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7 Ni 3/15 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 3/15 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

17. März 2016 …

In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 908 582 (DE 698 16 554)

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Klage richtet sich gegen das europäische Patent 0 908 582, das auf eine Anmeldung vom 6. Oktober 1998 zurückgeht und die Priorität der japanischen Voranmeldung 28907997 vom 6. Oktober 1997 in Anspruch nimmt. Das Patent ist in englischer Sprache u. a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 698 16 554 geführt. In der als Druckschrift DE 698 16 554 T2 herausgegebenen deutschen Übersetzung ist es bezeichnet mit „Bremsvorrichtung für die Haspel einer Drahtbindevorrichtung für Bewehrungsstäbe“. Das Patent umfasst vier Ansprüche, wobei die Ansprüche 2 bis 4 als Unteransprüche unmittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen sind.

Patentanspruch 1 hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

1. A brake mechanism of a wire reel of a reinforcing bar binding machine in which a binding wire (3) is fed from a wire reel (2) rotatably arranged at the rear of the binding machine body (1) to the front of the binding machine body, wound round reinforcing bars (7) crossing each other, and twisted by a twisting hook (8) driven by a motor (9) to bind the reinforcing bars with the binding wire, the brake mechanism comprising: breaking means (11) for engaging with a circumferential edge portion of the wire reel; and a brake lever (12) linked with the motor for driving the twisting hook (8) such that, when the motor (9) normally rotates, the brake lever operates the breaking means so that the brake means engages with the circumferential edge portion of the wire reel so as to apply braking to the wire reel, and when the motor reversely rotates, the brake lever reversely operates the brake means to release the braking means from applying braking.

In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1 wie folgt:

1. Bremsmechanismus für eine Haspel einer Bindevorrichtung für Bewehrungsstäbe, bei welcher ein Bindedraht (3) von einer Haspel (2), die drehbar an der Rückseite des Körpers der Bindevorrichtung (1) angeordnet ist, zu dem vorderen Bereich des Körpers der Bindevorrichtung zugeführt wird, um einander kreuzende Bewehrungsstäbe (7) gewunden und von einem über einen Motor (9) angetriebenen Verdrillhaken (8) verdrillt wird, um die Bewehrungsstäbe mit dem Bindedraht zu binden, wobei der Bremsmechanismus umfasst eine Bremsvorrichtung (11) zum Eingriff mit einem umfänglichen Randabschnitt der Haspel; und einen Bremshebel (12), der mit dem Motor zum Antrieb des Verdrillhakens (8) derart verbunden ist, dass, wenn der Motor (9) normal dreht, der Bremshebel die Bremsvorrichtung derart betätigt, dass die Bremsvorrichtung in Eingriff gelangt mit dem umfänglichen Randabschnitt der Haspel, um auf die Haspel eine Bremskraft auszuüben, und wenn der Motor in umgekehrte Richtung dreht, der Bremshebel die Bremsvorrichtung in umgekehrter Richtung betätigt, um die Bremsvorrichtung von der Ausübung einer Bremskraft zu entbinden.

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 908 582 B1 bzw. auf die deutsche Übersetzung DE 698 16 554 T2 (nachfolgend: T2-Schrift) Bezug genommen.

Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ) geltend und stützt sich hierbei auf folgende Druckschriften:

NK 6 NK 7 NK 7a NK 8 NK 9 NK 9a NK 11 NK 12 NK 13 NK 14 US 3,369,573 mit deutscher Übersetzung NK 6a WO 96/00135 A1 DE 69530587 T2, deutscher Teil von EP 0 768 926, hervorgegangen aus NK 7 JP H5-92106 U mit deutscher Übersetzung NK 8a EP 0 460 880 A1 DE 691 05 359 T2 = deutsche Übersetzung von NK 9 EP 0 058 479 A1 JP 257 4529 Y2 mit deutscher Übersetzung NK12a DE 639 368 A JP H7-24702 U mit deutscher Übersetzung NK 14a NK 15 NK 16 JP H8-80907 A mit deutscher Übersetzung NK 15a JP H7-48931 A mit englischer Maschinenübersetzung NK16a Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 0 908 582 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der als Anlage NB3 zum Schriftsatz vom 26. Februar 2016 (Bl. 248 ff. d. A.) eingereichten Hilfsantrag 1 richtet, weiter hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung als Anlagen NB6 bis NB8 überreichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 2 bis 4 richtet, wobei jeweils die deutschsprachige Fassung der Ansprüche maßgeblich sein soll.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den Nichtigkeitsgrund nicht für gegeben.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 10. November 2015 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG übersandt.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen einschließlich des Wortlauts der von der Beklagten gestellten Hilfsanträge wird auf die beiderseits eingereichten Schriftsätze und auf die Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das Streitpatent erweist sich in seiner erteilten Fassung als bestandsfähig, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen war, ohne dass es einer Befassung mit den Hilfsanträgen der Beklagten bedurft hätte.

I.

1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach der Beschreibung in der Streitpatentschrift (T2-Schrift, Absatz 1) einen Bremsmechanismus zum Stoppen der Drehung einer Haspel bzw. Drahtrolle einer Bindevorrichtung für Bewehrungsstäbe, nachdem ein Bindedraht vorbestimmter Länge von der Haspel abgegeben wurde.

