RiSt 1/21
BUNDESGERICHTSHOF RiSt 1/21 BESCHLUSS vom 16. November 2023 in dem Disziplinarverfahren ECLI:DE:BGH:2023:161123BRIST1.21.0 Das Dienstgericht des Bundes hat am 16. November 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Pamp, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Harsdorf-Gebhardt und Dr. Menges, die Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof Hübner und den Richter am Bundesfinanzhof Prof. Dr. Nöcker beschlossen:
Die auf den 12. Mai 2023, 17. Mai 2023, 3. Juni 2023, 8. Juni 2023, 9. Juni 2023 und 16. Juni 2023 datierten Ablehnungsgesuche der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Pamp, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Harsdorf-Gebhardt und Dr. Menges, die Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof Hübner und den Richter am Bundesfinanzhof Prof. Dr. Nöcker werden als unzulässig verworfen.
Die Anträge der Beklagten auf Tatbestandsberichtigung und Ergänzung des Urteils des Senats vom 4. Mai 2023 werden als unzulässig verworfen.
Die Anhörungsrügen der Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 4. Mai 2023 und gegen das Urteil des Senats vom 4. Mai 2023 werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Urteil des Senats vom 4. Mai 2023 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe: 1 Die von der Beklagten mit Schriftsätzen vom 12. Mai 2023, 17. Mai
2023, 3. Juni 2023, 8. Juni 2023, 9. Juni 2023 und 16. Juni 2023 gestellten Anträge haben ebenso wie ihre Nichtigkeitsklage keinen Erfolg.
I. 2 Soweit die Beklagte erneut eine vermeintliche Befangenheit der Mitglieder des Senats geltend macht, sind ihre Gesuche offensichtlich unzulässig. Sie enthalten lediglich Ausführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 2019 - 2 BvR 910/19, juris Rn. 10 und vom 6. Oktober 2020 - 2 BvC 32/19, juris Rn. 8). Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterinnen und Richter; diese sind auch nicht von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 153, 72, 73 Rn. 2; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2023 - 1 BvR 902/23, juris Rn. 1; stRspr).
II.
Die von der Beklagten gemäß § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, §§ 119, 120 VwGO gestellten Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Ergänzung des Senatsurteils vom 4. Mai 2023 sind unzulässig.
1. Die Tatbestandsberichtigung nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 119 VwGO ist vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die urkundliche Beweiskraft, die dem Tatbestand nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 173 Satz 1 VwGO, § 314 Satz 1 ZPO zukommt, zugelassen worden. Es soll verhindert werden, dass infolge dieser Beweiskraft ein unrichtig beurkundeter Prozessstoff Grundlage der Entscheidung wird. Deshalb unterliegt der Tatbestand eines nicht anfechtbaren Urteils grundsätzlich nicht der Tatbestandsberichtigung gemäß § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 119 Abs. 1 VwGO (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. März 2022 - RiZ 6/20, juris Rn. 3 und vom 22. Juni 2022 - RiZ 2/16, juris Rn. 4); anderes gilt nur, soweit ein solches Urteil urkundliche Beweiskraft entfaltet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 9 A 10.20, juris Rn. 2).
Dabei erstreckt sich die Beweiskraft des Tatbestands schon nach dem Wortlaut des § 314 Satz 1 ZPO nur auf das mündliche Parteivorbringen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2018 - 4 B 63.17, juris Rn. 4). Die Beklagte, die trotz des ihr nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 102 Abs. 2 VwGO erteilten Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erschienen ist, hat dort mündlichen Vortrag nicht gehalten und Anträge nicht gestellt. Deshalb entfaltet der Tatbestand des Senatsurteils vom 4. Mai 2023 insoweit nach § 314 Satz 1 ZPO auch keine Beweiskraft. Kann aber dem Zweck einer Tatbestandsberichtigung - Beseitigung der Beweiskraft - nicht entsprochen werden, fehlt es dem Antrag an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Senatsbeschlüsse vom
3. März 2022 - RiZ 5/20, juris Rn. 1 ff. und - RiZ 6/20, juris Rn. 1 ff. sowie vom 22. Juni 2022 - RiZ 2/16, juris Rn. 5; BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 2014 - 8 C 16.12, juris Rn. 20 und vom 10. Oktober 2018 - 6 A 3.16, juris Rn. 5; BFH, Beschluss vom 21. September 2021 - X S 22/21, juris Rn. 3).
Das gilt auch, soweit die Beklagte der Auffassung ist, ihr schriftsätzliches Vorbringen sei vom Senat zu knapp oder entstellend wiedergegeben und nicht hinreichend gewürdigt worden, und sie parallel zum Tatbestandsberichtigungsantrag eine Anhörungsrüge gemäß § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 152a VwGO erhoben hat. Eines Tatbestandsberichtigungsantrags bedarf es nicht zur Substantiierung einer Gehörsverletzung (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - 6 A 3.16, juris Rn. 5; siehe auch BFH, Beschluss vom 21. September 2021 - X S 22/21, juris Rn. 9). Im Falle einer Verfassungsbeschwerde der Beklagten wäre das Bundesverfassungsgericht an Feststellungen des Senats nicht gebunden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. März 2022 - RiZ 6/20, juris Rn. 3 und vom 22. Juni 2022 - RiZ 2/16, juris Rn. 6; BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2013 - 2 C 6.11, NVwZ 2013, 1237 Rn. 5 und vom 12. März 2014 - 8 C 16.12, juris Rn. 22).
