19 W (pat) 20/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 20/16 Verkündet am 10. Januar 2018
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2009 040 213.6 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dr.-Ing. Kapels ECLI:DE:BPatG:2018:100118B19Wpat20.16.0 beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H 02 N des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 7. September 2009 eingereichte Patentanmeldung 10 2009 040 213.6 mit der Bezeichnung „Stromgenerator auf Wärmebasis“ mit Beschluss vom 15. April 2016 mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand der Anmeldung sei keine Erfindung im Sinn des § 1 PatG, weil es an der erforderlichen Realisierbarkeit im Hinblick auf seine Funktion fehle.
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit am 19. Mai 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und gleichzeitig – sinngemäß – beantragt,
ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und die unterzeichnende Rechtsanwältin O… in N…, beizuordnen.
Durch Beschluss vom 21. März 2017, dem Anmelder zugestellt am 12. April 2017, hat der Senat diese Anträge zurückgewiesen.
Der Anmelder hat daraufhin die Beschwerdegebühr am 10. Mai 2017 entrichtet.
In der mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2018 beantragt der Anmelder:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2016 aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibung, Seiten 1/4, 2/4, 4/4, sowie 3 Blatt Zeichnungen, Bild 1 bis 3, jeweils vom Anmeldetag 7. September 2009 hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung, Seiten 1/4, 2/4, 4/4, sowie 3 Blatt Zeichnungen, Bild 1 bis 3, jeweils vom 2. November 2012.
Der Patentanspruch 1 vom Anmeldetag 7. September 2009 (Hauptantrag) lautet:
Vorrichtung zur Umwandlung von Wärme in Elektrizität durch Simulation natürlicher, thermodynamischer Vorgänge bei gleichzeitiger Nutzung des Wassers als Arbeitsmedium bestehend aus:
einem hermetisch geschlossenen Druckkessel (1), der im oberen Bereich eine Öffnung aufweist, die einen Druckregler (4) und eine an ihn funktionsmäßig angeschlossene Zerstäubungsdüse (3) luftdicht aufnimmt und, der in im unteren Bereich seines Inneren einen Wärmetauscher enthält, der nach außen über zwei Leitungen, Vor- und Rücklaufleitungen, mit dem thermischen Solarmodul (2) verbunden ist, einer weiteren, dicht eingebauten Versorgungsleitung (19), sowie einem über dem Druckkessel (1) senkrecht stehenden, sich von unten nach oben verjüngenden Trichter (6), mit zwei offenen, für Strömung freien Durchzug gewährenden Enden (10) und (11), der oberhalb der Zerstäubungsdüse (3) einen aufladbaren Plattenkondensator (8) lotrecht aufnimmt und einer Basisplatte (15), in der der Druckkessel (1) sowohl nach unten als auch seitlich in einer Wärmedämmung (21) eingebettet ist, und einem Wärmetauscher (12), der in Form einer nach außen wärmegedämmten Haube ist, die dicht über der Basisplatte (15) steht und deren Inhalt großräumig umschließt.
Der Patentanspruch 1 vom 2. November 2012 (Hilfsantrag) lautet:
Vorrichtung zur Umwandlung von Wärme in Elektrizität durch Simulation natürlicher, thermodynamischer Vorgänge bei gleichzeitiger Nutzung des Wassers als Arbeitsmedium bestehend aus: einem hermetisch geschlossenen Druckbehälter (1), der im oberen Bereich eine Öffnung aufweist, die einen auf Druck reagierenden, strömungsbestimmenden Druckregler (4) und eine an ihn durchströmbar angeschlossene Düse (3) dicht aufnimmt und, der im unteren, inneren Bereich einen Wärmetauscher enthält, der nach außen über zwei Leitungen, Vor- und Rücklaufleitungen, mit einer Wärmequelle, z.B. Solarmodul (2) verbunden ist, einer weiteren, dicht eingebauten Versorgungsleitung (15), sowie einem über dem Druckbehälter (1) senkrecht stehenden, sich von unten nach oben verjüngenden Trichter (6), mit zwei offenen, der Strömung freien Durchzug gewährenden Enden, einer vom Trichter (6) mit Abstand umgebenen Düse (3) und einer Basisplatte (12), in der der Druckbehälter (1) nach außen hin in Wärmedämmung (18) eingebettet ist, und einem Wärmetauscher (9), der nach außen mit einer wärmedämmenden Haube überzogen ist, die dicht auf der Basisplatte (12) steht und die Vorrichtung dicht umschließt.
Der Erfindung liegt laut Beschreibungseinleitung (Seite 1, Zeilen 17 bis 19) die Aufgabe zugrunde, eine leistungsfähige Vorrichtung zur Umwandlung der Wärme wie der solarthermischen Energie in elektrischen Strom nach Vorbild natürlicher Vorgänge zu schaffen, die viele Vorteile in sich vereint und Nachteile anderer Verfahren meidet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da die Lehre der Anmeldung technisch nicht brauchbar ist. Sie verstößt gegen allgemein anerkannte Regeln der Physik und ist daher keine Erfindung i. S. v. § 1 PatG (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1984 – X ZB 5/84, BlPMZ 1985, 117 – Energiegewinnungsgerät).
