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7 Ni 62/14 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 62/14 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Patentnichtigkeitssache Verkündet am 2. Oktober 2014 Dengler Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 798 168 (DE 597 02 480)

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Dipl.-Ing. Küest und Dr.-Ing. Großmann für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 0 798 168 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:

1. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung für Fahrzeuginsassen, mit einem Kopf-Gassack (10), dadurch gekennzeichnet, dass sich der langgestreckte, für einen Front- und einen Heckinsassen vorgesehene, KopfGassack (10) in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt und in gefaltetem Zustand in einem Montageschlauch (22) angeordnet ist.

2. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Montageschlauch (22) am Fahrzeug und der KopfGassack (10) längs seines in aufgeblasenem Zustand oberen Randes am Fahrzeug befestigt ist.

3. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Montageschlauch (22) eine in Längsrichtung verlaufende, schlitzartige Austrittsöffnung (34) hat, die in montiertem Zustand des Montageschlauchs (22) zur Seitenscheibe (24) weist.

4. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Montageschlauch (22) aus flexiblem Material ist.

5. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sich der langgestreckte Kopf-Gassack (10) in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen in Kopfhöhe durchgehend bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt und im Bereich seines im aufgeblasenen Zustand unteren Randes an seinen Längsenden nur an der Aund der C- Säule des Fahrzeugs (20, 40) befestigt ist und sich in aufgeblasenem Zustand zwischen seinen Befestigungspunkten an der A- und der C-Säule (20, 40) verspannt.

6. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzeinrichtung als in das Fahrzeug nachträglich einbaubare Einheit ausgebildet ist.

7. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,

dass der Kopf-Gassack (10) über ein sich verjüngendes Ende (12, 14) mit einem Gasgenerator (60) in Strömungsverbindung steht.

8. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass eine an der Gassackwand anliegende Folie vorgesehen ist, die so ausgebildet ist, dass der KopfGassack (10) über mehrere Sekunden hinweg aufgeblasen bleibt.

9. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass im Gassackinneren eine an der Gassackinnenwand anliegende, wärmebeständige Folie vorhanden ist, die so angeordnet und dimensioniert ist, dass sie in aufgeblasenem Zustand des Kopf-Gassacks (10) nicht auf Zug belastet ist.

10. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Kopf-Gassack (10) an einem Ende (12) an der A-Säule (20) und an einem entgegengesetzten Ende (14) an der C-Säule (40) befestigt ist.

11. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Kopf-Gassack (10) im gefalteten Zustand bogenförmig verlaufend in das Fahrzeug längs der ASäule (20), längs des Dachrahmens (30) bis zur CSäule (40) eingebaut ist.

12. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kopf-Gassack (10) in gefaltetem Zustand längs zumindest eines Teils der A-Säule (20), längs des Dachrahmens (30) und längs zumindest eines Teils der C-Säule (40) eines Fahrzeugs erstreckt.

13. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kopf-Gassack (10) in aufgeblasenem Zustand von der A-Säule (20) bis zur C-Säule (40) eines Fahrzeugs erstreckt.

14. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Kopf-Gassack (10) an seinem in aufgeblasenem Zustand oberen Rand an der A-Säule (20), am Dachrahmen (30) und an der C-Säule (40) eines Fahrzeugs befestigt ist.

15. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kopf-Gassack (10) in aufgeblasenem Zustand zwischen seinen Befestigungsstellen verspannt.

16. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach Anspruch 15, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kopf-Seitengassack (10) in aufgeblasenem Zustand zwischen seinen Befestigungsstellen an der A-Säule (20) und der C-Säule (40) verspannt.

17. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach Anspruch 15, dadurch gekennzeichnet, dass sich der KopfGassack (10) zwischen seinen bogenförmig angeordneten Befestigungsstellen im aufgeblasenen Zustand verspannt.

18. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Kopf-Gassack (10) mindestens ein ihn im aufgeblasenen Zustand teilweise einschnürendes Element (38) aufweist, das quer zu seiner Längsrichtung verläuft und den Kopf-Gassack (10) beim Aufblasen in Längsrichtung verkürzt.

19. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach Anspruch 18, dadurch gekennzeichnet, dass das einschnürende Element (38) an der Wandung des KopfGassacks (10) befestigt und schnur- oder bandartig ausgebildet ist.

20. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach Anspruch 18 oder 19, dadurch gekennzeichnet, dass das Element (38) den unteren Randbereich (42) des KopfGassacks (10) einschnürt.

21. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kopf-Gassack (10) in aufgeblasenem Zustand bis in den unteren Seitenscheibenbereich erstreckt und sich zu seinen Enden (12, 14) verjüngt.

22. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Kopf-Gassack (10) im nichtaufgeblasenen Zustand in Längsrichtung ungefaltet am Fahrzeug befestigt ist.

23. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere Gasgeneratoren (60) an der Aund/oder der C-Säule (20, 40) eines Fahrzeugs befestigt sind und über entsprechende Gaseintrittsöffnungen (16) an einem der Enden (12) des KopfGassacks (10) mit dem Gassackinneren in Verbindung stehen.

24. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung nach Anspruch 23, dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere Gasgeneratoren (60) seitlich des Armaturenbretts oder im Rückenlehnenbereich des Rücksitzes versteckt angeordnet sind.

II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Klage richtet sich gegen das europäische Patent 0 798 168, das auf eine Anmeldung vom 13. März 1997 zurückgeht und in deutscher Sprache u. a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Das Patent, das die Priorität des deutschen Gebrauchsmusters 29605896 U vom 29. März 1996 in Anspruch nimmt, wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 597 02 480 geführt. Es ist bezeichnet mit „Seitenaufprall-Schutzeinrichtung für Fahrzeuginsassen“ und umfasst in seiner für Deutschland gültigen Version 30 Ansprüche, wobei die Ansprüche 2 bis 30 als Unteransprüche unmittelbar bzw. mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen sind.

Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:

1. Seitenaufprall-Schutzeinrichtung für Fahrzeuginsassen, mit einem Kopf-Gassack (10), dadurch gekennzeichnet, dass sich der langgestreckte, für einen Front- und einen Heckinsassen vorgesehene, Kopf-Gassack (10) in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt und in gefaltetem Zustand in einem Montageschlauch (22) angeordnet ist.

Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift EP 0 798 168 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) und c) EPÜ) geltend.

Sie bezieht sich u. a. auf folgende Veröffentlichungen:

TM3: TM4: TM5: TM6: TM7: TM8: TM9: TM10: TM11: TM12: TM13: TM14: TM31 DE 196 12 229 A1 (nachveröffentlicht) WO 94/19215 A1 GB 2 293 355 A DE 43 37 656 A1 Ausgabe der Zeitschrift mot, 22/1994 Ausgabe der Zeitschrift mot, 2/1996 WO 96/26087 A1 (nachveröffentlicht) WO 96/30233 A1 DE 43 07 175 A1 US 5,470,103 A EP 0 694 444 A2 DE 43 04 919 A1 DE 296 14 201 U1 (angemeldet im Prioritätsintervall)

und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber der nachveröffentlichten Schrift TM3 nicht neu sei, und dass er - ausgehend von TM4 oder TM5, jeweils in Zusammenschau mit TM8 - nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Auch die Merkmale der übrigen Patentansprüche könnten zu der erforderlichen Erfindungshöhe nichts beitragen. Den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung macht die Klägerin zuletzt im Hinblick auf die Patentansprüche 2, 3, 7, 15, 26, 27 und 30 geltend; hinsichtlich Patentanspruch 9 hat sie diesen Nichtigkeitsgrund in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 0 798 168 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung gemäß dem mit Schriftsatz vom 14. August 2014 gestellten Hauptantrag, hilfsweise soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags 1, weiter hilfsweise soweit sie sich gegen die Patentansprüche in den Fassungen gemäß den in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten, mit Schriftsatz vom 14. August 2014 eingereichten Hilfsanträgen richtet.

In der Fassung des Hauptantrags soll Patentanspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung unverändert bleiben. Die erteilten Unteransprüche 2, 3, 15 und 30 sollen entfallen und die Nummerierung und Rückbeziehung der übrigen Unteransprüche soll entsprechend angepasst werden.

Gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag 1 sollen die Patentansprüche die im Urteilstenor wiedergegebene Fassung erhalten. Von der Fassung gemäß Hauptantrag unterscheiden sie sich dadurch, dass die Ansprüche 23 und 24 gestrichen und die Ansprüche 25 und 26 zu Ansprüchen 23 bzw. 24 werden. Außerdem werden der neue Anspruch 24 auf Anspruch 23 und Anspruch 2 auf Anspruch 1 rückbezogen.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche in der Fassung der mit Schriftsatz vom 14. August 2014 eingereichten Haupt- und Hilfsanträge wird auf Bl. 262 bis 471 der Gerichtsakte verwiesen.

