Paragraphen in 17 W (pat) 49/16
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 49/16 Verkündet am 19. Februar 2019
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2011 003 277.0 - 53 …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder sowie der Richter Dipl.-Ing. Baumgardt und Dipl.-Phys. Dr. Forkel beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
ECLI:DE:BPatG:2019:190219B17Wpat49.16.0 Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung, welche die Priorität einer Voranmeldung in den USA vom 24. Februar 2010 in Anspruch nimmt, wurde am 27. Januar 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt in englischer Sprache eingereicht. In der nachgereichten deutschen Übersetzung trägt sie die Bezeichnung:
„Schwingungstilger zum Verbessern des NVH-Verhaltens eines haptischen Touchpanels“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. August 2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 (des damals geltenden einzigen Antrags) von der Lehre der Druckschrift D3 (s. u.) neuheitsschädlich getroffen sei.
In ihrer Beschwerdebegründung führt die Anmelderin aus, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber der Lehre der Druckschrift D3 neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Gemäß dem Merkmal M13 weise der beanspruchte Schwingungstilger (22) eine ausgewählte Masse, eine Federkonstante und eine Dämpfung zum Zusammenwirken mit der Masse der haptischen Schnittstellenanordnung auf. Es handele sich demzufolge nicht um einen simplen Dämpfer oder ein elastisches Bauteil wie in der D3 (das nach den dortigen Ausführungen auch eine Feder sein könnte), sondern, wie der Figur der vorliegenden Patentanmeldung zu entnehmen sei, um einen Schwingungstilger (22), der aus mehreren Bauteilen bestehe, nämlich einer ausgewählten Masse (in der Figur als Rechteck gezeichnet), einer Feder und einem Dämpfer. Durch den bzw. die erfindungsgemäßen Schwingungstilger würden gezielt einzelne Spitzenamplituden der erzeugten Vibration auf kleinere Spitzenamplituden gedämpft, sodass die Wahrscheinlichkeit minimiert werde, Schwingungen in der Tragstruktur (50) und in etwaigen anderen, daran angebrachten Komponenten zu bewirken. Die in der Druckschrift D3 beschriebenen Dämpfer (503) hätten eine andere Aufgabe und seien daher auch an anderen Stellen der in der Druckschrift D3 beschriebenen Vorrichtungen angeordnet, nicht an der Rückseite der Grundplatte (Merkmal M12).
Die Anmelderin beantragt sinngemäß (siehe Beschwerdebegründung vom 19. Juni 2017, Seite 2):
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und ein Patent auf die Patentanmeldung im Umfang der mit der Beschwerde vom 8. September 2016 eingereichten Patentansprüche 1 bis 16 (Hauptantrag) zu erteilen,
hilfsweise, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und ein Patent auf Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten geänderten Patentansprüche 1 bis 16 (Hilfsantrag 1) zu erteilen.
