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V B 59/11

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 1.8.2012, V B 59/11 Beiderseitige Erledigungserklärung, Aussetzung der Vollziehung im Insolvenzfall - Kostenverteilung nach beiderseitigen Erledigungserklärungen Tatbestand I. Die D-AG beantragte beim Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) erfolglos die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer- Vorauszahlungsbescheide für August 2008 bis Mai 2009. Gegenstand des Aussetzungsverfahrens vor dem Finanzgericht (FG) waren die Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 2008 und 2009 vom 4. Februar 2011 und vom 25. März 2011. Das FG gab dem Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 26. April 2011 statt. Hiergegen legte das FA am 16. Mai 2011 Beschwerde ein.

Bereits mit Beschluss vom 20. April 2011 hatte das Amtsgericht U den Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 der Insolvenzordnung (InsO) angeordnet, dass Verfügungen über die Gegenstände des Vermögens der D-AG nur noch mit Zustimmung des Antragstellers wirksam sind. Darüber hinaus untersagte das Amtsgericht gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind und ordnete die Einstellung bereits begonnener Maßnahmen an.

Über das Vermögen der D-AG wurde am 6. Juli 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte das FA den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Antragsteller nahm den Rechtsstreit auf und erklärte ihn auf entsprechende Anfrage des Gerichts gleichfalls für erledigt, allerdings "nur für den Fall der Zulässigkeit der Beschwerde", an der es im Streitfall fehle, da die "Insolvenz ... spätestens ab Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ... zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses" geführt habe.

Entscheidungsgründe II. Auf die beiderseitige Erledigungserklärung des FA ist die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen und der Beschluss des FG für gegenstandslos zu erklären.

1. Das FG hat im Rubrum seines Beschlusses als Streitgegenstand "Umsatzsteuer für die Monate August bis Dezember 2008 und Januar bis Mai 2009" bezeichnet, obwohl während des finanzgerichtlichen Verfahrens am 4. Februar 2011 der Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2008 und am 25. März 2011 der Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2009 erging und das FG --wie sich aus dem Tenor und den Gründen des Beschlusses ergibt-- über diese Bescheide sowie mit Rücksicht darauf, dass die Rechtswirkungen der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide hinsichtlich des Entstehens der Säumniszuschläge bestehen bleiben, auch über deren Rechtmäßigkeit entschieden hat. Eine im Beschwerdeverfahren grundsätzlich mögliche Berichtigung des Rubrums des finanzgerichtlichen Urteils (vgl. hierzu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Januar 2010 V B 99/09, BFH/NV 2010, 911; vom 24. Mai 2007 VII B 105/06, BFH/NV 2007, 1902) bedarf es jedoch nicht, weil die Vorentscheidung insgesamt aufgehoben wird (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 2012 V R 2/11, BFH/NV 2012, 1285; vom 31. März 2004 X R 11/03, BFH/NV 2004, 1389).

2. Im Streitfall liegen beiderseitige Erledigungserklärungen vor, die grundsätzlich zur Beendigung der Rechtshängigkeit führen.

Der Umstand, dass der Antragsteller seine Erklärung unter dem Vorbehalt der Zulässigkeit der Beschwerde des FA gestellt hat, steht der Wirksamkeit seiner Erledigungserklärung nicht entgegen. Zwar muss die Erledigungserklärung als eine Prozessbewirkungshandlung (z.B. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1996 IV S 1/92, BFH/NV 1997, 307; BFH-Urteil vom 22. Mai 1984 VIII R 60/79, BFHE 141, 211, BStBl II 1984, 697) wie jede Prozesshandlung klar, eindeutig und vorbehaltlos vorgenommen werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 307; BFH-Urteil vom 5. November 1991 VII R 64/90, BFHE 166, 415, BStBl II 1992, 425). Erklärt jedoch im Rechtsmittelverfahren ein Beteiligter den Rechtsstreit in der Hauptsache für den Fall der Zulässigkeit des Rechtsmittels für erledigt, führt dies nicht zur Wirkungslosigkeit der Erledigungserklärung, denn diese Einschränkung gibt nur die Rechtslage wieder.