Nach Meinung der Beklagten trifft der Vorwurf der unzulässigen Erweiterung nicht zu. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber der Entgegenhaltung TM3 und beruhe im Übrigen auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Der Senat hat den Parteien mit Schriftsatz vom 16. Juni 2014 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, jedoch im Wesentlichen nur insoweit erfolgreich, als die Beklagte das Streitpatent mit ihren zuletzt gestellten Anträgen nicht mehr verteidigt hat. Insoweit war das Patent ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (BGH GRUR 2007, 404, 405 [15] – Carvedilol II; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn. 127 m. w. N.). Ebenso wenig hat das Streitpatent in der von der Beklagten gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung Bestand, weil bezüglich einzelner Unteransprüche der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gegeben ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ). Das Streitpatent erweist sich jedoch in der von der Beklagten gemäß Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung - die Patentanspruch 1 unverändert in seiner erteilten Fassung enthält - bestandsfähig, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war.

I.

1. Die vorliegende Erfindung betrifft eine Seitenaufprall-Schutzeinrichtung für Fahrzeuginsassen mit einem Kopf-Gassack. Die Beschreibung der Streitpatentschrift bezieht sich auf verschiedene Druckschriften aus dem Stand der Technik, u. a. auf die im vorliegenden Verfahren als Entgegenhaltung WO 94/19215 vorgelegte Patentanmeldung. Der dort beschriebene Kopf-Gassack sei schlauchförmig ausgebildet und an seinen seitlichen Enden an der A- und an der B-Säule befestigt. In zusammengefaltetem Zustand erstrecke sich der Gassack unter einer Verkleidung längs der A-Säule über den Dachrahmen bis zur B-Säule. Da der Gassack aus einem speziellen Gewebe 2. gefertigt sei, verkürze sich beim Aufblasen seine Länge stark. In vollständig aufgeblasenem Zustand verlaufe der Gassack deshalb nahezu linear von der A-Säule bis zur B-Säule, und verhindere, dass der Kopf eines Fahrzeuginsassen auf die Seitenscheibe aufprallen könne (Beschr. Abs. ).

Das Streitpatent macht es sich zur Aufgabe, eine einfache Seitenaufprall-Schutzeinrichtung zu schaffen, die im aufgeblasenen Zustand stabil im Fahrzeug gehaltert sei, bei der der Gassack und möglichst auch der Gasgenerator auf einfache Weise im Fahrzeug untergebracht werden könnten und die möglichst auch noch bei einem Fahrzeugüberschlag Schutz bieten könne (Beschr. Abs. 6).

2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der von der Beklagten mit Hauptantrag verteidigten erteilten Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

M0: Seitenaufprall-Schutzeinrichtung für Fahrzeuginsassen mit M1: einem Kopf-Gassack; M2: der Kopf-Gassack ist langgestreckt; M3: der Kopf-Gassack ist für einen Front- und einen Heckinsassen vorgesehen; M4: der Kopf-Gassack erstreckt sich in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen; M5: der Kopf-Gassack ist in gefaltetem Zustand in einem Montageschlauch (22) angeordnet.

3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist nach Meinung des Senats ein Dipl.-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, mit Spezialkenntnissen in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Schutzeinrichtung für Fahrzeuginsassen. Dieser Fachmann geht bei der Auslegung der Merkmale des Anspruchs 1 von folgendem Verständnis aus:

a) Die Seitenaufprall-Schutzeinrichtung umfasst einen Kopf-Gassack, der gemäß Merkmal M3 für einen Front- und einen Heckinsassen vorgesehen ist. Dies bedeutet, dass der Gassack bei einem Seitenaufprall sowohl den Front- als auch den Heckinsassen am Kopf schützen soll. Bei dem Merkmal M3 handelt es sich um eine Zweckangabe, d. h. der geschützte Gegenstand muss so ausgebildet sein, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (BGH GRUR 2009, 837, 838 [15] - Bauschalungsstütze). Demnach genügt es hier nicht, wenn sich der Kopf-Gassack entsprechend Merkmal M4 in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt. Hinzukommen muss, dass diese Erstreckung mit einer ausreichenden Schutzwirkung für den Kopf sowohl des Front- und als auch des Heckinsassen verbunden ist.