2. Die vermeintliche Erfindung beschäftigt sich mit der Umwandlung von thermischer, insbesondere solarthermischer Energie in elektrische Energie, wobei die Nachteile die bei Photovoltaikanlagen vorlägen, vermieden werden sollen.
Bei diesem Sachverhalt ist als Fachmann ein Diplom-Physiker oder ein promovierten Physiker anzunehmen, der nach neuen technischen Anwendungsmöglichkeiten der Thermodynamik sucht.
3. Physikalische Betrachtungen
3.1 Selbst wenn die thermodynamischen und kinematischen Annahmen des Anmelders stimmen würden, könnte der Vorrichtung keine elektrische Energie entnommen werden.
Schon die Annahme, elektrische geladene Teilchen würden an den Kondensatorplatten des Plattenkondensators 7 entlanggleiten (Beschreibung, Seite 2, Zeilen 56 bis 59), ist anhand der Unterlagen nicht nachvollziehbar. Vielmehr nimmt der Fachmann an, die Teilchen würden sich an den Kondensatorplatten anlegen und so einer daran angeschlossenen Stromquelle Energie entnehmen. Allenfalls würde er bei einer genügend hohen Strömungsgeschwindigkeit erwarten, dass ein Teil der Ionen über den Bereich des Plattenkondensators hinausgelangt. Weshalb sich die Ionen von dem als Kondensator dargestellten „Ableiter 8“ einfangen lassen sollten, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, da sich ein Kondensator nach außen elektrisch neutral verhält.
3.2 Nach Überzeugung des Senats liegt der grundlegende Denkfehler des Anmelders jedoch in der Missachtung des Impulserhaltungssatzes. Die kinetische Energie eines Körpers berechnet sich aus seiner Masse und seiner Geschwindigkeit:
Ekin = ½ m × v²
Stoßen zwei Körper mit den Massen m1, m2 elastisch aufeinander, gilt laut Impulserhaltungssatz:
m1 × v1 + m2 × v2 = m1 × c1 + m2 × c2 wobei v1, v2 die Geschwindigkeiten vor dem Stoß und c1, c2 die Geschwindigkeiten nach dem Stoß sind.
Entscheidend ist also, dass bei der Berechnung des Impulses stets Masse und Geschwindigkeit desselben Körpers miteinander multipliziert werden. Der Gesamtimpuls beider Körper ist nach dem Stoß kein anderer als zuvor.
Soweit der Anmelder meint, durch einen Stoß zwischen einem langsamen, schweren Sedimentteilchen und einem leichten, schnell rotierenden H2O-Teilchen würde den Wassermolekülen ein Elektron entrissen; die dafür erforderliche Energie ergäbe sich aus der Multiplikation der Umfangsgeschwindigkeit des H2O-Teilchen und der Masse des Sedimentteilchens, bewegt er sich außerhalb der allgemein anerkannten Regeln der Physik.
Aufgrund welcher Angaben in der von dem Anmelder eingereichten Anlagen er zu dem Ergebnis gelangt, die vom Senat zitierten Formeln betreffend die kinetische Energie sowie den Impulserhaltungssatz würden zu falschen Ergebnissen führen, ist nicht nachvollziehbar, da keine Diskrepanzen zwischen den Ausführungen des Senats und dem Inhalt der Anlage 2 zum Schreiben des Anmelders vom 8. Mai 2017 zu erkennen sind.
Somit kann es nicht gelingen, mit der zum Patent angemeldeten Vorrichtung, die einleitend im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag behauptete Wirkung, Wärme in Elektrizität durch Simulation natürlicher, thermodynamischer Vorgänge bei gleichzeitiger Nutzung des Wassers als Arbeitsmedium umzuwandeln, zu erzielen. Daher ist die schon von der Prüfungsstelle getroffene Schlussfolgerung richtig, dass es an der Realisierbarkeit der Erfindung fehlt, weil die Lehre objektiv nicht realisierbar ist (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Auflage, § 1 Rdn 35).
Deshalb ist auf Grundlage der Unterlagen gemäß Hauptantrag eine Patenterteilung nicht möglich.
4. Da den Unterlagen gemäß Hilfsantrag die gleichen, nach Überzeugung des Senats, unzutreffenden physikalischen Überlegung zugrundliegen, gelten die vorstehenden Ausführungen auch für den Hilfsantrag.
Deshalb ist auch auf Grundlage der Unterlagen gemäß Hilfsantrag eine Patenterteilung nicht möglich.
5. Somit war die Beschwerde des Anmelders zurückzuweisen.
6. Da dem Hilfsantrag aus Gründen nicht stattgegeben wurde, zu denen dem Anmelder vollumfänglich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, war der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Nachlass einer Schriftsatzfrist zur Äußerung auf die dort vom Senat vorgehaltene unzulässige Erweiterung in den geltenden Unterlagen zurückzuweisen. Die Frage, ob die mit Schreiben vom 2. November 2012 eingereichten Patentansprüche über den Umfang der Anmeldung, in der diese ursprünglich eingereicht worden ist, hinausgehen (§ 38 PatG), war für die getroffene Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde nicht relevant. Eine Stellungnahme zu diesem Sachverhalt hätte daher zu keinem anderen Ergebnis führen können.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Kapels Ko