4 Ni 20/11 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 20/11 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
24.09.2013 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 068 919 (DE 500 05 384)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2013 unter Mitwirkung der Richterin Friehe als Vorsitzender, der Richterin Dr. Mittenberger-Huber und der Richter Dipl.-Ing. Univ. Rippel, Dr.-Ing. Dorfschmidt und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 068 919 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 und 8 insoweit teilweise für nichtig erklärt, als Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:
Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine, mit einem im Arbeitsbereich der Bearbeitungsmaschine zu fixierenden Spannfutter (1) und einem auf das Spannfutter (1) aufsetzbaren und daran festzuspannenden Werkstückträger (25), ferner mit ersten Positioniermitteln (22, 23) am Spannfutter (1) und zweiten Positioniermitteln (29, 30) am Werkstückträger (25), welche als Richtelemente paarweise zusammenarbeiten und den Werkstückträger (25) in drei senkrecht zueinander verlaufenden Koordinatenachsen (X, Y, Z) sowie winkelgerecht gegenüber dem Spannfutter (1) positionieren, und mit einer Spannvorrichtung (12, 14, 18, 28), deren Spannkraft den Werkstückträger in der durch die Positioniermittel festgelegten Position am Spannfutter festhält, dadurch gekennzeichnet,
dass die ersten Positioniermittel konische Zentrierzapfen (22) und die zweiten Positioniermittel Vertiefungen in Form einer zweistufigen Nut (30) aufweisen, welche zwei Absätze (31a, 31b) besitzen, deren gegen das Innere der Nut (30) vorstehenden Kanten (32a, 32b) in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers (25) auf dem Spannfutter (1) in Linienberührung mit Seitenflächen (22a) der Zentrierzapfen (22) stehen und einen gegenseitigen Abstand besitzen, der etwas geringer ist als die Breite eines Zentrierzapfens (22) zwischen denjenigen Stellen gemessen, die bei in das Spannfutter (1) eingespanntem Werkstückträger (25) die Kanten (32a, 32b) berühren.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
I.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. Juni 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der Schweizer Patentanmeldung CH 129399 vom 14. 07. 1999 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents Nr. 1 068 919 (Streitpatent), das eine Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine betrifft. Das in deutscher Sprache abgefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 500 05 384 geführt. Es umfasst 14 Patentansprüche, von denen lediglich Patentanspruch 1 und der auf ihn rückbezogene Patentanspruch 8 angegriffen sind. Diese haben folgenden Wortlaut:
1. Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine, mit einem im Arbeitsbereich der Bearbeitungsmaschine zu fixierenden Spannfutter (1) und einem auf das Spannfutter (1) aufsetzbaren und daran festzuspannenden Werkstückträger (25), ferner mit ersten Positioniermitteln (22, 23) am Spannfutter (1) und zweiten Positioniermitteln (29,30) am Werkstückträger (25), welche als Richtelemente paarweise zusammenarbeiten und den Werkstückträger (25) in drei senkrecht zueinander verlaufenden Koordinatenachsen (X, Y, Z) sowie winkelgerecht gegenüber dem Spannfutter (1) positionieren, und mit einer Spannvorrichtung (12, 14,18, 28), deren Spannkraft den Werkstückträger in der durch die Positioniermittel festgelegten Position am Spannfutter festhält, dadurch gekennzeichnet, dass die ersten Positioniermittel konische Zentrierzapfen (22) und die zweiten Positioniermittel Vertiefungen in Form einer zweistufigen Nut (30) aufweisen, welche zwei Absätze (31a, 31b) besitzt, deren gegen das Innere der Nut (30) vorstehenden Kanten (32a, 32b) einen gegenseitigen Abstand besitzen, der etwas geringer ist als die Breite eines Zentrierzapfens (22) zwischen denjenigen Stellen gemessen, die bei in das Spannfutter (1) eingespanntem Werkstückträger (25) die Kanten (32a,32b) berühren.
8. Einrichtung nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass sowohl das Spannfutter (1) als auch der Werkstückträger (25) zentrale Öffnungen (5, 6, 8) zur Aufnahme von langgestreckten Werkstücken besitzen.
Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, Patentanspruch 1 sei gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik, insbesondere NK3, NK4 oder NK5 nicht neu, im Übrigen offenkundig vorbenutzt, wie u. a. die Druckschriften NK8 bis NK11 belegten, und beruhe jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dasselbe gelte für Patentanspruch 8, der durch die NK3, NK6 vollständig vorweggenommen werde. Auch die Beschränkung des Streitpatents führe nicht aus der Neuheitsschädlichkeit der NK3 heraus, da es sich bei der nunmehr mit einbezogenen „Linienberührung“ tatsächlich trotzdem um eine Flächenberührung in – zumindest einem kleinen – Streifen handle. Beim ersten Spannen des Werkstücks in den Betriebszustand ergebe sich eine – plastische – Verformung und damit ein flächiger Streifen.
Die Klägerin beruft sich zum Stand der Technik auf folgende Druckschriften und weitere Dokumente:
NK3 NK4 NK5 NK6 NK7 NK12 EP 0 897 776 A2 EP 0 111 092 A1 EP 0 308 908 B1 EP 0 864 410 A1 DE 724 892 EP 0 255 042 A1 NK13 NK14 NK15 NK16 Privatgutachten vom 06.10.2011 1 Blatt Zeichnungen mit 4 Figuren 1 Blatt Zeichnungen mit 4 Figuren 1 Blatt Zeichnungen mit 2 Figuren 4a und 4b aus der EP 0 897 776 A2 und für die offenkundige Vorbenutzung auf die NK8 NK9 NK10 NK11 EROWA ITS PM System Katalog EROWA ITS PM System Konstruktionszeichnungen Sitzungsprotokoll v. 10. 03. 1998 schriftliche Zusatzerklärung Horst Stihler vom 21. 04. 2010 (nachveröffentlicht)
Zudem wird der gesamte Tatsachenvortrag durch Einholung eines Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen unter Beweis gestellt (Bl. 163 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 068 919 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 und 8, soweit dieser sich unmittelbar auf Patentanspruch 1 bezieht, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage insoweit abzuweisen, als die Patentansprüche 1 und 8 mit dem am 24. 09. 2013 eingereichten Hauptantrag verteidigt werden,
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit die Patentansprüche 1 und 8 mit den Hilfsanträgen vom 24. 06. 2013 verteidigt werden,
wobei es jeweils heißen muss: „Der erteilte Anspruch 8 wird unverändert aufrechterhalten“.
Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag vom 24.09.2013 (Änderungen doppelt unterstrichen) lautet:
1. Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine, mit einem im Arbeitsbereich der Bearbeitungsmaschine zu fixierenden Spannfutter (1) und einem auf das Spannfutter (1) aufsetzbaren und daran festzuspannenden Werkstückträger (25), ferner mit ersten Positioniermitteln (22, 23) am Spannfutter (1) und zweiten Positioniermitteln (29, 30) am Werkstückträger (25), welche als Richtelemente paarweise zusammenarbeiten und den Werkstückträger (25) in drei senkrecht zueinander verlaufenden Koordinatenachsen (X, Y, Z) sowie winkelgerecht gegenüber dem Spannfutter (1) positionieren, und mit einer Spannvorrichtung (12, 14, 18, 28), deren Spannkraft den Werkstückträger in der durch die Positioniermittel festgelegten Position am Spannfutter festhält, dadurch gekennzeichnet, dass die ersten Positioniermittel konische Zentrierzapfen (22) und die zweiten Positioniermittel Vertiefungen in Form einer zweistufigen Nut (30) aufweisen, welche zwei Absätze (31a, 31b) besitzen, deren gegen das Innere der Nut (30) vorstehenden Kanten (32a, 32b) in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers (25) auf dem Spannfutter (1) in Linienberührung mit Seitenflächen (22a) der Zentrierzapfen (22) stehen und einen gegenseitigen Abstand besitzen, der etwas geringer ist als die Breite eines Zentrierzapfens (22) zwischen denjenigen Stellen gemessen, die bei in das Spannfutter (1) eingespanntem Werkstückträger (25) die Kanten (32a, 32b) berühren.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Die vorgelegten Druckschriften seien weder neuheitsschädlich noch nähmen sie die erfinderische Tätigkeit vorweg. Insbesondere nach der erfolgten Beschränkung werde der Kern des Streitpatents deutlich, der darin bestehe, dass für die Z-Positionierung keinerlei weiteres Hilfsmittel vorgesehen, sondern ausschließlich die materialelastische Verformung im Bereich der Kanten genutzt werde. Die Kanten träfen in Form einer Linienberührung auf die Seitenflächen des Konus und nicht – wie aus dem Stand der Technik bekannt
– in Form einer Flächenberührung. Es bleibe auch bei einer materialelastischen Verformung, da sich eine plastische Verformung nicht so schnell einstelle.