Eine Schutzwirkung kann in diesem Sinne nicht schon dann als ausreichend angesehen werden, wenn sich der Gassack unter ganz besonderen Umständen als Kopfschutz für den Front- bzw. Heckinsassen eignet, d. h. etwa nur bei bestimmten Aufprallwinkeln oder bei ungewöhnlicher Körpergröße der Fahrzeuginsassen. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die genannte Eignung im Normalfall vorliegt, d. h. unter Zugrundelegung von durchschnittlich großen Front- bzw. Heckpassagieren und von Abläufen, Krafteinwirkungen und Deformationen, wie sie bei einem Seitenaufprall typischer Weise vorkommen. Dieser Anforderung muss die Seitenaufprall-Schutzvorrichtung auch dann gerecht werden, wenn sie sich in aufgeblasenem Zustand nicht entsprechend dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 des Streitpatents kissenförmig längs der Seitenscheiben von der A- bis zur CSäule erstreckt und dabei mit ihrem unteren Randbereich bis nahe an das untere Ende der Seitenscheiben reicht, sondern wenn sie entsprechend dem Ausfüh- rungsbeispiel gemäß Figur 3 ein schlauchförmiges Element darstellt, welches nur an seinen beiden Enden am Fahrzeug befestigt ist und den Bereich der Seitenscheiben nur teilweise abdeckt. b) Im Gegensatz zu dem Merkmal M4, das den Kopf-Gassack in seinem aufgeblasenen Zustand betrifft, beschreibt das Merkmal M5 dessen gefalteten Zustand vor der Gas-Befüllung; in diesem Zustand ist der Kopf-Gassack in einem Montageschlauch angeordnet. Zur Auslegung des Begriffs „Montageschlauch“ wird der Fachmann den gesamten Offenbarungsgehalt der Streitpatentschrift, d. h. neben den Ansprüchen auch die Beschreibung und die Zeichnungen berücksichtigen (BGH GRUR 1999, 909, 911 - Spannschraube). Im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 wird in der Streitpatentschrift erläutert, dass der Montageschlauch dem einfachen Einbau in die Fahrzeug-Innenverkleidung (Streitpatentschrift Spalte 3, Zeilen 48 bis 54) oder - bei nachträglichem Einbau der Anbringung der gesamten Seitenaufprall-Schutzeinrichtung an der Außenseite der Verkleidung (Spalte 3, Zeile 56, bis Spalte 4, Zeile 3) dienen soll. In jedem Fall umgibt der Montageschlauch den Kopf-Gassack nicht nur während der Montage, sondern auch danach, solange der Kopf-Gassack nicht aufgeblasen wird und infolge dessen aus der schlitzartigen Austrittsöffnung 34 des Montageschlauchs herausgleitet (Spalte 4 Zeilen 10 bis 21).

An anderer Stelle (Spalte 2 Zeilen 45 bis 49) ist davon die Rede, dass der KopfGassack zur einfacheren Montage in einem Montageschlauch angeordnet sei, welcher, ohne dass es weiterer Aufbauten bedürfe, direkt am Fahrzeug befestigt werden könne. Auch diese Ausführungen betreffen das in Figur 1 gezeigte erste (kissenförmige) Ausführungsbeispiel, während zu dem in Figur 3 gezeigten schlauchförmigen Element lediglich gesagt ist, dass es an seinen beiden Enden einerseits an der A-Säule und andererseits an der C-Säule arretiert sei (Spalte 5 Zeilen 12 bis 14), wobei an dieser Stelle nicht auf eine Befestigung mittels des Montageschlauches abgestellt wird. Schon deshalb kann nicht gesagt werden, dass dem Montageschlauch begrifflich zwingend eine Befestigungsfunktion zukomme. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um eine zusätzliche Option, die nicht im Hauptanspruch, sondern erstmals im Unteranspruch 4 des Streitpatents beansprucht wird.

II.

Patentanspruch 1 erweist sich in seiner erteilten Fassung, die der von der Beklagten mit Hauptantrag und Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 entspricht, als patentfähig.

1. Die nachveröffentlichte Offenlegungsschrift DE 196 12 229 A1 (TM3) nimmt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorweg.

