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1 BvR 2253/09

Zitierung: BVerfG, 1 BvR 2253/09 vom 19.6.2013, Absatz-Nr. (1 - 15), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20130619_1bvr225309.html Frei für den nicht gewerblichen Gebrauch. Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2253/09 - In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

1.

der Minderjährigen F…, vertreten durch F… und F…,

2.

der Frau F…,

3.

des Herrn F…,

- Bevollmächtigter:

Rechtsanwalt Ralph Sauer, Kinzigtalblick 3, 77960 Seelbach -

1.

unmittelbar gegen a)

den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. August 2009 - 7 B 2407/09 -,

b)

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 12. August 2009 - 7 L 840/09.DA(3) -,

2.

mittelbar gegen

§ 60 Abs. 4 in Verbindung mit § 66 HSchG hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Gaier,

Schluckebier,

Paulus gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 14730) am 19. Juni 2013 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren über die Einschulung der Beschwerdeführerin zu 1) in eine Grundschule außerhalb des für sie vorgesehenen Schulbezirks.

Die in Hessen lebende Beschwerdeführerin zu 1) ist die Tochter der Beschwerdeführer zu 2) und 3). Sie hat nach dem Landesschulrecht (§ 60 Abs. 4 Hessisches Schulgesetz - HSchG) grundsätzlich diejenige Schule zu besuchen, in deren Schulbezirk sie wohnt. Die Schulbezirke werden durch Satzung des Schulträgers gebildet; sie sind jährlich zu überprüfen und bei Bedarf zu ändern (§ 143 Abs. 1 HSchG). Vor der Einschulung in die für sie zuständige M.schule in D. beantragten die Beschwerdeführer erfolglos, der Beschwerdeführerin zu 1) aus wichtigem Grund den Besuch einer anderen, benachbarten Grundschule, der B. Schule zu gestatten, weil diese bilinguale Angebote ab der ersten Klasse biete und als musikalische Grundschule zertifiziert sei. Das Verwaltungsgericht lehnte ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ihre dagegen eingelegte Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof zurück. Der auch beim Bundesverfassungsgericht gestellte Eilantrag der Beschwerdeführer hatte ebenfalls keinen Erfolg (Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. August 2009 - 1 BvQ 37/09 -, juris).

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin zu 1) aus Artikel 12 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip (freie Wahl der Ausbildungsstätte und Berufswahl), Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG („schulisches Selbstverwirklichungsrecht“) und Artikel 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) sowie des damit einhergehenden elterlichen Erziehungsrechts der Beschwerdeführer zu 2) und 3) aus Artikel 6 Abs. 1 GG. Sie halten die angegriffenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und die Schulsprengelpflicht nach § 60 Abs. 4 HSchG aufgrund der den Schulen durch die §§ 127a ff. HSchG eingeräumten Möglichkeiten zu einer weitgehenden Profilbildung für verfassungswidrig.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt.

1. Die Verfassungsbeschwerde zeigt mit ihrer Begründung die Möglichkeit einer Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführer nicht auf. Insbesondere setzt sie sich nicht in gebotener Weise mit den entscheidenden Ausführungen in den angegriffenen Beschlüssen auseinander (§§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof haben das Ergebnis ihrer jeweiligen Entscheidung maßgeblich unter anderem darauf gestützt, dass das Vorliegen eines besonderen pädagogischen Konzepts an der B. Schule nicht ersichtlich und die Unterschiede zur M.schule nicht von erheblichem Gewicht seien. Insbesondere das Verwaltungsgericht, auf dessen Beschluss der Verwaltungsgerichtshof Bezug nimmt, hat hierzu detailliert aufgeführt, weshalb keine wesentlichen Unterschiede in den pädagogischen Konzepten der Schulen zu verzeichnen seien: Auch die M.schule habe ein Konzept zur musikalischen und frühen sprachlichen Förderung sowie zur Vermittlung von Medienkompetenz. Ein besonderer Unterschied der Konzepte der beiden Schulen sei insoweit nicht zu erkennen. Mit diesen Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen, die nachvollziehbar und nicht unplausibel sind, setzen sich die Beschwerdeführer in ihrer Verfassungsbeschwerde nicht auseinander. Sie stellen dem zwar die Behauptung entgegen, ein vergleichbares Bildungsangebot liege wegen der Möglichkeit zur Profilbildung durch die Schulen nicht mehr vor, so dass auch die Sprengelpflicht nicht fortbestehen könne. Hierbei gehen sie jedoch nicht darauf ein, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage detaillierter Ausführungen zur tatsächlichen Situation zu dem Schluss gekommen ist, dass die Bildungsangebote der beiden Schulen durchaus noch hinreichend vergleichbar seien und unterschiedliche besondere Schulkonzepte nicht vorlägen, sodass Gründe für ein Abweichen von der Einhaltung der Schulbezirke zu verneinen seien. Die Beschwerdeführer haben mit ihrer Verfassungsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass die Annahme der Gerichte, der Unterricht an den beiden Schulen weise keine gravierenden Unterschiede auf, falsch ist. Sie wiederholen insoweit lediglich ihren Vortrag aus dem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, ohne auf die Argumentation der Gerichte konkret einzugehen oder sonst zu belegen, dass grundlegende Unterschiede tatsächlich bestehen. Unklar bleibt daher auch, ob die beiden Schulen überhaupt bereits ein eigenes Schulprogramm nach § 127b Abs. 2 HSchG entwickelt haben, um sich ein pädagogisches Profil zu geben. Auch Belege hierfür lässt die Verfassungsbeschwerde vermissen. Namentlich die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Stellungnahme des Schulleiters der M.schule, in der dieser wohl das Bildungsangebot seiner Schule erläutert, haben die Beschwerdeführer nicht vorgelegt und auch ihrem wesentlichen Inhalt nach nicht wiedergegeben.

