AnwZ (Brfg) 48/23
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 48/23 BESCHLUSS vom
30. Juli 2024 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache ECLI:DE:BGH:2024:300724BANWZ.BRFG.48.23.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, die Richterinnen Dr. Liebert und Ettl sowie die Rechtsanwälte Dr. Kau und Geßner am 30. Juli 2024 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 16. November 2023, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Januar 2024, wird abgelehnt. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe: I.
Dem Kläger wurde durch Bescheid der Beklagten vom 3. August 1989 die Berechtigung verliehen, die Bezeichnung "Fachanwalt für Steuerrecht" zu führen. Nach Anhörung des Klägers widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2023 diese Berechtigung und stützte dies darauf, dass der Kläger in den Jahren 2020, 2021 und 2022 seiner Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen und zum Nachweis der Teilnahme an diesen Fortbildungsveranstaltungen gemäß § 15 FAO nicht nachgekommen sei. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Mit Berichtigungsbeschluss vom 25. Januar 2024 hat der Anwaltsgerichtshof das Urteil um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt. Das Urteil ist in der berichtigten Fassung den Parteien am 6. März 2024 zugestellt worden. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Kläger macht ohne Erfolg mehrere Verfahrensmängel geltend (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
1. Der Kläger führt aus, über § 118 VwGO könne nur eine versehentlich unterlassene Rechtsmittelbelehrung nachgeholt werden. Der Anwaltsgerichtshof habe jedoch bei Erlass des Urteils vom 30. November 2023 (Datum der Zustellung) keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen. Es sei offensichtlich, dass sich der Anwaltsgerichtshof nicht mit der Frage der Zulassung der Berufung befasst habe. Denn dann wäre die erforderliche Rechtsmittelbelehrung nicht unterlassen worden. Es liege damit eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor, die nicht über § 118 VwGO korrigiert werden könne.
a) Entgegen der Ansicht des Klägers bedeutet der Umstand, dass keine Ausführungen zur Zulassung der Berufung im Urteil des Anwaltsgerichtshofs enthalten sind, nicht, dass der Anwaltsgerichtshof die Prüfung dieser Frage übersehen hätte. Die Zulassung der Berufung nach § 112e Satz 1 BRAO bedarf eines ausdrücklichen Ausspruchs im Tenor oder in den Entscheidungsgründen (vgl.
Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 112e Rn. 52). Gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 1 Satz 3 VwGO ist der Anwaltsgerichtshof jedoch zu einer Nichtzulassung der Berufung nicht befugt (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 65/19, juris Rn. 5). Der Senat hat offen gelassen, ob § 124a Abs. 1 Satz 3 VwGO jegliche Ausführung zur Nichtzulassung der Berufung verbietet oder es noch als unschädlich angesehen werden kann, wenn kein Ausspruch im Tenor erfolgt, sondern nur im Urteil eine kurze Begründung für die Nichtzulassung gegeben wird (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Dezember 2019 - AnwZ (Brfg) 50/19, juris Rn. 51). Vor diesem Hintergrund ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn der Anwaltsgerichtshof auf eine Darlegung verzichtet, warum er keine Zulassung der Berufung ausgesprochen hat.
b) Auch soweit sich die Rüge des Klägers auf den Berichtigungsbeschluss bezieht, hat er damit keinen Erfolg. Wird eine Rechtsmittelbelehrung inhaltlich unrichtig erteilt, hat dies nicht die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Entscheidung zur Folge, sondern führt, wenn nachträglich keine Berichtigung erfolgt, gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich lediglich dazu, dass anstatt der sonst geltenden regelmäßigen Rechtsmittelfrist eine Jahresfrist in Lauf gesetzt wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 1. März 2018 - 8 C 18.260, juris Rn. 2). Der Kläger ist durch den Berichtigungsbeschluss nicht beschwert. Die durch die Berichtigung des Urteils eingetretene "Verkürzung" der Jahresfrist auf die reguläre Monatsfrist des § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beschwert den Kläger schon deswegen nicht, weil er tatsächlich rechtzeitig innerhalb dieser Frist den Antrag auf Zulassung der Berufung erhoben hat (vgl. BayVGH, Beschluss vom 1. März 2018 - 8 C 18.260, juris Rn. 3).