Die Schrift TM3 geht - ebenso wie die Streitpatentschrift - von der internationalen Anmeldung WO 94/19215 (TM4) aus und stellt sich die Aufgabe, bei einem aufblasbaren seitlichen Kopfschutzsystem besonders günstige Möglichkeiten zur Anordnung des Luftsackes, insbesondere im Bereich des Dachholmes aufzuzeigen (TM4 Spalte 1, Zeilen 1 bis 21). Dabei weist das System der TM3 unstrittig die Merkmale M1, M2 und M5 auf.

Während bei TM4 der Luftsack an der A-Säule und an der B-Säule (siehe z. B. Figuren 3b, 5a bis 6b) bzw. am Dachlängsträger im Bereich hinter der B-Säule (siehe Figur 3c) befestigt ist, beansprucht und beschreibt TM3 eine Befestigung des Luftsacks „an geeigneten Punkten der Fahrzeugkarosse, insbesondere an der A-Säule sowie im C-Säulenbereich“ (siehe Wortlaut der Patentansprüche und Beschreibung Spalte 1, Zeilen 42 bis 45). Daraus ist zu ersehen, dass sich der KopfGassack in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt. Demnach ist auch das Merkmal M4 in der Schrift TM3 verwirklicht.

Dass der Kopf-Gassack der TM3 i. S. von Merkmal M3 für einen Front- und einen Heckinsassen vorgesehen ist, kann dieser Schrift jedoch nicht mit der erforderlichen Unmittelbarkeit und Eindeutigkeit entnommen werden (BGH GRUR 2009, 382, 384 [25] - Olanzapin; GRUR 2012, 1124 - Polymerschaum, m. w. N.). Nachdem durch das in der internationalen Anmeldung TM4 offenbarte SeitenaufprallSicherungssystem unzweifelhaft nur der Frontinsasse geschützt werden soll, hätte es nahe gelegen, wenn in der auf TM4 aufbauenden Offenlegungsschrift TM3 ein Kopfschutz auch für den Heckpassagier beabsichtigt worden wäre, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen. Aus den Ansprüchen und aus der Beschreibung der TM3 ist nicht eindeutig zu ersehen, ob mit der rückwärtigen Anbringung weiter hinten im Fahrgastraum bezweckt ist, dass der Gassack, der bei TM4 unzweifelhaft nur den Frontpassagier am Kopf schützen kann, bei der Ausgestaltung nach TM3 auch dem Heckpassagier einen Kopfschutz verschaffen soll. In der Beschreibung zu Figur 5 der TM3, die den Luftsack im aufgeblasenen Zustand darstellt, heißt es lediglich, es sei klar ersichtlich, dass dieser Luftsack „eine dämpfende Aufprallfläche für den Kopf eines Fahrzeuginsassen bildet“ (Spalte 1, Zeilen45 bis 50). Schon diese Formulierung deutet darauf hin, dass es bei TM3 nur um den Schutz „eines“ Insassen, nämlich des Frontpassagiers geht.

Diese Auslegung wird durch die Figurenzeichnung 5 noch unterstützt. Der dort gezeigte Luftsack ist zwar an der A-Säule und im Bereich der C-Säule, nämlich am Dachlängsträger oberhalb der C-Säule, angebracht. Der aufgeblasene Schlauch, durch den der Kopf des Heckinsassen geschützt werden könnte, beginnt aber erst weiter vorne, etwa im Bereich des über der Seitenscheibe befindlichen Handgriffs. Weil zudem der Schlauch gerade wegen seiner rückwärtigen Befestigung oberhalb der C-Säule in einem gegenüber dem Autodach flachen Winkel nach vorne verläuft, befindet er sich hinter dem Vordersitz in einem oberen Bereich des Fahrgastraumes, weshalb er den Kopf des Heckinsassen bei einem Seitenaufprall nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen wird schützen können (etwa wenn das Fahrzeug schräg von vorn gerammt wird oder wenn nach einem Aufprall von schräg hinten der Kopf eines groß gewachsenen Heckpassagiers wieder nach vorne geschleudert wird). Eine solchermaßen eingeengte, auf ganz spezielle Konstellationen beschränkte Schutzwirkung ist jedoch zur Erfüllung des Merkmals M3 nicht ausreichend (s. o. I.4.a). Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass der in Figur 5 gezeigte Gassack für normal große oder kleinere Passagiere und/oder bei einem seitlichen Aufprall, durch den der Insasse nicht nach vorne geschleudert wird, keinen Schutz bieten kann.