Gemäß Hauptantrag lauten der geltende Patentanspruch 1 und der unabhängige Patentanspruch 9 (hier beim Anspruch 1 mit der Gliederung aus dem Zurückweisungsbeschluss, und beim Anspruch 9 mit einer neuen, eigenen Gliederung):
M1 1. Mit einer Trägerstruktur (50) gekoppelte haptische Schnittstelle, zur Minimierung der Übertragung einer mechanischen Stimulation der haptischen Schnittstelle auf die Trägerstruktur (50),
M2 wobei die Tragstruktur (50) eine Steuertafel, ein Gehäuse für das dazugehörige System oder Gerät und ein Armaturenbrett oder eine andere Oberfläche in einem Fahrzeug ist,
Folgendes umfassend:
M3 eine Grundplatte (12) mit einer Vorderseite (14),
M4 ein haptisches Element (18), das angrenzend an die Vorderseite (14) der Grundplatte (12) angebracht ist, um eine Eingabe von einem Benutzer zu empfangen,
M5 wobei das haptische Element (18) in elektrischer Kommunikation mit einem Steuersystem (100) steht,
M6 wobei das Steuersystem (100) die Eingabe vom haptischen Element (18) empfängt, wenn der Benutzer das haptische Element (18) berührt, um eine Eingabe für das Steuersystem (100) bereitzustellen,
M7 ein oder mehrere Betätigungsorgane (20), die zwischen der Grundplatte (12) und dem haptischen Element (18) eingefügt sind,
M8 wobei das Betätigungsorgan (20) in elektrischer Kommunikation mit dem Steuersystem (100) steht,
M9 wobei das Steuersystem (100) wahlweise eine Ausgabe für das Betätigungsorgan (20) bereitstellt, die bewirkt, dass das Betätigungsorgan (20) eine Vibration des haptischen Elements (18) erzeugt,
M10 wobei die Vibration einen Frequenzbereich und eine Spitzenamplitude aufweist,
M11 einen oder mehrere Schwingungstilger (22), die mit der haptischen Schnittstelle gekoppelt sind,
M12 wobei der/die Schwingungstilger (22) mit der Rückseite (16) der Grundplatte (12) gekoppelt ist/sind,
M13 wobei die Schwingungstilger (22) eine ausgewählte Masse, eine Federkonstante und eine Dämpfung zum Zusammenwirken mit der Masse der haptischen Schnittstellenanordnung (10) aufweisen,
M14 wobei der Schwingungstilger (22) die Spitzenamplitude der Vibration minimiert,
M15 wobei das Betätigungsorgan (20) aktiviert werden kann, um mehrere Vibrationen mit unterschiedlichen Frequenzbereichen und Spitzenamplituden zu erzeugen,
M16 wobei jeder der Schwingungstilger (22) die Spitzenamplitude einer der Vibrationen minimiert.
V1 9. Haptische Schnittstelle, Folgendes umfassend:
V2 eine Grundplatte (12) mit einer Vorderseite (14) und einer Rückseite (16),
V3 ein haptisches Element (18), das angrenzend an die Vorderseite (14) der Grundplatte (12) angebracht ist, um eine Eingabe von einem Benutzer zu empfangen,
V4 ein oder mehrere Betätigungsorgane (20), die zwischen der Grundplatte (12) und dem haptischen Element (18) eingefügt sind,
V5 ein Steuersystem (100), das mit dem haptischen Element (18) und dem Betätigungsorgan (20) in elektrischer Kommunikation steht,
V6 wobei das Steuersystem (100) die Eingabe vom haptischen Element (18) empfängt, die zum Steuern eines Betriebs des Steuersystems (100) dient,
V7 und wahlweise eine Ausgabe an das Betätigungsorgan (20) bereitstellt, um eine Vibration des haptischen Elements (18) zu erzeugen,
V8 wobei die Vibration einen Frequenzbereich und eine Spitzenamplitude aufweist, und V9 einen oder mehrere Schwingungstilger (22), die mit der haptischen Schnittstelle gekoppelt sind,
V10 wobei der/die Schwingungstilger (22) mit der Rückseite (16) der Grundplatte (12) gekoppelt ist/sind,
V11 wobei der Schwingungstilger (22) die Spitzenamplitude der Vibration minimiert,
V12 wobei die Schwingungstilger (22) eine ausgewählte Masse, eine Federkonstante und eine Dämpfung zum Zusammenwirken mit der Masse der haptischen Schnittstellenanordnung (10) aufweisen,
V13 wobei die haptische Schnittstelle mit einer Tragstruktur (50) gekoppelt ist,
V14 wobei der Schwingungstilger (22) eine Übertragung der Vibration vom haptischen Element (18) auf die Tragstruktur (50) minimiert und V15 wobei die Tragstruktur (50) eine Steuertafel, ein Gehäuse für das dazugehörige System oder Gerät und ein Armaturenbrett oder eine andere Oberfläche in einem Fahrzeug ist.
Zu dem formal nebengeordneten, jedoch rückbezogenen Patentanspruch 15 („Verfahren zum Dämpfen einer Vibration in einer haptischen Schnittstelle gemäß einem der Ansprüche 1 bis 14“) und den Unteransprüchen 2 bis 8, 10 bis 14 und 16 wird auf die Akte verwiesen.