Die Vorbenutzungshandlungen bestreitet sie mit Nichtwissen, ferner erfüllten sie die Anforderungen an die Offenkundigkeit einer Vorbenutzung nicht und bezögen sich zudem auf gattungsfremde Vorrichtungen, nämlich insbesondere eine Ausgestaltung nach der NK4, nicht nach dem Streitpatent.
Der Senat hat den Parteien einen früher gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet. Auf den Hinweis vom 21.05.2013 wird Bezug genommen (Bl. 206/217 d. A.).
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe Die Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist nur teilweise begründet.
1. Das Streitpatent ist zunächst schon ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten in zulässiger Weise nur noch beschränkt verteidigte Fassung gemäß Hauptantrag hinausgeht (BGH, Urt. v. 30.01.2008 – X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 – Rn. 7 – Betonstraßenfertiger; Urt. v. 14.09.2004 - X ZR 149/01, GRUR 2005, 145, 146 - elektronisches Modul; BPatG, Urt. v. 29.04.2008 – 3 Ni 48/06 (EU), GRUR 2009, 46, 47 – Ionenaustauschverfahren; vgl. Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 22 Rn. 50 m. w. N.).
Die weitergehende Klage hat dagegen keinen Erfolg, weil der mit ihr angegriffene Patentgegenstand in der von der Beklagten verteidigten Fassung patentfähig ist.
2. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte neue Hauptantrag wurde von der Klägerin ausdrücklich nicht als verspätet gerügt. Im Übrigen hätte selbst ein verspätetes Vorbringen nach Auffassung des Senats nicht zu einer Verzögerung geführt, da der neue, beschränkte Antrag - ohne dass es zu einer Vertagung des anberaumten Termins im Sinne von § 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG hätte kommen müssen - in die mündliche Verhandlung einbezogen werden konnte.
3. Das Streitpatent betrifft nach seinem geltenden Anspruch 1 eine Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine.
Nach der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift sind Einrichtungen nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 bekannt und dienen vornehmlich dazu, zu bearbeitende Werkstücke mit hoher Genauigkeit in eine Bearbeitungsmaschine einzuspannen, wobei insbesondere auch die Repetiergenauigkeit der Einspannung gewährleistet sein soll [0002]. Bekannte Einrichtungen weisen aber den Nachteil auf, dass sie keine allzu großen Kipp- und Drehmomente aufnehmen können, die insbesondere bei der zerspanenden Bearbeitung vor allem größerer Werkstücke auftreten können [0004].
3.1. Daher liegt dem Streitpatent gemäß den Ausführungen in Absatz [0005] der Streitpatentschrift die Aufgabe zu Grunde, eine Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine der im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 genannten Art derart weiterzubilden, dass der am Spannfutter festgespannte Werkstückträger und damit das zu bearbeitende Werkstück bei gleichbleibender, hoher Positioniergenauigkeit, beispielsweise auch beim wiederholten Aus- und Einspannen, größere Kipp- und Drehmomente aufnehmen kann, ohne dass sich die gegenseitige Lage von Werkstückträger und Spannfutter verändert.