Der fachmännische Leser wird durch die Beschreibung der TM3 in Zusammenhang mit deren Figur 5 daher zu der Erkenntnis gelangen, dass der von Merkmal M3 geforderte Schutz nicht automatisch dadurch eintritt, dass sich der KopfGassack i. S. d. Merkmals M4 bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt. Nachdem in den Ansprüchen und in der Beschreibung der TM3 nichts über einen Kopfschutz für den Heckinsassen ausgeführt ist, und nachdem die Ausführung gemäß der einzigen Figur, die den Gassack im aufgeblasenen Zustand zeigt - der Figur 5 - einen i. S. d. Merkmals M3 ausreichenden Kopfschutz erkennbar nicht gewährleistet, kann der Fachmann der TM3 nicht ohne Weiteres entnehmen, dass dieser dafür vorgesehen ist, auch den hinten sitzenden Fahrgast am Kopf zu schützen.

Zwar wird der fachmännische Leser der Schrift TM3 bei einigem Nachdenken möglicherweise auf den Gedanken kommen, dass der Luftsack auch den Heckinsassen am Kopf schützen könnte, wenn er - anders als in Figur 5 gezeigt - weiter unten im Bereich der C-Säule angebracht würde. Dabei würde es sich jedoch um eine Abwandlung und Weiterentwicklung der durch die Schrift TM3 vermittelten Information handeln. Diese gehört ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (BGH GRUR 2009, 382, 384 [26] - Olanzapin).

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung, die der von der Beklagten mit Hauptantrag und Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 entspricht, war dem Fachmann am Prioritätstag durch den von der Klägerin aufgezeigten Stand der Technik auch nicht nahe gelegt.

a) Die Entgegenhaltung WO 94/19215 A1 (TM4) zeigt u. a in den Figuren 3a, 3b und 3c eine Seitenaufprall-Schutzeinrichtung 11, die aus einem Kopf-Gassack 15 besteht (M1). Der Kopf-Gassack 15 ist langgestreckt (M2) und nur für einen Frontinsassen vorgesehen.

Der aus TM4 bekannte Kopf-Gassack kann beispielsweise durch einen Schutzschlauch („protective sleeve“) verdeckt sein („concealed by a cover“), vgl. Seite 15, Zeile 15. Aus dieser Stelle geht nicht eindeutig hervor, ob es sich dabei um einen dem einfachen Einbau des gefalteten Gassacks dienenden Montageschlauch i. S. v. Merkmal M5 handelt (s. o. I.4.b). Letztlich kann dies dahin gestellt bleiben, denn jedenfalls finden sich in TM4 keine Hinweise darauf, den bekannten Sack so zu verlängern, dass er auch für einen Heckinsassen Schutz bietet (M3), und dass er sich in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt (M4).

b) Die Entgegenhaltung GB 2 293 355 A (TM5) zeigt in den Figuren 12 und 13 ebenfalls eine Seitenaufprall-Schutzeinrichtung, die aus einem Kopf-Gassack 8 besteht (M1). Der Kopf-Gassack 8 ist langgestreckt (M2) und nur für einen Frontinsassen vorgesehen.

Der bekannte Kopf-Gassack ist gemäß Merkmal M5 in gefaltetem Zustand in einem als Stofftasche (fabric pocket) bezeichneten Montageschlauch angeordnet (vgl. TM5, S. 16, Z. 25).

Es fehlen aber auch bei TM5 Hinweise und Anregungen i. S. d. Merkmale M3 und M4 von Patentanspruch 1 des Streitpatents.

c) Die Veröffentlichung in der Ausgabe 2/1996 der Zeitschrift mot (TM8) zeigt auf den Seiten 80 bis 83 weitere Seitenschutzsysteme. Als problematisch werden dort großflächige Gesamt-Airbags geschildert, weil diese Systeme wegen der erforderlichen enorm kurzen Reaktionszeit äußerst aggressiv ausfallen und beim Crash auch Widerlager fehlen. Denn die Seitenscheiben stehen, ausgehend davon, dass sie beim Seitencrash zerstört werden, dafür nicht mehr zur Verfügung (vgl. Seite 82, rechte Spalte).

Die TM8 zeigt und beschreibt zum einen eine Seitenaufprall-Schutzeinrichtung in Schlauchform, bezeichnet als „ITS-Weißwurst“ (ITS = Inflatable Tubular Structure),

die zum Schutz eines Frontpassagiers vorgesehen ist. Diese ist als Luftsack ausgebildet, hat aber auch die Wirkung eines flexiblen Fangbandes. Ein den Sack umgebendes Spezialgewebe sorgt für eine Verkürzung, wodurch die erforderliche Vorspannung der „ITS-Weißwurst“ zwischen den Befestigungspunkten an der ASäule und im Bereich der B-Säule erreicht wird (vgl. Seite 82, linke Spalte).