Gemäß Hilfsantrag 1 soll beim Patentanspruch 1 des Hauptantrags zwischen den Merkmalen M7 und M8, sowie beim Patentanspruch 9 zwischen Merkmal V4 und V5 folgendes zusätzliche Merkmal eingefügt werden:
Mx wobei das Betätigungsorgan (20) mit der Vorderseite (14) der Grundplatte (12) und dem haptischen Element (18) gekoppelt ist,
Zu dem formal nebengeordneten, jedoch rückbezogenen Patentanspruch 15 („Verfahren zum Dämpfen einer Vibration in einer haptischen Schnittstelle gemäß einem der Ansprüche 1 bis 14“) und den Unteransprüchen 2 bis 8, 10 bis 14 und 16 wird wiederum auf die Akte verwiesen.
Der Anmeldung soll sinngemäß die Aufgabe zugrunde liegen, eine haptische Schnittstelle zu erzeugen, bei der die Übertragung einer mechanischen Stimulation von der haptischen Schnittstelle auf eine entsprechende Tragstruktur minimiert ist (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0004]).
Im Laufe des Prüfungsverfahrens wurden zum Stand der Technik folgende Dokumente zitiert:
D1 US 2008 / 84 384 A1
(im Zurückweisungsbeschluss falsch zitiert als 84 374)
D2 WO 2007 / 111 909 A2 D3 US 2002 / 149 561 A1 D4 DE 10 2009 028 524 A1 (deutsche Nachanmeldung der in Absatz [0011] genannten US-Anmeldung 12 / 193 060)
D5 Konvolut, umfassend:
D5a Wikipedia (deutsch): Schwingungstilger, Fassung vom 27. Januar 2010, abgerufen unter https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schwingungs tilger&oldid=69451233 D5b Wikipedia (englisch): Tuned mass damper Fassung vom 7. Februar 2010, abgerufen unter https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Tuned_mass _damper&oldid=342541819 – in Verbindung mit:
D5b-F1 https://en.wikipedia.org/wiki/File:2dof_sketch.svg D5b-F2 https://en.wikipedia.org/wiki/File:Spring–mass– damper system.svg
(sämtliche Dokumente zu D5 abgerufen am 13./14.11.2018)
D6 DE 199 05 308 A1 D7 US 2004 / 007 858 A1.
II.
Die rechtzeitig eingegangene und auch sonst zulässige Beschwerde hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 9 in der Fassung gemäß Hauptantrag wie auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft eine „haptische Schnittstelle“, d. h. eine Eingabevorrichtung (wie z. B. einen Dreh-, Druck- oder Halbleiterschalter, ein Touchpanel oder einen Touch-Screen), welche eine mechanische Stimulation (z. B. durch Kräfte, Vibrationen oder andere Bewegungen) auf den Benutzer übertragen kann, um ihm den Betriebszustand oder die Betriebsbedingung einer Vorrichtung oder eines anderen mittels der Benutzerschnittstelle bedienbaren Gegenstandes anzuzeigen (Offenlegungsschrift Abs. [0002]).
In der Anmeldung wird es als problematisch bezeichnet, dass die haptischen Rückmeldungen (Kräfte, Vibrationen o. ä.) auf die Tragstruktur der Eingabevorrichtung, also auf ein Gerätegehäuse oder ggf. auf das Armaturenbrett eines Fahrzeugs, übertragen werden könnten und dort ein unerwünschtes Geräusch-, Vibrations- und Rauheitsverhalten (engl.: NVH – Noise, Vibrations, Harshness) hervorrufen könnten (Offenlegungsschrift Abs. [0003]).
Um eine derartige Übertragung auf die Tragstruktur der Eingabevorrichtung zu vermindern, wird der Einsatz von sog. „Schwingungstilgern“ vorgeschlagen. Dabei ist „Schwingungstilger“ bzw. „tuned mass damper“ ein Fachbegriff, welcher eine bestimmte Art von Schwingungsdämpfern beschreibt mit charakteristischem Aufbau aus einem beweglichen Masse-Element, einer Schwingfeder mit vorgebbarer Federkonstante und einem Dämpfungselement (siehe dazu den dreiteiligen Aufbau des Schwingungstilgers 22 in der einzigen Figur der Anmeldung, und die als D5 zitierten Wikipedia-Dokumente). Mit einem solchen „Schwingungstilger“ ist es möglich, gezielt eine bestimmte Schwingfrequenz massiv abzudämpfen.