Im Allgemeinen werde bei einer Bindevorrichtung für Bewehrungsstäbe ein Bindedraht einer vorbestimmten Länge um einander kreuzende Bewehrungsstäbe gewunden und dann werde dieser Bindedraht durch einen Verdrillhaken verdrillt, so dass die Bewehrungsstäbe gebunden werden könnten. Der Bindedraht sei um eine Haspel gewunden, die an der Rückseite des Körpers der Bindevorrichtung angebracht sei. Im Falle des Zuführens des Drahts werde dieser durch eine Drahtzuführeinrichtung in Vorwärtsrichtung zugeführt. Zu diesem Zeitpunkt werde die Haspel gedreht und der Draht von der Haspel abgeführt. Eine Länge des zuzuführenden Drahts werde genau gesteuert. Wenn der Draht einer vorbestimmten Länge abgeführt worden sei, werde daher die Zufuhr an Draht augenblicklich gestoppt (T2-Schrift, Absatz 2).

Es könnten jedoch Probleme bei dem obigen Drahtzuführmechanismus auftreten. Obgleich die Zufuhr des Drahts augenblicklich gestoppt werde, wenn der Draht einer vorbestimmten Länge von der Haspel abgeführt worden sei, fahre die Haspel redundant fort, sich auf Grund der Wirkung des Trägheitsmoments der Haspel zu drehen. Daher nehme ein Durchmesser des um die Haspel gewundenen Drahts zu und die Drähte verwickelten sich miteinander. Als Folge dessen werde es unmöglich, den Draht reibungslos abzuführen und es könnten Probleme entstehen, wenn der Draht in der nächsten Stufe abgeführt werde (T2-Schrift, Absatz 3).

Zur Lösung dieser Probleme sei es möglich, mit Hilfe einer Blattfeder zu jeder Zeit eine Bremskraft auf die Haspel auszuüben. Dadurch würden aber die für die Zufuhr des Drahts erforderliche Last und der Verbrauch an elektrischem Strom des Drahtzuführmotors erhöht. Als Folge dessen erhitze sich der Drahtzuführmotor und die Zuführgeschwindigkeit werde gemindert (T2-Schrift, Absatz 4).

Es sei Aufgabe der vorliegenden Erfindung, einen Bremsmechanismus für eine Haspel bzw. eine Drahtspule einer Bindevorrichtung für Bewehrungsstäbe vorzusehen, der fähig sei, eine Bremskraft auf die Haspel im Wesentlichen gleichzeitig mit der Beendigung der Zufuhr eines Drahts einer vorbestimmten Länge von der Haspel auszuüben (T2-Schrift, Absatz 5).

Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden. Die Merkmale dieses Anspruchs können wie folgt gegliedert werden:

1. Bremsmechanismus für eine Haspel einer Bindevorrichtung für Bewehrungsstäbe,

2. wobei bei der Bindevorrichtung ein Bindedraht (3) 2.1 von einer Haspel (2), die drehbar an der Rückseite des Körpers der Bindevorrichtung (1) angeordnet ist, 2.2 zu dem vorderen Bereich des Körpers der Bindevorrichtung zugeführt wird,

2.3 um einander kreuzende Bewehrungsstäbe (7) gewunden und 2.4 von einem über einen Motor (9) angetriebenen Verdrillhaken (8)

verdrillt wird, 2.5 um die Bewehrungsstäbe mit dem Bindedraht zu binden, 3. und wobei der Bremsmechanismus umfasst: 3.1 eine Bremsvorrichtung (11) zum Eingriff mit einem umfänglichen Randabschnitt der Haspel, 3.2 einen Bremshebel (12), der mit dem Motor zum Antrieb des Verdrillhakens (8) derart verbunden ist, dass, 3.2.1 wenn der Motor (9) normal dreht, der Bremshebel die Bremsvorrichtung derart betätigt, dass die Bremsvorrichtung in Eingriff gelangt mit dem umfänglichen Randabschnitt der Haspel, um auf die Haspel eine Bremskraft auszuüben, 3.2.2 und wenn der Motor in umgekehrte Richtung dreht, der Bremshebel die Bremsvorrichtung in umgekehrter Richtung betätigt, um die Bremsvorrichtung von der Ausübung einer Bremskraft zu entbinden.

2. Als zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von elektromechanischen Werkzeugen für die Bauindustrie, insbesondere Stahlbetonbau, sowie mit Kenntnissen der zugehörigen Steuerungstechnik, anzusehen.

3. Der Fachmann geht bei der Auslegung des Anspruchs 1 von folgendem Verständnis aus:

a) Bei der Merkmalsgruppe 2 handelt es sich nicht um eine Zweckangabe in dem Sinne, dass der Bremsmechanismus lediglich zur Verwendung für eine Haspel einer entsprechend ausgestalteten Bindevorrichtung geeignet sein müsste. Vielmehr müssen die in dieser Merkmalsgruppe genannten Merkmale beim Patentgegenstand selbst vorhanden sein. Diese Interpretation, die auch durch den maßgeblichen englischen Anspruchstext gestützt wird („A brake mechanism of a wire reel….“), ergibt sich aus dem Zusammenhang aller Anspruchsmerkmale. Insbesondere ist die Bremsvorrichtung nach Merkmal 3.2 mit dem in Merkmal 2.4 als Teil der Bindevorrichtung genannten Motor untrennbar verbunden. Die Betätigung des Bremshebels i. S. d. Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 kann ohne den Motor nicht erfolgen, weshalb dieser - und mit ihm die Bindevorrichtung mit allen in der Merkmalsgruppe 2 genannten Merkmalen - zum Anspruchsgegenstand gehört.