3.2. Diese Aufgabe wird beim Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß dem in mündlicher Verhandlung vorgelegten Hauptantrag durch folgende Merkmale gelöst:
1. Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine;
2. mit einem im Arbeitsbereich der Bearbeitungsmaschine zu fixierenden Spannfutter (1);
3. mit einem auf das Spannfutter (1) aufsetzbaren und daran festzuspannenden Werkstückträger (25);
4. mit ersten Positioniermitteln (22, 23) am Spannfutter (1);
5. mit zweiten Positioniermitteln (29, 30) am Werkstückträger (25);
6. welche als Richtelemente paarweise zusammenarbeiten und den Werkstückträger (25) in drei senkrecht zueinander verlaufenden Koordinatenachsen (X, Y, Z) sowie winkelgerecht gegenüber dem Spannfutter (1) positionieren;
7. mit einer Spannvorrichtung (12, 14, 18, 28), deren Spannkraft den Werkstückträger in der durch die Positioniermittel festgelegten Position am Spannfutter festhält;
- Oberbegriff -
8. die ersten Positioniermittel weisen konische Zentrierzapfen (22) auf;
9. die zweiten Positioniermittel weisen Vertiefungen in Form einer zweistufigen Nut (30) auf, welche zwei Absätze (31a, 31b) besitzt,
10. deren gegen das Innere der Nut (30) vorstehenden Kanten (32a, 32b) in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers (25) auf dem Spannfutter (1) in Linienberührung mit Seitenflächen (22a) der Zentrierzapfen (22) stehen und
11. einen gegenseitigen Abstand besitzen, der etwas geringer ist als die Breite eines Zentrierzapfens (22) zwischen denjenigen Stellen gemessen, die bei in das Spannfutter (1) eingespanntem Werkstückträger (25) die Kanten (32a, 32b) berühren.
- Kennzeichen -
4. Der für die Beurteilung der streitgegenständlichen Problemstellung berufene Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion von Spanneinrichtungen bei Werkzeugmaschinen.
5. Nach dessen maßgeblichen Verständnis und einer am Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2010, Xa ZR 149/07 - Rn. 29, GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; Urt. v. 3.6.2004, X ZR 82/03, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung, m. w. N.) ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welchen technischen Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt (BGH, Urt. v. 12.3.2002, X ZR 168/00, GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I; Urt. v. 7.11.2000, X ZR 145/98, GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.). Die Ermittlung des technischen Problems ist Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Dabei können in der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung einen Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten; sie sind ein Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems (BGH, Urt. v. 15.05.2012, X ZR 98/09, GRUR 2012, 803 – Rn. 31– Calcipotriol-Monohydrat). Die Patentschrift stellt im Übrigen im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe auch ihr eigenes Lexikon dar (BGH, Urt. v. 02.03.1999, X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; Urt. v. 13.04.1999, X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 – Extrusionskopf). Der Senat legt danach dem erteilten Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
Der Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1 (Hauptantrag) betrifft eine Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine. Diese Einrichtung umfasst ein Spannfutter, das im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine zu fixieren ist und einen Werkstückträger, der bezeichnungsgemäß das Werkstück „trägt“, wozu das Werkstück auf dem Werkstückträger befestigbar ist.
Nach Merkmal 3 kann der Werkstückträger auf das Spannfutter aufgesetzt und daran festgespannt werden. Dazu sind nach den Merkmalen 4 bis 6 erste und zweite Positioniermittel am Spannfutter bzw. am Werkstückträger vorgesehen, die als Richtelemente paarweise zusammenarbeiten. Unter „Richtelement“ versteht der Fachmann unter fachgerechter Auslegung mit Hilfe der Ausführungen in Absatz [0028] der Streitpatentschrift, dass die ersten und zweiten Positioniermittel durch „Elemente“ jeweils paarweise zusammenarbeiten, um den Werkstückträger gegenüber dem Spannfutter gerichtet bzw. ausgerichtet zu positionieren, und zwar in drei senkrecht zueinander verlaufenden Koordinatenachsen (X, Y, Z) sowie winkelgerecht.
Weiterhin ist nach Merkmal 7 eine Spannvorrichtung vorgesehen, deren Spannkraft den Werkstückträger in der durch die Positioniermittel festgelegten Position am Spannfutter festhält.
Die ersten Positioniermittel (am Spannfutter) weisen nach Merkmal 8 konische Zentrierzapfen (22) auf. Dabei versteht das Streitpatent unter dem Begriff "konisch" entsprechend den Ausführungen in Absatz [0020] der Streitpatentschrift, dass zumindest zwei gegenüberliegende Seitenflächen (22a) der Zentrierzapfen (22) gegenüber der Z-Achse etwas geneigt sind.