Die „haptische Schnittstelle“ (10) gemäß Patentanspruch 9 besteht aus einer Grundplatte (12), an deren Vorderseite (14) ein „haptisches Element“ (18) als bedienbares Eingabeelement angebracht ist (Merkmale V2, V3). Zwischen der Grundplatte (12) und dem haptischen Element (18) sind ein oder mehrere „Betätigungsorgane“ (20) eingefügt (Merkmal V4), und gemäß dem zusätzlichen Merkmal Mx des Hilfsantrags 1 mit der Vorderseite (14) der Grundplatte (12) und dem haptischen Element (18) gekoppelt. Die Betätigungsorgane beaufschlagen das haptische Element (18) derart, dass es in eine Vibration mit einem gewissen Frequenzbereich und einer bestimmten Spitzenamplitude versetzt werden kann (Merkmale V7, V8). Dies wird ausgelöst durch ein Steuersystem (100), welches Eingaben vom haptischen Element (18) entgegennimmt und ggf. das oder die Betätigungsorgane (20) zur Ausgabe einer fühlbaren Rückmeldung ansteuert (Merkmale V5, V6, V7).
Die solcherart beschriebene haptische Schnittstelle (10) ist an einer Tragstruktur (50) angebracht, welche eine Steuertafel sein kann, oder ein Gehäuse für irgendein steuerbares System oder Gerät, oder ein Armaturenbrett oder eine andere Oberfläche in einem Fahrzeug (Merkmale V13, V15). Zur Minimierung der Übertragung von Vibrationen des haptischen Elements (18) auf die Tragstruktur (50) sind ein oder mehrere Schwingungstilger (22) vorgesehen, die mit der Rückseite (16) der Grundplatte (12) gekoppelt sind (Merkmale V9, V10, V14). Diese Schwingungstilger weisen in bekannter Art eine ausgewählte Masse, eine Federkonstante und eine Dämpfung zum Zusammenwirken mit der Masse der haptischen Schnittstelle (10) auf, welche so dimensioniert sind, dass die Spitzenamplitude der über das Steuersystem erzeugten Vibration minimiert wird (Merkmale V11, V12).
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, das Übertragen von fühlbaren Rückmeldesignalen (Vibrationen) eines Eingabegerätes auf dessen Tragstruktur zu verhindern oder zu minimieren, ist hier ein Entwicklungsingenieur der Mechatronik oder Elektrotechnik mit Bachelor-Abschluss und mehrjähriger Berufserfah- rung im Bereich von Eingabegeräten und haptischen Rückmeldungen anzusehen, welcher hinsichtlich des Problems einer Schwingungsunterdrückung einen Maschinenbauingenieur zur Hilfe heranzieht (vgl. BGH GRUR 2012, 482 – Pfeffersäckchen).
2. Die Beurteilung der Druckschrift D3 im Zurückweisungsbeschluss als „neuheitsschädlich“ für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 kann nicht aufrechterhalten werden. Zu Recht macht die Anmelderin geltend, die in der D3 beschriebenen Dämpfer (503) seien keine Schwingungstilger.
Der Zurückweisungsbeschluss bezieht sich insbesondere auf die Figuren 25 / 26 und Abs. [0244] ff. der D3, welche eine weitgehend anspruchsgemäße „haptische Schnittstelle“ zeigen (Display 501 = „Grundplatte“, touch panel 502 = „haptisches Element“, main body 50a = „Tragstruktur“, actuators 115a, 115b = „Betätigungsorgane“, CPU 113 = „Steuersystem“). Um eine Übertragung erzeugter Vibrationen auf das Gehäuse zu minimieren, sind hier Dämpfungselemente 503 aus Gummi, Urethan, Schaumstoff o. ä. als Vibrationsabsorber vorgesehen (siehe insbes. Abs. [0245]); diese könnten gemäß Abs. [0257] anstatt aus Dämpfungsmaterial auch mittels elastischer Federn gebildet werden.