Außerdem zeigt die TM8 ein weiteres System zum Schutz eines Frontpassagiers vor Kopfverletzungen, die durch seitliche Aufprallunfälle verursacht werden, in Gestalt eines aufblasbaren Vorhangs, bezeichnet als „IC“ (= Inflatable Curtain). Der aufblasbare Vorhang beruht, anders als die „ITS-Weißwurst“, auf dem Grundgedanken, ein aufblasbares Kissensystem auszubilden, das unter dem Gasdruck aus dem Dachrahmen herausgedrückt wird, sich nach unten ausbreitet und mit einer Struktur ähnlich einer Luftmatratze die Seitenscheibe seitlich des Frontinsassen großflächig abdeckt (vgl. Seite 83, rechte Spalte, dritter Absatz).

Die Gassackgrößen bzw. die Kammervolumina des aufblasbaren Vorhangs und der „ITS-Weißwurst“ sind aber in etwa gleich und betragen 12 bis 15 Liter (vgl. Seite 83, rechte Spalte, dritter Absatz). Aus Sicht des Fachmanns hat man diese Volumina offensichtlich so gewählt, damit die Befüllung mit Gas in wenigen Millisekunden erfolgen kann.

Die Angabe in der TM8, dass sich ein so maßgeschneiderter Vorhang „natürlich bis in den Bereich der Fond-Passagiere verlängern“ ließe (vgl. Seite 83, rechte Spalte, fünfter Absatz), bezieht sich nach Wortlaut und Sachzusammenhang ausschließlich auf den aufblasbaren Vorhang oder auf weitere Vorhangabschnitte mit Kammervolumina in der genannten Größenordnung, weil, wie erläutert, wegen der geringen Knautschzone im Seitenbereich und wegen der dadurch bedingten enorm kurzen Reaktionszeit großflächige Systeme äußerst aggressiv ausfallen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Fachmann den Verlängerungshinweis erweiternd und entgegen seinem Wortlaut dahingehend versteht, dass er auch für die „ITS-Weißwurst“ gelten solle,

handelt es sich doch um ein deutlich anderes Schutzsystem als der aufblasbare Vorhang.

d) Der Fachmann kann dem in der TM8 beschriebenen Vorhang weder allein noch in einer Zusammenschau mit der „ITS-Weißwurst“ oder den Seitenschutzsystemen nach der TM4 oder der TM5 Anregungen für einen langgestreckten, zugleich für einen Front- und einen Heckinsassen vorgesehenen KopfGassack, der sich in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen erstreckt, entnehmen. Denn zum einen passen die in der TM8 gezeigten Systeme von der technischen Ausgestaltung her nicht zusammen und zum anderen werden, wie oben ausgeführt, großvolumigere Systeme in der TM8 als problematisch angesehen. Der Fachmann, der um die Probleme großvolumiger Systeme weiß, erhält damit im Stand der Technik keine hinreichend konkrete Anregung, den Weg des Streitpatents zu beschreiten.

e) Der weitere, umfangreiche Stand der Technik, der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen worden ist, kommt dem Streitpatent nicht näher als der vorgenannte Stand der Technik und kann weder als Einzeldokument noch in einer Zusammenschau die erfinderische Tätigkeit in Frage stellen.

III.

Somit erweist sich Patentanspruch 1 als patentfähig, ebenso die Gegenstände der Unteransprüche aufgrund ihres Rückbezugs auf den patentfähigen Patentanspruch 1. Das Streitpatent in der von der Beklagten gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung, die als geschlossener Anspruchssatz verteidigt wird, hat gleichwohl keinen Bestand, da es hinsichtlich eines Teils der Unteransprüche, nämlich in den Ansprüchen 23 und 24, unzulässige Erweiterungen enthält. Dagegen ist der Anspruch 5 nicht als unzulässig erweitert anzusehen.