2. Das rechtliche Gehör des Klägers ist nicht dadurch verletzt worden, dass dessen am Tag vor der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag, den Termin aufzuheben und einen neuen Termin zu bestimmen, nicht verbeschieden worden ist.
Nach der Vorschrift des § 227 ZPO, die gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO auch für das gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen gilt, kann eine mündliche Verhandlung aus "erheblichen Gründen" verlegt oder vertagt werden. Gemäß § 227 Abs. 4 Satz 1 ZPO entscheidet über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Vorsitzende oder das Gericht eine Entscheidung über den Verlegungsantrag des Klägers getroffen hätte. Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verweist, wonach allein die Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung eine Versagung des rechtlichen Gehörs darstellt (BSG, NJW 2024, 383 Rn. 9; BSG, Beschluss vom 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B, juris Rn. 8 ff.), hat er damit jedoch keinen Erfolg.
Der Gehörsverstoß wegen Nichtverbescheidung des Verlegungsantrags ist nicht hinreichend dargelegt, weil sich die Antragsbegründung nicht mit der vorliegend bestehenden Besonderheit auseinandersetzt, dass auch der anwaltliche Klägerbevollmächtigte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, wobei weder im seinerzeitigen Verlegungsantrag noch in der Antragsbegründung dargetan wird, dass der Klägerbevollmächtigte persönlich an einer Teilnahme verhindert gewesen wäre. Dabei ist zu sehen, dass die schlüssige Bezeichnung einer Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), regelmäßig die substantiierte Darlegung des Klägers erfordert, dass er sämtliche ihm verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Dem wird die Antragsbegründung aber nicht gerecht. Insbesondere wird nicht ansatzweise dargelegt, weshalb der Klägerbevollmächtigte verhindert gewesen sein sollte, in der mündlichen Verhandlung zu erscheinen, um dort - zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Klägers, nachdem der Anwaltsgerichtshof eine rechtzeitige Verbescheidung des Verlegungsantrags vor Beginn der mündlichen Verhandlung unterlassen hatte - auf Vertagung zu dringen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. April 2020 - 14 ZB 19.31488, juris Rn. 14).
Prozessbevollmächtigte des Klägers war und ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, welcher der Kläger auch selbst angehört. Schriftsätze sind von dem als Sachbearbeiter aufgeführten Dr.
P. und dem Kläger selbst unterzeichnet. Der Kläger hat sich somit nicht ausschließlich selbst vertreten, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass mit dem Ausdruck "Kläger" in einem Schriftsatz zugleich auch "Klägervertreter" gemeint ist. Im Verlegungsantrag ist zur Begründung nur darauf abgestellt worden, dass der "Kläger" auf das Verkehrsmittel Deutsche Bundesbahn angewiesen sei und dass die Deutsche Bahn einen Warnstreik angekündigt und geraten habe, von Fahrten in der Streikzeit abzusehen. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung stellt die Verhinderung als nur in der Person des Klägers liegend dar, indem er ausführt, dass der Kläger "aufgrund seines Alters" auf die Bahn angewiesen sei. Angaben dazu,
dass und weshalb die Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Teilnahme am Termin verhindert seien, sind weder im Verlegungsantrag noch im Antrag auf Zulassung der Berufung enthalten.
3. Das rechtliche Gehör des Klägers ist auch nicht dadurch verletzt worden, dass der Anwaltsgerichtshof in Abwesenheit des Klägers mündlich verhandelt und entschieden hat. Die Verhinderung eines durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten ist in der Regel kein Grund für eine Terminverlegung, wenn nicht substantiiert gewichtige Gründe vorgetragen werden, weshalb die persönliche Anwesenheit des Beteiligten erforderlich ist. Das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich vertretenen Partei ist durch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt (Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 6 mwN). Im Verlegungsantrag sind derartige Gründe nicht aufgeführt. Ferner fehlen darin - wie oben bereits dargelegt - Ausführungen dazu, warum die Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zu einer Wahrnehmung des Termins in der Lage sein sollten. Mit der Ladung ist darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
III. 11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.
Schoppmeyer Kau Liebert Geßner Ettl Vorinstanz: AGH München, Entscheidung vom 16.11.2023 - BayAGH III - 4 - 6/23 -