Anders als im Klageverfahren, in dem unabhängig von der Zulässigkeit der Klage der Rechtsstreit in der Hauptsache wirksam für erledigt erklärt werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Juli 1991 III B 10/91, BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846; vom 8. August 1974 IV R 131/73, BFHE 113, 175, BStBl II 1974, 749), kann in einem Rechtsmittelverfahren, in dem das eingelegte Rechtsmittel unstatthaft und unzulässig war, zwar das unzulässige Rechtsmittel selbst (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 138 Rz 10), nicht aber der Rechtsstreit selbst in der Hauptsache wirksam für erledigt erklärt werden. Denn war das Rechtsmittel nicht zulässig, so fehlt dem Rechtsmittelgericht von vornherein die Möglichkeit, sachlich auf den Antrag des Rechtsmittelführers einzugehen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. September 1989 V B 20/89, BFH/NV 1991, 54; vom 12. Dezember 1984 I R 78/83, BFHE 143, 8, BStBl II 1985, 258 für die beiderseitige Erledigungserklärung; BFH-Urteil vom 9. August 1977 VII R 123/74, BFHE 122, 443, BStBl II 1977, 697, und BFH-Beschluss vom 5. Juni 1985 II S 3/85, BFHE 143, 414, BStBl II 1985, 469 für die einseitige Erledigungserklärung). Deshalb sind Erledigungserklärungen, die in einem unstatthaften und unzulässigen Rechtsmittelverfahren in Bezug auf den Rechtsstreit selbst abgegeben werden, wirkungslos (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. März 2000 I R 56/99, BFH/NV 2000, 1211; vom 8. September 1999 VII B 84/99, BFH/NV 2000, 571; vom 17. Dezember 1997 VIII R 12/92, BFH/NV 1998, 721; in BFH/NV 1991, 54, jeweils m.w.N.). Erklärt deshalb im Rechtsmittelverfahren ein Beteiligter den Rechtsstreit in der Hauptsache unter der Voraussetzung für erledigt, dass das Rechtsmittel zulässig sei --wie im Streitfall der Antragsteller--, steht dieser Vorbehalt der Wirksamkeit seiner Prozesshandlung nicht entgegen, da er nur die Rechtslage wiedergibt, wonach eine wirksame Erledigungserklärung im Rechtsmittelverfahren dessen Zulässigkeit voraussetzt.

3. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war die Beschwerde bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf AdV erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. November 1974 I R 185/73, BFHE 114, 164, BStBl II 1975, 208, unter 2., und vom 21. Juni 1979 IV R 131/74, BFHE 128, 322, BStBl II 1979, 780, unter 1.c; BFH-Beschlüsse vom 11. August 2000 I S 5/00, BFH/NV 2001, 314, unter II.1., und vom 15. Februar 2002 XI S 32/01, BFH/NV 2002, 940, unter II.1., alle zur Eröffnung des Konkursverfahrens). Maßgeblich ist hierfür, dass Verwaltungsakte zwar gemäß § 251 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vollstreckt werden können, die Vorschriften der InsO jedoch nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO unberührt bleiben. Hieraus folgt, dass das FA ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Steueransprüche, die als Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO anzusehen sind, als Insolvenzgläubiger gemäß § 87 InsO nur noch nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen kann. Eine Zwangsvollstreckung ist nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig.

b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht bereits durch seine Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) bei gleichzeitiger Untersagung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO) entfallen.

Die Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Vollstreckungsmöglichkeiten hierdurch nicht eingeschränkt werden.

Auch die Untersagung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen führt nicht zu einem Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses. Denn die Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO lässt das Recht auf Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unberührt, wie sich auch ausdrücklich aus § 30d Abs. 4 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung ergibt. Ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein vorläufiger Verwalter bestellt, ist danach auf dessen Antrag die Zwangsversteigerung einstweilen einzustellen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die einstweilige Einstellung zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners erforderlich ist. Für eine derartige Einstellung bestehen im Streitfall ebenso wenig Anhaltspunkte wie für die Annahme, dass die D-AG über keinerlei unbewegliches Vermögen verfügte. Im Hinblick auf die somit für das FA weiterhin gegebene Möglichkeit zur Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen bestand daher das Rechtsschutzbedürfnis fort und ist erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens während des vorliegenden Beschwerdeverfahrens entfallen.

4. Das Gericht braucht im Rahmen der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache wegen beiderseitiger Erledigungserklärungen nicht schwierige Rechtsfragen zu klären. Wenn sich infolgedessen der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits nicht hinreichend sicher erkennen lässt, entspricht in der Regel die Kostenteilung billigem Ermessen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. September 1991 IX B 157/90, juris; vom 15. April 1986 VII R 152/83, BFH/NV 1986, 575, und vom 16. Oktober 1985 IX R 56/81, BFH/NV 1086, 354).

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