Paragraphen in 4 StR 267/25
Sortiert nach der Häufigkeit
| Häufigkeit | Paragraph | |
|---|---|---|
| 6 | 66 | StGB |
| 3 | 349 | StPO |
| 1 | 62 | StGB |
| 1 | 4 | StPO |
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| 1 | 62 | StGB |
| 6 | 66 | StGB |
| 1 | 4 | StPO |
| 3 | 349 | StPO |
BUNDESGERICHTSHOF StR 267/25 BESCHLUSS vom 25. September 2025 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:250925B4STR267.25.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 25. September 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. November 2024 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind unter Auflösung der Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahre verurteilt. Zudem hat es ihn wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung der Schuld- und Strafaussprüche hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hält dagegen revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die nach dieser Vorschrift erforderlichen formellen und materiellen Anordnungsvoraussetzungen festgestellt. Eine den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Ermessensausübung lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht entnehmen.
a) Die Unterbringung nach § 66 Abs. 2 StGB liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, das bei dessen Ausübung strikt an die Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzes gebunden ist. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Tatgericht die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, wenn erwartet werden kann, dass sich dieser schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 StGB – im Gegensatz zu Abs. 1 dieser Vorschrift – eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2024 − 2 StR 515/23, NStZ 2025, 291 Rn. 14; Urteil vom 8. Dezember 2022 – 4 StR 75/22, NStZ-RR 2023, 42, 45; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 mwN). Dabei muss aus den Urteilsgründen deutlich werden, dass sich das Tatgericht seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war und welche Gründe für seine Ermessensausübung leitend waren (vgl. BGH,
Beschluss vom 4. Oktober 2012 – 3 StR 207/12 Rn. 3; Beschluss vom 15. Oktober 2009 – 5 StR 351/09 Rn. 13; Beschluss vom 8. Februar 1996 – 4 StR 752/95 Rn. 9).
Daran fehlt es hier. Die die Begründung der Maßregelentscheidung einleitende Formulierung „war ... die Unterbringung ... anzuordnen“ deutet darauf hin, dass die Strafkammer sich entweder nicht bewusst war, dass es sich bei § 66 Abs. 2 StGB um eine Ermessensentscheidung handelt, oder dass sie von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat.
b) Die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung sind nicht geeignet, die fehlenden Ausführungen zur Ermessensausübung zu ersetzen.
Eine Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB ist vom Tatgericht erst dann zu treffen, wenn zuvor die Verhältnismäßigkeit der Maßregel am Maßstab des § 62 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Oktober 2024 − 2 StR 515/23, NStZ 2025, 291 Rn. 12) bejaht worden ist. Hat die insoweit anzustellende Prüfung ergeben, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr nicht außer Verhältnis steht, sind in einem weiteren Entscheidungsschritt die den obigen Vorgaben entsprechenden Ermessenserwägungen anzustellen.
Die Strafkammer hat im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in nicht zu beanstandender Weise auf das Gewicht der von dem Angeklagten zu erwartenden Straftaten und die Rückfallgefahr abgestellt. Mildere Maßnahmen hat sie als ungeeignet ausgeschlossen. Mit Umständen wie den zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs, die unter dem Gesichtspunkt der Ermessenausübung der Maßregelanordnung entgegenstehen könnten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 4 StR 75/22, NStZ-RR 2023, 42, 45; Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 401/12 Rn. 9), hat sich die Strafkammer an dieser Stelle nicht erkennbar befasst. Da auch an anderer Stelle keine entsprechende Erörterung erfolgt ist, kann selbst unter dem Gesichtspunkt des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe von einer tatsächlich doch erfolgten Ermessensausübung nicht gesprochen werden.
c) Das Revisionsgericht kann eine fehlende Ermessensentscheidung nicht nachholen. Hierzu ist, sofern die erforderlichen weiteren Voraussetzungen erneut festgestellt werden, das Tatgericht im zweiten Rechtsgang berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 3 StR 170/15 Rn. 3; Beschluss vom 24. Juli 2025 – 6 StR 24/25 Rn. 8).
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Zulässiges Verteidigungsverhalten – wie das Schweigen in der Hauptverhandlung, das Bestreiten einer sexuellen Devianz und die fehlende Einsicht in Fehlverhalten – darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden. Denn müsste der Angeklagte befürchten, dass zulässiges Verteidigungsverhalten zur Begründung der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu seinem Nachteil verwertet wird, wäre er in seiner Entscheidung nicht mehr frei, wie er sich gegen die Anklagevorwürfe verteidigen will (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2025 – 5 StR 610/24 Rn. 3 ff. mwN). Dem Tatgericht ist es deshalb verwehrt, die Begründung eines Hanges zu gefährlichen Straftaten und die Entwicklung der Gefährlichkeitsprognose darauf zu stützen, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld zuschiebt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2025 – 4 StR 122/24 Rn. 6).
b) Hangtätereigenschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind zudem, wie die begriffliche Differenzierung in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zeigt, keine identischen Merkmale. Der Hang ist nur ein wesentliches Kriterium der Prognose. Während der Hang einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand bezeichnet, schätzt die Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hangs erheblichen Straftaten enthalten kann oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – 4 StR 192/18 Rn. 10).
Quentin RiBGH Dr. Scheuß ist in Urlaub und deswegen an einer Unterschriftsleistung gehindert.
Quentin Momsen-Pflanz Marks Gödicke Vorinstanz: Landgericht Essen, 20.11.2024 - 64 KLs 20/24 (12 Js 4048/23)
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| 6 | 66 | StGB |
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