Dementsprechend ist Merkmal 1 (Bremsmechanismus für eine Haspel...“) so zu verstehen, dass es sich um den Bremsmechanismus einer in der Merkmalsgruppe 2 näher definierten Haspel, die wiederum Teil einer Bindevorrichtung ist, handelt. Und wenn es in Merkmal 2.1 heißt: „von einer Haspel…“, so ist „von der Haspel“ im Sinne des Merkmals 1 die Rede.

b) Gemäß Merkmalsgruppe 3.2 bis 3.2.2 wird der die Bremsvorrichtung betätigende Bremshebel in Abhängigkeit vom Antrieb des Verdrillhakens unter Ausnutzung der Drehrichtungsumkehr betätigt. Dieser technische Zusammenhang im Sinne einer funktionellen Verknüpfung des Arbeitsschrittes des Verdrillens mit der Betätigung der Bremsvorrichtung hat bei Bindevorrichtungen mit nur einem Antriebsmotor, der z. B. sowohl den Verdrillhaken als auch die Drahtzufuhr antreibt, zur Folge, dass lediglich der Antriebsstrang des Verdrillhakens zu betrachten ist, d. h. der Bremshebel steht in diesem Fall mit diesem Antriebsstrang in Verbindung, nicht aber mit dem abzweigenden Antriebsstrang für die Drahtzufuhr.

c) Was unter der „normalen“ Drehrichtung des Motors gemäß Merkmal 3.2.1 zu verstehen ist, ergibt sich aus der Funktion des Motors, der nach Merkmal 2.4 bzw. 3.2 den Verdrillhaken antreibt. Dementsprechend handelt es sich um diejenige Drehrichtung des Motors, bei der der Verdrillhaken ggf. in die Arbeitsposition geschoben wird und das Verdrillen des Bindedrahtes bzw. das eigentliche Binden erfolgt. Die „umgekehrte“ Richtung gemäß Merkmal 3.2.2 ist dementsprechend die Gegendrehrichtung, bei der der Verdrillhaken nach Beendigung des Verdrillvorgangs wieder zurückgefahren wird (siehe T2-Schrift, Absatz 23, vorletzter und letzter Satz, bzw. Streitpatentschrift, Absatz 10, Zeilen 27 bis 31). Somit ist die „normale“ Drehrichtung des Motors nicht isoliert als eine beliebige Motordrehrichtung zu betrachten, sondern steht - ausgehend von der Motoreigenschaft als „Verdrill-Motor“ - in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zugehörigen Arbeitsschritt des Verdrillens.

d) Der Bremshebel soll gemäß den Merkmalen 3.2.1 und 3.2.2 zur Ausübung bzw. zur Entbindung einer Bremskraft betätigt werden, „wenn“ der Motor „normal“ bzw. in „umgekehrter“ Richtung dreht. Daraus ergibt sich ein temporärer Zusammenhang in der Weise, dass die jeweilige Betätigung des Bremshebels einsetzt, wenn der „Verdrill-“Motor in der entsprechenden Richtung zu drehen beginnt. Nicht anspruchsgemäß wäre es, wenn die Vorgänge des Bremsens und des Verdrillens einerseits bzw. des Lösens der Bremse und des Zurückfahrens des Verdrillhakens andererseits zeitlich entkoppelt wären.

II.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil er durch den von der Klägerin genannten druckschriftlichen Stand der Technik am Prioritätstag weder vorweggenommen noch nahegelegt war.

Bei der vorzunehmenden Prüfung hat der Senat sämtliche eingereichten Entgegenhaltungen berücksichtigt, auch soweit die Beklagte deren Zurückweisung als verspätet beantragt hat. Letzteres gilt zum einen in Bezug auf die japanischen Entgegenhaltungen NK12, NK14 und NK15, zu denen die Beklagte deutsche Übersetzungen erst nach Ablauf der in dem frühen gerichtlichen Hinweis gesetzten Frist zur abschließenden Stellungnahme (§ 83 Abs. 2 PatG) übermittelt hat. Nachdem sich die Beklagte aber (in Bezug auf NK12, NK14 und NK15) schriftsät- zlich bzw. in der mündlichen Verhandlung sachlich mit diesen Druckschriften befasst hat, bot deren Berücksichtigung keinen Anlass zur Vertagung der mündlichen Verhandlung, so dass auch kein Zurückweisungsgrund i. S. d. § 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG bestanden hat. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die weitere, die unterbliebene Einreichung einer deutschen Übersetzung zu der englischsprachigen Druckschrift NK11 betreffende Rüge der Beklagten. Auch die erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereichte Schrift NK16 samt englischer Maschinenübersetzung war zu berücksichtigen, weil sich ihr relevanter technischer Gehalt, soweit es im vorliegenden Fall auf ihn ankommt, bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ohne größere Mühe erschließen ließ.

1. Keine der Entgegenhaltungen ist neuheitsschädlich, weil nirgendwo ein Gegenstand mit sämtlichen anspruchsgemäßen Merkmalen offenbart ist. Dies gilt insbesondere auch gegenüber den von der Klägerin als neuheitsschädlich angesehenen Druckschriften NK6, NK9 und NK11.

a) Die US-amerikanische Patentschrift NK6 betrifft eine stationär auf einem Ladentisch angebrachte Bindevorrichtung für Beutel oder sonstige Gegenstände, die in irgendeiner Weise gebunden werden (Spalte 2, Zeilen 7 bis 10 bzw. 58 bis 61). Die Ausführungsvariante gemäß den Figuren 9 und 10 zeigt hierbei einen Bremsmechanismus für die Haspel (reel 14) der Bindevorrichtung, der i. S. d. Merkmale 3 und 3.1 eine Bremsvorrichtung (reel brake 153) zum Eingriff auf den umfänglichen Randabschnitt (flange 14A) der Haspel (reel 14) sowie eine als Cantilever-Hebel ausgebildete Bindematerialführung (tape guide 151) aufweist. Dieser auskragende, federelastisch gelagerte Hebel 151 entspricht hierbei dem Bremshebel gemäß 3.2, der allerdings in Abhängigkeit vom Drahtvorschub (idler roller 114 i. V. m. feeding portion 40A in Figur 1) bzw. dem hierdurch bewirkten Zug (siehe Spalte 6, Zeile 67, bis Spalte 7, Zeile 38) und damit unabhängig vom Antrieb des Verdrillhakens 54 betätigt wird (s. o. I.3.d).