Nach Merkmal 9 weisen die zweiten Positioniermittel (am Werkstückträger) Vertiefungen in Form einer zweistufigen Nut auf. Eine Vertiefung ist gemäß üblichem Sprachgebrauch eine Ausnehmung in einem festen Material - hier dem Werkstückträger - die vorliegend als zweistufige Nut ausgebildet ist. Eine Nut ist zunächst eine längliche Vertiefung in einer Oberfläche. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen (einstufigen) Nut ist vorliegend eine zweistufige Nut ausgebildet. Die Bedeutung der Zweistufigkeit der Nut erschließt sich dem Fachmann aus dem Wortlaut des Merkmals 9 in Verbindung mit der erläuternden Figur 6 derart, dass jede der beiden Seitenwandungen der Nut zwei (Wandungs-)Flächen aufweist, die durch einen Absatz (31a bzw. 31b) und somit einer Absatzfläche voneinander getrennt sind, wodurch an jeder Nutwandung zumindest eine Kante (32a bzw. 32b) am Übergang zwischen Wandungsfläche und Absatzfläche entsteht.
Nach Merkmal 10 stehen die gegen das Innere der Nut vorstehenden Kanten der beiden Absätze in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers T (25) auf dem Spannfutter (1) in Linienberührung mit Seitenflächen (22a) der Zentrierzapfen (22).
Die Verwendung des Plurals für die Begriffe „Kante“ und „Absatz“ legt fest, dass vorliegend beide Wandungen der Nut jeweils einen Absatz aufweisen.
Der Fachmann versteht den lose aufgesetzten Zustand des Werkstückträgers auf dem Spannfutter entsprechend den ergänzenden Ausführungen in Absatz [0021] der Streitpatentschrift als einen Zustand, in dem zwar die Positionierung des Werkstückträgers (25) gegenüber dem Spannfutter (1) in X- und Y-Richtung sowie bezüglich der Winkellage festgelegt, aber die plangeschliffene Stirnfläche der Schulter (29) des Werkstückträgers (25) noch nicht auf den gegenüber der
(24) des Kopfteils (4) etwas erhöhten und als Z-Referenz dienenden Flächenabschnitten (23) des Spannfutters (1) aufliegt, sondern ein Spalt von einigen hundertstel Millimetern vorhanden ist. Der Begriff „Linienberührung“ leitet den Fachmann dazu an, die Kontaktzone zwischen den Nutkanten des Werkstückträgers und den Seitenflächen der Zentrierzapfen als konstruktive Linienberührung zu gestalten.
Nach Merkmal 11 soll der Abstand zwischen den beiden vorstehenden Kanten der Absätze etwas geringer sein als die Breite eines Zentrierzapfens zwischen denjenigen Stellen gemessen, die bei in das Spannfutter eingespanntem Werkstückträger die Kanten berühren. Der Ausdruck „bei in das Spannfutter eingespanntem Werkstückträger“ ist analog der Auslegung von Merkmal 10 als ein Zustand zu verstehen, bei dem die plangeschliffene Stirnfläche der Schulter (29) des Werkstückträgers (25) auf den gegenüber der (4) etwas erhöhten und als Z-Referenz dienenden Flächenabschnitten (23) des Spannfutters (1) aufliegt, so dass dort dann kein Spalt mehr vorhanden ist. Deshalb kommt es folglich bei einem vollständig in das Spannfutter eingespannten Werkstückträger notwendigerweise zu Verformungen an den Kanten der Absätze, die hier rein elastisch sein müssen, wie es entsprechend den Ausführungen in Absatz [0022] Streitpatentschrift auch beschrieben ist. Denn sofern es, über elastische Verformungen hinausgehend, auch zu plastischen Verformungen an den Kanten der Absätze käme, wäre in Folge das Merkmal 10 nicht mehr verwirklicht.
6. Die unstrittig gewerblich anwendbare streitpatentgemäße Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine erfüllt gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 nicht die Voraussetzungen eines in Art. 138 Abs. 1 EPÜ genannten und von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
6.1 Die Patentansprüche 1 und 8 in der verteidigten Fassung weisen keine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung oder des Schutzbereichs nach Artikel 138 (1), c) und d) EPÜ auf. Dies wurde von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt.
Das im geltenden Patentanspruch 1 ergänzte Merkmal 10, wonach die gegen das Innere der Nut vorstehenden Kanten der beiden Absätze in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers auf dem Spannfutter (1) in Linienberührung mit Seitenflächen (22a) der Zentrierzapfen (22) stehen, ist im Absatz [0021] der Patentschrift bzw. an entsprechender Stelle in der Offenlegungsschrift offenbart.