2. Der Antrag der Beklagten auf Ergänzung des Senatsurteils vom 4. Mai 2023 nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 120 VwGO ist unzulässig. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird. Eine Ergänzung ist hier ausgeschlossen, weil kein nach dem Tatbestand von der Beklagten gestellter Antrag bei der Entscheidung übergangen worden ist. Die Beklagte verlangt in der Sache vielmehr die Richtigstellung einer von ihr für falsch gehaltenen Entscheidung. Dazu aber dient das Verfahren nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 120 VwGO ebenso wenig wie das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 152a VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2018 - 2 C 36.16, NVwZ-RR 2018, 592 Rn. 4 ff., 8).
III.
Die Anhörungsrügen der Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 4. Mai 2023 und gegen das Urteil des Senats vom 4. Mai 2023 sind unbegründet. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Senat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Insbesondere hat sich der Senat in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 eingehend mit dem Vorbringen der Beklagten befasst.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen; die Gerichte sind nicht verpflichtet, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Dies gilt auch für die Entscheidung über die Anhörungsrüge gemäß § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 152a VwGO (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. März 2022 - RiZ 5/20, juris Rn. 1 und - RiZ 6/20, juris Rn. 1 sowie vom 22. Juni 2022 - RiZ 2/16, juris Rn. 9).
Damit erledigt sich der auf § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 152a Abs. 6, § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestützte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Senatsurteils vom 4. Mai 2023 (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2012 - RiZ(B) 7/13, juris Rn. 9). Anlass, "das Verfahren auszusetzen", hat der Senat nicht.
IV.
Die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Urteil des Senats vom 4. Mai 2023, mit der sie sich "nur indirekt zugleich auch gegen den [in] der mündlichen Verhandlung" bekanntgegebenen Beschluss des Senats vom 4. Mai 2023 wendet, ist unzulässig.
Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten der Sache nach auf § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 173 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage im richterdienstgerichtlichen Disziplinarverfahren statthaft ist. Nach § 63 Abs. 1 DRiG gelten für das Verfahren in Disziplinarsachen zunächst die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes sinngemäß. § 71 BDG formuliert grundsätzlich abschließend, aus welchen Gründen die Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Disziplinarverfahrens zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 2 A 2.08, juris Rn. 16). Eine Regelungslücke, die eine Anwendung der § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO im richterdienstgerichtlichen Disziplinarverfahren erlaubte, besteht nicht (nur zum Landesrecht anders OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. April 2016 - 3 A 10151.16, NVwZ-RR 2017, 152 Rn. 17).
Jedenfalls hat die Beklagte einen Nichtigkeitsgrund nicht in dem für die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage erforderlichen Maße dargelegt, § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG, § 153 VwGO, § 578 Abs. 1, § 589 Abs. 1 ZPO. Der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist nach dem Vorbringen der Beklagten nicht gegeben, weil die Ablehnungsgesuche der Beklagten gegen die Mitglieder des Senats erfolglos geblieben sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2016 - III ZR 461/15, NJW-RR 2016, 1406 Rn. 11 ff.). Eine im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts wäre - die Anwendung dieses Nichtigkeitsgrunds neben
§ 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterstellt - nur dann anzunehmen, wenn die Mitglieder des Senats nicht ordnungsgemäß bestellt worden wären oder tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hätten vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 2019 - 5 PB 18.18, juris Rn. 10 zu § 547 Nr. 1 ZPO). Für all das ergeben sich aus dem Vorbringen der Beklagten, auf das der Senat schon vielfach eingegangen ist, keine Hinweise, was der Beklagten aus der Vielzahl der sie betreffenden Entscheidungen des Senats hinlänglich bekannt ist. Das gilt auch, soweit die Beklagte eine Verletzung des gesetzlichen Richters unter dem Aspekt des Unterlassens einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Gerichtshof der Europäischen Union geltend macht. Im Übrigen wäre die Nichtigkeitsklage auch nicht statthaft (vgl. nur BFH, Urteil vom 10. Oktober 2023 - IX K 1/21, Rn. 16, m.w.N.).
Über die unzulässige Nichtigkeitsklage entscheidet der Senat durch Beschluss. Die Verweisung in § 585 ZPO auf die "allgemeinen Vorschriften" des Zivilprozessrechts bezieht sich schon im direkten Anwendungsbereich des § 153 VwGO nicht auf die Form der Entscheidung, die sich schon dort allein aus der Verwaltungsgerichtsordnung ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 9 B 4.18, NVwZ-RR 2018, 787 Rn. 4). Für das Revisionsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist anerkannt, dass ein unzulässiger Nichtigkeits- und Restitutionsantrag in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss verworfen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2016 - 1 A 12.16, juris Rn. 8).
Entsprechendes gilt auch hier. Zwar hat der Senat mit Urteil vom 4. Mai 2023 aufgrund mündlicher Verhandlung in einem erstinstanzlichen Verfahren entschieden. Der Verweis in § 63 Abs. 1 DRiG, § 3 BDG auf die sinngemäße Geltung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung in Disziplinarverfahren erlaubt eine entsprechende Anwendung des § 144 Abs. 1 VwGO allerdings auch hier, weil die Nichtigkeitsklage außerordentlicher Rechtsbehelf zur Vorbereitung einer Verfassungsbeschwerde ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2021 - 1 BvR 2731/19, juris Rn. 4 f.).
Wiederaufnahmegründe nach § 63 Abs. 1 DRiG, § 71 BDG hat die Beklagte innerhalb der Dreimonatsfrist und in der nach § 63 Abs. 1, § 73 Abs. 1 BDG vorgeschriebenen Form nicht vorgetragen.
Pamp Hübner Harsdorf-Gebhardt Dr. Menges Prof. Dr. Nöcker