Des Weiteren mangelt es bei NK6 an dem Merkmal 3.2.2, demgemäß der Motor für den Antrieb des Verdrillhakens in umgekehrter Richtung drehen soll. Auf Grund der kontinuierlichen/periodischen Betriebsweise mittels einer Steuerscheibe (program plate 35) und der periodischen Abfolge der einzelnen aufeinander folgenden Arbeitsschritte ist nämlich nur eine Drehrichtung des Antriebsmotors erforderlich und auch nur so offenbart. Die Notwendigkeit für eine Umkehrung der Drehrichtung ist bei NK6 nicht gegeben und wird auch nicht in der Druckschrift erwähnt.

b) Die europäische Patentschrift NK9 betrifft ebenfalls eine stationäre Vorrichtung zum Zuführen von Bindedraht zum Binden von Gruppen oder Bündeln von Gegenständen, z. B. Spargel oder Brokkoli (siehe Figuren 1 und 7 sowie Spalte 1, erster Absatz). Gemäß Figur 1 weist der Bremsmechanismus für die Haspel 36 einen Bremsbelag 201 auf einem Bremshebel 204 auf, der bei Drahtentnahme ebenfalls auf Zug betätigt wird. Bei Zufuhr des Bindedrahtes über die Zuführwalzen 62, 64 wird der Bindedraht 14 in Richtung D gespannt und der Bremshebel 204 entgegen der Federvorspannung 202 betätigt, wodurch die Bremse gelöst wird. Zum „Straffziehen“ des Bindedrahtes um den zu bindenden Gegenstand herum werden die Zuführwalzen 62, 64 in umgekehrter Drehrichtung betätigt, so dass der Bindedraht in Richtung F gelockert und der Bremsbelag 201 durch die Feder 202 wieder auf den Haspelumfang gedrückt wird. Die Betätigung erfolgt somit wie bei NK6 in Abhängigkeit von der Zuführvorrichtung für den Bindedraht und steht in keinem funktionalen oder zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrieb des Verdrillhakens 44, der zwangsläufig erst nach der abgeschlossenen Drahtzufuhr und –straffung stattfinden kann; somit fehlen die Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 (s. o. I.3.d).

Weiterhin erfolgt die Umkehrung der Drehrichtung der Zuführwalzen 62, 64 getriebeseitig durch das Aktivieren der zugeordneten Kupplungen 179 und 182 (siehe NK9, Figur 7, i. V. m. Beschreibung Spalte 13, Zeilen 1 bis 9), und nicht durch die Umkehrung der Motordrehrichtung. Diesbezüglich wird in NK9, Spalte 13, Zeilen 17 bis 21, ausdrücklich hervorgehoben, dass die Antriebswelle 172 und damit der einzige Antriebsmotor 168 nur in einer Drehrichtung betrieben wird („by providing clutches … it is possible to continuously rotate shaft 172 in a single direction“). Damit mangelt es NK9 ebenfalls an dem für das Merkmal 3.2.2 notwendi- gen Teilmerkmal, wonach der Antriebsmotor in umgekehrter Richtung betrieben wird.

c) Die europäische Patentanmeldung NK11 zeigt schließlich eine Bindevorrichtung, die gemäß Figur 1 mit Standfüßen versehen und daher für den stationären Betrieb vorgesehen ist. Dies lässt ihre Eignung zum Binden von einander kreuzenden Bewehrungsstäben auf Baustellen fraglich erscheinen, zumal bei NK11 das zu bindende Gut in die Vorrichtung eingelegt wird. Wie bei den vorgenannten Schriften geht es dort eher um das Binden von Gemüse, Blumen oder Früchten (siehe NK11, Seite 1, erster Absatz), wobei allerdings als Einsatzgebiet der Bindevorrichtung allgemein das Binden von dicken Materialien oder Objekten angegeben wird (Seite 2, zweiter Absatz).

Der Figur 1 von NK11 kann hierzu entnommen werden, dass (i. S. d. Merkmale 2, 2.1, 2.2, 2.5 und bedingt 2.3) eine drehbar an der Rückseite des Körpers der Bindevorrichtung angebrachte Haspel 29 vorhanden ist, von der das Bindematerial 7, z. B. Draht („soft wire“, Seite 3, Zeile 10 f.), zu dem vorderen Bereich des Körpers der Bindevorrichtung geführt wird. Bei geöffnetem Bügelarm 6 (strich-punktierte Position in Figur 1) kann das zu bindende Gut 8 in die Vorrichtung eingelegt werden, wobei der Draht 7 mitgenommen wird und sich bereits teilweise als Draht 7‘ um das Gut 8 legt. Da somit beim Einlegen Draht 7 von der Haspel 29 abgewickelt werden muss, weist die Vorrichtung eine lösbare Haspelbremse mit den Teilen 16 bis 22 auf (s. a. Figuren 1 und 6), die in der „Einlegeposition“, d. h. bei geöffnetem Bügelarm 6, ein leichtes Abrollen ermöglichen soll, und die bei geschlossenem Bügelarm 6 die Haspel 29 über eine Klaue 20, die in ein Sperrrad 21 der Haspel 29 eingreift, am Drehen hindert (vgl. Seite 3, dritter Absatz, bzw. Seite 10, Zeilen 6 bis 9). Um ein Nachlaufen der Haspel 29 bei schnellem Abwickeln zu vermeiden, ist zusätzlich noch eine permanent wirksame Reibbremse 87, 88 vorhanden (vgl. Seite 15, Zeilen 9 bis 13). Beim Schließen des Bügelarms 6 wird zugleich der Antrieb des Verdrillhakens 45, der, wie in den Figuren 1 bis 4 dargestellt, als Federantrieb konzipiert ist, gespannt.