Da die Beschwerdeführer eine solche Profilbildung als Grund für die Verfassungswidrigkeit der Sprengelpflicht benennen, hätten sie auch substantiiert aufzeigen müssen, dass entgegen den gerichtlichen Ausführungen eine wesentliche Profilbildung bereits stattgefunden hat und es sich nicht um bloße Gestaltungsspielräume handelt, die sich die Schulen zunutze machen und die mit der Sprengelpflicht nicht zwingend unvereinbar sind. Die Sprengelpflicht erfordert nicht, dass Schulen und Bildungsangebote exakt gleich sind. Eine solche Übereinstimmung ist in der Realität kaum zu erreichen. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass den Schulen pädagogische Gestaltungsspielräume verbleiben müssen, ohne dass dadurch die Bindung an Schulbezirke gleich zu einer Grundrechtsverletzung führt. Auch damit haben sich die Beschwerdeführer nicht auseinandergesetzt.

Wie bereits im Verfahren nach § 32 BVerfGG haben die Beschwerdeführer nach wie vor nicht in tatsächlicher Hinsicht aufzeigen können, dass die Unterschiede zwischen den beiden Schulen von solchem Gewicht wären, dass sie sich durchgreifend auf den weiteren schulischen Bildungsweg oder gar auf die künftigen Berufschancen der Beschwerdeführerin zu 1) auswirken könnten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. August 2009 - 1 BvQ 37/09 -, juris).

Überdies haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt, ob die Bejahung der Verfassungswidrigkeit der Sprengelpflicht überhaupt zu dem im Ausgangsverfahren geltend gemachten unmittelbaren Anspruch auf Zulassung zu der gewünschten anderen Grundschule (B. Schule) führen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Dezember 2000 - 1 BvL 15/00 -, juris). Insbesondere ist nicht substantiiert vorgetragen, ob hinreichende Kapazitäten für die Aufnahme der Beschwerdeführerin zu 1) in der B. Schule zur Verfügung gestanden hätten. Schon das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass nicht einmal sicher gewesen wäre, ob die Beschwerdeführerin zu 1) bei einem Besuch der B. Schule überhaupt am bilingualen Unterricht hätte teilnehmen können, da auch insoweit nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung stünden. Auch mit dieser Feststellung hat sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert auseinandergesetzt.

2. Dessen ungeachtet lässt sich eine Grundrechtsverletzung in der Sache nicht feststellen.

Die gesetzliche Schulsprengelpflicht (hier § 60 Abs. 4 HSchG) als solche ist - in Ausgestaltung des staatlichen Erziehungsauftrages (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG) - für die Grundschüler nicht zu beanstanden. Sie rückt den Aspekt der „kurzen Wege“ für die noch sehr jungen Schüler und die Nähe der Wohnung der Sorgeberechtigten in den Vordergrund. Auch die möglichst gleichmäßige Auslastung der einzelnen Schulen und die Ermöglichung eines einheitlichen Bildungsgangs für alle schulpflichtigen Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft sind legitime gesetzgeberische Ziele. Die damit verbundenen Einschränkungen für Grundschüler und ihre Sorgeberechtigten sind in aller Regel nicht unangemessen und nicht unzumutbar. Das sehen auch die Beschwerdeführer im Grundsatz nicht anders.

Allerdings ist mit zunehmender Einräumung von eigenständigen pädagogischen Profilbildungen in den Grundschulen zu erwarten, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Ausnahmeregelungen zur Schulsprengelpflicht darauf Rücksicht nimmt und die Schulbehörden und Verwaltungsgerichte dies bei der Auslegung und Anwendung der bestehenden Ausnahmevorschriften berücksichtigen und diese gegebenenfalls weit interpretieren, namentlich wenn es um die Frage des Vorliegens „gewichtiger pädagogischer Gründe“ für eine Ausnahme geht (§ 66 Nr. 3 HSchG a.F., § 66 HSchG n.F. i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 VO zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom 19. August 2011).

Dies hat der letztinstanzlich entscheidende Verwaltungsgerichtshof im Ausgangsverfahren im Ergebnis nicht verkannt. Er hat in vertretbarer Weise die Unterschiede der Schul- und Unterrichtsgestaltung in den beiden in Rede stehenden Grundschulen gewürdigt und diese für nicht so gewichtig erachtet, als dass sie eine Ausnahme von der Schulsprengelpflicht geböten. Diese Bewertung lässt - als Tatsachenwürdigung - schlechterdings unhaltbare Erwägungen nicht erkennen. Auch die Beschwerdeführer tragen nichts vor, was dies belegen könnte. Sie vertreten lediglich ihren bereits im Ausgangsverfahren bezogenen Standpunkt weiterhin. Eine Verfassungsverletzung zeigen sie damit nicht auf.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gaier Schluckebier Paulus

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