6.2 Die streitpatentgemäße Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine nach dem geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents ist unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Stands der Technik neu.
Die NK3 zeigt eine Kupplungsanordnung für eine Funkenerosionsmaschine und besteht aus einem Palettenträger (1) und einer Palette (18), auf der das Werkstück befestigt wird. Bei der bekannten Einrichtung bildet somit der Palettenträger (1) ein Spannfutter, das im Arbeitsbereich der Funkenerosionsmaschine fixiert werden kann, und die auf das Spannfutter aufsetzbare und daran festzuspannende Palette (18) einen Werkstückträger. Diese bekannte Kupplungsanordnung für eine Funkenerosionsmaschine ist somit eine Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine.
Am Palettenträger (1) und somit am Spannfutter sind erste Positioniermittel (10a bis 10d) und am Werkstückträger sind zweite Positioniermittel (22a bis 22d) vorgesehen, welche als Richtelemente paarweise zusammenarbeiten und den Werkstückträger in zwei senkrecht zueinander verlaufenden Koordinatenachsen (X, Y) sowie winkelgerecht gegenüber dem Spannfutter positionieren. Zudem sind noch weitere Positioniermittel (Auflageköpfe (13) bzw. Lagerstätte (23)) vorgesehen, die Spannfutter und Werkstückträger in Z-Richtung ausrichten. Mittig weist die bekannte Kupplungsanordnung eine zentrale Spannvorrichtung (5) auf, deren Spannkraft den Werkstückträger (Palette (18)) in der durch die Positioniermittel festgelegten Position am Spannfutter festhält. Die X/YPositioniermittel am Spannfutter (1) sind Zentrierzapfen (Nocken 10a bis 10d), bei denen gemäß Fig. 1 oder 4 zwei gegenüberliegende Seitenflächen geneigt verlaufen, also konische Zentrierzapfen im Sinne des Streitpatents bilden. Die zweiten Positioniermittel (22a bis 22d) am Werkstückträger (Palette (18)) weisen Vertiefungen auf, und zwar - wie in Figur 4a am oberen Bauteil (= Werkstückträger bzw. Palette (18)) deutlich zu erkennen – jeweils in Form einer Nut unter Ausbildung eines Vorsprungs an der Nutmündung.
Deutlich sind in Figur 4a auf jeder Seite der Nut jeweils zwei Wandungsflächen zu erkennen, nämlich eine kleinere, konisch verlaufende Wandungsfläche, die an dem Vorsprung angeordnet ist und eine größere, vertikal verlaufende Wandungsfläche, die sich bis zum Nutgrund erstreckt. Diese beiden Wandungsflächen sind durch einen Absatz bzw. eine Absatzfläche voneinander getrennt, wodurch sich am oberen Bauteil (= Werkstückträger bzw. Palette (18)) eine zweistufige Nut mit einem Hinterschnitt ergibt. Demzufolge sind auch in der Figur 4a gegen das Innere der Nut vorstehende Kanten (ohne Bezugszeichen) an den Schnittlinien zwischen den Absatzflächen und den konischen Wandungsflächen der Nut zu erkennen, die einen gegenseitigen Abstand voneinander besitzen.
Wie eine Zusammenschau der Figuren 4a und 4b der NK 3 deutlich zeigt, erfolgt in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers auf dem Spannfutter zunächst die Kraftübertragung von dem Werkstückträger auf das Spannfutter ausschließlich über die Berührfläche zwischen den konisch verlaufenden Wandungsflächen der Nut des Werkstückträgers (Palette 18) und dem konischen Zentrierzapfen.
Weil entsprechend der Darstellung in Figur 4a bzw. 4b ganz offensichtlich die Neigung der Seitenflächen des (konischen) Zentrierzapfens und der (konischen) Nutwandungen im Bereich der Vorsprünge ersichtlich identisch sind, ergibt sich anders als es das Merkmal 10 des geltenden Patentanspruchs 1 vorgibt - in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers auf dem Spannfutter zwischen den (konisch verlaufenden) Seitenflächen der Zentrierzapfen und den (konisch verlaufenden) Nutwandungen im Bereich der Vorsprüngen zweifelsfrei keine Linien- sondern eine Flächenberührung. Dies ist auch deutlich dem vergrößerten Ausschnitt aus der Figur 4a zu entnehmen.