Auf Grund dieses Konzepts mit einer Zugfeder 55 ist nur eine Drehrichtung des Verdrillhakens 45 möglich, wobei die Feder 55 über den Hebel 51 und die Zahnräder 50 und 44 den Verdrillhaken 45 antreibt (siehe Figuren 4 und 7 sowie Seite 13, letzter Absatz, erster Satz). Schließlich wird in NK11 auf Seite 16, zweite Hälfte des zweiten Absatzes, noch darauf hingewiesen, dass zum Betätigen des Bügelarms 6 u. a. elektromechanische Antriebe vorgesehen werden können, so dass auch Ausführungsformen mit einem Motorantrieb offenbart sind (Bezugszeichen 93 in Figur 1). Somit wird der Verdrillhaken 45 zwar nicht unmittelbar von dem Motor 93 angetrieben, jedoch genügt es (bei isolierter Betrachtung) für Merkmal 2.4, dass der Antrieb des Verdrillhakens mittelbar „über“ einen Motor geschieht, d. h. dass der Motor kausal für den Antrieb ist, was hier der Fall ist.

Jedoch ist auch bei NK11 die Merkmalsgruppe 3.2 nicht verwirklicht, weil es an der Gleichzeitigkeit von Bremskraftausübung bzw. -entbindung mit dem Antrieb bzw. mit der Rückbewegung des Verdrillhakens fehlt (s. o. I.3.d). Der Verdrillvorgang wird nämlich erst zu einem Zeitpunkt in Gang gesetzt, nachdem die Absenkung des Arms 6 durch den Motorantrieb 93 abgeschlossen und die Bremsung der Haspel bereits bewirkt ist. So ist zwar ein Motor zum Anheben und Senken des Bügelarms 6 vorhanden, der mittelbar den Verdrillhaken (in einer Drehrichtung) antreiben und auch den Bremshebel einer Haspelbremsvorrichtung über das drehrichtungsabhängige Senken und Heben des Arms betätigen kann. Jedoch fehlt es an der patentgemäßen Verknüpfung mit den jeweiligen Arbeitsschritten des Verdrillhakens, auf die im angegriffenen Anspruch durch die „normale“ und „umgekehrte“ Drehrichtung des den Verdrillhaken antreibenden Motors Bezug genommen ist (s. o. I.3.b und I.3.c). Dabei ist auch das Merkmal 3.2.2 in Verbindung mit dem übergeordneten Merkmal 3.2 nicht verwirklicht. Der Motor steht beim Betrieb in umgekehrter Richtung nicht in Antriebsverbindung mit dem Verdrillhaken, da eine solche Verbindung aufgrund des bei NK11 vorhandenen Federantriebs überhaupt nicht möglich ist.

Auf Grund dieser wesentlichen Unterschiede kann dahin gestellt bleiben, ob die stationäre Vorrichtung gemäß NK11 zum Binden von sich kreuzenden Beweh- rungsstäben auf Baustellen geeignet ist, und ob der Fachmann das radial weiter innen liegende Sperrrad („ratchet 21“) der Bremsvorrichtung als einen „umfänglichen Randabschnitt“ der Haspel gemäß Merkmal 3.1. ansieht.

2. Der Gegenstand von Anspruch 1 in der Fassung der Streitpatentschrift war dem Fachmann am Prioritätstag durch den vorliegenden Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Dies gilt insbesondere für die die streitpatentgemäße Erfindung kennzeichnenden Merkmale 3.2.1 und 3.2.2, wonach die Betätigung des Bremshebels zur Ausübung einer Bremskraft bzw. zur Entbindung von dieser Bremskraft auf der Verbindung mit dem den Verdrillhaken antreibenden Motor beruht.

a) Als nächstliegender Stand der Technik kann die Druckschrift NK12 angesehen werden. Diese betrifft eine Bindemaschine samt Bremsvorrichtung i. S. d. Merkmals 1 (vgl. Übersetzung NK12a, Absatz [0001]), bei der - wie in Figur 1 dargestellt - ein Bindedraht 7 (Merkmal 2) von einer Drahtspule (= Haspel) 8, die drehbar an der Rückseite des Körpers der Bindevorrichtung angebracht ist (Merkmal 2.1), zu dem vorderen Körper der Bindevorrichtung zugeführt (Merkmal 2.2) und mehrmals um die Eisenbewehrungen gewickelt wird (Merkmal 2.3; vgl. NK12a, Beschreibung Absatz [0003]). Ein von einem Motor 5 angetriebener Verdrillhaken 21 (vgl. NK12a, Absätze [0010] und [0012]) ist ebenfalls vorhanden (Merkmal 2.4).

