet, die Patentfähigkeit des Verfahrens zu begründen.
Die in Betracht gezogene Druckschrift D1 verweist bereits ausdrücklich auf die Möglichkeit der Rückkopplung des Analyse- und Klassifikationsergebnisses auf den Gießprozess (Abschnitt „Kurzfassung“, letzter Absatz; Abschnitt „Trained Median Filter, letzter Absatz). Selbst, wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin berücksichtigt, dass in der Druckschrift D1 nicht ausdrücklich die automatische Steuerung des Gießprozesses genannt wird, liegt eine solche automatische Steuerung im Griffbereich des Fachmanns, wenn er schon auf die Möglichkeit der Rückkopplung hingewiesen wird.
Hinzu kommt, dass das Merkmal M5.2 lediglich abstrakt definiert, dass eine automatische Steuerung des Gießprozesses erfolgen soll und die Parameter des Gießprozesses in Abhängigkeit des erkannten Gießfehlers automatisch verändert werden sollen. Das Merkmal erschöpft sich aber insoweit in der ohnehin naheliegenden Anweisung, eine vom Gießer intellektuell und manuell ausgeführte Tätigkeit zu automatisieren. Konkrete Regeln für die Steuerung werden ebenso wenig angegeben, wie die technischen Mittel, die die automatische Steuerung bewirken könnten.
Damit kann auch diese Maßnahme das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht begründen.
5. Da die Erfindung sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen 1 und 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sind entsprechend die Widerrufsgründe des § 21 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 PatG erfüllt.
Nachdem sich die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 als nicht patentfähig erweisen, fallen jeweils auch die übrigen Ansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge (BGH, BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät; Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRURRR 2008, 456 - Installiereinrichtung, Tz. 22, mit weiteren Nachweisen).
6. Bei dieser Sachlage kann den Anträgen der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin, den Widerrufsbeschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 18. Mai 2010 aufzuheben und in Folge das Patent auf Basis eines der von ihr in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2014 gestellten Anträge aufrechtzuerhalten, nicht stattgegeben werden.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).
Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist
(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgesetzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.
Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; 3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben
(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgesetzes).
Dr. Mayer Kopacek Kleinschmidt Albertshofer Pü
Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 123 | GVG |
1 | 2 | PatG |
1 | 21 | PatG |
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 123 | GVG |
1 | 2 | PatG |
1 | 21 | PatG |
Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.
Öffnen