Vergrößerter Ausschnitt aus der Figur 4a Schon deshalb ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu gegenüber der NK3.
Hinsichtlich der restlichen im Verfahren befindlichen Druckschriften NK4 bis NK7, NK12 sowie hinsichtlich der behaupteten Vorbenutzungen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Widerrufsgrund der fehlenden Neuheit auch nicht mehr vorgetragen. Der Senat hatte insoweit im qualifizierten Hinweis vom 21. 05. 2013 bereits Stellung genommen (Bl. 212 u. 215/216 d. A.).
Die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen gemäß den Anlagen NK8 bis NK11, die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr aufgegriffen worden sind, gehen nicht über das hinaus, was aus der Druckschrift NK4 dem Fachmann bekannt geworden ist, weil auch dort keine Vertiefung im Werkstückträger in Form einer zweistufigen Nut vorliegt, sondern die Zweistufigkeit durch ein zusätzliches Bauteil, das Zentrierblech, ausgebildet wird. Daher können diese Unterlagen weder eine Linienberührung zwischen den vorstehenden Kanten einer zweistufigen Nut im Werkstückträger und den Seitenflächen der Zentrierzapfen noch eine elastische Verformung an den vorstehenden Kanten der zweistufigen Nut als zwangsläufige Folge von Merkmal 11 des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbaren.
6.3 Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass die Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung des Streitpatents sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergab.
Für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist entscheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert wird, was die Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet (BGH, Urt. v. 16.12.2008, X ZR 89/07, GRUR 2009, 382, 384, Tz. 25 f.- Olanzapin; BGH, Urt. v. 18.06.2009, Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039, 1040 – Tz. 20 – Fischbissanzeiger), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können (BPatG, Beschl. v.
26.02.2003, GRUR 2004, 317 – Programmartmitteilung) und zu fragen ist, ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern. Veranlassung, den Weg der Erfindung zu beschreiten, hat er regelmäßig dann, wenn er über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichende Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstige Anlässe erhält (BGH, Urt. v. 30.04.2009, Xa ZR 92/05, GRUR 2009, 746 – Tz.20 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung;). Es reicht nicht aus, dass nur keine Hinderungsgründe an einer entsprechenden Feststellung zutage treten (BGH, Urt. v. 08.12.2009, X ZR 65/05, GRUR 2010, 407, Tz. 17 - einteilige Öse).
Den Ausgangspunkt des Standes der Technik kann vorliegend - entsprechend dem Vortrag der Klägerin – die Druckschrift NK3 bilden. Sie zeigt eine Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine, die, wie vorstehend zur Neuheit begründet, die Merkmale 1 bis 9 des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents aufweist.
Die Druckschrift NK3 hat keinerlei Offenbarungsgehalt hinsichtlich des Merkmals 10 des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Vielmehr liegt bei der bekannten Einrichtung nach der NK3 bei in lose aufgesetztem Zustand des Werkstückträgers auf dem Spannfutter, aufgrund der Darstellung in Figuren 4a und 4b, eine Flächenberührung zwischen dem (konischen) Zentrierzapfen und der (konischen) Nutwandung im Bereich der Vorsprünge vor, um die nicht unerheblichen Kräfte, die durch die massiven Druckpfeile in Figur 4b dokumentiert sind, von dem Werkstückträger auf das Spannfutter zu übertragen. Aus diesem Grund erhält der Fachmann aus der NK3 keine Hinweise darauf, die bekannte Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine derart auszugestalten, dass in lose aufgesetztem Zustand die gegen das Innere der Nut vorstehenden Kanten des Werkstückträgers auf dem Spannfutter lediglich in Linienberührung mit Seitenflächen der Zentrierzapfen stehen. Es fehlt mithin bereits jegliche Veranlassung, den Weg der Erfindung zu beschreiten, und deshalb an einem Naheliegen der beanspruchten Lehre.