Der Bremsmechanismus besteht bei NK12 aus einer Blattfeder 32, die entsprechend den Figuren 3 und 4 mit einem linken und rechten Ausleger 32c, 32d auf die äußeren umfänglichen Randabschnitte der Haspel einen Drehwiderstand ausübt und sich mittels eines Mittelauslegers 32b auf dem aufgewickelten Draht abstützt (s. a. NK12a, Absatz [0014]). Dies entspricht gegenständlich der von Merkmal 3.1 geforderten Bremsvorrichtung zum Eingriff mit einem umfänglichen Randabschnitt der Haspel. Entsprechend der Lehre von NK12 wird mit abnehmendem Durchmesser der Drahtspule einer Erhöhung der für die Abwicklung des Drahtes erforderlichen Auszugskraft dadurch entgegengewirkt, dass die Andrückkraft abhängig vom (Wickel-) Durchmesser der Drahtspule ist. Hierdurch kommt es zu keinem Anstieg der erforderlichen Auszugskraft und damit zu keinem höheren Stromverbrauch des Drahtvorschubmotors 4 bei abnehmendem (Wickel-) Durchmesser (vgl. NK12a, Absatz [0015]).

Die Entgegenhaltung NK12 belegt damit, dass der Fachmann hinsichtlich des Stromverbrauchs der mobilen Bindevorrichtung sensibilisiert ist, und dass die bekannten Bremsvorrichtungen in dieser Hinsicht verbesserungsbedürftig sind. Obwohl bei NK12 einer Zunahme des Stromverbrauchs bei abnehmendem Wickeldurchmesser entgegengewirkt wird, erzeugt die dortige Bremse während der Drahtentnahme einen permanenten Widerstand, der zu Energieverlusten führt.

Da der Fachmann immer um die Vermeidung von Energieverlusten bemüht ist, insbesondere im Hinblick auf die begrenzte Stromkapazität des Akkus der in NK12 offenbarten mobilen Bindevorrichtung (siehe NK12a, Absatz [0009]), hat für ihn Anlass bestanden, die Bremse der Entgegenhaltung NK12 im Hinblick auf einen geringeren Stromverbrauch weiter zu verbessern. Er wird sich hierfür im einschlägigen Stand der Technik nach Bremsvorrichtungen von Bindevorrichtungen umgesehen und deren Verwendbarkeit bei der Vorrichtung gemäß NK12 geprüft haben.

b) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Meinung konnte der Fachmann ausgehend von NK12 in Zusammenschau mit NK11 nicht zu der streitpatentgemäßen Lösung gelangen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt, dass dazu lediglich die in NK11, Figur 1, gezeigte Verbindungsstange 16 des Bremsmechanismus 20 mit dem Verdrillmechanismus 21 der in NK12, Figur 1, offenbarten Bindevorrichtung verbunden werden müsse, da dieser die für die Betätigung benötigte Vor- und Rückwärtsbewegung aufweise. Diese Vorgehensweise war dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt jedoch nicht nahegelegt. Es hätte hierfür nämlich mehrerer Schritte bedurft, für die den genannten Schriften keine Hinweise zu entnehmen waren.

So hätte der Fachmann zunächst erkennen müssen, dass sich die Bremse 20, die bei NK11 dem Freigeben der Haspel beim Einlegen des zu bindenden Guts dient und dabei auf Grund ihrer zeitweise völligen Freigabe ein widerstandsarmes Abwickeln ermöglicht, besser eignet als die bei NK11 zusätzlich vorhandene, permanent wirkende Haspelbremse 87, obwohl diese - entsprechend der in NK12 vorgesehenen Bremse - zum Unterbindung des Nachlaufens beim Stoppen der Drahtzufuhr vorgesehen ist (siehe II.1.c).

Für den Fachmann bestand jedenfalls kein Anlass, die Betätigung der Bremse in Verbindung mit dem Verdrillmechanismus bzw. in Abhängigkeit von dessen Antrieb vorzusehen. Diesbezüglich hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt, dass der Fachmann die Betätigung der Bremse für die Haspel, die das Abrollen des Drahtes ermöglicht, naheliegender Weise in Abhängigkeit von der Drahtzuführung, d. h. dem Drahtvorschubmotor 4, vorsehen würde, was zu einer nicht streitpatentgemäßen Ausführungsform führen würde.

Eine Anregung dahingehend, die Betätigung des Bremshebels in Abhängigkeit von dem Verdrillantrieb im Sinne der Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 vorzusehen, ergab sich für den Fachmann weder aus NK11 (s. o. II.1.c) noch auf Grund fachmännischer Überlegungen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Betätigung der Bremsvorrichtung anspruchsgemäß auch zum richtigen Zeitpunkt erfolgen muss, d. h. dass der dem Schritt des Drahtvorschubes nachgeschaltete Arbeitsgang des Verdrillens von seinem zeitlichen Ablauf her geeignet sein muss, in Abhängigkeit hiervon die Betätigung der Haspelbremse einzuleiten bzw. wieder aufzuheben. Hierzu ist der Entgegenhaltung NK11 nichts zu entnehmen, was den Fachmann zu dieser Erkenntnis hinführen würde, so dass die Übertragung der dort offenbarten Haspelbremsvorrichtung auf die Bindevorrichtung gemäß NK12 nicht in naheliegender Weise zum Patentgegenstand führt.

c) Auch in Zusammenschau von NK12 mit der deutschen Patentschrift NK13 konnte der Fachmann nicht zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangen.

NK13 betrifft eine Bremsvorrichtung für die Haspel einer Heftmaschine, bei der sowohl der Draht 3 als auch die Haspel 1, 2 am äußeren Umfangsrand durch zwei Röllchen 8, 9 fixiert werden (siehe deren Figuren 1 bis 3). Bei einer ausreichenden Zugkraft in Auszugsrichtung wird die Vorspannung der Feder 12 überwunden und die in einer Wippe 11 gelagerten Röllchen 8, 9 gelangen aus einer Klemmposition in eine Position, die sowohl den Drahtauszug als auch eine freie Drehung der Haspel gestattet. Diese Vorrichtung lässt sich ohne größere Modifikationen auf die Bindemaschine der Entgegenhaltung NK12 übertragen, wo sie dann an die Stelle der dort vorgesehenen Bremsfeder 32 tritt. Die Bremsbetätigung erfolgt dann bauartbedingt wiederum in Abhängigkeit vom Drahtauszug, d. h. vom Drahtvorschubmotor 4. Damit gelangt der Fachmann zu einem nicht streitpatentgemäßen Gegenstand, dem es bereits daran mangelt, dass der Bremshebel 11 von NK13 nicht mit dem Motor 5 von NK12 zum Antrieb des Verdrillmechanismus 21 verbunden ist (Merkmal 3.2). Auch die Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 sind nicht vorhanden, da der die Bremse betätigende Drahtvorschubmotor 4 nur in Verbindung mit einer Drehrichtung offenbart ist (vgl. NK12a, Absätze [0011], [0012]).

d) Entsprechendes gilt im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Zusammenschau von NK12 mit einer der Druckschriften NK14, NK15 und NK16.

Die stationäre Folien-Verpackungsmaschine NK14 weist gemäß den Figuren 1 und 2 eine Bandrollenbremse 20 auf, bei der die Betätigung über einen vorgespannten Bremshebel 26 so ausgeführt ist, dass nur eine geringe Betätigungskraft - und damit ein geringer Strombedarf - erforderlich ist (vgl. Problemstellung in NK14a, Absatz [0004]). Die Betätigung erfolgt wiederum zugkraftabhängig, wobei die Zugkraft über einen Folienvorschubmotor M2 aufgebracht wird, der zum Straffen der Folien auch in umgekehrter Richtung betrieben wird (siehe Absätze [0014] und [0016]); das Grundprinzip entspricht somit dem von NK9 (siehe II.1.b). Die Vorrichtung weist dabei zwar einen Motor M2 auf, der in beide Richtungen dreht, wobei dieser Motor jedoch dem Antrieb der Folienzuführung dient. Eine sinngemäße Übertragung dieser Bremsvorrichtung auf die Vorrichtung der Entgegenhaltung NK12 führt damit wiederum zu einem Gegenstand, bei dem der Bremshebel mit dem Antrieb des Drahtvorschubmotors verbunden ist. Hinweise in Richtung auf eine Verbindung mit dem Verdrillmotor kann NK14 bereits deshalb nicht liefern, weil dort überhaupt keine Verdrilleinrichtung vorgesehen ist.

Gleiches gilt auch für die Entgegenhaltung NK15, die sich von der Vorrichtung gemäß NK14 im Wesentlichen lediglich in der baulichen Ausführung des Bremselementes, das als Endlosriemen 30 ausgeführt ist, unterscheidet (siehe Figur 1).

Die Druckschrift NK16 offenbart schließlich eine manuell betätigte Drahtbindevorrichtung 1, bei der der Bindedraht 6 aus einer externen Einheit 2 zugeführt wird (siehe Figuren 1 und 2). Die Verbindung zwischen den beiden Vorrichtungen erfolgt über zwei Leitungen, wobei in einer der Draht 6 und in der anderen ein Verbindungsdraht 47 zur Steuerung des Drahtvorschubs geführt wird. Durch die Antriebsbewegung des Arms 5 wird über einen komplexen Getriebemechanismus unter anderem auch der Drahtvorschub bewerkstelligt, indem über den in den Figuren 3 und 8 dargestellten Nockenantrieb 32, 45 und 46 der Verbindungsdraht 47 verschoben wird. Dieser Verbindungsdraht 47 bewirkt und steuert den Drahtvorschub von der Einheit 2 zu der Bindevorrichtung 1. Wie in Figur 24 ersichtlich, wird gleichzeitig mit dem Abheben des Bremshebels 48 über eine Getriebeeinheit die Drahtvorschubrolle 55 angetrieben, so dass Drahtvorschub und Bremsbetätigung mechanisch miteinander gekoppelt sind (siehe NK16a, Absatz [0018]). Somit wird die Bremskraft aufgehoben, wenn der Drahtvorschub stattfindet, und die Bremse wird wieder aktiviert, wenn der Drahtvorschub beendet ist bzw. wenn sich der Verbindungsdraht 47 in die Gegenrichtung bewegt. Da die Drahtzufuhr und der Verdrillvorgang üblicherweise zeitlich hintereinander ablaufen, ist eine Betätigung des Bremshebels 48 in Abhängigkeit von der Verdrillung bereits ausgeschlossen, so dass NK16 auch keine Anregung liefert, den Bremshebel im Zusammenhang mit dem Verdrillantrieb entsprechend den Merkmalen 3.2, 3.2.1 und 3.2.2 zu betätigen. Die von der Klägerin angeregte Übertragung der Bremsvorrichtung gemäß NK16 auf die Bindevorrichtung gemäß NK12 führt somit ebenfalls nicht zu einem Gegenstand, bei dem der Bremshebel mit dem Antrieb des Verdrillantriebs in der streitpatentgemäßen Weise verknüpft ist.

