• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

XI ZR 26/22

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 26/22 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 20. September 2022 Schwaninger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:200922UXIZR26.22.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 23. August 2022 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Dr. Matthias, die Richterin Dr. Derstadt sowie den Richter Dr. Schild von Spannenberg für Recht erkannt:

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Dezember 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Streitwert: bis 19.000 €

Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des von dem Kläger erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. 2 Der Kläger erwarb im März 2017 einen gebrauchten Honda Civic 1.6-DTEC Elegance, zum Kaufpreis von 17.890 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 9.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 10. März 2017 einen Darlehensvertrag über 8.890 € mit einem effektiven Jahreszins von 0,9% ab. Das Darlehen sollte durch 36 Monatsraten in Höhe von 250,37 € zurückgezahlt werden. Der Darlehensvertrag enthält unter Ziffer 10 folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Im Falle des Zahlungsverzugs haben die Kreditnehmer der Bank den ausstehenden Betrag mit dem gesetzlichen Zinssatz gem. § 288 Abs. 1 BGB bzw. Abs. 2 BGB zu verzinsen, es sei denn, die Bank weist einen höheren oder die Kreditnehmer einen niedrigeren Verzugsschaden nach." Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und bot der Beklagten das Fahrzeug zur Abholung an.

Mit der Klage begehrt der Kläger zuletzt die Rückzahlung der Anzahlung sowie die von ihm auf das Darlehen erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 9.013,32 € nebst Rechtshängigkeitszinsen nach Übergabe des finanzierten Fahrzeugs; ferner verlangt er die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe sein Widerrufsrecht jedenfalls verwirkt. Das Zeitmoment ergebe sich daraus, dass der streitgegenständliche Widerruf erst 3 ¼ Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrags erfolgt sei. Das Umstandsmoment liege vor, weil der Kläger das Darlehen zwei Monate vor Abgabe der Widerrufserklärung vollständig abgelöst habe und es sich bei der finanzierten Kaufsache um einen Gebrauchsgegenstand handele, der dem kontinuierlichen wertverzehrenden Wertverlust unterliege. Außerdem habe die Beklagte die Sicherheiten freigegeben.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (WM 2021, 1986) stehe der Annahme einer Verwirkung nicht entgegen, weil es sich lediglich mit einem allein an zeitliche Komponenten anknüpfenden Ausschluss des Widerrufsrechts befasse, nicht aber mit einer Verwirkung nach § 242 BGB. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das Unionsrecht der Annahme einer Verwirkung entgegenstehe, könne das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (aaO) für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rechtswirkungen entfalten, weil eine rückwirkende Anwendung auf einen Sachverhalt, der bereits vor dem 9. September 2021 vollständig abgeschlossen gewesen sei, unter Vertrauensgesichtspunkten nicht in Betracht komme.

II.

Es kann vorliegend offenbleiben, ob die Berufung des Klägers im Lichte des Unionsrechts bei Vorliegen besonderer, über den bloßen Zeitablauf hinausgehender Umstände auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich oder betrügerisch bewertet werden kann mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können (vgl. hierzu das Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Europäischen Gerichtshof, Senatsbeschluss vom 31. Januar 2022 - XI ZR 113/21, u.a., WM 2022, 420).

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).

Dem Kläger stand bei Abschluss des gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrag nach § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist begann nicht zu laufen, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Die Widerrufsfrist wurde vorliegend nicht in Gang gesetzt. Denn die Beklagte hat - was das Berufungsgericht offengelassen hat - den Kläger gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nicht ordnungsgemäß unterrichtet (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.).

Der vom Kläger mit der Revision verfolgte Klageanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist allerdings derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger die Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Dies ist indes nicht der Fall.

Die gesetzlichen Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen nicht vor. Ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB hat der Kläger nicht abgegeben. Nach § 295 BGB kann ein wörtliches Angebot zwar ausnahmsweise genügen. Die vorgerichtlichen wörtlichen Angebote des Klägers zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten sind aber unzureichend, weil er damit seiner Vorleistungspflicht nicht genügt hat. Im Anwaltsschreiben vom 9. Juni 2020 ist die Rückgabe des Fahrzeugs - entgegen § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB - nur in Form einer Abholung durch die Beklagte angeboten worden, was diese jedoch zuvor nicht angeboten hat (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB) und daher unzulänglich war. Im weiteren Anwaltsschreiben vom 24. August 2020 hat er der Beklagten eine Rückgabe des Fahrzeugs lediglich "im Gegenzug" zur Zahlung der Beklagten und damit im Rahmen einer Zug-um-Zug-Leistung angeboten.

Auch die im Laufe des Klageverfahrens mit Schriftsätzen vom 14. April 2021 und vom 2. August 2021 vorgetragenen Angebote, der Beklagten das Fahrzeug an deren Sitz zu übergeben, sind nicht geeignet, einen Annahmeverzug der Beklagten zu begründen, weil die Voraussetzungen des § 295 BGB nicht vorliegen. Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners unter anderem dann, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Hierfür fehlt es vorliegend bereits an einer bestimmten und eindeutigen Erklärung der Beklagten, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (vgl. hierzu Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 295 Rn. 4). Die Beklagte hat sich vielmehr überhaupt nicht zu der Frage geäußert, ob sie - würde es denn tatsächlich angeboten werden - das Fahrzeug entgegennehmen werde. Allein darin, dass die Beklagte vorgerichtlich und im Rechtsstreit das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs bestritten hat, liegt nicht die Erklärung, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (vgl. Senatsurteile vom 1. Juni 2021 - XI ZR 149/20, juris Rn. 17 und vom 14. Juni 2022 - XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 18).

Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - XI ZR 193/20, BKR 2021, 371 Rn. 18 mwN).

IV.

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Senats (Beschluss vom 31. Januar 2022 - XI ZR 113/21, u.a., WM 2022, 420) und des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 6 U

715/19, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen.

Ellenberger Derstadt Grüneberg Matthias Schild von Spannenberg Vorinstanzen: LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 21.05.2021 - 2-28 O 45/21 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 22.12.2021 - 19 U 152/21 -

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in XI ZR 26/22

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
4 357 BGB
3 295 BGB
3 358 BGB
2 355 BGB
2 492 BGB
1 242 BGB
1 288 BGB
1 294 BGB
1 322 BGB
1 495 BGB
1 1 EGBGB
1 3 EGBGB
1 6 EGBGB
1 247 EGBGB
1 128 ZPO
1 561 ZPO

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
1 242 BGB
1 288 BGB
1 294 BGB
3 295 BGB
1 322 BGB
2 355 BGB
4 357 BGB
3 358 BGB
2 492 BGB
1 495 BGB
1 1 EGBGB
1 3 EGBGB
1 6 EGBGB
1 247 EGBGB
1 128 ZPO
1 561 ZPO

Original von XI ZR 26/22

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von XI ZR 26/22

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum