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V R 16/13

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 23.8.2016, V R 16/13 Kindergeld: Persönliche Anspruchsberechtigung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten - Im Wesentlichen Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 23.08.2016 V R 19/15 Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 19. März 2013 1 K 121/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist deutscher Staatsangehöriger, der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) lebt und einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Er ist Vater des 1996 geborenen Kindes T, das von Juli 2011 bis Februar 2012 in Großbritannien im Haushalt der von dem Kläger geschiedenen Kindsmutter lebte. Die Kindsmutter ist deutsche Staatsangehörige. Britische Familienleistungen bezog sie nicht.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte einen Antrag des Klägers auf Kindergeld für T für den Zeitraum ab Juli 2011 ab, da die Kindsmutter vorrangig kindergeldberechtigt sei. Den dagegen eingelegten Einspruch wies sie im Mai 2012 zurück. Die daraufhin erhobene Klage wurde später teilweise für erledigt erklärt. Das Finanzgericht (FG) hat insoweit die Erledigung festgestellt. Für den Zeitraum von Juli 2011 bis Januar 2012 gab es der Klage mit Urteil vom 19. März 2013 1 K 121/12 statt. Dagegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision.

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache Trapkowski, C-378/14 ausgesetzt. Nach Veröffentlichung des EuGH-Urteils Trapkowski vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2015, 1501) hat der Senat das Verfahren wieder aufgenommen und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich zu dem EuGH-Urteil zu äußern. Die Familienkasse ist der Auffassung, der EuGH habe ihren Rechtsstandpunkt bestätigt.

Die Familienkasse beantragt,

das FG-Urteil aufzuheben, soweit die Familienkasse verpflichtet wurde, Kindergeld festzusetzen, und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er führt aus, die Familienkasse verhalte sich widersprüchlich, da sie anlässlich des Umzugs der Kindsmutter nach Großbritannien die Kindergeldfestsetzung zugunsten der Kindsmutter mit der Begründung aufgehoben habe, dass die Kindsmutter nicht mehr anspruchsberechtigt sei. Unionsrechtliche Regelungen seien im Streitfall nicht einschlägig, da sie nur Fälle der Anspruchskonkurrenz zwischen Familienleistungen unterschiedlicher Mitgliedstaaten regelten, im Streitfall aber nur ein Anspruch auf deutsche Familienleistungen bestehe.

Entscheidungsgründe II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG-Urteil verletzt § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG). Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes.

1. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsakts (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Anlage 1) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ... - Familienkasse eingetreten (s. dazu Senatsurteil vom 19. September 2013 V R 25/12, BFH/NV 2014, 322, Rz 11 f.).

2. Der Kläger ist zwar kindergeldberechtigt, weil er in Deutschland lebt und Vater eines Sohnes ist, der im Streitzeitraum seinen Wohnsitz in Großbritannien hatte (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG) und für den ein Anspruch auf Kindergeld besteht (§ 32 Abs. 3 EStG).

Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes; denn mit Blick auf das Unionsrecht ist nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG die Kindsmutter vorrangig anspruchsberechtigt.

a) Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

b) Eine Person hat nach Art. 67 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 883/2004) --wie hier der Kläger nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 883/2004-- Anspruch auf Familienleistungen (wie hier Kindergeld nach Art. 1 Buchst. z, Art. 3 Abs. 1 Buchst. j VO Nr. 883/2004) nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats (hier: Deutschland gemäß Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO Nr. 883/2004) auch für Familienangehörige, die zwar in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, die aber so behandelt werden, als wohnten sie im zuständigen Mitgliedstaat. Denn bei der Anwendung von Art. 67 und 68 VO Nr. 883/2004 ist nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 987/2009) die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle Beteiligten --insbesondere was das Recht zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt-- unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats (hier: Deutschland) fallen und dort wohnen (dazu eingehend EuGH-Urteil Trapkowski, EU:C:2015:720, DStRE 2015, 1501).

Diese Fiktion führt dazu, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht dem in Deutschland, sondern dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. dazu im Einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Februar 2016 III R 17/13, BFHE 253, 134, BStBl II 2016, 612).

c) So verhält es sich im Streitfall: T lebte im Haushalt der ebenfalls kindergeldberechtigten Kindsmutter, so dass der Kläger gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG keinen Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes hat. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 987/2009 bereits über Art. 67 VO Nr. 883/2004 anwendbar und setzt keine Konkurrenzsituation nach Art. 68 VO Nr. 883/2004 voraus (EuGH-Urteil Trapkowski, EU:C:2015:720, DStRE 2015, 1501, Rz 35 ff.; BFH-Urteil vom 10. März 2016 III R 62/12, BFHE 253, 236, BStBl II 2016, 616, Rz 21).

bb) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Familienkasse anlässlich des Umzugs der Kindsmutter nach Großbritannien die Rechtsauffassung vertreten hat, dass die Kindsmutter nicht mehr anspruchsberechtigt sei. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 der Abgabenordnung --AO--) gebietet der Familienkasse grundsätzlich, eine als unrichtig erkannte Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzugeben. Eine Bindung an eine als unrichtig erkannte Rechtsauffassung kommt nur unter besonderen Bedingungen in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2012 IV R 37/10, BFH/NV 2013, 910, Rz 37 f.), die hier nicht gegeben sind. Insbesondere kann in der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gegenüber der Kindsmutter keine verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) hinsichtlich der Kindergeldberechtigung des Klägers gesehen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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