Der Einwand der Klägerin, wonach es sich bei der „Linienberührung“ real immer um eine „Flächenberührung“ in einem – zumindest kleinen – Streifen handele, weil einerseits jede Linienberührung technisch nur als Flächenberührung ausführbar sei und sich andererseits zwangsläufig beim ersten Spannen des Werkstücks in den Betriebszustand eine plastische Verformung und damit ein flächiger Streifen ergebe, kann nicht überzeugen.
Denn die Lehre des Streitpatents mit den Begriffen „Linienberührung“ und „Kante“ leitet den Fachmann dazu an, den Bereich der Berührung zwischen den Nutkanten des Werkstückträgers und den Seitenflächen der Zentrierzapfen als konstruktive Linienberührung zu gestalten, um dort eine elastische Verformung entsprechend Merkmal 11 des geltenden Patentanspruchs 1 zu bewirken, während die Lehre der NK3 darauf zielt, dort gerade keine Linien- sondern eine Flächenberührung derart vorzusehen, dass erhebliche Kräfte übertragen werden können, ohne dass es an den Berührungsflächen zu extremen elastischen oder sogar plastischen Verformungen kommt. Denn die elastischen Verformungen sollen bei der bekannten Einrichtung zum positionsdefinierten Aufspannen eines Werkstücks im Arbeitsbereich einer Bearbeitungsmaschine nach der NK3 aufgrund der Einschnitte (14a, 14b) am Fuß der Zentrierzapfen (Zentriernocken 10a, 10b) erfolgen.
Auch das weitere Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der angeblich zwangsläufig auftretenden plastischen Verformungen beim Streitpatentgegenstand kann schon deshalb nicht überzeugen, weil das Streitpatent keine plastische, sondern vielmehr eine (rein) elastische Verformung anstrebt (Absatz [0022] der Streitpatentschrift).
Die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften sowie die behaupteten Vorbenutzungen, die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen worden sind, liegen weiter ab vom Streitpatentgegenstand. Insbesondere können diese weder eine Linienberührung zwischen den vorstehenden Kanten einer zweistufigen Nut im Werkstückträger und den Seitenflächen der Zentrierzapfen noch eine elastische Verformung an den vorstehenden Kanten der zweistufigen Nut als zwangsläufige Folge von Merkmal 11 des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents nahelegen. Sie stehen deshalb dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls nicht patenthindernd entgegen.
Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher Bestand, so dass es auf die hilfsweise gestellten Anträge nicht mehr ankommt.
6.4 Die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag begründet ebenso die Rechtsbeständigkeit des ebenfalls angegriffenen Unteranspruchs 8, der Ausgestaltungen der Erfindung nach Patentanspruch 1 enthält. Er wird vom beständigen Hauptanspruch getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte (BPatGE 34, 215).
7. Dem vom Klägervertreter gestellten Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigenbeweises war nicht zu folgen. Eine Begutachtung durch einen Sachverständigen ist nur dann anzuordnen, wenn die eigene Sachkunde des Gerichts nicht ausreicht, um aus feststehenden Tatsachen Wertungen und Schlussfolgerungen zu ziehen, die ein besonderes Fachwissen erfordern. Eigene Sachkunde des Richters macht die Einholung eines Gutachtens deshalb entbehrlich. Aufgrund des naturwissenschaftlichen Studiums der technischen Richter, das durch praktische Berufserfahrung vertiefte Spezialwissen und die langjährige Erfahrung als Patentprüfer ist diese Sachkunde bei den technischen Richtern vorhanden. Ob das Gericht seine eigene Sachkunde für ausreichend erachtet, liegt dabei grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen, wobei es ausreicht, wenn auch nur ein Mitglied eines Kollegialgerichtes hinreichende Sachkunde besitzt (BGH, Urt. v.
23.11.2006, III ZR 65/06, MDR 2007, 538, 539 m. w. N.; BPatG, Urt. v. 28.06.2012, 4 Ni 3/11 (EP)). Die danach bestehende Sachkunde der Senatsmitglieder ist vorliegend auch nicht substantiiert in Frage gestellt worden.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 84 Abs.2 S.1 PatG i.V.m. § 92 Abs.1 S.1 ZPO, da beide Parteien in etwa zu gleichen Teilen obsiegt haben bzw. unterlegen sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs.1 PatG i.V.m. § 709 ZPO.
Friehe Dr. Mittenberger-Huber Rippel Dr. Dorfschmidt Richter