3. Auch ausgehend von der europäischen Patentschrift NK7 konnte der Fachmann nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents gelangen.

Die Entgegenhaltung NK7 offenbart in den beiden Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1, 2 bzw. 13, 14 und 30 jeweils Bindevorrichtungen mit den Merkmalen 1 bis 3, die gemäß dem ersten Beschreibungsabsatz zum Binden von Bewehrungsstäben vorgesehen sind. In dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 9 und 9A wird der Bindedraht auf der Haspel über einen Spiralfeder/Kupplungsmechanismus unter Spannung gehalten (siehe NK7, Brückenabsatz Seiten 16/17). Zusätzlich wird die Anregung vermittelt, auch andere Mechanismen zum Verhindern des Lockerns der Drahtwindungen bzw. des Verhaspelns vorzusehen (NK7, Seite 64, Zeilen 9 bis 16, bzw. NK7a, Seite 40, Abschnitt [0207], Buchstabe e).

Wenngleich für den Fachmann durchaus Veranlassung bestanden hat, bei der in NK7 offenbarten Variante einer batteriebetriebenen Bindevorrichtung (vgl. NK7a, Absatz [0016], Zeile 7) nach Verbesserungen zum Zwecke der Energieeinsparung zu suchen, so liefert diese Druckschrift ebenso wenig wie die bereits genannten Schriften NK11, NK13, NK14, NK15 und NK16 einen Hinweis darauf, den Bremsmechanismus entsprechend den Merkmalen 3.2, 3.2.1 und 3.2.2 über die Drehrichtung des Antriebsmotors bzw. Antriebs des Verdrillhakens zu steuern. Damit führt die Kombination von NK7 mit einer der übrigen Entgegenhaltungen ebenfalls nicht zu dem angegriffenen Gegenstand.

4. Auch ausgehend von der japanischen Gebrauchsmusterschrift NK8 war der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann nicht nahegelegt.

In NK8 zeigt die Figur 1 eine Bindevorrichtung, bei der übereinstimmend mit NK12 die Drahtzufuhr über einen Drahtausspeisungsmotor 10 und der Verdrillhaken 26 über einen Verdrillantriebsmotor 7 angetrieben werden, die Haspel jedoch im Gegensatz zu NK12 keine Bremsvorrichtung aufweist. Damit bleibt NK8 hinsichtlich ihres Offenbarungsgehalts gegenüber NK12 zurück und kann demzufolge auch keine darüber hinausgehenden Anregungen bezüglich der Ausgestaltung einer Haspel-Bremsvorrichtung liefern oder gar zum Streitpatentgegenstand führen (s. o. II.2.a).

Auch wenn der Fachmann - einer Argumentation der Klägerin in der mündlichen Verhandlung folgend - die beiden in NK8 vorgesehenen Motoren zur Erzielung einer kompakten Bauweise zusammengefasst und mit der Bindevorrichtung gemäß NK11 kombiniert hätte, so wäre er dadurch ebenfalls nicht zu dem Ergebnis gelangt, den in NK11 vorgesehenen Bremsmechanismus mit dem Antriebsstrang des Verdrillhakens zu verbinden und ihn in Abhängigkeit von selbigem betätigen zu lassen (s. a. I.3.b und I.3.d). Davon abgesehen erscheint es fraglich, ob im Falle einer Zusammenfassung der beiden Motoren wegen des dann erforderlichen Getriebes sowie der zusätzlichen Entkoppelungs-, Kupplungs- und Steuerungsmaßnahmen tatsächlich eine Einsparung zu erzielen gewesen wäre (siehe hierzu NK7, Ausführungsbeispiel der Figuren 1 und 2, verglichen mit dem Ausführungsbeispiel mit einem einzigen Motor 300 gemäß NK7, Figur 14, i. V. m. Beschreibung Seite 20, Zeilen 10 bis 24).

5. Schließlich war der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann auch ausgehend von der europäischen Patentschrift NK9 nicht nahegelegt.

Der Klägerin zufolge war es für den Fachmann naheliegend, die Drehrichtung des in NK9 vorgesehenen einzigen Antriebsmotors 168 mit Hilfe der programmierbaren Steuerung 38 umzukehren, was einen Rückwärtslauf der Drahtzuführrollen 62, 64 gleichermaßen ermöglicht hätte.

Diese Maßnahme hätte zwar zu einer Einsparung von Bauteilen - der Kupplung 182, der Kettenräder 178, 190 und der Kette 192 - geführt. Jedoch wäre der Fachmann nicht zu einem Gegenstand gelangt, bei dem die Bremsvorrichtung der Haspel in Abhängigkeit von dem Antrieb des Verdrillhakens 44 betätigt wird. Vielmehr wäre die Bremsbetätigung wie bei dem vorgenannten Stand der Technik gemäß NK14 und NK15 in Abhängigkeit von der Zuführeinrichtung erfolgt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann die offensichtlich stationär verwendete Vorrichtung gemäß NK9 (siehe dort Figuren 1 und insbesondere 7) überhaupt berücksichtigt und durch bauliche Veränderungen für den mobilen Einsatz zum Binden von Bewehrungsstäben tauglich gemacht hätte, nachdem im Prioritätszeitpunkt bereits einfach aufgebaute, mobile Vorrichtungen (vgl. NK7, NK8 oder NK12) sowohl mit Mehrfach- als auch mit Einzelantrieb bekannt waren.

III.

Somit hat Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung Bestand, und mit ihm die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

IV.

Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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