Solche Vibrations-Absorber sind jedoch keine „Schwingungstilger“. Der Ausdruck „Schwingungstilger“ ist in der Anmeldung ersichtlich als Fachbegriff verwendet (vgl. die als D5 zusammengefassten Dokumente); der Fachmann versteht darunter eine spezielle Baugruppe mit charakteristischem Aufbau bestehend aus einem beweglichen Masse-Element, einer Schwingfeder mit vorgebbarer Federkonstante und einem Dämpfungselement, so wie es die Anmelderin mit den Merkmalen M13 und V12 klargestellt hat. Ein solcher Schwingungstilger ist geeignet, gezielt die Spitzenamplitude einer bestimmten Vibrationsfrequenz zu verringern. Derartiges zeigt D3 nicht, und es ist auch keine Anregung zu entnehmen, anstelle der beschriebenen breitbandigen Absorber einen Schwingungstilger einzusetzen.
3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 9 in der Fassung sowohl nach Hauptantrag als auch nach Hilfsantrag 1 beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.1 Konkret zeigt beispielsweise die Druckschrift D1 in Fig. 1 und Abs. [0016] ff. einen Touchscreen 14 als „haptisches Element“, welches zur Bedienung etwa eines Mobiltelefons Eingaben von einem Benutzer empfängt, im Sinne der Merkmale V3, V5 und V6; der Touchscreen 14 hat sicherlich eine Grundplatte (nicht dargestellt) und ist an einem Gehäuse 12 des Mobiltelefons angebracht (Merkmale V2, V13 und V15). Zur Erzeugung einer fühlbaren Rückmeldung („haptic feedback“) ist ein Vibrationselement (actuator 16, als das beanspruchte „Betätigungsorgan“) an dem Touchscreen vorgesehen, welches vom Steuersystem (controller) angesteuert wird – dadurch ergibt sich eine „Haptische Schnittstelle“ im Sinne der Anmeldung (Merkmal V1; V4 teilweise). Der Aktuator 16 wirkt auf die Grundplatte des Touchscreens und erzeugt Vibrationen, deren Spitzenamplitude bei der Resonanzfrequenz im Bereich 150 bis 190 Hertz liegen kann (siehe Abs. [0018] – Merkmale V7, V8). Ziel ist es auch hier, die Tragstruktur (Gehäuse 12) vor unerwünschten Vibrationen zu schützen; dafür ist eine um den Touchscreen umlaufende Aufhängung („a suspension 18 that surrounds touchscreen 14“, siehe Abs. [0017]) als Dämpfungsmaterial an der Verbindung zwischen dem ggf. vibrierenden Touchscreen und dem Gehäuse vorgesehen, die z. B. aus Schaumstoff (PORON ®) bestehen kann. Gemäß Abs. [0008] soll die Aufhängung so eingestellt sein, dass Vibrationen einer ersten Frequenz wirksam vom Gehäuse isoliert werden (Merkmale V9, V10, V11 und V14 – jedoch nicht mittels „Schwingungstilgern“ mit der Charakteristik des Merkmals V12, sondern durch flexibles Dämpfungsmaterial).
Soweit hier die Betätigungsorgane (16) nicht explizit zwischen der Grundplatte und dem haptischen Element (14) eingefügt sind (Rest von Merkmal V4; ebenso Merkmal Mx des Hilfsantrags 1), handelt es sich um eine Frage der baulichen Anordnung, welche der Fachmann anhand der mechanischen Möglichkeiten und des Geräte-Designs beurteilt und abwägt; einen Einfluss auf die Funktion hat die etwas andere Anordnung gemäß Figur 1 der D1 nicht, sodass sich allein damit das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen lässt.