1. Nach Anspruch 5 des Hauptantrags (entsprechend dem erteilten Anspruch 7) erstreckt sich die Seitenaufprall-Schutzeinrichtung in aufgeblasenem Zustand von einem Bereich seitlich eines Frontinsassen „in Kopfhöhe durchgehend“ bis in einen Bereich seitlich eines Heckinsassen. In den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (Anlage TM1d) wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass der Kopf-Gassack „in Kopfhöhe durchgehend“ sein solle, jedoch ist aus der Figurenzeichnung 3, bei der es sich um ein gleichberechtigtes Offenbarungsmittel handelt (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 34 Rn. 328) zu ersehen, dass der Gassack parallel zum Dach des Fahrzeugs, d. h. durchgehend auf einer Höhe angeordnet ist. Nachdem es sich um einen Kopf-Gassack handelt, entnimmt der Fachmann dieser Zeichnung ohne weiteres Nachdenken, dass sich der Gassack seitlich des Front- und des Heckinsassen durchgehend auf Kopfhöhe erstreckt. Somit geht der Gegenstand des mit Hauptantrag beanspruchten Anspruchs 5 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, weshalb dieser Unteranspruch nicht unzulässig ist.

2. Dagegen ist Anspruch 23 des Hauptantrags (entsprechend dem erteilten Anspruch 26) unzulässig, weil sein Gegenstand in der beanspruchten weiteren Fassung nicht aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervorgeht.

Mit Anspruch 23 wird eine Seitenaufprall-Schutzeinrichtung beansprucht, bei der der Kopf-Gassack in aufgeblasenem Zustand aus mehreren kissenförmigen Elementen besteht. Die Kissenform als solche ist in der ursprünglichen Anmeldung (Anlage TM1d, Seite 2, dritter Absatz) zwar erwähnt („Der Kopf-Gassack erstreckt sich im aufgeblasenem Zustand schlauch- oder kissenförmig längs der Seitenscheiben von der A- bis zur C-Säule“). Aus dieser Offenbarungsstelle geht aber nicht hervor, dass es sich um mehrere kissenförmige Elemente handelt.

Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 befasst sich die ursprüngliche Anmeldung mit dem Zustandekommen der Verkürzung des KopfGassacks in Längsrichtung. Diese für dessen Verspannen nach dem Aufblasen notwendige Verkürzung soll u. a. durch einschnürende Elemente 38 erreicht wer- den, wobei diese einschnürenden Elemente schnurartig ausgebildet und an der Wandung des Kopf-Gassacks befestigt sind sowie U-förmig um dessen unteren Randbereich 42 verlaufen und ihn einschnüren, so dass der Kopf-Gassack aus drei kissenförmigen Elementen besteht, die auf Grund ihrer konvexen Wölbung nach außen eine große Oberfläche haben (TM1d, Seite 5, letzter Absatz).

Aus dieser Beschreibung gehen somit kissenförmige Elemente hervor, die dadurch zustande kommen, dass der Kopf-Gassack beim Aufblasen durch die Elemente 38 eingeschnürt wird. Ein anderer Entstehungsgrund für die kissenförmigen Elemente wird an keiner Stelle der ursprünglichen Anmeldung genannt. Der Fachmann wird auch nicht - abstrahierend von dem konkreten Ausführungsbeispiel - andere mögliche Entstehungsgründe für die kissenförmigen Elemente einfach „mitlesen“.

Aus diesem Grund geht der Gegenstand des Anspruchs 23, durch den ein aus mehreren kissenförmigen Elementen bestehender Kopf-Gassack unabhängig von der Entstehungsweise der Kissen beansprucht wird, über die ursprüngliche Anmeldung hinaus. Der Anspruch ist somit unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Erweiterung als unzulässig anzusehen.

Denselben Vorwurf trifft, wegen seines Rückbezugs auf Anspruch 23, den Gegenstand des Anspruchs 24 des Hauptantrags (entsprechend dem erteilten Anspruch 27). Auch dieser Anspruch ist daher unzulässig.

Das Streitpatent kann daher nicht in dem Umfang Bestand haben, wie die Beklagte dies mit ihrem Hauptantrag beantragt hat.

IV.

Dagegen erweist sich das Streitpatent in der Fassung des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags 1, in der die Unteransprüche 23 und 24 nicht mehr enthalten sind und der ansonsten dem Hauptantrag entspricht, als bestandsfähig. Die Klage war daher insoweit abzuweisen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für eine Aufteilung der Kosten besteht kein Anlass, da der Schutzumfang des Streitpatents durch die Nichtigerklärung einzelner Unteransprüche nicht geschmälert wurde. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

VI.

Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufungeingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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