Ähnliches zeigt auch die Druckschrift D3 (s. o. 2.), wobei noch auf Vorteile des Einsatzes solcher „haptischer Schnittstellen“ bei Verwendung in Kraftfahrzeugen hingewiesen wird (D3 Abs. [0291], [0430]).
Jedoch lehrt weder die Druckschrift D1 noch die D3 den Einsatz eines „Schwingungstilgers“, und es gibt auch keine konkrete Anregung in dieser Richtung.
3.2 Allerdings waren „Schwingungstilger“ dem Fachmann zur Verminderung unerwünschter Vibrationen geläufig, gerade auch im Umfeld von Kraftfahrzeugen.
Die Druckschrift D6 beschreibt Maßnahmen zur Schwingungsdämpfung für eine Schaltvorrichtung (Schalthebel für die Gangschaltung) in einem Fahrzeug. Als eine Möglichkeit wird eine Lagerung des Schalthebels 1 in einem Lagerelement 9 beschrieben, wobei das Material des Lagerelementes 9 schwingungsdämpfende Eigenschaften hat (z. B. Polyurethan), siehe Figur 1, Spalte 4 Zeile 34 bis 38 und die dortigen Ansprüche 1, 2 und 7. Als Alternative ist dargestellt, einen Schwingungstilger unmittelbar am Schalthebel 1 oder an der Schalthebelführung 2 anzubringen, siehe den dortigen Anspruch 8 und Spalte 3 Zeile 42 bis 64 (ohne Zeichnung).
In Druckschrift D7 Abs. [0003] wird es als bekannt bezeichnet, zur Unterdrückung unerwünschter Vibrationen an einem Fahrzeug-Lenkrad einen Schwingungstilger anzubringen, wobei dieser aus einer schwingenden Masse und einer Schwingfeder besteht. Dabei lässt sich die Schwingfrequenz auf eine Resonanzfrequenz des Lenkrads einstellen, um diese zu dämpfen.
3.3 In Kenntnis der Eigenschaften und Vorteile eines Schwingungstilgers, z. B. der gezielten Dämpfung einer bestimmten Schwingungsfrequenz, kann keine erfinderische Tätigkeit darin erkannt werden, einen solchen zum Einsatz bei einem elektronischen Eingabegerät mit haptischer Rückmeldung insbesondere in einem Kraftfahrzeug vorzusehen.
Die Druckschriften D6 und D7 belegen, dass „Schwingungstilger“ in Fahrzeugen nicht nur zum Einsatz gegen großflächige Schwingungen an der Karosserie oder am Motor oder Getriebe eingesetzt wurden, sondern auch an manuell zu betätigenden Steuerelementen (Gangschaltungsknüppel, Lenkrad). Daher hat es nahegelegen, einen Schwingungstilger bekannter Bauart auch für ein elektronisches Eingabegerät (z. B. Touchscreen) einzusetzen, das mit einer fühlbaren Rückmeldung durch Vibrationen ausgestattet ist, d. h. also an einer „haptischen Schnittstelle“. D1 und D3 belegen bereits die Notwendigkeit einer Dämpfung der Übertragung der Vibrationen auf die Tragstruktur. Der „Schwingungstilger“ stellt eine bekannte Alternative zu den in D1 und D3 beschriebenen Dämpfungselementen dar (siehe die Angabe beider Möglichkeiten in Druckschrift D6) und erfüllt allein durch seine Auslegung die Merkmale V12 und V14. Dabei wird ein Schwingungstilger typischerweise an der Fläche angebracht, deren Vibration zu dämpfen ist, hier also an einer Seite der Grundplatte (Merkmal V10).
Damit lag die „haptische Schnittstelle“ des Patentanspruchs 9 sowohl nach Hauptals auch nach Hilfsantrag 1 für den Fachmann nahe, wenn er zur Dämpfung bei der in D1 bzw. D3 beschriebenen Anordnungen anstelle von Absorber-Material (Gummi, Schaumstoff) einen bekannten Schwingungstilger einsetzte, so wie es die Druckschrift D6 als Alternative vorschlägt.
4. Mit dem Patentanspruch 9 fällt jeweils der gesamte Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Dr. Forkel Fa
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